Ein interessanter Gedanke dem ich bei der Beschäftigung mit dem Christentum ist, das Evangelium als Literaturgattung zu begreifen. Das kann man erstmal ganz unabhängig davon machen, ob eine solche Erzählung einem Archetypen von Erzählmustern entspricht oder nicht. Im Mittelmeerraum waren zum Beispiel auch Briefe eine beliebte (oft fiktionale) Literaturgattung. Entsprechend einig ist sich die Bibelforschung auch, dass viele Briefe in der Bibel nicht authentisch sind, also ursprünglich nicht als Briefe an eine Gemeinde verfasst wurden, sondern vorneweg entstanden sind um in Buchform veröffentlicht / geteilt zu werden.
Wenn man diesen Standpunkt einnimmt kann man diese Quellen immer noch rezipieren, aber sie verlieren etwas diesen Absoltheitsanspruch der so manche Diskussion unmöglich macht.
Ich denke man kann auch die Pali-Suttas und die Mahayana-Sutras unter einem solchen Winkel betrachten. Damit werden sie von authentischem Buddha-Wort zum authentischen literarischen Ausdruck der gelebten Dharma-Praxis den Entstehungszeitalters. Es bleibt bei Authentizität aber ihr Wesen verschiebt sich etwas. Das ganze funktioniert allerdings nur dann produktiv wenn man erstmal alle Quellen so betrachtet. Es reicht eben nicht, wie viele Theravadins es tun, die Mahayana Sutras als fiktionale Werke zu begreifen, und gleichzeitig Suttas aus dem Palikanon als Protokolle des ursprünglichen Buddha-Wortes zu begreifen.