Beiträge von void im Thema „Wie ernst nehmt ihr die Wiedergeburtslehre im Pali Kanon?“

    In der "Feuerrede" spricht Buddha davon, dass "alles brennt":

    „Mönche und Nonnen, alles brennt. Und was ist dieses Alles, das brennt?

    Das Auge brennt. Bilder brennen. Sehbewusstsein brennt. Berührung mit dem Auge brennt. Das angenehme, schmerzhafte oder neutrale Gefühl, das durch Berührung mit dem Auge bedingt entsteht, brennt ebenso. Womit brennen sie? Sie brennen mit dem Feuer von Gier, Hass und Täuschung. Sie brennen mit Wiedergeburt, Alter und Tod, mit Kummer, Klage, Schmerz, Traurigkeit und Bedrängnis, sage ich.

    Das Ohr … die Nase … die Zunge … der Körper brennt. Berührungen brennen. Körperbewusstsein brennt. Berührung mit dem Körper brennt. Das angenehme, schmerzhafte oder neutrale Gefühl, das durch Berührung mit dem Körper bedingt entsteht, brennt ebenso. Womit brennen sie? Sie brennen mit dem Feuer von Gier, Hass und Täuschung. Sie brennen mit Wiedergeburt, Alter und Tod, mit Kummer, Klage, Schmerz, Traurigkeit und Bedrängnis, sage ich.

    Das Brennen liegt in den Prozessen, die das Leid hervorbringen. Im Sehen, Hören, Riechen, Denken. Nicht im Traum wird hier daran gedacht fein säuberlich nach Identitäten zu unterscheiden - ob jemand ein Linguist, eine Schnecke oder eine Diva ist. Gegenüber der Diskrepanz zwischen Brennen und Löschen, zwischen Dukkha und Nibbana ist das irrelevant.


    Wenn er ernüchtert ist, wendet er sich ab. Wenn er sich abgewandt hat, ist er befreit. Wenn er befreit ist, weiß er, dass er befreit ist.

    Er versteht: ‚Wiedergeburt ist beendet; die spirituelle Reise ist abgeschlossen; was zu tun war, ist getan; es gibt keine Rückkehr mehr zu irgendeinem Daseinszustand.‘“

    So lange nicht gelöscht ist, brennt es. Das Brennen selber ist etwas - auch wenn es mit Persönlichkeitsillusion einhergeht - Unpersönliches.


    Natürlich kann man auch während eines Buschfeuers rumlaufen und in Mein und Dein Unterscheiden. Ist diese Flamme eher meine Garage oder dein Auto, wenn da ein Funken von deinem Hemd auf meine Mütze übergesprungen ist, wem gehört dann die Flamme? Macht natürlich keiner. Ich und Mein ist irrelevant. Löschen ist zentral.

    Nur wird immer wieder die Wiedergeburt gesehen als ein Weg die Ohnmacht über die Endlichkeit des Lebens durch den Tod überlisten zu können. Dann ist es im Grunde nichts anderes als ewiges Leben im Christentum, nur ein anderer Lösungsansatz, und damit eher Beruhigung für die Psyche.

    Unterschiedliche Kulturen haben ganz unterschiedliche Grundmythologien die auch sehr mit der Landschaft zu tun haben.


    Im alten Testament scheint inmitten der Wüste die Sehnsucht nach einem Garten - einem Paradies - einem Ort der Fülle und der ewigen Freude - auf.


    Die indische Welt, der die Wiedergeburtsgedanken entstammen ist eine andere. Hier gibt es ein "zu viel" an Fruchtbarkeit - ein Zuviel an Entstehen und Vergehen - einen Dschungel an Fressen, Gebähren und Verschlingen - und die Aufgabe ist es diesen Dschungel zu stutzen und zurückzudrängen und einen Lichtung der Ruhe und des Friedens zu finden.


    Die Bewegungsrichtungen "Wüste->Garten" und "Dschungel->Lichtung" sind sehr verschieden.


    Auf der einen Seite haben wir ein lineares, zukunftsoptimistische Zeitvorstellung und auf der anderen Seite ein zyklischen Weltbild der ewigen Wandlung, wo es darum geht einen Punkt einzunehmen, wo die beständige Bewegung zur Ruhe kommt.


    Während die Idee einer persönlichen Wiedergeburt ( A war mal B) ist die Idee von "Samsara" - in einem Strudel an Vergänglichkeit und Verstrickung gegangen zu sein, für den Buddhismus zentral.


    Wenn jemand die Idee von Wiedergeburt zu naiv und unglaubwürdig ist, dann könnte man darüber reden wie man dieses zentrale Problem des Buddhismus "Samsara" anders ausdrücken kann, ohne an Dringlichkeit einzubüßen.

    Es ist wichtig die Funktion von Wiedergeburtslehren anzuschauen:


    1. Ethische Funktion: Indem Menschen sich mögliche nshstive Folgen ihrer Handlungen in zukünftigen Leben vergehhnwärtigen, handeln sie vielleicht besser.
    2. Annehmen: indem man das was einem passiert, als Folge vergangener Taten ansieht, kann man es leichter annehmen ( statt sich als Opfer zu fühlen )
    3. Welterklärungsfunktion: Zu vielem was einem seltsam vorkommt, kann man sich Erklärungen bereitlegen, die Wiedergeburt beinhalten.

    Für die beiden ersten Funktionen ist es nicht wichtig, ob es "so ist" ,sondern die Vergegenwärtigung künftiger und vergangener Leben kann eine heilsame Funktion übernehmen.


    Von daher ist die Frage, ob das für einen eher konstruktiv ist oder nicht funktioniert sondern nur zu allen möglichen Spekulationen führt.


    Wenn man - wie bei einem Medikament - die erwünschten Funktionen anführt - dann macht es auch Sinn die unerwünschten Nebenwirkungen anzuführen.


    Wenn man versucht Leute durch Angst zu gutem Verhalten zu erziehen, dann kann es immer passieren, dass die Angst sich verselbständigt. Angst kann auch benutzt werden um Menschen zu kontrollieren. In Japan gab es abstruse spokryphen Sutren wie das Ketsubon Kyō

    das behauptete dass Frauen schon allein durch ihre Menstruation ein höllenwürdige Untat begehen und deswegen für komplexe Rituale bezahlen müssen, um dies zu vermeiden.

    Das Bluthöllen-Sutra beschreibt, wie Maudgalyāyana, ein für seine übernatürlichen oder magischen Kräfte berühmter Schüler des Buddha, in die Hölle hinabsteigt, um seine Mutter zu retten. Er findet sie in der Gesellschaft von Frauen, die von den Höllenwächtern gequält und gezwungen werden, ihr eigenes Menstruationsblut zu trinken. Sie werden auf diese Weise bestraft, weil das von ihren Körpern produzierte Blut den Boden verschmutzt und die Erdgötter beleidigt oder in Flüssen landet, aus denen das Wasser für die Zubereitung von Tee für heilige Männer geschöpft wird.

    Für Jahrhunderte haben buddhistische Institutionen davon gelebt Frauen für ihre natürlichen Funktionen den "Teufel an die Wand zu malen" Natürlich ist dies in seiner Frauenfeindlichkeit und Absurdität extrem ( hier ein Video von Linfamy ) aber das erschreckende ist, dass dies ja damals in Japan nicht aus anderen angstmachenden Lehren herausragte sondern ganz normal als Teil des buddhistischen Mainstream anerkannt wurde. Viele Tempel - auch Zentempel - boten Frauen ganz regulär "Rituale gegen Bluthölle" an.


    Oder kann der Höllenglauben auch konstruktiv sein? Hakuin war einer der prominentesten Rinzai Mönche. Es ist interessant, dass der Anstoß Mönch zu werden daher kam, dass in seinem Dorf ein Nichiren Mönch eine Belehrung über die "acht Höllen" ( Naraka) hielt:


    Gängige Namen für die acht heißen Höllen sind:[2]

    • Samjiva (Hölle der wiederbelebenden oder sich wiederholenden Angriffe)
    • Kalasutra (Hölle aus schwarzen Linien oder Drähten; wird als Führung für die Sägen verwendet)
    • Samghata (die Hölle, von großen, heißen Dingern zerquetscht zu werden)
    • Raurava (höllisches Geschrei beim Herumlaufen auf brennendem Boden)
    • Maharaurava (höllisch großes Geschrei, während es von Tieren gefressen wird)
    • Tapana (Hölle der sengenden Hitze, während man von Speeren durchbohrt wird)
    • Pratapana (Hölle der sengenden Hitze, während sie von Dreizacks durchbohrt wird)
    • Avici (Hölle ohne Unterbrechung beim Braten in Öfen)

    Aus der Motivation diesen Höllen zu entkommen würde er Mönch und ein bedeutender Zen Erneuerer. Hier erfüllte der "Teufel an der Wand" seinen Zweck.

    Ich habe mal gelesen, dass die Griechen in der Antike Menschen, die die Existenz von Göttern leugneten vor allem deswegen so kritisch betrachteten, weil ja sämtliche Verträge bei den Göttern geschlossen wurden. Die Götter waren die "Garanten der sozialen Ordnung" und wenn es sie nicht gab waren alle Verträge hinfällig. Dein Haus war nicht dein Haus, deine Frau nicht deine Frau, dein Titel nur Wörter.


    Ich denke, dass man früher in Indien die Idee von Wiedergeburt ebenfalls für so einen "Garanten der sozialen Ordnung" ansah. Dass was die Leute dazu brachte, sich zu beherrschen und ethisch zu handeln. So wie sich Monotheisten vielleicht aus Angst vor der Hölle und aus Hoffnung auf den Himmel zusammenreißen.


    Seltsamerweise entstammte der moderne Atheismus ja gerade nicht den Reihen derer die statt göttlichen Geboten zu folgen ihren niederen Trieben folgen wollten, sondern es war eine Bewegung im Protestantismus wo man zunächst der Amtskirche den Rücken wendete, weil ein jeder die Sache selbst mit Gott und seinem Gewissen abklären konnte. Und dann würde die Idee des Gewissens - des inneren moralischen Kompasse - so wichtig, dass es kein äußeren Anreize und Strafen - "Zuckerbrot und Peitsche" "Himmel und Hölle" mehr bedarf. Das Gewissen bedeutet dass sich jeder seine eigene Hölle köchelt.


    Ich habe das Gefühl, dass das einerseits sehr effektiv funktioniert. Ein alter Inder wäre vermutlich erstaunt, wie gut wir funktionieren: ohne Murren und Götter hunderte Gesetzte einhalten, bei rot stehen bei grün gehen, Mülltrennen usw. Andererseits ist das auch ein großer Druck, der bestimmt mit vielen psychischen Erkrankungen einhergeht


    Vielleicht ist man sich selber, weil man sich so gut kennt, ein viel effektiverer Höllenmeister, Moralapostel und Angstmacher. Und hat einen höheren Druck, als dies mit Drohungen mit üblen Wiedergeburten möglich war.


    Mir kamen die Leute aus traditionellerende buddhistischen Gesellschaften eher weniger angstgeplagt vor als wir, die wir unseren Moralapostel verinnerlicht haben. Vielleicht ist das aber nur die oberflächliche Sicht.