Beiträge von Lirum Larum im Thema „Tsültrim Allione: Den Dämonen Nahrung geben: Die tibetisch-buddhistische Technik der Konfliktlösung“

    :) auch, wenn ich diesen alten Thread zu guter Letzt nur noch allein bevölkere, es gibt immernoch etwas dazu zu sagen. Vielleicht interessiert es ja "spätere Generationen":


    Ich hab jetzt eine lange Pause gemacht mit dem Dämonenfüttern, weil ich etwas enttäsucht war, dass mein Ischias davon nicht weggeht. Aber ich glaube, ich fange einfach mal mit weniger hohen Erwartungen wieder damit an.


    Wenn man etwas als "Dämonen" bezeichnet, liegt darin eigentlich auch schon eine dermaßen starke Wertung, dass man dann da nicht mehr offen bleibt. Auch nenne ich für mich den sogenannten "Verbündeten" lieber "Helfer" - weil nach meinem Empfinden ein Verbündeter nur in einer Art Krieg vonnöten ist. Das ist aber alles eine nicht hilfreiche Denkweise, man kann so an das Wesen dieser Praxis nicht herankommen. Denn es geht ja gerade darum, seinen vermeintlichen Gegner nicht mehr als solchen zu begreifen, sondern ihn anzunehmen. In diese Denke komme ich schwer rein, wenn ich von "Dämonen und Verbündeten" spreche.


    Denn dieser Ischias-"Dämon" ist eher ein sehr wichtiger Lehrer für mich: ich kann nun echtes Mitgefühl empfinden, wenn mir jemand sagt "Ich habe chronische Schmerzen". Vorher war so eine Aussage für mich jenseits meiner Vorstellungskraft. Ein blödes Gefühl, wenn man jemanden trösten will: "Tja (du armes Würstchen), sowas hab ich noch nie gehabt, tut mir ja sehr leid für dich..." :roll:
    Indem ich selber Wege aus dieser Krankheit suche, kann ich, wenn ich sie denn gefunden habe, auch Anderen viel besser weiterhelfen. Unvorstellbar viele Leute begegnen mir jetzt, die auch unter kaputten Bandscheiben und Ischiasschmerzen leiden. Wie schön wäre es, denen irgendeine Art von Perspektive geben zu können.


    Wenn ich also meinen Ischiasdämonen lediglich als etwas betrachte, das gefälligst verschwinden soll, verschließe ich mich dieser Sache immernoch so weit, dass ich nichts daraus lernen kann. Es gilt, diesem Phänomen offen zu begegnen.

    melv0:

    Ich habe das Buch auch mal gelesen und sehr erfolgreich damit gearbeitet. Das war jedoch, bevor ich sehr krank wurde. Heute, wo ichs wirklich bräuchte, schaffe ich es nicht mal mehr bis zur Visualisierung. Einerseits ist es ein heißer Schauder, der, wenn sich nur die Silhouette des Dämons abzeichnet, mir über den Rücken läuft, andererseits bleibt es, wenn ich den Schauder überstanden habe, nur bei der Silhouette und verschwimmt ganz schnell wieder. Es ist jedoch so unvergleichbar wichtig für mich, dass es klappt. Kann mir jemand einen passenden Ratschlag geben?


    melv0


    Hallo melvO,


    so ist das mit den Antworten - manchmal kommen sie einfach viel später.


    Ich muss jetzt sagen, dass eine Visualisierung schwer klappt, ist vollkommen normal.
    Wenn Tsültrim Allione in ihrem Buch sagt, man solle unbedingt so genau wie möglich visualisieren, dann will sie damit keinen Bewertungsgradmesser angeben, sondern dazu motivieren, dass man ein bisschen zäh ist, wenn man an die Sache heran geht. Dass man es versucht und wenn's schlecht klappt, nochmal neu versucht. Zur Unterstützung des klareren Erkennens gibt sie ja auch diese ganzen Tipps, dass man malen und aufschreiben und aus Ton formen soll usw.
    Das hätte jemand, der sofort alles perfekt visualisieren kann, wohl nicht nötig.


    Ich stelle fest, dass die alten, hartnäckigen Dämonen, die Gewohnheiten und Denkmuster, die man schon allzu lange versteckt mir sich herumschleppt, sich nicht zeigen wollen. Das gehört zum Muster dazu, denn an irgendeiner Ecke des Herzens meint man, an dieser Sache könne man nun aber nichts ändern - an anderen Problemen vielleicht, aber daran nicht... Diese Dämonen sind für mich ganz schwer fassbar. Schon die Formung des Körpergefühls meandert herum. Wenn ich dann so weit bin, den Dämon personifiziert zu haben, dann zeigt er nur seine Silouette.
    Es braucht immer geduldiges Fragen ("Wie sieht Dein Gesicht aus?") und Abwarten und Notieren und Aufmalen, bis da etwas gefunden wurde. Und wenn ich nächsten Tag nochmal daran arbeiten will, sieht er wieder ganz anders aus.
    Das ist o.k. so.


    Rom wurde auch nicht an einem Tag erbaut.

    Außerdem:
    Ja, mein erster Gedanke war auch: Hä? Dämonenarbeitstagebuch führen? Stunden des Tages damit verbringen im Dreck zu wühlen? Das klingt aber nicht nach Buddhismus sondern nach Psychoanalyse.
    Hat der Buddha das gelehrt, dass man sich mit "Ich, ich & ich und meine persönlichen Dämonen" befassen soll?


    Wenn man genauer hinschaut, würde ich sagen: Ja.


    1. Geht es nicht um irgendwelche westlichen Weicheier-Wehwehchen, sondern um echte Probleme, die einen hemmen - auch auf dem Dharmaweg behindern. Hierzu gibt sie (T.A.) einen gangbaren Ausweg, den man auch gern mit seinem Therapeuten zusammen beschreiten kann/sollte.


    2. Ist es im Sinne des Mitgefühls zur eigenen Umwelt sehr sinnvoll einen Weg zu finden, die eigenen Dämonen zu erkennen anstatt sie in die Außenwelt zu projizieren.


    3. Im Buch auf Seite 145 steht eine gute Erklärung, was das alles soll:


    <<In der Nacht, als sich Prinz Siddharta aus dem Palast stahl, um nach Antwort auf seine swpirituellen Fragen zu suchen, ..., begegnete ihm als Erster Mara, die äußere Erscheinungsform jener inneren Kräfte, die ihm den Weg zu versperren drohten. Siddharta ... hatte sich entschlossen, sein früheres Leben aufzugeben und nach Erleuchtung zu streben...
    Mara schwebte vor ihm und sagte: "Geh nicht weiter. Du solltest zum Palast zurückkehren, in sieben Tagen bist du Weltherrscher und König über die ganze Erde!"
    Prinz Siddhartha erwiderte: Mara, ich erkenne dich! König über dieswe Erde zu sein, ist nicht das, was ich suche. Ich suche nach Erleuchtung und dem Aufheben allen Leidens."
    Dadurch, dass er Mara erkannte konnte Siddhartha ihn überwinden. Mara schlich sich ins Dunkel davon und Siddhartha konnte seinen Weg fortsetzen.
    >>


    Darum geht es. Den Schrott zu erkennen und zur Ruhe zu bringen, anstatt ihn weiter unbeachtet herumschimmeln zu lassen.


    Genauso: wenn man ein Haus baut, gräbt man auch erstmal ein Loch für das Fundament. Da können natürlich ein paar Klogschieter vorbeikommen und lachen: "Was soll das denn für ein Haus werden? Sieht aus wie ein großer Kaninchenbau." :lol:

    So, jetzt kann ich auch mitreden - hab mir das Buch besorgt, ausprobiert und finde es gut.


    "Dass die moderne psychotherapie etwas ähnliches einsetzt" ist aber kein Wunder, denn Tsültrim Allione scheint sehr viel von C.G. Jung zu halten und versucht als Amerikanerin den Brückenschlag von tibetisch verwurzelter Tradition ("Chöd") zum westlichen Verständnis.


    Wir hier im Westen ticken so dermaßen anders als die Tibeter, dass ich ihren Versuch für überaus rechtschaffen und lobenswert halte.
    Wichtig an den Traditionen sind ja nicht die festgelegten Rituale, sondern der Inhalt, der vermittelt werden soll. Wenn wir den anderersrum erklärt erstmal besser einsehen können, dann ist das sehr fortschrittlich, hilfreich und hält den Dharma am Leben.


    mirco:

    ...
    liebevoll Annehmen: ja. Dabei braucht es nicht mal im Detail benannt zu werden.


    Weiterhin Aufmerksamkeit schenken: nein. Aufmerksamkeit ist doch ihre Nahrung und hält sie am Leben.


    Nach dem Annehmen loslassen, Körper und Geist entspannen und zum Objekt zurückkehren.
    ...


    Ganz genau dazu leitet Tsültrim Allione in "Schritt 5" der Dämonenfütterung an: alles wird in Leerheit aufgelöst und man verweilt darin solange man kann und mag. Das gehört untrennbar dazu. Eine Supersache, das. :)

    melv0:

    Ich habe das Buch auch mal gelesen und sehr erfolgreich damit gearbeitet. Das war jedoch, bevor ich sehr krank wurde. Heute, wo ichs wirklich bräuchte, schaffe ich es nicht mal mehr bis zur Visualisierung. Einerseits ist es ein heißer Schauder, der, wenn sich nur die Silhouette des Dämons abzeichnet, mir über den Rücken läuft, andererseits bleibt es, wenn ich den Schauder überstanden habe, nur bei der Silhouette und verschwimmt ganz schnell wieder. Es ist jedoch so unvergleichbar wichtig für mich, dass es klappt. Kann mir jemand einen passenden Ratschlag geben?


    melv0


    Ich kann nicht wissen, ob mein Ratschlag bei Dir passt, melvo - aber bei mir ist es ganz typisch immer so, dass die Dinge nicht klappen, wenn sie "unvergleichbar wichtig" sind. Wenn ich zu gierig greife, drücke ich es ab.
    Meine neueste Idee, wenn ich mich bei sowas erwische: "Loslassen - Om mani peme hung - loslassen - Om mani peme hung - ..."
    Hilft bei Ischias ein bisschen. :?


    Aggivessano:

    ...gibt es eine Methode, diese oft verdrängten Anteile in uns, die von C.G. Jung summarisch als „der Schatten“ benannt wurden, zu erkennen und durch Akzeptanz zu erlösen. Denn wer seine Dämonen leugnet oder bekämpft, gibt ihnen letztendlich mehr Energie. Wenn wir sie jedoch annehmen und ihnen liebevolle Aufmerksamkeit schenken, können wir sie auflösen. ...


    Ah, im Eingangsposting steht es viel besser.
    Es geht also nicht nur darum zu versuchen diese Technik technisch anzuwenden, sondern der Schlüssel liegt auch im Annehmen - meine Rede. ;)
    Das braucht Zeit, das Annehmen. Also ist Schritt Nr.1 a, die verschwommene Silouette so verschwommen anzunehmen, wie sie ist. :) Vielleicht IST Dein Dämon gar nicht klar. Da kann man dann natürlich lange augenreiben.