Beiträge von Sudhana im Thema „Bewusstheit erstmal wichtiger als achtsamkeit“

    und wie wäre es eigentllich mit Sampajanna Wissensklarheit.

    Es geht ja eigentlich nur darum zu wissen ob ewas anwesend ist oder nicht .

    Eben ob Achtsamkeit anwesend ist oder eben nicht . Oder ein Erleuchtungsfaktor oder ein Hinderniss.

    Saṃprajanya ist schlicht das 'Wissen' (jñāna), das sich mit der Übung von smṛti einstellt. Ein 'Wissen', das kein theoretisch-analytisches ist, sondern aus unmittelbarer Anschauung kommt. Und es geht nicht "nur darum zu wissen, ob etwas anwesend ist" sondern darum, was anwesend ist und wie es anwesend ist. Und zwar ohne dabei etwas zu suchen. Was Du da beschreibst, nennt man im Zen "seinem Kopf einen weiteren Kopf aufsetzen".

    die selbe kognitive Energie überprüfen kann ob sie selbst anwesenden ist oder nicht. um dann praktisch mit der Unachtsamkeit ( also damit das sie nicht auf dem Objekt bleiben kann) einspitzig verschmelzen kann.?

    Du denkst zu kompliziert, das ist das Problem. Da ist nichts zu "überprüfen" - und sich selbst auf Anwesenheit zu prüfen oder mit Unachtsamkeit verschmelzen ist natürlich Unsinn. Es geht einfach nur um unmittelbare Wahrnehmung dessen, was momentan gerade ist. Das zu "überprüfen" hieße schon, an diesem Moment, der bereits vergangen ist, mental festzuhalten. Das Objekt, auf das die Achtsamkeit gerichtet ist (gleich welches) ist ja nicht statisch - es ändert sich ständig. Besonders deutlich wird dies, wenn man seinen Atem als Übungsobjekt nimmt. Die Achtsamkeit folgt dem Objekt - dazu darf sie nicht am Moment haften. Der ist flüchtig - und untersuchen / überprüfen kannst Du nur die Erinnerung daran. Genau darum geht es eben nicht.


    Stell Dir vor, Du hast Deinen Schlüssel verlegt und rufst Dir jetzt den Moment in Erinnerung, als Du ihn zuletzt in der Hand hattest. Oder Du rufst Dir einen Moment in Erinnerung, als Du besonders glücklich warst - mit möglichst allen Details, an die Du Dich noch erinnern kannst. Das ist die 'kognitive Energie', von der ich schrieb. Der Begriff "einspitzig" zeigt an, dass man diese Energie "bündeln", sie ausschließlich auf das Objekt der Achtsamkeit richten sollte wie eine Nadel. Das schließt analytisches oder diskursives Denken aus.


    Nur ist diese geistige Anstrengung in der Übung der Achtsamkeit eben nicht auf Vergangenes zu richten, sondern auf die Gegenwart, auf das 'hier und jetzt'. Wenn Du da anfängst, nach irgendetwas zu suchen (womöglich gar nach "Erleuchtungsfaktoren") hast Du die Gegenwart schon verloren und bist getrennt von ihr. Wenn Subjekt und Objekt in der Übung eins werden, zur sich ständig wandelnden Gegenwart werden, ist das saṃprajanya, das unmittelbare Wissen von anitya / anicca.

    Und zwar im Sinne von "Erinnern ans hier und jetzt".

    Okay - im Sinne eines gelegentlichen Erinnerns, zur Übung und damit zum aktuellen Moment zurückzukehren, ohne durch einen Gedanken (etwa eine Erinnerung) von ihm getrennt zu sein, kann ich das nachvollziehen. Diese 'Erinnerung' ist insbesondere für wenig Geübte sinnvoll, da der 'Automatismus' des Anhaftens am Moment noch nicht dekonditioniert ist. Ich denke, jede/r Anfänger kennt das, dass man plötzlich bemerkt, wie sich unwillkürlich irgendwelche Gedanken- und Assoziationsketten entsponnen haben und man sich darin verfangen hat - bis sie diese 'Erinnerung' löst und zur Übung zurück führt.


    wenn jemand von Achtsamkeit schreibt, ist mir klar dass Sati gemeint ist, und Bewusstheit ist da vielleicht nicht so günstig, weil zwischen Bewusstheit und Bewusstsein (Consciousness) nur ein Buchstabe liegt, aber im Quelltext ziemlich unterschiedliche Konzepte gemeint werden. Ich könnte mir vorstellen, dass man sich deshalb für Achtsamkeit entschieden hat (wäre mal interessant herauszufinden wer diese Übersetzung zuerst gewählt hat).

    Nun ja, es hätte schlimmer kommen können. Etwa wenn sich K.E. Neumanns 'Einsicht' als Übersetzung durchgesetzt hätte. Passt zwar im metaphorischen Sinn, lädt aber zu Missverständnissen geradezu ein. Aber mit 'Achtsamkeit' ist das eigentlich erst heutzutage einigermaßen "klar" - ursprünglich hatte dieser Begriff (wie etwa das Grimm'sche Wörterbuch zeigt) eine starke Konnotation sozialer Verpflichtung - da zeigt sich die etymologische Verwandtschaft mit 'Achtung'. Da hat sich dann im Lauf der letzten Jahrzehnte ein gewisser Bedeutungswandel vollzogen; wohl auch, weil die Achtsamkeit auf andere Menschen mit der Zeit etwas aus der Mode gekommen ist. Im buddhistischen Kontext gehört das eher zu den Pfadaspekten 3, 4 und 5 als zu 7. Jedenfalls - wer das mit dem 'achtsam' als erster aufgebracht hat, weiß ich auch nicht.


    Kleine Zusatzanmerkung - deswegen mein Fimmel mit den 'Fachbegriffen'. Die selbst auch nicht immer so eindeutig sind; auch dann bleibt Kontext wichtig. Als Beispiel mal den (von mir etwas aufbereiteten) Eintrag zu sati im Dictionary der Pali Text Society.

    Zitat

    Sati Sati (f.) [Vedic smṛti: see etym. under sarati2] memory, recognition, consciousness, Digha i.180; ii.292; Milinda-panha 77-80; intentness of mind, wakefulness of mind, mindfulness, alertness, lucidity of mind, self-possession, conscience, self-consciousness Digha i.19; iii.31, 49, 213, 230, 270 sq.; Anguttara i.95; Dhammasangani 14; Mahaniddesa 7; Tikapatthana 61; Sammoha-Vinodani 91; Dhammasangani A121; Milinda-panha 37; upaṭṭhitā sati presence of mind Digha iii.252, 282, 287; Samyutta ii.231; Anguttara ii.6, 218; iii.199; iv.232; Itivuttaka 120; parimukhaŋ satiŋ upaṭṭhāpetuŋ to surround oneself with watchfulness of mind Majjhima iii.89; Vinaya i.24, satiŋ paccupaṭṭhāpetuŋ to preserve self-possession Jataka i.112; iv.215; kāyagatā sati intentness of mind on the body, realization of the impermanency of all things Majjhima iii.89; Anguttara i.43; S i.188; Milinda-panha 248; 336; muṭṭhasati forgetful, careless Digha iii.252, 282; maraṇasati mindfulness as to death Anguttara iv.317 sq.; Jataka iv.216; Suttanipata 54; Petavatthu 61, 66. asati not thinking of, forgetfulness Dhammasangani A241; instr. asatiyā through forgetfulness, without thinking of it, not intentionally Vinaya ii.2892. sati (sammā˚) is one of the constituents of the 8-fold Ariyan Path (e g. Anguttara iii.141 sq.; Sammoha-Vinodani 120): see magga 2

    Ist leider nur begrenzt hilfreich, weil die näheren Quellenangaben, wo man sich die Verwendung des Begriffs in größerem Kontext anschauen könnte, sich (natürlich) alle auf die Ausgaben der PTS beziehen - und mit deren Digitalisierung ist wohl so bald nicht zu rechnen ...

    smṛti (Pali sati), das im Deutschen (jedenfalls im Kontext Buddhismus) gewöhnlich mit 'Achtsamkeit' übersetzt wird, lässt sich relativ wörtlich mit "im Bewusstsein behalten" übersetzen und es wird in nichtbuddhistischen Texten häufig im Sinne von 'Erinnerung' oder 'zu Erinnerndes' (so etwa der Name einer hinduistischen Schriftgattung) verwendet.


    Im buddhistischen Kontext bezeichnet smṛti allerdings gerade nicht Erinnerung. Es ist allerdings die gleiche kognitive Energie, die etwa auf eine detaillierte Erinnerung - also die Evozierung eines vergangenen Moments - gerichtet wird. Nur ist sie hier auf intensive Wahrnehmung des gegenwärtigen Moments bis zur 'einspitzigen' (ekāgratā) Verschmelzung mit ihm gerichtet; insbesondere seiner unaufhörlichen Wandlung, seinem 'Merkmal' (lakṣaṇa) anitya / anicca. Also gerade nicht auf Erinnerung, die aus dem Versuch des Festhaltens am Moment, aus Anhaftung an ihn, entspringt. Das Loslassen des Moments ist ein Loslassen der Illusion von Dauer ('Entstehen und Vergehen' in der Sprache der Prajñāpāramitā Sūtren). Diese Übung ist samyak smṛti, der siebte Aspekt des achtfachen Pfads. Wach und wachsam sein, hier und jetzt.