Beiträge von Maha im Thema „Selbstkonzepte und Psychoanalyse“

    Es geht in dem Modell um das Level von Lebensenergie. Da frage ich mich was hier mit Lebensenergie gemeint ist. Offensichtlich wird eine Abnahme der Lebensenergie bis zu einem "optimally lowest" level als Ziel angesehen. Jeder Fortschritt zur nächsten Ebene wird mit dem "Abschneiden" von bestimmten Eigenschaften erklärt; Egozentrisch sein, Ich-Identität über die Zeit und Ich-Erleben überhaupt. Können diese Eigenschaften überhaupt dauerhaft "abgeschnitten" oder abgelegt werden? Oder geht es hier um vorübergehende Erfahrungen. Ich denke, dass ein konventionelles Ich immer bestehen bleibt. Die Sicht darauf ändert sich aber.

    Es ist aus meiner Sicht interessant, dass die falsche oder unmögliche Vorstellung von der Existenzweise des Selbst so beschrieben wird wie eben ein rigides Über-Ich oder eine narzisstische Größenphantasie. Damit besteht hier ja eine Verbindung zur Psychoanalyse, die ja auch genau mit beziehungsweise an solchen Zuständen arbeitet. Einigkeit dürfte wohl darin bestehen, dass solche Zustände Frustration und Leid erzeugen und möglichst abgebaut werden sollten. Der Umgang mit diesen Zuständen wird im Buddhismus und in der Psychoanalyse (oder allgemeiner: Psychotherapie) aber sicher unterschiedlich sein.

    Nur sehr grob angerissen: Soweit ich weiß gibt es im Mahayana verschiedene Gegenmittel, wie Dankbarkeit oder Meditation über Leerheit. Im tantrischen Buddhismus wird mit solchen Zuständen in dosierter Form auch im Sinne einer Immunisierungsstrategie gearbeitet. In der Psychoanalyse wäre die Herangehensweise wohl eine Bewusstmachung und Durcharbeitung der zugrunde liegenden Problematik.

    Mit der Wertschätzung des menschlichen Lebens wird uns klar, dass es möglich ist, darauf hinzuwirken, dass wir glücklicher werden. Das verschafft uns die Wertschätzung unserer Fähigkeit, etwas zu tun. Mit anderen Worten: Zunächst müssen wir uns um uns selbst kümmern, uns selbst ernst nehmen – ernst nehmen in Bezug darauf, dass wir existieren und glücklich sein möchten. Daran ist nichts verkehrt. Wir kümmern uns darum, was wir erleben. Das ist ein gesundes Selbstgefühl.

    Berzin spricht von einem gesunden Selbstgefühl, das eine notwendige Basis für Selbstdisziplin, die Übernahme von Verantwortung und Willenskraft darstellt. Zugleich führt er die Unterscheidung vom konventionellen Selbst und dem falschen Selbst ein. Das konventionelle Selbst ist keine feste und stabile Entität, sondern beruht auf der Grundlage der Aggregate. Möglicherweise weist er hier auch schon auf den Unterscheid der konventionellen und der ultimativen Wahrheit hin!?

    Das falsche Selbst, das auch in Größenphantasien oder einem rigiden Über-Ich bestehen kann, ist kein gesundes Selbstgefühl und steht einer Befreiung vom Leiden im Weg. In der buddhistischen Terminologie spricht Berzin von den unmöglichen Existenzweisen des Ich.


    Es fällt auf, dass Berzin "Ich" und "Selbst" weitgehend synonym verwendet. In der Psychoanalyse gibt es Modelle, die hier wesentlich feiner differenzieren.

    Wir müssen hier allerdings ein bisschen vorsichtig sein, denn obgleich wir ein gesundes Gefühl für dieses konventionelle „ich“ aufbauen, um Selbstbeherrschung usw. üben zu können, kann das auch ein übersteigertes Selbstgefühl verstärken. Während wir also unser konventionelles „ich“ aufbauen – und wir haben inzwischen bereits einige Anstrengung darauf verwandt -, können wir nun anfangen, nach einem übersteigerten Selbstgefühl Ausschau zu halten. Das übersteigerte Selbstgefühl bezieht sich auf das Selbstbild, dass „ich hätte imstande sein sollen, mich zu beherrschen“, das Selbst, das diese Kraft der Selbstbeherrschung haben sollte und könnte, und weil ich sie nicht hatte, bin ich schuldig. Das ist ein übersteigertes Gefühl von „ich“ – es entspricht der Art von Person, die sich wie ein Polizist überwacht, um sich zu kontrollieren, und dann vollkommen rigide wird usw. Das ist ungesund. Wenn einem dann ein Ausrutscher passiert und man diese Selbstbeherrschung nicht aufbringt, fühlt man sich total schuldig – „Ich hätte imstande sein sollen, mich zu beherrschen“ – und ohrfeigt sich innerlich.

    Was Berzin hier als übersteigertes Ich beschreibt ist in psychoanalytischer Terminologie nichts anderes als ein rigides Über-Ich.

    Und wenn Berzin von dem Unterschied zwischen "ich" und "mich" spricht, klingt das sehr ähnlich wie die Unterscheidung von "I" und "Me" bei G.H. Mead.


    Wenn Sie Schwierigkeiten mit diesem ganzen Konzept von Zuschreibung haben, versuchen Sie, an sich selbst zu denken. Wir haben dieses Vorgehen gestern schon erwähnt, und wir haben festgestellt, dass man nicht „ich“ denken kann ohne irgendeine Grundlage, ohne irgendetwas, das „mich“ in den Gedanken repräsentiert, sei es einfach der verbale Klang des Wortes „ich“ – wir denken ja: „ich“ – oder ein geistiges Hologramm, wie ich aussehe, oder ein bestimmtes Gefühl oder sonst irgendetwas. Wir bezeichnen das als „ich“ – wir nennen das „ich“ , um es noch einfacher auszudrücken. Aber ich bin nicht das Wort, und ich bin nicht die Grundlage, das geistige Hologramm. Doch es gibt ein „ich“. Das ist es, was geistige Zuschreibung bedeutet: Es wird der Grundlage zugeschrieben, die das „ich“ repräsentiert, wenn ich an mich denke.

    Das "Me" ist eine Selbstrepräsentanz, die in den Aggregaten verkörpert ist. Da trennen sich dann auch Mead und Berzin. Bei Mead ist das "Me" eine Repräsentation von Einstellungen und Erwartungen bedeutsamer Anderer, die durch die Perspektivübernahme internalisert wurden. Die Gemeinsamkeit besteht in der Unterscheidung einer unmittelbar gegenwärtigen, spontanen Instanz und einer Repräsentanz des Ich im "Me".

    Auch in der Psychoanalyse gibt es die Unterscheidung zwischen einem falschen und einem wahren Selbst. Insbesondere Winnicott hat diese Unterscheidung geprägt.


    Besonderes theoretisches Augenmerk richtet Winnicott (1974) auf die Unterscheidung zwischen dem „wahren“ und dem „falschen“ Selbst. Das wahre Selbst entwickelt sich seiner Ansicht nach in einer hinreichend empathischen und fürsorglichen mütterlichen Umwelt. Im Falle eines Versagens dieser empathischen Versorgung entsteht ein falsches Selbst, das das wahre Selbst vor den destruktiven mütterlichen Einflüssen schützen soll. Die Definition des Narzissmus als einer Entfremdung von den authentischen Tiefen des Selbst kann als eine Entfremdung von diesem „wahren Selbst“ konzeptualisiert werden, wie sie von Winnicott beschrieben wurde. Seine Arbeiten wurden zunächst von Melanie Klein beeinflusst, er gelangte aber schließlich zu der Auffassung, dass die Versorgungsfunktionen, die die Mutter in Bezug auf die Bedürfnisse des Babys erfüllt, die wichtigsten Determinanten psychischer Gesundheit darstellen. Das „wahre“ Selbst, das sich auf dieser Grundlage entwickelt, ist das Resultat der Beziehung zu einer „hinreichend guten Mutter“, die nicht nur die Triebbedürfnisse ihres Säuglings wahrnimmt, sondern auch seine Kreativität anerkennt, seine Grenzen respektiert und ein Gleichgewicht zwischen seinen Illusions- und Desillusionserfahrungen herzustellen weiß. Nach Winnicotts Auffassung ist die Einheit der psychischen Entwicklung nicht das Kind, sondern eine intersubjektive Entität, die Mutter-Kind-Einheit. Für Winnicott bringt die Persönlichkeitsspaltung eine Entfremdung mit sich, und zwar weg von einer rudimentären Selbsterfahrung (des wahren Selbst) und hin zu einem willfährigen, nach außen gerichteten Selbstaspekt (dem falschen Selbst). Der letztere Aspekt des Selbst ist das Winnicottsche Äquivalent des schizoiden Persönlichkeitsaspekts, den Fairbairn (1952) und Guntrip (1968) dargestellt haben. Das wahre Selbst ist ein Potential, dessen Ursprünge in den frühesten Körperempfindungen liegen, wie sie im Kontext der Beziehung mit der Mutter als Umwelt wahrgenommen werden: „Das Wahre Selbst kommt von der Lebendigkeit des Zellgewebes und der Tätigkeit der Körperfunktionen, einschließlich Herz- und Atemtätigkeit“ (1974, S. 193). Auch kann nur das wahre Selbst kreativ sein und sich real fühlen, und während „ein wahres Selbst sich real fühlt, führt die Existenz eines falschen Selbst zu einem Gefühl des Unwirklichen oder einem Gefühl der Nichtigkeit“ (1974, S. 193).

    Was Alexander Berzin in dem folgenden Zitat beschreibt, die Unterscheidung eines "falschen" , übertriebenen Ich-Gefühls und einem konventionellen Ich, das einer korrekten Betrachtung entspricht, könnte in der psychoanalytischen Terminologie mit einem unreifen Größenselbst und einer starken Ich-Struktur übersetzt werden.


    Was wir auf jeden Fall tun, ist, das konventionelle „ich“ einer Grundlage zuzuschreiben, die „mich“ repräsentiert. Wir denken daran, und zwar mit der allgemeinen Kategorie „ich“, und wir haben entweder eine korrekte oder eine verkehrte Betrachtungsweise in Bezug darauf, wie „ich“ existiere.

    • Mit der korrekten Betrachtungsweise denken wir im Sinne des konventionellen „ich“.
    • Mit der verkehrten Betrachtungsweise denken wir im Sinne des falschen „ich“ – eines „ich“, das nicht existiert.

    Aber in beiden Fällen schreiben wir die Bezeichnung „ich“ irgendetwas zu, das „mich“ repräsentiert.

    Was wir erörtern werden, ist Folgendes: Wie entwickelt man ein gesundes Ichgefühl, indem man im Sinne des konventionellen „ich“ an sich selbst denkt, und wie werden wir dieses übersteigerte „ich“ los, mit dem wir uns identifizieren und in dessen Sinne wir an uns denken? In den westlichen Ländern sprechen wir von einem gesunden Selbst und einem überdimensionierten Selbst. Ein gesundes Selbst bedeutet, dass man im Sinne des konventionell existenten „ich“ an sich denkt; und ein ungesundes bzw. überdimensioniertes Selbst bedeutet, dass wir im Sinne dieses falschen „ich“ an uns denken, desjenigen, das eigentlich nicht der Realität entspricht.


    Das konventionelle „ich“ kommt in der Einstellung zum Ausdruck: „Ich halte mich nicht für etwas Besonderes. Ich bin einer von sieben Milliarden Menschen. Und wie jeder andere möchte ich glücklich und nicht unglücklich sein.“ Ein gesundes Ichgefühl besteht darin, dass man auf diese Weise von sich denkt. Dass ich für mein Leben und für das, was ich erlebe, Verantwortung übernehme – all das ist im Sinne des konventionellen „ich“, dieses gesunden Ichgefühls. Aber wenn wir von uns denken: „Ich bin das Wichtigste, alle sollten sich nach mir richten“ usw. und uns damit identifizieren – in unserer Terminologie ausgedrückt: uns selbst als diese Art von „ich“ betrachten -, dann ist das ein übertriebenes Ichgefühl. Weil es nicht der Realität entspricht, kann es nie zufrieden gestellt werden. Es ist unmöglich, dass alles immer nach unserem Willen geht und dass jeder uns für etwas ganz Besonderes hält – das geht nicht, oder?

    Der Psychiater und Psychoanalytiker Mentzos hat für die Regulation des Selbstwertgefühls ein Drei-Säulen-Modell entwickelt. Es ist eine Weiterentwicklung eines Modells von zwei "Bankonten", das dann durch die mittlere Säule zum Drei-Säulen-Modell erweitert wurde. Das Modell zeigt, dass das Selbst im psychoanalytischen Sinne eine komplexe Struktur ist. Unser Selbstwertgefühl und unsere psychische Stabilität hängen wesentlich davon ab wie unser Selbst strukturiert ist.



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    Die erste Säule (rechts vorne) entspricht dem »Grundkapitalkonto « des alten Modells. In ihrer Basis präsentiert sich das Größen-Selbst, etwas höher darüber die bei allen Menschen mehr oder weniger lebenslang vorhandenen halbbewußten Größenphantasien und schließlich, zur Spitze hin, das reife Ideal-Selbst (die realistisch korrigierte, positive Vorstellung von sich selbst, die uns auch trotz Fehlern, Mißerfolgen, negativer Kritik etc. ein gewisses Maß an unerschütterlichem Selbstvertrauen und einen Puffer - im alten Modell ein ausreichendes »Polster« - garantiert). Die Voraussetzung für eine solche günstige Entwicklung und ein daraus resultierendes selbständiges Funktionieren dieser Säule habe ich schon oben geschildert, als ich das Grundkapital-Konto beschrieb. Allerdings ist ein gewisses Ausmaß von zusätzlicher lebenslanger narzißtischer Zufuhr, Anerkennung und positiver Zuwendung von außen immer erforderlich. Normale Funktionalität des Systems bedeutet nämlich nicht völlige Unabhängigkeit von außen; sie setzt lediglich voraus, daß man über eine genügende eigene »Substanz«, über ein eigenes Polster verfügt und nicht ständig von einer äußeren Zufuhr abhängig ist oder sogar süchtig danach wird.

    Die zweite Säule, die keine Entsprechung im Bankkonto- Modell besitzt, symbolisiert in der Basis die symbiotische Abhängigkeit, dann in ihrem mittleren Teil die anfänglichen, idealisierten Elternimagines. In ihrem oberen Abschnitt stellt sie das reife (assimilierte und nicht nur introjizierte) Idealobjekt dar. Hier spielen zunächst symbiotische und später identifikatorische Prozesse die Hauptrolle. Die gesunde narzißtische Stärkung erfolgt im Kreislauf der normalen Internalisierungen und Externalisierungen. Durch sie wird auch eine zunehmend differenzierte, kritische und realistische Selbsteinschätzung möglich.

    Die dritte Säule schließlich entspricht dem Girokonto des alten Modells, dem Über-Ich-Konto. Sie wird gestärkt durch Leistung, Pflichterfüllung und dadurch erreichte Anerkennung. An der Basis der Säule wird das archaische unreife Über-Ich, in den Mittelabschnitten das ödipale Über-Ich, in dem oberen Drittel das nunmehr reife Gewissen repräsentiert.

    An der Stelle möchte ich kurz ein paar Überlegungen zu Selbstkonzepten in der Psychoanalyse und Soziologie einfügen. Nach der Diskussion drüben in dem Thread Wahres Selbst ist mir klar geworden, dass es im Buddhismus ein Selbstkonzept gibt, das eher dem entspricht was wir heute Seele nennen würden. Das wird verneint. Das entstandene und vergängliche Selbst wird dagegen als Schein verstanden. Um das Entstehen dieses Scheinselbst zu verstehen und daran zu arbeiten, können meiner Meinung nach diese Perspektiven sehr hilfreich sein.

    Wiener Kreis für Psychoanalyse und Selbspsychologie::
     Das Selbst ist in erster Linie ein phänomenologischer Begriff, der die emotionale Verfasstheit des Menschen meint, aus der heraus die subjektive Art und Weise, wie er sich selbst und den Anderen erlebt, organisiert wird. Das Selbsterleben entwickelt sich in den frühesten Eltern-Kind-Interaktionen aber auch lebenslang in allen wichtigen Beziehungen. Es sind die Präsenz und Verfügbarkeit der Bezugspersonen sowie deren empathisch akzeptierenden Qualitäten im wechselseitigen Austausch, die unser Selbsterleben formen.

    Hier wird deutlich, dass dieses Scheinselbst nicht einfach nur eine individuelle Erscheinung ist, sondern in sozialen Beziehungen entsteht. Es besteht aus Verinnerlichung (Introjektion) von sozialen Beziehungen.


    Das Selbstkonzept des Pragmatisten G.H.Mead macht den Einfluss der Gesellschaft auf das Selbst deutlich.

    Selbstkonzept (Wikipedia)::
    George Herbert Mead hat das Konzept in Anlehnung an William James ausgebaut. Mead überträgt James’ Kategorisierung des Selbst in I und Me auf das Verhältnis zwischen dem Individuum und der Gesellschaft: (a) Das Individuum erschließt sich zunächst durch Rollenübernahme die Perspektive anderer und letztlich der gesamten Gemeinschaft. Darüber entwickelt es ein Me bzw. eine Selbstwahrnehmung, die primär von gesellschaftlichen Verhaltensnormen geprägt ist. (b) Der konzeptuelle Unterschied des I liegt darin, dass es eine aktiv-schaffende Antwort des Individuums verkörpert: Es reagiert zwar ebenso auf eine durch Normen und Erwartungen konstituierte Situation, kann diese aber von sich aus verändern.

    Das sind durchaus prozessuale Konzepte, die auf emotionale Zustände und soziale Interaktionen Bezug nehmen. Es handelt sich bei diesen Selbstkonzepten also nicht um essentialistische Vorstellungen, sondern das Selbst wird gewissermaßen als eine geronnene Struktur verstanden die aus Prozessen entstanden ist und - laut diesen Konzepten - zu einem gewissen Maß auch wieder verflüssigt werden kann.