Beiträge von void im Thema „Was ist Achtsamkeit / sati / smrti ?“

    Im Buddhismus ist ja die Funktion von Achtsamkeit die, dadurch Körper und Geist zu durchschauen, um zur Befreiung zu kommen.


    Während bei modernen Achtsamkeitshype, häufig die Idee mitschwingt das alles ( Beruf, Beziehung, Gesundheit) mit mehr Achtsamkeit besser funktioniert. Was ja erst nicht unlogisch klingt.


    Aber auf der anderen Seite ist der Mensch ja so ausgelegt, dass er das meiste was er macht, Recht automatisch und gedankenlos macht und nur in ganz bestimmten Situationen vom Autopilot in einem hochkonzentrierten manuellen Modus schaltet. Wie unglaublich anstrengend es sein kann, wenn die normalen Verhaltensmuster nicht greifen, hat man ja in der Corona Pandemie gesehen. Wo man dann dauern, auf Sachen achten mußte ( Maske, Desinfektion, Abstand) an die man vorher keinen Gedanken verschwinden mußte. Dieser "dauernde manuelle Modus" war für viele sehr anspannend, stressig und kräftezehrend. Und von daher führen manche Achtsamkeits-Jinzepze, wo die Leute denken, die müssen alles bewußt und konzentriert machen, zu einer ähnlichen Überlastung führt. Achtsamkeit ist kein Wundermittel um alle weltlichen Probleme zu lösen.

    Ich bin mir noch nicht so ganz sicher: Ist Achtsamkeit wirklich ethisch völlig neutral oder ist alleine schon die Haltung der Achtsamkeit mit einer bestimmten ethischen Qualität - einer heilsamen oder ganzheitlichen Qualität - verbunden?

    Ich weiß es nicht.


    Auf der einen Seite habe ich das Gefühl, dass die Realität selber ja ich-los und vergänglich ist und dass man, wenn man Achtsamkeit und Sammlung sorgsam schult, automatisch auf diese Wahrheit stößt.


    Aber auf der anderen Seite gibt es ja das Beispiel von Leuten, die über bemerkenswerte spirituelle Fähigkeiten verfügten, aber dann an einen Punkt kam, wo das nicht reicht. Mir fällt da Devadatta ein, der ja ein Vorbild an Asketentum, Disziplin und Sammlung war. Der edle echtfache Pfad hat ja mehrere Pfadglieder und vielleicht sind Achtsamkeit, Sammlung und Disziplin nicht genug. Und stößen von da aus alleine an eine Grenze?

    Gerade wenn man selber an einer möglichst "reinen" Motivation arbeitet, wo Achtsamkeit dem Ziel dient Befreiung zu erlangen, kann es einen ja verwirren, wenn "Achtsamkeit" zu einem Trend wird, der

    er Verbesserung des Lebens ( Beruf, Partnerschaft, Gesundheit) dienen soll. Dies kann das Bedürfnis weckt sich davon abzugrenzen.


    Wobei das schwer ist: Weil man selber ja in Allgemeinen vielleicht keine so reine Motivation hat, wie man sie sich wünschen würde. Man meditiert ja mitunter auch weil es einen freudiger, gelassener, ausgeglichener und glücklicher macht. Aber gerade so ein Zweifel kann einen noch mehr dazu bringen, rein von unrein trennen zu wollen. Einerseits ist es natürlich sinnvoll Dharma von Weltlichen abzugrenzen, aber es kann natürlich in einen "religiösen Dünkel" münden, wo man auf den anderen herabschaut.

    Er zählt da Gleichnisse auf, die sāti mit "geistiger Weite" in Verbindung bringen:


    Diese enge Verbindung von sati zu geistiger Weite drückt sich auch in mehreren Gleichnissen in den Lehrreden aus. Die in solchen Gleichnissen aus den Pāli Ni-kāyas entworfenen Bilder sind oft sehr hilfreich, um einen deutlichen Eindruck von der Bedeutungsvielfalt von sati im frühen Buddhismus zu bekommen.

    Eines dieser Gleichnisse handelt von einem Kuhhirten, der gut auf seine Kühe achten muss, um zu verhindern, dass sie in die reifen Getreidefelder streunen. Sobald die Ernte eingebracht ist, kann der Hirte sich entspannen, unter einen Baum setzen und seine Kühe aus der Ferne beaufsichtigen. In Bezug auf diese entspannte und distanzierte Art der Beobachtung, spricht das Gleichnis davon, dass er einfach nur auf die Kühe „achtsam sein soll“.


    Die Haltung, die in diesem Gleichnis dargestellt wird, ist ein ruhiges und abgelöstes Beobachten, ein buchstäblich weiter Geisteszustand, der die gesamte Situation im Blick hat.


    Ein weiteres Gleichnis, welches diese Qualität des Überblickens einer Situation von einer abgelösten Position aus untermauert, findet sich in einem Therag¤th Vers. Dieser Vers vergleicht die Übung von sati mit dem Erklimmen einer erhöhten Plattform oder eines Turmes.


    Dieses Turmgleichnis hebt plastisch die Fähigkeit hervor, eine Gesamtsituation zu überblicken und sich dadurch ihrer verschiedenen Aspekte bewusst zu sein. Um die ganze Situation überblicken zu können, ist es nötig, auf einen Turm zu klettern und dadurch Distanz zwischen dem Beobachteten und dem Beobachter herzustellen. Das Gleiche gilt auch für die Entwicklung von sati. Hier ist es innerer Abstand durch Losgelöstheit, der es ermöglicht, einen Überblick über das Geschehen zu erhalten. Diese Distanz ist nicht die eines Kopfmenschen, der den Bezug zum Geschehen verloren hat, son-dern eine affektive Distanz, die von der Situation emotional nicht überwältigt wird. Die Fähigkeit, eine Situation zu überblicken, erscheint noch in einem weiteren Gleichnis. Hier wird sati mit einem umsichtigen Wagenlenker verglichen. Die Qualität, die dieses Bild vermittelt, ist eine vorsichtige und ausgeglichene Übersicht über die Situation. Eine solche Übersicht dürfte im alten Indien schon ge- nauso notwendig gewesen sein, um heil durch den Verkehr steuern zu können, wie in der modernen Welt.

    Aber auch wenn sāti solche Elemente von offener Aufmerksamkeit enthält, ist es nicht gut, es darauf zu reduzieren.


    Mann muß ja nur an Wagenlenker denken. Es mag im Profisport viele Rennfahrer geben, die ganz konzentriert im Augenblick bleiben. Aber eben nicht aus buddhistischen Gründen sondern um zu gewinnen.


    Damit aus bloßer Aufmerksamkeit sāti wird, muß sie sich in den Dienst des Dharma stellen - d.h des Projekt die Wahrnehmung zu betrachten und das Aufkommen von Gier und Hass entgegenzuwirken. Antālayo zitiert hier das Gleichnis von Torwächter:


    Eine solch reine sati zu entwickeln, steht in enger Verbindung mit der Übung der „Zügelung an den Sinnestoren“. Zügelung an den Sinnestoren ist ein wichtiger Aspekt des Stufenweges der meditativen Übung. Der oder die Übende verweilt hierbei hinsichtlich jedes Sinneseindrucks mit reiner sati. Dadurch wird vermieden, dass der oder die Meditierende von den durch das Erlebte ausgelösten Assoziationen und Reaktionen mitgerissen wird. Die Präsenz von sati an den Sinnestoren bedeutet jedoch nicht, dass Sinneseindrücke vermieden werden sollen. Der Buddha erklärt in einer Lehrrede: Wenn das Vermeiden von Sehen und Hören der Verwirklichung zuträglich wäre, dann wären Blinde und Taube fortgeschrittene Übende.Stattdessen zügelt das einfache Gegenwärtighalten der reinen sati die Neigung des Geistes, empfangene Informationen zu beeinflussen. Ein Gleichnis in den P¤li-Lehrreden illustriert dies, indem es sati mit dem Torwächter einer Stadt vergleicht.Im alten Indien war es die Aufgabe eines solchen Torwächters, sicherzustellen, dass wirklich nur die Bürger der Stadt durch die Tore kamen. Zu diesem Zweck musste ein Torwächter mit den Bürgern vertraut sein und er musste während seines Dienstes am Tor wach und aufmerksam bleiben. Gerade so, wie ein guter Torwächter schnell jene erkennt, die die Stadt nicht betreten dürfen, so ermöglicht auch das Vorhandensein von sati das schnelle Erkennen von unheilsamen Assoziationen und Reaktionen an den Sinnestoren.

    Sāti ist daran gebunden, dass die Aufmerksamkeit den Ziel des Dharma folgt.

    also der Torwächter die Differenz heilsam/unheilsam bewacht.


    Wenn der Torwächter etwas anderes bewacht, z.B im Dienste des Abnehmens auf die Kalorien schaut, dann ist das vielleicht lobenswert und eine Form der "Achtsamkeit" aber eben nicht mehr im buddhistischen Kontext -also nicht mehr sāti.

    Es gibt dazu diesen sehr guten Text von.

    Anālayo er geht zunächst von der Grundbedeutung des Erinnerns aus:

    Das Wort sati ist eng mit dem Verb sarati, „erinnern“, verwandt. Die Beziehung von sati zum Erinnerungsvermögen kehrt in der formalen Definition von sati in den Pali Lehrreden wieder. Diese lautet: „Er (oder sie) ist achtsam, ausgestattet mit der höchsten Form klar unterscheidender sati, (so dass er oder sie) Dinge, die vor langer Zeit gesagt oder getan wurden, sich ins Gedächtnis zurückrufen und erinnern kann“.


    Die enge Beziehung von sati zum Gedächtnis wird zudem in der Person des Ananda deutlich, dem persönlichen Begleiter des Buddha. Einer Lehrrede zufolge, welche die hervorragenden Qualitäten verschiedener Schüler auf-listet, war gerade Anandas sati außergewöhnlich entwickelt.

    Auf den ersten Blick erscheint die Assoziation des Erinnern mit sati etwas ver- wirrend, da sati-Meditation ja bedeutet, im gegenwärtigen Moment zu verweilen und zu vermeiden, dass der Geist sich in Erinnerungen aus der Vergangenheit verliert. Dieser offensichtliche Widerspruch lässt sich jedoch durch eine genauere Betrachtung der oben gegebenen Definition von sati auflösen. Dabei zeigt sich, dass die P¤li Lehrreden sati nicht wirklich mit dem Erinnern gleichsetzen, sondern vielmehr darauf hinweisen, dass die Erinnerung gut funktioniert, wenn sati gegenwärtig ist.