Beiträge von Sudhana im Thema „Was zieht Menschen am Buddhismus an?“

    Aber war da nicht eine Suche nach Sinn und "Lebenspraxis", vielleicht auch leichtes Dukkha, im Sinne von Unerfülltheit, ursächlich?

    Natürlich war es das. Einmal davon abgesehen, dass ich die 'Welt' für ein interessantes Studienobjekt hielt und halte (wobei mein Zugang bevorzugt ein historischer ist) wollte ich herausfinden, warum die Welt, in der ich lebe, so Sch***e ist. Nicht nur aus persönlicher, durch meine Biographie bestimmte Betroffenheit, sondern auch aus einem Gerechtigkeitsempfinden heraus, aus Solidarität mit meinen Mitmenschen. Da lag ein Same für Mitgefühl, der keimte.


    Schopenhauer gab mir mit seinem philosophischen Pessimismus eine Grundlage, die ich aus meiner ersten Lektüre von Dahlkes Auswahl nicht ableiten konnte. Durch Schopenhauer habe ich die erste der Āryasatya verstanden:

    Duhkha
    I ch bitte um Nachsicht, wenn der heutige Eintrag nicht viel mehr als ein umfangreiches Zitat ist. Es lässt sich über das Thema Vieles sagen...
    zensplitter.blogspot.com

    - was dann den 'Rest' nach sich zog ...

    Wussten deine Eltern nicht, was in dir vorging?

    Schon - insbesondere mit meinem Vater hatte ich in dieser Zeit lange, intensive Diskussionen. Meine Mutter blieb da meistens Zuhörerin. Aber für sie gehörte das in die Schublade 'pubertäre Verirrungen' - mir da Autonomie zuzugestehen, schaffte sie da noch nicht. Zumal meine autonom getroffenen Entscheidungen nicht immer die besten waren ...

    Könnte man sagen, dass du letztlich aus "Liebe" zu(r) buddhistischen Weisheit(en) zum Mahayana und schließlich zum Zen-Buddhismus fandest?

    Ich denke, ein Prinzip, nach dem ich mich schon recht früh gerichtet habe, war das Bemühen, den Dingen auf den Grund zu gehen; ihr 'warum' und 'wieso' zu begreifen. Oder doch zumindest, sich die gängigen Erklärungen anzuschauen und zu prüfen, wie stichhaltig sie sind. Da führte mich Nagārjuna an die Grenzen dessen, was diskursives Denken leisten kann - was dann auch die Notwendigkeit einer anderen, nicht-diskursiven Kognitionsebene bewusst macht. Im Zazen wiederum habe ich meinen Zugang zu dieser 'Kognitionsebene' gesucht und gefunden; das hishiryō ("Undenken") des Zazen.


    Nachbarn können bekanntlich eine echte Bewährungsprobe darstellen ("Es kann der Frömmste nicht in Frieden leben...."), aber die wissen ja oft gar nicht, dass man Buddhist ist. Bei DIR verhält es sich wohl anders- somit fungierst du anscheinend etwas als Repräsentant/Vorbild?...

    Nun ja - ich lebe seit etlichen Jahren in einem kleinen Dorf. Dort leben ist etwas mehr als nur wohnen; man bringt sich ein. Etwa mit einem dieser beliebten Ehrenämter ... Und man ist mit den Leuten (nicht zuletzt übereinander, was oft Fingerspitzengefühl erfordert) im Gespräch, man 'kennt sich'. Hat was von Großfamilie - mit den zugehörenden Vor- und Nachteilen.

    Wie sieht es innerhalb der Familie aus?

    Das fand dann doch breite Akzeptanz - auch bei dem Teil, der früher zur kirchlichen Opposition in der DDR gehörte (meine Mutter und ich waren Flüchtlinge). Brandenburger Pietcong ... ;) Was da sicher eine wichtige Rolle gespielt hat war der Verzicht auf jegliche Bekehrungsversuche. Vor allem meinerseits ...

    in Zeiten, wo den christlichen Kirchen Tausende Gläubige die Gefolgschaft aufkündigen und austreten, wo die Bedrohungen und Unsicherheiten in der Welt gleichzeitig zunehmen und immer mehr Gewohntes und Vertrautes wegzubrechen scheint, sollte der Buddhismus, als Orientierungshilfe und Ausweg aus all dem Dukkha, vielleicht an Popularität gewinnen, oder was meint ihr?

    Man kann gegen die christlichen Kirchen, insbesondere die katholische, sicher eine Menge vorbringen. Nicht nur denen, auch der EKD laufen die Schäfchen davon, ohne Angst vorm bösen Wolf. Dafür will man sich nicht mehr scheren lassen. Mittlerweile ist der Bevölkerungsanteil von Kirchenmitgliedern (katholische und die EKD-Landeskirchen) unter die Hälfte abgesunken.


    Erst gestern morgen fand sich zur causa Dillinger einiges in meiner Tageszeitung, was diese Menge wieder ein gutes Stück vergrößert hat. Aber okay, ist hier offtopic. Der Punkt ist: die mit der Aufklärung einsetzende Säkularisierung unserer Kultur beraubt sie zunehmend der religiös begründeten Ethik, die in ihrer tradierten Form auf dem Anspruch beruhte, auf durch 'erwählte' Medien geoffenbarten göttlichen (und damit per definitionem nicht hinterfragbaren) 'Geboten' zu beruhen.


    Zur zunehmenden Fadenscheinigkeit solcher Gehorsam einfordernder Begründungen tritt der Kontrast; nicht nur manifest in den korrupten Manifestationen der traditionellen religiösen Institutionen, die unübersehbar den von ihnen propagierten ethischen Prinzipien selbst nicht gerecht werden. Manifest auch in der Kompetitivität, mit der die kapitalistische Wirtschaftsform unsere freie, liberale Gesellschaft gesegnet hat und die neben einer beispiellosen Vernichtung natürlicher Ressourcen auch zu einer typischen sozialen Differenzierung führt: das klassische Pyramidenmodell sozialer Hierarchien nimmt mehr und mehr die Umrisse des Eiffelturms an - mit einer stetig weiter nach oben wachsenden Spitze. Kein gutes Biotop für ethische Skrupel. Oben sowieso nicht (sonst wären die nicht da, wo sie sind) und unten gilt, was Brecht knapp so zusammenfasste: "Erst kommt das Fressen, dann die Moral".


    Zusammenfassend: ja, ich denke angesichts zunehmender ethischer Desorientierung unserer weitgehend entsolidarisierten Gesellschaft

    Zitat

    sollte der Buddhismus, als Orientierungshilfe und Ausweg aus all dem Dukkha, vielleicht an Popularität gewinnen

    Wünschen darf man ja, auch wenn's nicht immer hilft. :)

    Wie seid IHR zum Buddhismus gekommen? Habt ihr zuvor einer anderen Religion angehört? Warum habt ihr euch für eine bestimmte Tradition/Schule entschieden? Wie könnte man anderen Menschen den Buddhismus nahebringen, ohne direkt zu"missionieren"?

    Recht altmodisch - aus geistesgeschichtlichem Interesse hatte ich u.a. auch einen Reader von Paul Dahlke studiert, wo er mit ausgewählten Texten aus dem Palikanon den buddhadharma darstellte. Subjektiv / selektiv versteht sich, was ich aber erst später herausfinden sollte. Hatte das Buch zunächst unbeeindruckt beiseite gelegt; aber als ich Schopenhauer gelesen hatte griff ich es mir wieder und las es mit 'anderen Augen'. Und ich war begeistert - das bot mir eine Lebenspraxis, was ich bei Schopenhauer damals vermisste. Heute verstehe ich seine Praxis einer interesselosen Ästhetik (wo er ja auch nie sonderlich konkret wurde) hingegen etwas besser. Denke ich jedenfalls - was immer das wert sein mag. Den Dahlke habe ich vor ca. 40 Jahren verliehen und dann nie wieder gesehen. Ich hoffe, er ist noch durch viele Hände und Herzen gegangen.


    Ich wurde als Kleinkind zwangsgetauft - wie üblich halt. Ich war vielleicht 10 oder 11, als ich nach einigen Bedenken zum Schluss kam, das Gute-Nacht-Gebet könnte ich mir eigentlich sparen. Mit 13 mutierte ich durch die Lektüre des 'Manifests der Kommunistischen Partei' von Marx/Engels (das ich im Bücherschrank meines Vaters gefunden hatte - eine Ausgabe, die das 3. Reich überstanden hatte) zum Sozialisten - meine politische Entwicklung ging dann später, je mehr ich für mich die Gewaltfrage klären konnte, vor allem unter Einfluss von Kropotkin und Landauer in Richtung Anarchopazifismus. Aber zunächst stand mit 14 meine Konfirmation an - und ich weigerte mich, bei dem Unfug mitzumachen. Dem Pfarrer gelang es, meine Eltern zu überzeugen, mir meinen Willen zu lassen. Teilweise, weil er die Sache (anders als die meisten Konfirmanden) ziemlich ernst nahm, aber wohl auch, weil er nach einem Gespräch mit mir wohl die Befürchtung hatte, ich würde bei maximal unpassender Gelegenheit einen peinlichen Skandal auslösen. Das Mofa musste ich mir mit Ferienjobs selbst verdienen und die teure Junghans-Armbanduhr blieb weiter bis zum Schulabschluss in der Schublade liegen. Aber immerhin - meine Eltern respektierten dann auch meinen Willen, als ich ihn mir etwas kosten ließ.


    Dass ich nach einer ersten 'Orientierungsphase' mit Hilfe des Palikanon und des Visuddhimagga zum Mahāyāna kam, lag an Nagārjuna und den Prajñāpāramitā-Sutren - und eine ähnliche Rolle wie Nagārjuna spielte später Dōgen, der mich dann auch eine Übungsgemeinschaft in seiner Übertragungslinie suchen und finden ließ. Das chinesische Chan hatte ich schon vorher durch Gunderts Übersetzung des Bi Yän Lu etwas kennengelernt - mit dem ursprünglichen Daoismus (Yijing, Laozi, Zhuangzi) hatte ich mich schon einige Jahre vorher beschäftigt und praktizierte da auch schon eine Weile Taijiquan und Qigong.


    Anderen Buddhismus "nahebringen" ... Mein 'Rezept': ein guter Nachbar sein. Ansonsten - ich mache kein Geheimnis daraus, dass ich das bin, was ein Soziologe 'Buddhist' nennen würde. Aber ich mache auch keine Reklame dafür. Wenn mich jemand etwas dazu fragt, gebe ich gerne dazu Auskunft. Wenn nicht, auch gut - ich frage ja andere Leute ja auch nicht über ihre Religion aus ...