Beiträge von Bebop im Thema „Entstehen in Abhängigkeit aus säkularer / historisch-kritischer Perspektive“

    Also, wenn ich das richtig verstehe, sollte es jemand geben – also ein Subjekt –, das außerhalb von sich selbst etwas beobachtet, also ein Objekt. Aber das setzt eine Dualität voraus, die nicht vorhanden ist. So sieht es auch die moderne Physik. Ich hänge die ganze Datei an.

    Ja, danke, das ist ein guter Punkt. Die Welt und das Bewusstsein in einer Wechselbeziehung, oder, wie ich es bei Sawaki las: Wenn du stirbst, stirbt die Welt mit dir.

    Hast du dich mit Nummerierung vertan?


    Der Fall war mir zwar sowieso ein Buch mit 7 Siegeln, aber das hätte ich nicht darin gelesen.

    In der Einleitung zum 5. Fall im Hekiganroku steht: "Ein Klaräugiger kann nicht getäuscht werden ...", "du erleuchtest und handelst GLEICHZEITIG" und "Wer jemanden ohne mit der Wimper zu zucken töten kann, wird an Ort und Stelle Buddha".


    Das ist alles eigentlich ganz gut verständlich, wenn man ein bisschen in Analogien denken kann und nicht alles nur wörlich nimmt. Man darf nicht vergessen, dass mit Hakuin ein Außenseiter im Zen das Rinzai wesentlich beeinflusste, indem er die Koan-Schulung systematisierte. Die Frage ist, ob die folgende Geschichte also überhaupt je dazu gedacht war, jemanden in einen Dokusan-Raum zu bringen und sich da dann rausklingeln zu lassen. Ich glaube nicht. Darum ist m.E. der Ansatz ungünstig, diese Bücher als "mit 7 Siegeln" versehen zu betrachten. Das ist nur der erste Schritt, sich in die Fänge von irgendwelchen Leuten zu begeben, die auch bloß versuchen, ihr Leben klar zu bekommen, im besten Fall. Man fällt mal wieder auf das (spätere) "Ritual" rein, statt sich um den Kern der Story zu kümmern.


    Was dann im Kôan steht, ist nämlich ebenfalls nicht schwer zu verstehen, und man findet es z.B. auch im "Hagakure": Nimm große Dinge leicht (die Erde wie ein Korn Reis).


    Natürlich werden diejenigen, die sich in der Koanschulung abquälen, nun sagen, das ist es (noch) nicht. Aber wenn du das in deinem Leben machst und jenes, was in der Einleitung steht, hast du nicht nur dieses Koan "beantwortet". Du wärst schön blöd, wenn du dir was anderes einreden lässt, denn wahrscheinlich kann das nicht mal dein Lehrer so umsetzen.


    Das ist ein Grund, warum ich die Bücher von Roloff nun doch nicht mehr machen will. Zu viel abgehobene Sprache so wie damals bei Wilhelm Gundert, unnötiges Verkomplizieren. Aber Roloff war ja auch mal bei Nolting (Rei-Bande) ... Wo Gundert war - außer bei den Nazis und den christlichen Missionaren -, weiß ich nicht.

    Die Kette ist aber die der Entstehung von dukkha und das kann nur der Mensch mit seinem IchSelbst erzeugen oder erkennen.

    Das sehe ich auch so. Und wie du zurecht sagst, ist das im Theravada/Palikanon anders. Da entsteht die Kette ohne das "Ich"-Bewusstsein bzw. wird ein gewisses Selbst schon bei der Empfängnis (oder ein paar Tage danach) postuliert.


    Zitat

    But when these three things come together—the mother and father come together, the mother is in the fertile part of her menstrual cycle, and the spirit being reborn is present—an embryo is conceived.

    Wenn der Geist, der wiedergeboren wird, präsent ist ... wird der Embryo empfangen/gezeugt (siehe u.a. Maha Tanhasankhaya Sutta).


    Aber auch das fällt auf:

    Rein phänomenologisch betrachtet gibt es keine andere Zeit als das Jetzt

    Denn im o.g. Sutta wird ausdrücklich beschrieben, welche Dinge zeitlich zusammenfallen müssen, damit dies geschieht. Im Maha Nidana Sutta wird explizit gesagt, dass ohne Bewusstsein keine Form entstünde. Die Vorstellung war, dass bestimmte Events zusammenfallen müssen, damit dann eine Kausalkette sich fortsetzt.


    Der Grund ist schlicht, dass man nicht die Möglichkeiten hatte, die Entstehung des menschlichen Lebens so zu studieren wie heute. Dann spekulierte man halt. Mit so etwas muss man sich wie gesagt nicht weiter aufhalten. Ich habe sogar mal ein apokryphes Embryo-Sutra online gestellt, wenn jemand es dennoch tun will.

    und wo ist das "Universum"?

    Die Frage ist berechtigt. Der wissenschaftliche Stand ist ja, dass es mehr als eins gibt und diese nicht kausal verbunden sind (Andrei Linde). Von daher sind auch diese ganzen Metaphern des Einsseins mit dem Universum untauglich geworden. Was mich hier besonders wundert ist, dass pano - im Corona-Thread als Wissenschaftler in Erscheinung getreten - übrigens nicht der erste ist, der sich hier auf Dinge einlässt, die nicht unserem Erkenntnisstand entsprechen. Es ist für mich schon erstaunlich, welche Funktion Religion da noch erfüllen kann, selbst bei empirischen Wissenschaftlern.


    Um diesen scheinbaren Widerspruch aufzulösen - was man doch tatsächlich erfährt, hier im Forum wie im Alltagsleben, besonders, wenn man reist, ist, dass schon die individuelle Gedankenwelt jedes Einzelnen ein eigener Kosmos ist. Von daher erscheint mir der Sprung von der theoretischen Überlegung dieser multiplen Universen zu einer empirisch nachvollziehbaren multipler Kosmen bereits vollzogen.

    Denn genau in dem Augenblick, in dem das Leben da ist, sind auch Geburt, Alter, Tod und Leiden da – nicht der Reihe nach, sondern einfach zugleich.

    So hat es mal Shunryu Suzuki als Interpretation der üblichen Kausalkette angeboten. Das sind zwei Welten. Die eine versucht die Dinge so zu sehen, wie es irgendwo in einem Text steht, die andere versucht zu erklären, wie sich Gegenwart oder Hier-und-Jetzt darstellt oder erfahren lässt.


    Wenn man die lineare Betrachtungsweise wählt, stellt man heutzutage jedoch fest, wie aus einer (Un-)Form sich langsam etwas herausbildet, was mentale Fähigkeiten und später sogar ein (Selbst-)Bewusstsein hat. Ein ständiges Wechselspiel zwischen Bewusstsein und (Un-)Form ist konstruiert. Er hängt mit der Wiedergeburtslehre zusammen, ist also eine Glaubensfrage, eine Frage religiöser Ideologie, nicht der eigenen Erfahrung.


    So erläutert Thanissaro SN 5.1 (Ajitas Fragen):

    Zitat


    (...) refers to the doctrine of dependent-arising (paticca-samuppada). Where rebirth-consciousness (pati-sandhi-vinnana) does not arise there is no establishment of an individual (mind-and-body, namarupa) in a realm of existence, nor the consequent appearance of old age and death and the other sufferings inherent in life.

    Wo also kein Wiedergeburts-Bewusstsein entsteht (und das entsteht im Moment der Empfängnis! - und es richtet sich nach dem Vorleben), entstehe auch kein Individuum (namarupa) im Bereich der Existenz, noch die konsequente (d. h. folgende, lineare) Erscheinung von Alter und Tod und den anderen Leiden, die dem Leben innewohnen.


    D. h. der Palikanon behauptet ein Bewusstsein schon bei der Zeugung. Das mag zwar für ethische Erläuterungen in Ländern, wo Theravada vorherrscht (also im Hinblick auf Abtreibung), von Belang sein, aber nicht für die moderne Wissenschaft. Alles spricht dagegen. Man kann es auch durch eigene Erfahrung später nicht replizieren, im Gegenteil findet man ja wie gesagt Bewusstseinsarten, denen man nicht unterstellen kann, dass sie überhaupt zur Leidenserfahrung fähig sind, die dämmern von Anfang bis Ende vor sich hin.

    Und warum existiert nicht alles gleichzeitig?

    Weil der Palikanon nicht Chan/Zen ist. Weil er noch lineare Vorstellungen pflegte. Was du da zitiert hast, setzt voraus, dass jemand AUSSERHALB des Momentes irgendetwas beobachtet, was er dann als Moment definiert. Mit den Möglichkeiten, die man vor 2.500 Jahren hatte, wohlgemerkt. Du kannst sicher sein, dass eine solche Sicht nicht als "erwacht" gelten kann im Zen, und wenn irgendjemand so etwas im Palikanon behauptet hätte, er ja nicht mehr im Moment gewesen sein kann. Ich habe das mal publiziert, solche Ideen hat William McGovern aufgegriffen in "Buddhistische Philosophie und Kosmologie". Das ist "Wissenschaft" von vorgestern, aber ganz unterhaltsam, ich konnte mich beim Korrekturlesen oft nicht mehr einkriegen vor Lachen.

    Das kann ja nicht stimmen. Nicht die Begierde (desire) ist die Ursache des Leidens, sondern das Anhaften (clinging). Da gehört die gestrichelte Linie hin. So wie es oben dargestellt ist, kann es jedenfalls keine "erwachte" Sicht sein.


    Auch das ist falsch:

    Zitat

    “It was said: ‘With consciousness as condition there is name-and-form.’ How that is so, Ānanda, should be understood in this way: If consciousness were not to descend into the mother’s womb, would name-and-form take shape in the womb?”

    “Certainly not, venerable sir.” …

    Es heißt, mit Bewusstsein als Bedingung entstehe Name-und-Form. ... Wenn Bewusstsein nicht in den Mutterschoß herabstiege, würden Name-und-Form nicht im Mutterleib Gestalt annehmen.


    Richtig ist, dass Bewusstsein NACH der Gestalt/Form entsteht, etwa in der 24. bis 26. Schwangerschaftswoche.


    Auch das Folgende ist falsch, da Leben auch im vegetativen Zustand, also ohne Bewusstsein, fortdauern kann.


    Ich werfe es den Leuten nicht vor, dies damals noch nicht gewusst zu haben, aber es erleichtert die Diskussion, wenn man es damit ad acta legt und sich nicht mit historischem Aberglauben länger als nötig beschäftigt.