Beiträge von Helmut im Thema „Unbeständigkeit/Vergänglichkeit (anitya/anicca) akzeptieren...“

    Es geht hier doch nicht darum, was die Prasangikas mit der Aussage, dass die Phänomene nur Kraft ihrer Benennung existieren, meinen. Das ist ein sehr komplexes Thema.


    Es geht darum, was die Vergänglichkeit ist, was dieses Kennzeichen aller Phänomene ausmacht. Die Vergänglichkeit ist ein charakteristisches Merkmal aller materiellen und immateriellen Phänomene. Sie besteht darin, dass alle Phänomene, also alles Existierende, sich von Moment zu Moment verändern und nie gleichbleibend sind; also kein beständiges Eigenwesen besitzen.


    Begriffliche Kategorien wie Unbeständigkeit, Abhängigkeit usw. haben natürlich eine gewisse Beständigkeit, denn Unbeständigkeit bedeutet morgen nichts anderes als heute. Trotzdem sind diese Begriffe abhängige Phänomene.

    Und wenn Vergänglichkeit ein Konzept ist, gibt es sie in der Welt der nicht Konzepte nicht. Alles erscheint nur. Das Erscheinen kennt kein vergangenes oder zukünftiges.

    Die Unbeständigkeit - egal ob die grobe oder die subtile - ist kein Konzept im Sinne einer ausgedachten Gedankenkonstruktion. Sie ist vielmehr die Bezeichnung der Bestehensweise der materiellen und immateriellen Phänomene. Auch wenn man eine unmittelbare nicht-begriffliche geistige Wahrnehmung verwirklicht hat, hört die Unbeständigkeit der Phänomene nicht auf; man erfasst sie nur auf eine Art und Weise, die nicht auf Begriffe angewiesen ist.


    Das von dir Gesagte legt nahe, dass das Wort "Vergänglichkeit" nicht sehr gut ist, weil es das Dinghafte, dass es ja zu bestreiten sucht indirekt ( Dinge entstehen, Dinge verschwinden) bestätigt und eine mehr prozesshafte Beschreibung besser wäre.

    Das Wort Vergänglichkeit bestätigt das Dinghafte weder indirekt noch direkt. Vergänglichkeit ist ja ein Prozess, der dadurch gekennzeichnet ist, dass sich die Phänomene von Moment zu Moment verändern. Wenn man von der Veränderlichkeit der Dinge oder Phänomene spricht, bestätigt man ja die Dinghaftigkeit der Dinge nicht. Benutzt man das Wort Ding, um etwas Materielles zu kennzeichnen, so sagt man noch nichts über die Bestehensweise dieses Dinges aus, obwohl unsere Alltagssprache eine Verdinglichung nahelegt.


    Ich seh das inzwischen so:

    Die Vergänglichkeit aller Dharma ist unbestritten und von jedem mit Sinnen ausgestatteten Menschen zu erkennen. Die materiellen und die Geistigen.

    Nicht jede Vergänglichkeit ist mit den Sinnen zu erkennen. Man kann mit den Augen erkennen, dass sich ein materielles Phänomen nach fünf oder zehn Jahren verändert hat. Dies ist aber nur die grobe Vergänglichkeit des Phänomens. Dieser Vergänglichkeit liegt aber eine subtile Vergänglichkeit zugrunde, die nicht mit den Sinnen, sondern nur mit dem geistigen Bewusstsein, das kein Sinnesbewusstsein ist, erkannt werden kann.


    Die Vergänglichkeit der geistigen Phänomene kann überhaupt nicht mit den Sinnen wahrgenommen werden - weder die grobe noch die subtile Vergänglichkeit.

    Was ist MMK?

    MMK ist die gebräuchliche Abkürzung für Nagarjunas Schrift Mulamadhyamakakarika. In ihr legt er dar, dass die Auffassung von inhärenter Existenz der Phänomene weder logisch noch nach den Schriften haltbar ist.


    Diese Schrift ist für uns durchaus schwer verständlich, weil in ihr der Hintergrund der Debatte, die in dieser Schrift führt wird, nicht ausführlich dargelegt wird. Die Kenntnis dieses Hintergrundes konnte damals einfach vorausgesetzt werden.

    Genau darum rede ich normale Sprache, denn eigentlich gibt es da nichts zu sprechen.

    Für alle nicht Menschenwesen gibt es keine Vergänglichkeit. Nur erscheinen.

    Woher willst du denn dies wissen?



    Vergänglichkeit ist eine Illusion.

    Wenn Vergänglichkeit eine Illusion ist, dann gäbe es sie als Eigenschaft eines verursachten Phänomens nicht, genauso wie es das Wasser das eine Fata Morgana vorspiegelt nicht gibt. Wenn die Vergänglichkeit eine Illusion ist, dann wäre sie genauso nicht-existent wie ein Hasenhorn.

    Vergänglichkeit hat nur einen Aspekt, vergehen, kein Erscheinen, kein Andauern.

    Erscheinen nur diesen und Andauern auch nur diesen Aspekt, ihren eigenen.

    Das sehe ich etwas anders. Vergänglichkeit ist ja die Eigenschaft eines bestimmten Phänomens wie zum Beispiel unseres Körpers.


    Unser Körper entsteht durch Ursachen und Umstände; er besteht eine gewisse Zeit und vergeht dann wieder im Tod. Aber während der Phase von Geburt bis Tod besteht der Körper, hat also ein gewisses Andauern, Bestehen und damit erscheint er uns auch und so lange unser Körper existiert, erscheint uns auch seine Vergänglichkeit.


    Vergänglichkeit hat den Aspekt, ein abhängiges Phänomen zu sein, sie hat den Aspekt, die Eigenschaft eines durch Ursachen und Umständen entstandenen Phänomens zu sein, sie hat den Aspekt der momentanen Veränderung und die Vergänglichkeit unseres Körpers - um bei dem Beispiel zu bleiben - besteht so lange wie unser Körper existiert.

    Es gibt buddhistische Gedichte, in denen die samsarisches Existenz als ein Greifen nach der Reflexion des Mondes in einem See beschrieben wird. Man greift nach etwas, was ganz wo anders ist.

    Der indische Meister Candrakirti benutzt diese Bild, um die Situation der Lebewesen in Samsara zu charakterisieren:


    "und das [ das Bewusstsein des Bodhisattvas auf der 1.Bhumi] die Lebewesen betrachtet wie den Mond in sich kräuselnden Wasser, flüchtig und leer von inhärenter Existenz."


    Hier benutzt Candrakirti die Analogie des Mondes, um zwei Situationen zu verdeutlichen:

    • der Bodhisattva auf der 1.Bhumi hat eine Erkenntnis der subtilen Unbeständigkeit der Lebewesen und sieht, dass die Lebewesen selbst diese nicht erkennen und deshalb an Beständigkeit festhalten und dadurch ihr Leiden vermehren.
    • der Bodhisattva auf der 1.Bhumi hat eine Erkenntnis der Leerheit von inhärenter Existenz der Lebewesen, die Lebewesen selbst erkennen diese aber nicht und sind deshalb dem Leiden ausgesetzt.