'Der Buddhismus' also diese Idee zusammenhängender Lehren und Praktiken von Menschen - das kam erst in Europa auf. Ist insofern eine kulturelle Idee ein solches abendländisches Konzept. Diese Idee ist Mitte bis Ende des 19 Jahrhunderts entstanden. Es ist ein Begriff und eine Idee eingebettet in das entsprechende weitere Denken. Eine hierzu übergeordnete Idee ist die der 'Religion'.
Zu diesem Nebenthema - das durchaus einen eigenen Thread verdient hätte - noch eine Anmerkung. Das ist natürlich völlig richtig. Da spielte die Aufklärung (in Deutschland wäre da vor allem Herder zu nennen) eine wichtige Rolle. Dabei ging es um die Abtrennung des Begriffs 'Religion' von der Prämisse einer 'wahren' Religion, die in Konkurrenz zu Irrlehren steht, die zum Wohle der Menschheit mit allen Mitteln (nicht nur solchen des Diskurses) bekämpft werden müssen, um Hölle und Verdammnis zu entgehen. Da darf man aus Fürsorge auch etwas bevormundend sein ....
Immerhin lieferte der missionarische Eifer einen Grund, sich mit diesen 'Irrlehren' (seien es Häresien oder plattes Heidentum) näher zu befassen, um ihnen nicht nur mit mehr oder weniger sanftem Zwang, sondern auch argumentativ begegnen zu können. Vor allem, wo die Ausübung von Zwang keine politische Unterstützung fand. Insbesondere die Jesuiten waren hier Vorläufer der Religionswissenschaft mit einer 'Missionswissenschaft'.
Dessenungeachtet 'erbte' die Religionswissenschaft das Problem, dass der Religionsbegriff am Modell des Christentums ausgebildet wurde. Insbesondere zeigt sich dieses Problem in der öfters erörterten 'Anfängerfrage', ob Buddhismus eine Religion sei. Der Begriff 'Religion' passt zum Buddhismus wie ein zu kurzer Rock zu einer attraktiven Frau - die interessanten Stellen werden nicht abgedeckt.
Nichtsdestotrotz wurde der Religionsbegriff auch von nicht christlich bestimmten Kulturen aufgegriffen, vor allem in kolonial ausgebeuteten Gebieten wie Indien und insbesondere Ceylon. Es war vor allem Teil der Auseinandersetzung mit der invasiven Kultur und der Versuch, zumindest auf intellektueller Ebene eine 'Augenhöhe' herzustellen. Der Versuch, den sich kulturell überlegen fühlenden westlichen Eroberern (die eigentlich nur militärisch überlegen waren) auf kultureller Ebene etwas zumindest Gleichrangiges entgegenzusetzen - eben eine Religion. So wurde dann speziell in Ceylon (Sri Lanka) z.B. aus Buddha 'Lord Buddha'. Wenn in den Missionskirchen 'praise the Lord' gesungen wurde - einen 'Lord' konnte man Leuten, die versucht waren, zu konvertieren, auch anbieten. So setzte man - durchaus mit antikolonialer Intention - dem 'Lord' oder 'Lord Jesus' der Missionare einen 'Lord Buddha' entgegen und der Religion Christentum eine 'Religion' Buddhismus - mit letzterem die Kategorisierung säkularer Religionswissenschaft übernehmend. Die Tücken der Dialektik.
Nun mag 'Buddhismus' eine westliche Begriffsbildung sein - nichtsdestotrotz ist es im Rahmen einer säkularen Religionswissenschaft ein durchaus sinnvoller Begriff, um geistesgeschichtliche Zusammenhänge (und auch solche sozialer Praxis) zu beschreiben. Kernpunkt der Definition von 'Buddhismus', sein 'Alleinstellungsmerkmal', ist dabei die anātman - Doktrin, aber es gibt außer gemeinsamen historischen Wurzeln noch einige weitere gemeinsame Merkmale, die eine Kategorie 'Buddhismus' rechtfertigen - im 'Buddhistischen Bekenntnis' der DBU werden sie aufgeführt: die drei Juwelen (triratna), die vier edlen Wahrheiten āryasatya, die drei seinsmerkmale trilakṣaṇa (darunter anātman), explizit nochmals die dreifache Schulung (triśikṣā - śīla, samādhi, prajñā) und die fünf ethischen Grundsätze (pañcaśīla) - beides Kernelemente der 4. āryasatya). Am Schluss die vier 'Unermesslichen (apramāṇa) als 'Generalisierung' der nach Tradition unterschiedlichen (aber sich teilweise überdeckenden) pāramitā. Da kommt also schon ein bißchen was an Gemeinsamkeiten zusammen.