Beiträge von Thorsten Hallscheidt im Thema „Rechter Glaube ist vollkommenes Vertrauen (Dainin Katagiri)“

    Wieso denn unverschämt? Du hast doch offenbar einen ungeheuer weiten Horizont, wie die vielfältigen, gerne, ausführlich und fachgerecht dargelegten Informationen in Deinen Beiträgen hinreichend nahelegen. Da ist es nicht leicht, dem noch etwas hinzuzufügen, scheint mir. Daher das "sogar Deinen Horizont".


    Da gebe ich mir die Mühe, in einem kurzen Abriss aufzuzeigen, welche Dogmen seit der ersten Hälfte des 2.Jahrhundert bis heute für alle christlichen Denominationen / "Traditionen" (einschließlich der reformierten) gleich geblieben sind und dann das.


    Ja, sehr gut und sehr informativ. Vielen Dank. Dennoch – und das ist der andere Teil meiner Antwort gewesen: In der christlichen Theologie seit der Reformationszeit (und in mancher Hinsicht auch zuvor) wurde und wird eben auch verstärkt die Frage gestellt, wie Glaubensinhalte interpretiert werden müssen und können, in welchem Kontext sie aufgetreten sind und wie sich dieser Kontext im Laufe der Zeit verändert hat. Wie gesagt: Auch die christliche Theologie besteht nicht aus Dummköpfen. Bei den Protestanten spielen heute Dogmen kaum noch eine Rolle. Und auch in der katholischen Kirche bahnt sich da ein Wandel an.

    Ist das nun christlicher Glaubenseifer oder etwas tiefer sitzendes? Denk mal drüber nach.

    Sehr schön. (:

    Natürlich bleibt jedem belassen, das alles nun mehr oder weniger tatsächlich zu glauben oder persönliche Vorbehalte zu haben und 'picking and choosing' zu betreiben


    Das hat nichts mit 'picking and choosing' zu tun. Unterhalte Dich mal mit einem Pfarrer oder eine Pfarrerin. Es ist in allen Religionen (so auch im Buddhismus) am Ende des Tages die Frage, ob ich einen Sachverhalt wörtlich nehme oder ihn interpretieren und deuten muss, um ihn zu verstehen. Da es sich zum Beispiel bei der Bibel nicht um eine göttliche Offenbarung handelt, sondern um ein Buch, in dem Geschichten von Menschen gesammelt sind, die Erfahrungen mit Gott gemacht zu haben vorgeben, war schon sehr früh die Frage der Auslegung dessen, was da überliefert wurde, zentral. Erst im Laufe der Kirchengeschichte haben sich Dogmen entwickelt, und längst nicht in jeder Tradition die gleichen. Religionen entwickeln sich. Vieles von dem, was im Mittelalter geglaubt wurde, spielt seit der Reformation zum Beispiel keine Rolle mehr. Ich spreche oft mit Christen und solchen, die es einmal waren, über ihren Glauben. Eine befreundete Pfarrerin und ich haben vor nun beinahe 12 Jahren einen sehr inspirierenden und fruchtbaren interreligiösen Gesprächskreis gegründet, in dem solchen Fragen einmal im Monat auch aus der Perspektive der modernen christlichen Theologie nachgegangen wird.


    Man sollte Menschen, die einer anderen Religion angehören, nicht für dumm halten. Die christliche Theologie hat mindestens eine ebenso komplexe, kritische und intelligente Sichtweise auf ihre Glaubensinhalte, wie wir Buddhisten es auf unsere tradierten Quellen haben – obwohl es im Buddhismus zum Teil an der historisch-kritischen Methode noch etwas mangelt. Aber wem erzähle ich das. ;)


    Ein ernstgemeinter Tipp: Unterhalte Dich mal mit einer Theologin, einem Priester oder einer Pfarrerin. Das mag sogar Deinen Horizont noch etwas erweitern.

    Letzterer muss bedingungslos sein, 'blind', notfalls wider alle Vernunft bis hin zum credo quia absurdum - ich glaube, weil (nicht obwohl) es absurd ist. Vertrauen hingegen muss sich als berechtigt erweisen, 'bewähren' - es erfüllt sich im hier und jetzt, nicht in einem transzendenten Jenseits.

    Unter Christen wird das oft genau umgekehrt gesehen. Glauben, im Sinne von Vertrauen und wird abgegrenzt vom "für-wahr-halten" theologischer Behauptungen, das Zweifel fürchtet und bekämpft. Ich kann als Christ also durchaus in Gott vertrauen, ohne beispielsweise die jungfräuliche Geburt für wahr zu halten. Der Zweifel an Dingen, die zunächst unhinterfragt für wahr gehalten werden (Gott als alter Mann mit Bart auf Thron), wird unter Christen als Grundbedingung für das "Erwachsenwerden" des Glaubens gesehen (z.B. Gott als etwas, über das ich nicht sprechen, das ich nur erfahren kann). Das Vertrauen in Gott vollzieht sich für einen Christen ebenfalls im Hier und Jetzt, im Gebet, in der Meditation, in der tätigen Liebe gegenüber dem Nächsten (oder in dem, was ich vom Nächsten an guten Taten empfange) – und nicht etwa in einem himmlischen Jenseits. Das wiederum muss für wahr gehalten werden und ist für Christen ebenso wenig oder viel Motivation des Handelns, wie es für Buddhisten eine gute Wiedergeburt in einem himmlischen Daseinsbereich wäre und sein sollte.


    Als Buddhist kann ich in Buddha vertrauen, weil ich auf dem Weg der Praxis die eine oder die andere Behauptung durch Erfahrung bestätigen kann. (Auch Christen machen Erfahrungen mit etwas, das sie mit dem Begriff Gott belegen). Dadurch kann ich bedingt auch beginnen, die Behauptungen aus den Lehrreden, die jenseits meiner Erfahrungen liegen, für wahr zu halten, indem ich einfach zunächst blind darauf vertraue, dass auch in diesen Dingen, mein zunächst grundloser Glaube sich durch Erfahrung bestätigen wird. Aber auch in buddhistischem Kontext gibt es ein "Erwachsenwerden" des Glaubens, sodass Zweifel (und Prüfung) zur Grundbedingung von Verständnis und Vertrauen in die Lehre wird. Auch im Buddhismus gibt es zudem genug Leute, die der Lehre wortwörtlich und blind vertrauen wollen oder müssen, und jeden Zweifel an den Aussagen des Buddha ablehnen und bekämpfen. Hüben wie drüben wird vertraut oder blind für wahr gehalten oder eine Mischung aus beidem. So unterschiedlich sind wir als Menschen dann doch nicht.