Beiträge von Amdap im Thema „Schlechtes Gewissen/Frage an Erfahrene“

    An Glauben und Achtsamkeit lässt sich arbeiten, aber die Last des bereits aufgetretenen Scheiterns bleibt und jedes weitere Scheitern führt zu einer weiteren Anhäufung von Last. Wie mit letzterem umzugehen ist, kann ich in einem buddhistischen Anfängerforum nicht sagen.

    Ich sehe, dass christophgm bei dieser Diskussion doch ziemlich ins Hintertreffen kommt.

    Wir wollen hier ja nicht über verschiedene Sichtweisen sprechen, sondern wie es uns damit geht, vermeintlich die Silas zu überschreiten - was das sogenannte schlechte Gewissen betrifft!

    christophgm, ich glaube, Du kannst momentan schon nicht mehr so zufrieden sein über die Antworten. Deine Frage war ja, wie wir damit umgehen und welche Erfahrungen wir damit gemacht haben!

    Was sagst Du denn zu dem bisherigen Verlauf hier?


    Und jetzt habe ich noch mal ganz bewusst SteFo zitiert, denn hier kann ich nicht zustimmen.

    Nach meiner Erfahrung wird ein äußerlich angesehenes Scheitern weniger als Scheitern empfunden, je weiter man an Achtsamkeit und Vertrauen (im Buddhismus geht es mehr um Vertrauen als um Glauben) fortgeschritten ist.

    Das sehe ich nicht so. SteFo geht so weit wie möglich in der Entwicklung von Logik zurück und versucht einen Weg zu finden zu einer für ihn wirklichen Sicht der Welt die ihn umgibt. Ich stimme mit diesem Weg überein, doch mein Ansatz ist auch ein anderer, ich versuche die Welt von einem Ort zu verstehen, an der "Welt" nicht ist. Natürlich bleibt man dabei immer mal hängen.

    Das widerspricht meiner Aussage keinesfalls!

    Gleichwohl haben wir uns, was die Philosophie/ die Geisteswissenschaft betrifft, doch um einige Ansätze weiterentwickelt (da hier von "Ansatz" die Rede ist).

    Jedoch, ein antikisches Weltbild ist nicht automatisch ungültig, weil man das modernere bevorzugt; vielmehr ist es so wie in den Natur- und Geschichtswissenschaft: das Jüngere und Neuere baut auf dem Älteren auf.

    Es scheint, als ob SteFo 's Ausführungen auf der sogenannten Philosophie der Vernunft, Epoche der Aufklärung, basieren, deren Anfänge schon im späten 17. Jahrhundert zu finden sind.

    Heute weiß man ja, dass diese Denkweise nur als eine von vielen Wegen zu betrachten ist. Sie hängt mit der damaligen rasant fortschreitenden Industrialisierung und Automatisierung zusammen. Es ist eine bestimmte Sichtweise, die auf einer materialistischen Einstellung fußt, und berücksichtigt nicht die feinen, subtilen Geistesbewegungen, die viel übergeordneter wirken, als wir es selbst heute erahnen können.

    Man sollte daher SteFo 's Überlegungen als eine überwiegend veraltete Sichtweise betrachten.

    Das könnte man, liebe Monika, wohl kaum besser kommentieren als Du hier!


    Ich bin sehr froh, dass Du es noch hinzugefügt hast.


    Sich von religiösen Autoritäten ein schlechtes Gewissen einimpfen zu lassen, ist nur für die andere Seite von Vorteil, nicht für einen selbst.

    Denn die andere Seite erwartet, dass man zu ihnen kommt und Hilfe braucht.

    Und genau wie Du sagst, birgt das auch latenten Hass in sich, ganz klar die Ursache für Gewalt und Kriege.

    In vielfacher Weise hat man sich dann abhängig gemacht von solchen selbsternannten Führungsgestalten, und das Verhängnis nimmt seinen Lauf.


    Wir sollten in uns hineinhorchen und schauen: woher kommen diese Drehungen und Windungen, diese Knoten im Gehirn und Verkrampfungen?

    Eine gründliche (Selbst-)Analyse ist da außerordentlich wichtig.

    Wir können uns nur selbst aus diesem inneren Sumpf wieder herausziehen.

    Noch was Interessantes:


    Vor ca. 25 Jahren gab es mal eine Mottenseuche in meiner Wohnung.

    Das fing damit an, dass gelegentlich eine Motte im Wohnzimmer herumflatterte und ich mich bemühte, sie einzufangen und auf dem Balkon wieder herauszulassen: das liebe Tierchen! Bei jedem Vorfall lief ich besorgt hinter der Motte her, um sie zu retten und dann herauszulassen.

    Aber dann ging der Schuss nach hinten los. Schon seit Jahrzehnten backe ich mein Brot selbst und kaufe auch keine Fertigprodukte, aber damit hängt zusammen, dass ich in meiner Küche viele unterschiedlichste Vorratsprodukte lagere.

    Plötzlich beobachtete ich einen Befall, dann noch einen und noch einen, und zuletzt sah ich selbst in meinen Albträumen nur noch Würmer. Ich muss Euch nicht beschreiben, was für ein Ausmaß das angenommen hatte! Es war einfach nur noch eklig und unhygienisch. Zuletzt saßen einige sogar in meinem Bastelzimmer in Deko-Kiefernzapfen, die ich vom Himalaya mitgebracht hatte (mein Gehör war inzwischen geschärft und ich hörte sie sogar darin fressen!).

    Zuletzt rastete ich aus und tat alles, um diese Ungeziefer zu vernichten. Dazu studierte ich erstmal den Lebenszyklus von Motten. Ich stellte Pheromon-Fallen auf; leider fliegen auf diese nur Männchen, aber immerhin, man bekommt einen Überblick über das Ausmaß und man kann nur hoffen, dass das Männchen zuerst auf die künstliche Pheromonfalle fliegt, bevor es sich besinnt, auf eine natürliche Falle, ein Weibchen, zu fliegen.

    Auch muss man wissen: ist eine Motte frisch aus ihrer Verpuppung geschlüpft, dann frisst sie nicht mehr. Sie lebt dann noch zwei Wochen und "hofft", in diesem Zeitraum für die Fortpflanzung sorgen zu können, bevor sie eines natürlichen Todes stirbt. Sie denkt also in diesen zwei Wochen nur an die Fortpflanzung und sonst nichts.

    So ganz hundertprozentig schaffte ich es nicht, der Seuche Herr zu werden, denn im nächsten Jahr gab es bei mir noch mal einen Mottenbefall viel kleineren Ausmaßes. Aber dann hatte ich es doch geschafft - durch hartnäckiges Durchhaltevermögen.

    Von dieser Zeit an beobachtete ich alles mit Argusaugen, was in meiner Wohnung unerwünscht kreuchte und fleuchte, und ich handle immer sofort.

    Inzwischen bin ich Spezialistin in Vorsorge- und Schutzmaßnahmen.

    Nebenbei bemerkt: glaubt ja nicht, dass ein Vorratsglas mit Twist-Off-Deckel vor Motten schützt! Vielmehr helfen da nur Spezialverschlüsse, z. B. solche Spannklammern am Deckel, und mit Gummiring. Hat man solche Sicherheitsdeckel nicht zur Verfügung, so hilft nur noch, das Vorratsprodukt mehrfach einzupacken (z. B. Dose in der Dose, oder zusätzlich in dreifacher Plastiktüten-Schicht).


    Wenn ich also irgend einen Befall, was auch immer es sei, beobachte, oder wie er sich anbahnen könnte, reagiere ich schnellstens.

    Dabei habe ich auch überhaupt kein schlechtes Gewissen, damit ist es schon lange vorbei.

    Und einmal aus philosophischer Sicht betrachtet:

    Würde man glauben, dass man zur Strafe, weil man solche Anfänge entfernt hat, im nächsten Leben zu einer Motte wird oder Ähnlichem, undzwar so oft, wie man für die Eliminierung sorgt, dann würde man aus diesem Kreislauf überhaupt nicht mehr herauskommen, und nicht nur das: die Chance einer menschlichen Existenz, die beinhaltet, in Bodhisattva-Weise ein mitfühlender Begleiter zu sein, wäre verwirkt. Diese Art Solches zu glauben, ist Aberglaube in schwerer Form, der - bei psychischer Labilität - in eine Psychose einmünden kann!

    Also, man sieht schon: so kann es nicht gemeint sein.

    Wir müssen immer realistisch bleiben. Eine Motte würde nach spätestens 2 Wochen sowieso sterben, und sie "denkt nur an Sex". Hilft man also zu verhindern, dass sie unzählige Eier legt, aus denen weitere Individuen schlüpfen, denen aufgrund ihrer Existenzform die Erleuchtung versagt ist, so ist es besser, den Bestand in Schach zu halten. Am besten auf die Weise, dass die vorbereitenden Maßnahmen greifen, so dass es gar nicht erst zu einer massenhaften Vermehrung kommt.


    Ich bin sehr froh, dass ich, obwohl ich mittlerweile die Gartenvögel ganzjährig füttere, keinen Mottenbefall mehr habe!

    Und übrigens: die Gartenvögel brauchen während der Aufzucht ihrer Jungen unbedingt Eiweiß-Zusatzkost. Bekommen sie nur pflanzliche Kost, so kann es zu Mangelernährung des Nachwuchses kommen. So kaufte ich also einmal eine große Tüte getrockneter Mehlwürmer für die Kleinen.

    Sicherheitshalber fragte ich einmal den Lama (siehe oben, mein Beitrag #17), welche Einstellung die tibetische Geistlichkeit dazu hat. Da antwortete er: getrocknete Mehlwürmer seinen völlig o.k., das Futter darf nur nicht lebendig sein.

    Ein schlechtes Gewissen aufgrund Fleischessens kann auch ein zu starkes Kreisen um das Ego ausmachen.


    Und dann habe ich noch etwas Amüsantes erlebt.

    Auf dem Rückweg vom Kamalashila-Institut (Eifel) nach Hause (Nähe Hamburg) nahm ich den einen der beiden Lamas mit, um ihn nach Hamburg-Altona zu bringen, wo er am Wochenende Belehrungen im Kagyü-Zentrum TTC zu halten hatte.

    Unterwegs, als es Mittag war und übrigens ein sehr warmer Tag, wollte ich ihm unbedingt den besonderen Rasthof Dammer Berge zeigen, weil man dort im Restaurant direkt über der Autobahn sitzt und die Autos unter einem hindurchbrausen. Der Lama bestellte sich ein äußerst deftiges und im Magen schwer liegendes Mahl, nämlich Grünkohl mit fetten Würsten (und das bei der Wärme!, denn bei uns isst man sowas normalerweise nur im Winter). Ich dagegen bestellte etwas sehr Leichtes, Vegetarisches. Es war bestimmt auch ein komischer Anblick, der Lama, vor sich so eine deftige Schlachtplatte, und ich dabei.

    Da gingen mir natürlich viele Gedanken durch den Kopf, aber ich tat so, als wäre alles easy und normal. Auch vermied ich es, meinen Stielaugen-Blick auf seinem Teller ruhen zu lassen. Vielmehr betonte ich, wie besonders dieses Restaurant doch sei.


    Wir Westler denken, wenn wir Buddhisten sind, müssen wir Vegetarier sein, tibetischen Lamas dagegen ist das von ihrer Tradition her fremd, denn die Völker, denen sie entstammen, leben im Gebirge und Hochgebirge, wo das Fleischessen völlig normal, ja sogar überlebenswichtig ist. Meistens können sie auch gar nicht so viel rohes Obst und Gemüse vertragen wie wir. Schließlich haben sie im Laufe der vielen Jahrtausende ein anderes Genmuster entwickelt: während wir ca. 2 % Neandertaler-Gene besitzen, haben jene 5 % Denisova-Gene, die ihnen helfen, das Leben im Hochgebirge besser zu vertragen als wir. Diese Gedanken sollten wir im Hinterkopf haben, damit man in einer solchen Situation, in der ich damals mit dem Lama war, nicht auf dumme Gedanken kommt.


    Ich meine damit: wenn wir dazu neigen, aufgrund Fleischessens usw. ein schlechtes Gewissen zu bekommen, und dann aber so etwas erleben wie ich, wie hier beschrieben, dann könnten unweigerlich Gedanken aufkommen: ich esse vegetarisch, aber der Lama, was ist denn mit dem los?, der ist wohl schwach geworden, weil er auf Reisen ist, und nun lässt er die Sau 'raus und isst Fleisch!

    Versteht Ihr, was ich meine? Einerseits das Essen von Fleisch für sich selbst als schlechte Handlung ansehen, andererseits auf den Lama herabsehen, weil er Fleisch isst ...

    Das sind zwei Seiten von ein und derselben Sache, nämlich die, dass das Denken viel zu viel um das Ego kreist, verbunden damit, dass man sich für etwas Besseres hält als Andere.


    Und dann fängt es im Kopf an zu rattern.

    Sich selbst als getrennt von Anderen zu empfinden verhindert die Entfaltung von Mitgefühl.

    Daher sollten wir ganz entspannt sein. Offen und entspannt. Und in sich hineinhorchen.

    Und wenn wir mal die Handlungen von Anderen nicht verstehen, weil wir den ganzen Kontext nicht kennen, dann lassen wir das einfach so stehen und kommen zurück auf unsere innere Entspannung.

    Wenn wir in unserer inneren Mitte ruhen, dann machen wir schon von Natur aus alles richtig und müssen uns weder den eigenen noch die Köpfe der Anderen zerbrechen. Das ist Energieverschwendung. Und dann merkt man, dass ein schlechtes Gewissen nichts anderes ist als ein künstlicher Spuk, der sich nun auf der Stelle auflöst.