Beiträge von Maha im Thema „Ursachen, Bedingungen und wissenschaftliche Erklärungen“

    Bei der Vase geht es dich was an, bei der Blume, Pflanze oder jeden erdenklich anderen lebenden Wesen geht es dich nichts, absolut nichts an, wie es erscheint oder wie du glauben könntest, wie es erscheint. Du hast schlicht und einfach keine Ahnung wie Leben entsteht, bei einer Vase ist das ganz was anderes. Jedes Lebewesen hat seine individuellen unergründlichen Ursachen, eine Vase nicht.

    Die Blume geht mich etwas an, da ich mich über ihre Schönheit freue, wenn ich sie betrachte. Oder da ich aus ihren Blüten einen Tee koche, der sich auf meinen Organismus und meine Psyche in einer bestimmten Weise auswirkt. Vor der Erhabenheit des Bergs kann ich in Respekt und Ehrfurcht stehen. Ich kann versuchen ihn zu erklimmen in mit einer respektvollen oder einer größenwahnsinnigen Haltung oder mit der Seilbahn hoch fahren.

    Hallo Qui-Ran,


    Ich würde da sogar einen Schritt weiter gehen und sagen, dass die Ursache für eine Vase (oder eine kreative Schöpfung an sich) immer der Mensch, also der Schöpfende ist. Die Ursache im Menschen für diesen Prozeß ist sein Schöpferwunsch. Also entsteht die Vase als Ursache aus dem Schöpferwillen des Menschen heraus. Denk ich mir zumindest.

    Bei der Vase stimme ich dir zu. Die Vase ist ja ein Kulturprodukt und damit etwas menschengemachtes. Und die Welt wirkt nicht nur auf den Menschen ein und prägt ihn, sondern umgekehrt wirkt der Mensch auch auf die Welt ein und formt sie nach seinen Vorstellungen, z.B. in künstlerischer Tätigkeit oder als Ingenieur. Wenn der Mensch auf die Welt einwirkt ist der Grund für sein Einwirken eine Idee oder ein Willen, die Welt zu verändern. Und das ist eine Form der Bedingtheit, die ich ganz klar von einer naturwissenschaftlichen Kausalität unterscheiden würde. Es ist der Raum der Gründe, in dem eine Begründung wirksam werden kann. Das ist aber etwas anderes als zu sagen: Dann feuern die Synapsen im Hirn von X, X bewegt daraufhin seinen Arm und malt mit dem Pinsel einen Kreis auf die Leinwand. Bei der Begründung kann die Vorstellung von dem Ziel der Handlung der Grund für die Handlung sein.


    Aber wie verhält sich im Gegensatz zu der Vase bei einer Blume oder einem Berg. Die sind ja nicht vom Menschen geschaffen und doch durch Ursachen und Bedingungen entstanden.

    Einfaches Beispiel: Wie kann es sein, dass ich mich immer noch in der misslichen Lage befinde, die mich unglücklich macht?

    Ich forsche nach der Ursache und stelle fest, dass ich der Grund bin. Jetzt gefällt das meinem Ego aber nicht, und ich suche nach einer angenehmeren Alternative. Man findet auch oft eine.
    Diese ist dann aber nur ein Alibi und ein Verschieben der eigentlichen "Problematik".

    Es ist ja auch die Frage, was es genau heißt, dass "ich" der Grund bin. Ist es meine Persönlichkeit, mein Charakter, sind es meine Verhaltensmuster oder meine Unwissenheit. Und was wäre die Alternative zu Verdrängung und Verleugnung? Kann ich meine Persönlichkeit einfach so ändern oder muss ich mich zehn Jahre beim Psychoanalytiker auf die Couch legen oder zehn Jahre über die Leerheit meditieren?

    Ich habe auch mal die Fühler ausgestreckt nach dem Abhidhamma, insbesondere dem siebten Band Paṭṭhāna:

    Paṭṭhāna, Bedingungszusammenhänge. Über die Entstehung und Zusammenhänge der materiellen und geistigen Phänomene nach 24 Abhängigkeitsbedingungen, wie: Wurzel, Objekt, Prädominanz, zeitliche Kontiguität, Co-Existenz, Kamma, usw.

    Da geht es um eine systematische Darstellung der Ursachen.

    Es ist interessant sich da die Ursachen bei Aristoteles anzusehen:

    Während Aristoteles noch Stoff-, Form- und Zweckursache gelten ließ, verstehen wir nur die Wirkursache als Ursache .

    In der Übersetzung des Mulamadhyakakarika von Geldsetzer findet sich im Vorwort die These, dass Nagarjunas Werk eine Kritik an Aristoteles Lehre von den vier Ursachen sei:

    Zitat

    Setzt man dies voraus, wird deutlich, daß er seine eigene Theorie vom »Entstehen im Zusammenhang« (pratitya-samutpada) in der Kritik an der aristotelischen Vier-Ursachen-Lehre entwickelt und dieser gegenübergestellt hat. Ebenso wird die Bedeutung der Benennung dieser vier Ursachen sowohl im Sanskrit wie im Chinesischen als Übersetzung der griechischen Bezeichnungen der »Form- und Materieursache sowie der Wirk- und Zweckursachen« überhaupt erst verständlich.

    Der Gang seiner Analysen der einzelnen Ursachen aber zeigt, wie er drei dieser Ursachen, nämlich die materiellen und die Wirk- und Zweckursachen als wiederum »unvorstellbar« destruiert und nur die Formursache in einer neuen und originellen Deutung für seine »Kausaltheorie« der Entstehung in Abhängigkeit

    Demnach gilt für die buddhistische Schule des Mittleren Wegs anscheinend allein die Formursache also die Idee oder der Begriff als Ursache.

    Ich denke, es hat unglaublich lange gedauert und viel Disziplin erfordert, die Beziehung zwischen Sprache und Welt zu klären. Man hat ja sehr lange Sachen, die rein Fragen der Benennung sind "wie lange nenne ich etwas Samen, ab wann nenne ich es Sprößling" mit dem auf was sich die Benennungen bezieht vermischt. Eben gerade weil Unterschiede in der Benennung ja ein Weg sind um sich auf Unterschiede in der Wirklichkeit beziehen und man selber als Mittel die Sprache benutzt.

    Sprache und Namen wurden auch als eine Art magische oder mystische Form der Erkenntnis der Welt verstanden bevor die Sprache und die Wörter zu willkürlichen und zufälligen Zeichen wurden, deren Bedeutung alleine auf Konventionen beruht. Diese religiöse Vorstellung von Sprache hat Benjamin beispielhaft in seinem Essay über Sprache ausgedrückt:

    Ich kann mir auch vorstellen, dass Sprache aus Lautmalereien und Nachahmung von natürlichen Lauten entstanden ist und zunächst zum Zweck der Beschwörung von Naturmächten und -geistern gebraucht wurde.


    Ich frage mich aber auch, ob die strikte Trennung von Zeichen und bezeichnetem Ding wirklich als eine Errungenschaft zu betrachten ist oder vielleicht auch etwas damit verloren gegangen ist. Die Sprache als reine Mitteilungsfunktion hat keinen wirklich erkennenden sondern nur noch einen zufälligen Bezug zur Welt.

    Dass Ursachen Wirkungen hervorbringen ist eine kausale Beziehung in der es auch eine zeitliche Abfolge gibt. Zur Zeit der Ursache besteht noch nicht die Wirkung und zur Zeit der Wirkung besteht die Ursache nicht mehr. Es gibt bei der kausalen Ursache-Wirkungs-Beziehung also keine Gleichzeitigkeit von Ursache und Wirkung.

    Beziehst du das jetzt auf die buddhistische Philosophie oder die moderne Naturwissenschaft? Es kann ja auch durchaus eine Ursache weiterbestehen, wenn die Wirkung schon gezeitigt ist. Zum Beispiel: "Wenn es regnet, wird die Wiese naß." Die Wiese kann schon nass sein und es regnet immer noch weiter.

    Abhängiges Bestehen bedeutet aber auch, dass viele Ursachen eine Wirkung hervorbringen. Da kann man dann unterscheiden zwischen substanziellen und mitwirkenden Ursachen. Die substanzielle Ursache einer Vase ist der Ton aus dem sie hergestellt wird und der Töpfer und seine Arbeitsgeräte sind mitwirkende Ursachen. Der Ton und die daraus entstandene Vase bilden ein Kontinuum, während die mitwirkenden Ursachen nicht in dieses Kontinuum eingehen. Um diesen Unterschied zu verdeutlichen, wird von Ursachen und Bedingungen oder Umständen gesprochen.

    Danke für die Erläuterung! Um mal bei dem Beispiel mit der Vase zu bleiben. In unserem Sprachgebrauch würde man ja eher nicht auf die Idee kommen den Ton als Ursache der Vase zu bezeichnen. Der Ton an sich bewirkt ja nichts. Unter Bezug auf Naturgesetze und die materiellen Eigenschaften des Tons, der Glasur und der fachgerechten Anwendung bestimmter Werkzeuge und Techniken würde man die Ursache nach unserem Sprachgebrauch wohl eher in der Produktion - dem Tonbrand inklusive der ablaufenden physikalischen Gesetzmäßigkeiten etc. sehen. Dass Ton und Vase ein Kontinuum bilden, ist aber eine sehr einleuchtende Sichtweise.



    (11) Als 'Nachherentstehung-Bedingung' (pacchājāta-p.) gelten das Bewußtsein und die damit verbundenen Geistesfaktoren, denn diese sind, genau wie das Hungergefühl und der Nahrungstrieb, eine notwendige Bedingung für die Erhaltung dieses schon früher entstandenen Körpers.

    Das würden wir in modernen Begrifflichkeit wohl eine funktionale oder teleologische Erklärung nennen. Das Hungergefühl besteht, um den Körper am Leben zu erhalten.


    Hier wiederum ist man dann beim logischen Raum der Gründe und nicht mehr bei kausalen Wirkungen. Es gibt bestimmte Gründe für ein Verhalten. Diese Gründe können auch in der Zukunft liegen und können gegen andere Gründe abgewogen werden.

    In dem Thread zu dem Mulamadhyamakarika "Nagarjuna: Die Lehre von der Mitte" habe ich begonnen mich mit dem Bedingten Entstehen auseinanderzusetzen. Dabei bin ich auch darauf gestoßen, dass die Begriffe "Bedingung" und "Ursache" in den dort diskutierten Beispielen in einer speziellen Weise gebrauch werden. Daher habe ich mich gefragt wie Ursachen und Bedingungen in der buddhistischen Philosophie aufgefasst werden. Im Handbuch zum Pali-Kanon werden 24 Arten von Bedingungen unterschieden. Dort heißt es:

    Zitat

    'Bedingung', bezeichnet das, wovon ein Anderes, das sog. Bedingte, abhängig ist und wofür es die nötige Voraussetzung bildet, ohne die das Andere nicht sein kann. Mannigfach ist die Art und Weise, wie ein Ding oder Vorgang für ein Anderes eine Bedingung sein kann

    Nach meinem Eindruck werden die Begriffe Ursache und Bedingung in manchen Texten auch als Synonyme verwendet. Das mag auch eine Frage der Übersetzung sein. Jedenfalls zeigen die 24 Arten, dass mit Bedingung sehr unterschiedliche Relationen gemeint sein können, die wir nach einem modernen (natur-)wissenschaftlichen Verständnis nicht alle als kausale Ursache-Wirkungs-Beziehung auffassen würden. In dem Unterschied von Erklären und Verstehen, der sich auch auf die wesentlichen Unterschiede zwischen Geistes- und Naturwissenschaften bezieht, sehe ich eine Möglichkeit diese Vielfalt von verschiedenen Bedingungsarten zu verstehen. Was ich zudem interessant finde ist, dass sich im Palikanon die Beispiele anscheinend ausschließlich auf das Bewusstsein beziehen und nicht auf die geistlosen Dinge und deren bedingtes Entstehen.


    Habt ihr Euch schon mal mit diesem Themenkreis befasst und was sind eure Erkenntnisse dazu?