Beiträge von Sudhana im Thema „Wahres Selbst“

    Der atman ist nicht auffindbar. Ist etwas anderes als "der atman ist nicht", auch wenn es aufs selbe hinausläuft

    Es läuft ganz und gar nicht auf das selbe hinaus, ja ist sogar ein himmelweiter Unterschied. Denn wenn Buddha gesagt hätte: "Atman existiert nicht" dann wäre es ja klar.

    Nun - Buddha hatte das, was man heute "intellektuelle Redlichkeit" nennt. Die Aussage "atman ist nicht" wäre eine bloße Behauptung, ein Dogma (und genau so wird es ja auch häufig aufgefasst). Die Aussage "atman ist nicht auffindbar" beruht auf empirischer Erfahrung. Ein Dogma muss man glauben, Empirie lässt sich nachvollziehen. Der einzige Vorteil des Dogmas ist, dass es "ja klar" ist - wenn man denn fest genug daran glaubt. Hat mit Buddhadharma nicht wirklich was zu tun; der 'funktioniert' nur im Nachvollzug des 'mittleren Wegs. Glaube reicht nicht.

    Aber die Aussage, dass der atman nicht in den Dingen gefunden werden kann, ist ja was völlig anderes, was bedeutet, dass es atman geben muss, sonst wäre die ganze Lehrrede ja unnötig.

    Eigenartige Argumentation. Wieso aus der Aussage, dass in den skandhas (was impliziert: "in den Dingen", den dharmas) ein atman unauffindar ist folgen soll, "dass es atman geben muss" ist mir schleierhaft - ein logischer Schluss ist das jedenfalls nicht. Was den Sinn der Lehrrede angeht so ist der recht simpel: hört auf, den atman zu suchen, das bringt nix. Dieser Weg, den andere Lehrer empfehlen - eins zu werden mit dem atman - ist Zeitverschwendung. Da kannst du den atman suchen, bis du schwarz wirst.


    Auf Spekulationen wie 'es gibt den atman' oder 'es gibt den atman nicht' hat sich Buddha nicht eingelassen. Wenn er unauffindbar ist, ist es schlicht irrelevant, ob es ihn gibt oder nicht. Völlig nutzlose Spekulation.

    Nun ja - was mir an diesem Sutta bzw. an der fett markierten Formel zunächst aufgestoßen war, das ist, dass sich Buddha da scheinbar vor einer klaren Aussage drückt. Er sagt ja nur, was das Selbst (der ātman) nicht ist - nicht, dass es ihn nicht gäbe. Bzw. nicht einmal das - nur, dass in den skandhas kein Selbst zu finden sei. Vorausgesetzt, man definiert Selbst / ātman als etwas, das notwendig die Attribute 'ewig' (nitya / nicca) und freudvoll (sukha) haben muss. Insofern möchte ich @Leonies Verweis auf den direkten Kontext des Zitats (das ja bezeichnenderweise mit einem "Daher ..." beginnt) ausdrücklich bekräftigen.


    Nun ist es zum Verständnis des Sutta mE recht nützlich zu wissen, dass diese 'Definition' von atman nicht von Buddha selbst ist. Und sie kommt auch nicht aus den Upaniṣaden - in diversen Passagen gerade der älteren dieser Texte wird deutlich, dass das 'Importe' sind. Und zwar aus dem Kulturraum, in dem es neben der frühen Sangha noch andere, ältere Śramaṇa-Bewegungen gab. Die meisten von ihnen teilten die Auffassung von einem ātman, der aus Unwissenheit von/über sich selbst aus karmischer Verstrickung ständig wiedergeboren wird. Wie man sich aus dieser Verstrickung lösen kann, darüber gibt es im wesentlichen zwei unterschiedliche Auffassungen: durch Askese bis hin zum Tod oder durch Selbsterkenntnis, also den Weg zurück zum atman in Form geistiger Schulung.


    Das sind ja auch die Methoden, die Buddha selbst praktiziert hatte - wobei er allerdings die letzte Konsequenz der Askese klugerweise vermied. Jedenfalls - insbesondere Asketen brauchen wohl ein attraktives Motiv. Entsprechend die Vorstellung, die man sich vom atman gemacht hat.


    Nun - nachdem Buddha die Askese nicht erfolgversprechend genug für den letzten Schritt erschien, versuchte er es nochmals mit der 'Innenschau'. Er fand die skandhas - mehr nicht. Und in den skandhas nicht den atman. Der atman ist nicht auffindbar. Ist etwas anderes als "der atman ist nicht", auch wenn es aufs selbe hinausläuft. Ist ein bißchen wie mit Russells Teekanne - wer will das wissen und wozu?