Aber war da nicht eine Suche nach Sinn und "Lebenspraxis", vielleicht auch leichtes Dukkha, im Sinne von Unerfülltheit, ursächlich?
Natürlich war es das. Einmal davon abgesehen, dass ich die 'Welt' für ein interessantes Studienobjekt hielt und halte (wobei mein Zugang bevorzugt ein historischer ist) wollte ich herausfinden, warum die Welt, in der ich lebe, so Sch***e ist. Nicht nur aus persönlicher, durch meine Biographie bestimmte Betroffenheit, sondern auch aus einem Gerechtigkeitsempfinden heraus, aus Solidarität mit meinen Mitmenschen. Da lag ein Same für Mitgefühl, der keimte.
Schopenhauer gab mir mit seinem philosophischen Pessimismus eine Grundlage, die ich aus meiner ersten Lektüre von Dahlkes Auswahl nicht ableiten konnte. Durch Schopenhauer habe ich die erste der Āryasatya verstanden:
- was dann den 'Rest' nach sich zog ...
Wussten deine Eltern nicht, was in dir vorging?
Schon - insbesondere mit meinem Vater hatte ich in dieser Zeit lange, intensive Diskussionen. Meine Mutter blieb da meistens Zuhörerin. Aber für sie gehörte das in die Schublade 'pubertäre Verirrungen' - mir da Autonomie zuzugestehen, schaffte sie da noch nicht. Zumal meine autonom getroffenen Entscheidungen nicht immer die besten waren ...
Könnte man sagen, dass du letztlich aus "Liebe" zu(r) buddhistischen Weisheit(en) zum Mahayana und schließlich zum Zen-Buddhismus fandest?
Ich denke, ein Prinzip, nach dem ich mich schon recht früh gerichtet habe, war das Bemühen, den Dingen auf den Grund zu gehen; ihr 'warum' und 'wieso' zu begreifen. Oder doch zumindest, sich die gängigen Erklärungen anzuschauen und zu prüfen, wie stichhaltig sie sind. Da führte mich Nagārjuna an die Grenzen dessen, was diskursives Denken leisten kann - was dann auch die Notwendigkeit einer anderen, nicht-diskursiven Kognitionsebene bewusst macht. Im Zazen wiederum habe ich meinen Zugang zu dieser 'Kognitionsebene' gesucht und gefunden; das hishiryō ("Undenken") des Zazen.
Nachbarn können bekanntlich eine echte Bewährungsprobe darstellen ("Es kann der Frömmste nicht in Frieden leben...."), aber die wissen ja oft gar nicht, dass man Buddhist ist. Bei DIR verhält es sich wohl anders- somit fungierst du anscheinend etwas als Repräsentant/Vorbild?...
Nun ja - ich lebe seit etlichen Jahren in einem kleinen Dorf. Dort leben ist etwas mehr als nur wohnen; man bringt sich ein. Etwa mit einem dieser beliebten Ehrenämter ... Und man ist mit den Leuten (nicht zuletzt übereinander, was oft Fingerspitzengefühl erfordert) im Gespräch, man 'kennt sich'. Hat was von Großfamilie - mit den zugehörenden Vor- und Nachteilen.
Wie sieht es innerhalb der Familie aus?
Das fand dann doch breite Akzeptanz - auch bei dem Teil, der früher zur kirchlichen Opposition in der DDR gehörte (meine Mutter und ich waren Flüchtlinge). Brandenburger Pietcong ... Was da sicher eine wichtige Rolle gespielt hat war der Verzicht auf jegliche Bekehrungsversuche. Vor allem meinerseits ...