Beiträge von Thorsten Hallscheidt im Thema „Thema Gewalt im Buddhismus“

    Ich habe große Zweifel, dass es irgendwas oder irgendjemandem gelingen würde die Menschen zu verändern. Ich denke, dass die großen Lehrer wie Buddha oder Jesus, wie du sagst, es wussten.

    Die Menschen verändern sich unablässig.


    Schwer zu glauben, aber wahr: Wir sind die Nachfahren der friedlichsten Menschen, derjenigen, die auf Kooperation setzen. Und wir werden uns weiter verändern. Jedes Gespräch, jede Diskussion, jedes Vorbild sind kleine Schritte auf diesem Weg.


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    Und nicht zuletzt bekomme ich über die Beschäftigung mit all den Dingen, die schieflaufen, die Leid erzeugen, die Menschen sich gegenseitig antun, Energie, etwas daran ändern zu wollen, mich für eine andere Welt einzusetzen. Insofern verhindern die schlechten Nachrichten auch, dass ich mich in meinem Elfenbeinturm allzu gemütlich einrichte. :|

    @Tim99

    Ich habe keine Strategie, Tim. Ich versuche, damit umzugehen, indem ich mir z.B. bewusst mache, dass ich immer nur einen von anderen Menschen gewählten und gewerteten Ausschnitt der Wirklichkeit wahrnehme. Klar, es gibt gerade Krieg in Israel und viele Menschen sterben. Aber in den allermeisten Regionen auf der Welt ist eben gleichzeitig kein Krieg. Auch das ist Wirklichkeit, zumeist aber unsichtbar.


    Die Medien fokussieren vorrangig schlechte Nachrichten. Zudem wird – gerade in Kriegen – sehr viel gelogen, um die öffentliche Meinung (also auch mich) politisch zu beeinflussen. Das bedeutet, dass der Ausschnitt Wirklichkeit, den Medien darstellen, oft politisch motiviert, verzerrt oder sogar falsch ist.


    Auf der anderen Seite versuche ich meine Motivation zu verstehen, warum ich all diese Nachrichten lese und lesen muss, denn es ist oft wie ein Zwang oder eine Sucht. Es geht dabei viel um Kontrolle und Beruhigung. Ich möchte glauben, dass mir Informationen zugleich auch die Möglichkeit bieten, eine Gefahrensituation einschätzen zu können, was natürlich eine Illusion ist. Es gibt keine Sicherheit in einer Welt, in der alles vergänglich ist.


    Sich über die Medien mit Krieg, Katastrophen, Leid und Tod zu beschäftigen, kann auch hilfreich im Sinne des Dharma sein. Zumindest versuche ich es manchmal so einzuordnen. Es hat Ähnlichkeiten damit, auf einem Leichenplatz zu meditieren (Majjihma Nikaya 10, 6-14. Die neun Leichenfeld-Betrachtungen), um zu erkennen, dass alle Phänomene leidvoll, vergänglich und ohne Selbst sind, und dass Nirwana Frieden ist. Diese Überlegungen helfen mir manchmal. Aber eigentlich ist das zentrale Element die Empfindung von Ohnmacht, der ich irgendwie mit dem Konsum von Informationen entgehen möchte. Im Sinne des Dharma aber sollte ich gerade diese Ohnmacht als grundlegend für meine Existenz akzeptieren. Nur darf ich nicht vergessen, dass nicht die ganze Welt ein Leichenfeld ist, sondern eben nur der Ausschnitt, auf den ich gerade meine Aufmerksamkeit setze.


    Der Schmerz, die Angst, die Gefühle von Ohnmacht sind gute Lehrer, wenn man in der Lage ist, ihnen zuzuhören (Was ich oft nicht hinkriege) :shrug:

    Für wichtig erachte ich auch, den Konsum von Nachrichtensendungen auf das Nötigste zu beschränken und sich möglichst nicht durch sie in negative Gefühle hineinziehen zu lassen. Sorgenvolle Gedanken zermürben nur und helfen niemandem - im Gegenteil!

    Ja, das ist sicher sinnvoll. Ich tue mich allerdings schwer damit. Zu leicht sind via Liveblog Informationen verfügbar. Während des 2. Golfkrieges hatte ich keinen Fernseher, kein Radio und nur eine Wochenzeitung. Und selbst mit diesen wenigen Informationen war ich reichlich mitgenommen. Wie erst heute, da man im Minutentakt mit erschütternden Nachrichten konfrontiert wird. Die Welt wird dann scheinbar so übel, wie die Wahrnehmung von ihr ist. Aber das ist natürlich nur ein selektives Bild, was zeigt, was Menschen fürchten, was sie triggert und was sie aufregt. Die Langeweile der guten Nachrichten bleibt weitgehend unberührt davon.

    Igor

    In einem Artikel in der aktuellen Zeit erzählen palästinensische Jugendliche in Berlin davon warum sie die Angriffe der Hamas als heldenhaften Befreiungsschlag feiern:


    Ist damit irgendetwas gerechtfertigt? Sind damit die Gräueltaten den Hamas in irgendeiner Art und Weise nachvollziehbar? Nein! Es sind absolut verabscheuungswürdige, mit nichts zu rechtfertigende, viehische Verbrechen an Unschuldigen, und die Antwort der israelischen Armee wird übel sein und noch viel mehr Leid über die Menschen bringen. Und das wird wieder zu einer Antwort führen und so weiter und so weiter. Was ist gerecht?


    Meiner Ansicht nach ist die einzige Chance, Gewalt, Mord und Leid zu verhindern, dem Hass selbst die Ursachen zu entziehen. Wie?


    Gaza-Streifen - Junge Menschen ohne Perspektive
    Die Arbeitslosigkeit im Gaza-Streifen ist extrem hoch, die Wirtschaft liegt am Boden. Viele junge Menschen sind frustriert, weil sie trotz hoher Qualifikation…
    www.deutschlandfunk.de


    Zitat

    Adnan Abu Hasna von den Vereinten Nationen warnt: Der Frust bei jungen Palästinensern ist so groß, dass sie psychisch krank werden. 400.000 Palästinenser im Gaza-Streifen seien betroffen.

    Manche würden jetzt klauen und nähmen Drogen, Dinge die es in der konservativen Gesellschaft in Gaza eigentlich nie gegeben habe. Und dann spricht Abu Hasna von seiner größten Sorge, wie er sagt:
    „Die jungen Menschen haben nichts zu verlieren. Sie haben keine Zukunft, keine Hoffnung, keine Jobs. Sie dürfen ja noch nicht einmal den Gaza-Streifen verlassen. Die Zahl derer, die sich Extremisten anschließen, steigt immer weiter. Wir sind uns dieser Gefahr sehr bewusst.“
    Rund 200 US-Dollar pro Monat zahlen bewaffnete radikale Organisationen wie der islamische Dschihad – für junge Männer ein attraktives Angebot.

    Igor07

    Rein buddhistisch ist das keine Interpretationssache, denn nicht dem Täter einer Tat, die Leid erzeugt, gebührt (wenn überhaupt) der Zorn, sondern dem Hass selbst, der den Täter zur Tat treibt:

    Einen Täter von der Tat abhalten, die Leid erzeugt, ist das eine. "Das Böse" bekämpfen und vernichten, das andere. Im zweiten Falle wird Hass mit Hass beantwortet.

    Kann sein, dann ich frage mich , die islmaische Terroristen , die das ganze Massaker veranstaltet hatten, sind die sie "Guten"?

    Gutes Beispiel: Das sind Menschen, die sich selbst für die Guten halten, weil sie das Böse (die Israelis, den Westen, die westliche Lebensart) bekämpfen und vernichten.


    Nun gibt es, als Antwort darauf, wiederum die anderen Guten, die das Böse (die Terroristen – und zugleich damit auch zahllose Zivilisten) in Grund und Boden bomben werden. Wie viele verstümmelte und tote Männer, Frauen und Kinder wird das wieder hervorbringen?

    Ja, wäre schön, wenn der Buddhismus da Hilfestellung leisten könnte. Es gilt ja als grundlegendes Gebot ahimsa,unbedingte Gewaltlosigkeit. Es gibt Geschichten von Bodhisattvas, die sich eher langsam zerstückeln lassen, bevor sie Gewalt gegen ihre Feinde ausüben würden. Doch was nützt mir das?


    Ich denke, in mir würde in einer absoluten Bedrohungssituation meiner Familie oder mir gegenüber ein Automatismus in Gang kommen, der – wider besseres Wissen – mit Gewalt auf Gewalt reagieren würde. Ich bin nicht frei, und das Karma, die in mir angelegten, kaum bewussten Gewohnheitsmuster, sozialen und biologischen Mechanismen werden ihre Wirkungen entfalten: Wut, Hass, Gewalt, Verblendung ... dazu bin ich in der Lage, nehme ich an, wenn die entsprechenden Ursachen und Umstände eintreten.


    Ist also die buddhistische Lehre ein zahnloser Tiger, wenn es darauf ankommt? Nein, ich denke nicht unbedingt. Aber es ist ein langer, mühsamer Weg, der allmählich aus dem Dunkel hinausführt.


    Solche Bilder, wie die aus Israel zu Zeit, nehmen mir die Hoffnung, dass das alles ein gutes Ende nehmen kann. Sie erzeugen Schmerz, Müdigkeit und tiefen Überdruss. Um so wichtiger wird die Praxis, die zur Befreiung führen kann: Buddha, Dharma und Sangha.


    Doch kaum jemand versteht und geht diesen Weg, im Gegenteil (AfD bei 18% in Hessen :sick: )! Ich schätze, das war nie anders. Darum wird die Welt sich auch nicht ändern, wird ein Moloch bleiben, der von Gier, Hass und Verblendung angetrieben wird – Samsara eben.


    Bleibt nur: Soweit möglich wach und mitfühlend werden/bleiben und nicht in Depressionen, Hass oder Angstzustände versinken. Und dazu kann die buddhistische Lehre wirklich sehr gute Dienste leisten.


    :kerze: