Beiträge von Bhavanga im Thema „Kulturelle Aneignung“

    Also ich hatte früher auch Dreadlocks, und dachte so, das sieht schön wild aus und ist mein gutes Zeichen für mich, dass ich mich nicht an ein Ego oder eine Rolle binden lassen will, sondern lieber meinen eigenen Weg nach meinem Gefühl und der Einsicht meines Geistes gehen und bei meiner nüchternen Natur bleiben will. Das Dharma kannte ich leider lange nicht, vor meiner Nase wurde es eben wie für die meisten zur farce verdreht anstatt eindeutig erklärt... Aber ich habe schon geahnt, wohin eine falsche Vorstellung von Identität führen kann, was ein falsches Bewerten von Dingen und vom Selbst ist, und wo der Unterschied zwischen Demut und Erniedrigung anzusehen ist. Wo da doch die Kultur meist ein Binden an Riten und Regeln erwartet, erlaubt der Ausbruch aus eben dieser zumindest eine Ahnung der Loslösung, von solchen Zwängen.


    An all das haben mich diese Haare immer wieder erinnert, ich denke, es gibt so ein paar Dinge in der Welt, wenn man sie sich zu eigen macht, sie sich "aneignet" weil sie einem durch ihre Bedeutung an eine tiefere Kraft erinnern können, sich traut das zu tun, auch wenn andere, die der Mentalität entsprechen der man verzweifelt zu entrinnen sucht einen dafür sicher ablehnen werden, wenn man der Versuchung widersteht sie zu einem Leitbild zu machen und sie stattdessen einfach das sein lässt was sie wirklich sind, Puzzleteile im Fluss der Dinge die den Weg eben ebnen oder verwirren, dann muss man deswegen diese Dinge nicht unbedingt ablehnen, sondern sie sind vielleicht einfach genau das, was man in dem Moment braucht um in diesem Fluss nicht zu ertrinken sondern es wenigstens ein paar Stromschnellen weiter zu schaffen.


    Schön, wenn man dann irgendwann die Wahrheit erfahren darf, und für mich bedeutet sie, dass diese Dinge eben nicht falsch sind, weil sie auf dem Weg gebraucht wurden. Ich wurde übrigends damals schon diskriminiert wegen der Haare, aber nicht weil die meinten, ich respektiere deswegen Rastas nicht, sondern eher weil es als Kulturfremd abgelehnt wurde. Ich war halt lieber ein Fremdling, als meine Menschlichkeit dem Druck unterzustellen und gleich zu verlieren. Ich habe viel dabei gelernt.


    Die Zöpfe musste ich später verlieren, die Menschlichkeit dann auch. Aber das ist irgendwann nicht mehr so schlimm, denn was übrigbleibt, ist halt einfach nur noch der Weg, und der erlaubt auch eine recht befreiende Freudigkeit, über eben die Dinge, die auf ihm voran und nicht rückwärts oder im Kreis führen.

    Also das mit den Dreadlocks, ist glaube ich gar nicht mal so eine Stellvertreterdiskussion, sondern ein recht eigentlich recht krasses Beispiel dafür, wie Menschen von seiten Links da in ihrer Unterkultur Grenzen ziehen und bestimmte Dinge ausfiltern wollen. Es wurden meines wissens nach schon 2 Künstler und eine Band deswegen aus Konzerten ausgeladen, die als weisse Dreadlocks trugen. Immer handelte es sich glaube ich um Veranstaltungen aus seiten einer Linkskultur bzw. es ging um Klimawandel. Der Vorwurf war immer, dass ich Gäste gestört bzw. "unwohl" fühlten wegen dem Anblick des Widerstandssymbols von schwarzen getragen von einem nicht-schwarzen. Das ging in einem Beispiel glaube ich sogar so weit (ich glaube die FFF Veranstaltung), dass der Künstlerin angeboten wurde, sie könne sich die Haare abschneiden und trotzdem auftreten.


    Hier Artikel über die Fälle:


    Ausgeladen wegen Dreadlocks: Bistum Hildesheim distanziert sich
    "Fridays for Future" Hannover hat den Auftritt von Ronja Maltzahn beim Klimaprotest am Freitag abgesagt - weil sie Dreadlocks hat. Das Bistum Hildesheim übt…
    www.ndr.de

    Lauwarm in Bern: Weiße Reggae-Band trägt Dreadlocks – Veranstalter bricht Konzert ab - WELT
    Weil sich Besucher angesichts des Anblicks einer weißen Reggae-Band mit Dreadlocks „unwohl“ fühlten, ist ein Konzert in der Schweiz abgebrochen worden. Der…
    www.welt.de


    Also diese Menschen glauben anscheinend, dass man aus der Kultur kommen und auch so gelitten haben muss, um eben kulturelle Elemente aus dieser Kultur verwenden zu dürfen. Sonst empfinden sie es als Beleidigung der Kultur. Ich denke, da wird Menschen künstlich Diskriminierung vorgeworfen und diese Menschen werden eben dadurch diskriminiert, ja sogar von Konzerten ausgeladen. Ich möchte nicht wissen, wie viele Gäste in diesen Kreisen schon wegen solcher Frisuren aus den Institutionen "ausgeladen" oder in Freundeskreisen ausgegrenzt wurden, für die sich anders als für die bekannten Musiker eben keiner interessiert.


    Es gibt natürlich auch andere Formen von kultureller Aneignung und Kritik dagegen von anderen Seiten und aus anderen Gründen.


    Manchmal wünsche ich mir Zeiten zurück, wo die Deutschen alle die Italiener nachgemacht haben, und die Amis dachten bei ihnen wäre überall Hawaii. Später wollten die Hippies alle wie Indianer sein. Ich würde mir wünschen, mehr Menschen würden einfach die Freude an den schönen Dingen sehen, die wir dadurch, dass die Welt durch Technik zusammenwächst, jetzt freimütig teilen können und nicht mehr getrennt voneinander erleben müssen. Denn die Zeit lässt sich nicht mehr zurückdrehen, die Menschen werden sehen und wissen wollen, was andere in der Welt machen, und werden das gute davon aufnehmen wollen. So war es schon immer, und wird es immer sein. Identität und Traditionen werden die Menschen deswegen sicher nicht verlieren und diese weiter pflegen wollen, aber es wird hoffe ich niemand mehr in einer Identität gegen seinen Willen eingesperrt werden müssen, sondern die Freiheit besitzen, diese frei anhand aller Dinge aus der ganzen Welt durch sich selbst entdecken zu können.

    Ich kann die ganze Aufregung um die "kulturelle Aneignung" nicht verstehen, und sie scheint mir eher ein neueres Phänomen zu sein? Ich meine, kulturellen Austausch hat es schon immer gegeben, nachgewiesernmassen bereits in der Antike, und viele Kulturen haben Bräuche anderer übernommen, ob also Mode oder Dauerhaft.


    Warum sollte denn überhaupt eine Kultur in ihrem vererbten Zustand im Stillstand verharren müssen oder sich nur aus sich selbst entwickeln dürfen? Denn das sind ausser einem Austausch mit anderen Kulturen die einzigen Möglichkeiten der Entwicklung. Und ich denke, dass der Zustand der Kulturen auf unserem Planeten unbedingt Weiterentwicklung braucht, da er derzeit noch zu viel Leid führt in vielerlei Hinsichten.


    Und wenn die Kulturen dann voneinander getrennt sind, wie sollen sie da zusammenwachsen, und sich nicht immer weiter entfernen? Wozu die Trennung, ist denn da die Vorstellung, dass es nicht mehr eine Menschheit geben soll, sondern einige, die sich alle in unterschiedliche Richtungen entwickeln, bis sich die Menschen gar nicht mehr ähneln, oder auf völlig ungleicher Stufe stehen sollen?


    Ich glaube, die Nationalsozialisten haben gerne mit solchen Vorstellungen gespielt, von der rigiden Trennung von Kulturen und davon, Menschen "ihre" Kultur ohne Kompromisse aufzuzwingen. Ich selbst halte das für Gefährlich, denn die Auftrennung fördert schliesslich auch die Unterscheidungen und damit Konflikte, und Ungleichheiten zwischen den Menschen haben schon immer zu Ungerechtigkeiten geführt. Ich würde mir eher eine Welt wünschen, in der alle die gleichen Chancen und Möglichkeiten, die gleichen Rechte und die gleiche Menschenwürde zugesprochen bekommen.


    Ich denke, Kulturen, in denen eine bunte Mischung aus vielen Einflüssen entsteht, haben das grösste Potential dazu eine Synergie aus der Summe der verfügbaren Elemente zu bilden, wo sich innerhalb der Gesellschaft kleine Gruppen mit Zugriff auf sich ergänzende Eigenschaften bilden können. Und die Vermischung fördert schliesslich auch die Entwicklung von einem gerechten Umgang miteinander und anderen auf Augenhöhe und damit potentiell mehr Gerechtigkeit und Toleranz auch Menschen anderer Gesellschaften gegenüber. Das ist, wenn einzelne Gruppen innerhalb der Gesellschaft nicht benachteiligt sind, denn sonst bilden sich schnell wieder Konflikte, die dann nicht zwischen, sondern innerhalb der Gesellschaften entstehen.


    Ich meine, ich kann schon verstehen, wenn manche Menschen unangenehme Gefühle dazu haben, dass andere Menschen Elemente ihrer eigenen Kulturen aufgreifen und versuchen mit ihnen Leben auszudrücken. Denn durch Nichtkenntnis bestimmter Zusammenhänge, macht man schnell mal Fehler, und erinnert im Ausdruck andere Menschen an unschöne Dinge, wo sie etwas in ihrer Kultur deswegen nicht so ausdrücken würden. Das kann schon verletzend sein. Aber da muss man doch nur die Menschen sensibilisieren, damit sie sich vorher damit beschäftigen, was die Dinge die sie aufnehmen in den Kulturen bedeuten, damit sie wenigstens keine argen Fehler machen, die direkt Gefühle verletzen können. Und wenn jemand es nicht merkt, mein Gott, dann weist man ihn eben darauf hin und führt ein klärendes Gespräch zu dem Thema, warum die Äusserungen im Ausdruck als Anstössig empfunden werden. Dies halte ich insbesondere für wichtig in den Ländern, aus denen die Kulturen kommen, da dort der empfundene Wert dieser Regeln am grössten ist.


    Aber Ausdrucksäusserungen, die gar nicht provokativ oder verletzend gedacht sind, so stark als Verletzung zu empfinden, finde ich merkwürdig. Der Mensch, der Elemente aufnimmt, tut dies ja meist mit der Ansicht, sich mit etwas schönem zu umgeben, was ihm und anderen Freude machen soll, und ausdrücken soll, was ihm wichtig ist. Ich würde mir wünschen, dass die Menschen ihre verletzen Gefühle mal etwas zurücknehmen sollten und mehr das in's Auge fassen und umarmen sollten, um im Ausdruck vielleicht doch mehr die Gemeinsamkeiten im Gedachten und Gefühlten zu sehen, und nicht immerzu Konflikt, Kränkung, Widerstreit.


    Und mal ehrlich, oft habe ich das Gefühl, dass das empfundene Problem, was da zur Kränkung führt, nicht wirklich aus einem verständlichen Verstoss gegen die Sittlichkeit stammt, sondern aus einer Haltung der Intoleranz und vor allem aus der eigenen empfundenen Abneigung gegen den Ausdruck anderer.


    Ob zum Beispiel einer Dreadlocks tragen will oder nicht sollte finde ich anderen egal sein, es ist eine Frisur die in vielen Kulturen und Epochen vorkam, und nicht nur in einer einzelnen einen spirituellen oder weltanschaulichen Hintergrund hatte oder hat. Diese Frisuren haben finde ich nicht wirklich den Character, dass eine "Aneignung" ihrer deswegen für irgendjemanden einen Verstoss gegen die Sittlichkeit bedeuten sollte. Ich denke nicht, dass man Menschen davor schützen muss, sie ansehen zu müssen.


    Und auch Argumente wie, dass sie für manche Kulturen die aus Afrika stammen ein Symbol für Widerstand gegen Unterdrückung durch "Weisse" sein sollen (sind sie auch, aber eben nicht nur), und es deswegen respektlos wäre, wenn ein "weisser" sie trägt, finde ich durchaus ähnlich intolerant und kleingeistig wie die eigentliche Unterdrückung. Ist es nicht viel mehr so, dass jemand, der das trägt, genau seine Sympathie mit Freiheitsbewegungen zum Ausdruck bringt, und das auch noch in den Kulturen wo das Problem herstammt, so dass sie damit die Sache genau dort zum Ausdruck bringen wo sie gehört werden sollte? Ich meine, durch das Vermischen entstehen doch Gemeinsamkeiten, wie sollen die denn dann die Menschen auseinanderbringen?


    Ich würde mir wünschen, die Menschen würden weniger mit ihrer Kritik an allem, was nicht ihr eigen ist denken, und mehr mit dem Herzen, was anderes mit einschliessen und umarmen kann. Sonst diktieren die uns am Ende wirklich noch, welche Frisuren, welche Mode, welchen Schmuck und welche Tänze wir nutzen dürfen, und welche nicht. Und ich denke mit Grauen daran, wie dann solche Ächtungen durchgesetzt werden sollen, und zu wie viel Kummer und Feindschaft das zwischen den Menschen führt. Das ist ja bereits und immer noch in manchen Ländern so, und ich denke mit Grauen daran, was solche Regeln teilweise mit den Menschen anrichten können.


    Denn da führt das denke ich letztendlich doch hin, wenn man andere ausschliessen will in ihrem Selbstausdruck. Und das sollte man auch im kleinen nicht vergessen, wenn man Anstoss am friedvollen Ausdruck eines Mitmenschen findet, und denkt, es wäre richtig diesen Anstoss nicht in sich selbst, sondern durch Kontrolle und Übergriffe gegen diesen anderen aufzulösen.