Beiträge von Dudjom im Thema „DIE ZEN-LEHRE des chinesischen Meisters Huang-Po“

    Lena:


    Ich hatte weiter oben auf die "Armut der Sprache" verwiesen. Diesen Hinweis kann ich hier nur wiederholen:


    Die Sprache ist aber nicht arm. Im Gegenteil sie ist ganz hervorragend reich und bringt vielerlei zustande.


    Lena:


    Insofern darf man den Wörtern nicht auf den Leim gehen und meinen, "Wahrheit" im konventionellen Sinne sei lediglich die Frage einer korrekten Absprache.


    Nun "Konvention" ist aber nun mal Absprache und Übereinkunft. Die konventionelle Wahrheit ist eine Wahrheit der konventionell richtigen und konventionell interindividuell nachvollziehbaren Benennung.


    Lena:


    An der Erstellung eines verbindlichen (also überindividuellen) Zeichensystems für kognitive Inhalte sind bislang alle gescheitert (von Leibniz bis Russel).


    Das liegt daran, dass es nicht nur eine Konvention gibt, sondern sehr viele. "Konventionelle Wahrheit" ist tatsächlich ein Klassenbegriff. Und innerhalb einer Konvention gibt es je nach Kontext auch verschiedene Benennungen für ein und das selbe Wahrnehmungskorrelat. Was allerdings über alle Konventionen hinweg das gleiche ist, ist das jeweils direkt Wahrnehmbare, also das Wahrnehmungskorrelat der zwischen den Konventionen divergierenden konventionellen Benennungen.


    LG

    Lena:
    Dudjom:

    Man muss nur mit Sprache umgehen können. Sonst schweige man halt einfach. Schweigen steht doch Zen gut zu Gesicht. Nur Huang po konnte sich nicht dran halten


    "Wenn man sich nicht auf gewöhnliche Auffassung stützt, kann man das Wahrhafte nicht lehren"
    Nagarjuna, Madhyamakarika, XXIV, 10


    Das ist schon mal ganz gut, wobei es korrekterweise heißt "auf die konventionelle Wahrheit" nicht "auf gewöhnliche Auffassung".
    und wenn man also sich auf die konventionelle Wahrheit stützt, dann sollte man wissen, was konventionelle Wahrheit und was konventionelle Unwahrheit ist. Denn nicht jede Phantasie, die mit konventioneller Sprache ausdrückbar ist, ist konventionelle Wahrheit.


    LG

    Lena:

    Ein paar Zitate:


    1) Huang Po wird nicht müde, die Begrenztheit des begrifflichen Denkens aufzuzeigen. Um zum "Einen Geist" zu erwachen, führt nur ein Weg: die Überwindung des begrifflichen Denkens:
    "Könntet Ihr euch nur freimachen von begrifflichem Denken, dann hättet ihr alles erreicht."


    Dabei bedient er sich aber sehr intensiv der begrenzten Begrifflichkeit :lol:


    Lena:

    2) Und wer die Beschränktheit des rein Verstandesmäßigen erkannt hat, der muss natürlich die Schriftgelehrtheit aufs Korn nehmen:


    "In unseren Tagen suchen die Menschen nur, wie sie sich vollstopfen können mit Wissen und Schlußfolgerungen und verlangen überall nach Buchwissen. Dies nennen sie 'Dharma-Übung'. Sie wissen nicht, daß so viel Wissen und Schlussfolgerungen genau den entgegengesetzten Erfolg haben und Hindernisse aufrichten. Wenn du nur Wissensmengen anhäuftst, gleichst du einem Kind, das durch zuviel Essen von Süßigkeiten Verdauungsstörungen bekommt." (46)


    Oft ist es so, dass abgelehnt wird, wozu dem Ablehnenden selbst die Kapazitäten fehlen. Das Studium der Schriften dient nicht dem Anhäufen von Wissen, sondern der eigenen Praxis oder der Vermittlung von Praxis.


    LG

    Hallo Benkei


    Benkei:

    Namaste!


    Hallo Dudjom,

    Dudjom:

    Nein. Da kommen wir nicht zusammen. Als Madhyamaka bin ich auch überhaupt kein "Fan" von "Buddhanatur".


    Nein, ich denke auch nicht ;)
    Ich habe mich bisher davor gestreubt, Nagarjunas Werke zu lesen und auch Aryadeva's "Catuhshataka" steht noch ungelesen in meinem Bücherschrank. Beide werden zwar als Patriarchen des Zen verehrt, allerdings geht es im Zen in Bezug auf diese beiden weniger um deren Philosophien.


    Das ist ein großes Missverständis, das mit den "Philosophien". Tatsächlich geht es um "Vipassana". Dialektisch mag es für andere als Philosophie gelehrt werden, aber für einen selbst und seine eigene Praxis kann es das nicht sein bzw wenn es das anfänglich ist, dann sollte es so nicht bleiben.


    Benkei:


    Dazu gibt es einen kurzen Ausspruch, von wem weiß ich momentan nicht, er lautet in etwa:
    "Bevor ich mit der Praxis anfing, waren Berge Berge, Flüsse waren Flüsse und Täler waren Täler.
    Als ich die Praxis aufnahm, waren Berge plötzlich nicht mehr Berge, Flüsse nicht mehr Flüsse und Täler nicht mehr Täler.
    Nach dem Erwachen sind jetzt Berge wieder Berge, Flüsse wieder Flüsse und Täler sind wieder Täler.
    "


    Naiver Realismus. Dualistischer Nihilismus. Abhängiges Entstehen.
    Ich weiß, das hört sich nun wieder nach "Philosophie" an, aber diese Begriffe eignen sich halt so gut zur Kategorisierung, ganz pragmatisch.


    LG

    Hallo Benkei


    Benkei:


    ich würde es einfach mal so formulieren:
    Vom subjektiven Standpunkt aus ist mein Geist Buddha und Buddhanatur ist allen Wesen inhärent.


    Nein. Da kommen wir nicht zusammen. Als Madhyamaka bin ich auch überhaupt kein "Fan" von "Buddhanatur".


    Benkei:


    Vom objektiven Standpunkt aus ist Buddha alle Lebewesen.


    Meiner Meinung nach gings um die Erfahrung/Wahrnehmung. Er denkt doch auch "Alles ist (nur) Geist". Wenn "Geist" "Buddha" ist, dann ist alles Wahrgenommene halt auch "Buddha", so eben auch "alle Lebewesen". Dass dies von ihm sehr "laienhaft" - und deswegen im Grunde "falsch" - formuliert ist, liegt einfach an Huang po, dem die "geistige Schärfe" des Manjushri fehlt. Er kennt sich mit den 4 Extremen, welche Nagarjuna als nicht nachweisbar gelehrt hat, nicht aus.


    Ähnlich der von dir zitierte Dogyo Daishi Kakuban:
    "Da der Eine Geist identisch mit allen Dharmas ist, sind der Bereich der Buddhas und der Bereich der fühlenden Wesen gleichzeitig nicht-verschieden und doch verschieden voneinander."
    In dem "gleichzeitig nicht-verschieden und doch verschieden voneinander" findet sich die gleiche "Ungeschicktheit". Ein "Rumkasperln" um die konventionelle Sprache ist vollkommen überflüssig für den, der die Weisheit der Unterscheidung nicht aus dem "Verbund mit den anderen vier Weisheiten" konzeptuell heraustrennt und dann "Widersprüchen" ausweichen will, die nur das Produkt seiner Vorstellung sind.


    Benkei:


    Letztlich ist die Trennung ich und andere bzw. mein Geist und die Geister anderer ("Geister" klingt blöd, sorry ;) ), nur eine "verblendete" Sichtweise - ungleich der "Letztlichen Wahrheit" (TM).


    Nein, die Leerheit als abhängiges Entstehen, wie von Nagarjuna gelehrt, hebt eben die konventionelle Wahrheit nicht auf, sondern "untermauert" sie mit abhängigem Entstehen.


    Benkei:


    Kakuban war übrigens kein Zennie, sondern Praktizierender der Shingon-Shû (japanischem Mantrayana).


    Die "Trennung der Welten" ist zwischen "indo-tibetisch" und "fernöstlich".


    LG

    Hallo Benkei


    Benkei:

    Namaste!

    Dudjom:


    Dem würde ich nicht zustimmen. Denn mit "der eine Geist" ist nicht etwa eine universelle alles umfassende außer-individuelle Entität namens "Geist" gemeint, sondern das gedanklich abstrahierte Phänomen "Geist" eines jeden Individuums. Es gibt derer also zahllose. Nur sprachlich bietet sich der Singular an, weil der Plural "Alles sind die Geister" irgendwie nicht "schick" formuliert klingt.
    Die Formulierung "Alles ist (der eine) Geist" bezieht sich also auf die Perspektive des einzelnen Subjektes, vom einzelnen Subjekt aus gesehen betrachtet, welches ja nur einen Geist hat.


    Vielleicht ist die Unterscheidung zwischen "universelle alles umfassende außer-individuelle Entität" und "individuelle Entität" gerade jene Unterscheidung, die es zu überwinden gilt.


    Das würde ich nicht so sehen, weil im tibetischen Buddhismus die Weisheit der Unterscheidung geübt wird auf dass sie praktiziert werden kann ohne der Täuschung zu unterliegen. Dies ist für Zenpraktizierende (oder "verwandte") nicht nachvollziehbar und daran scheitert idR auch immer die Kommunikation.



    Benkei:


    Huang-po unterscheidet diesbezüglich, soweit ich mich jetzt gerade an den Text erinnere, nämlich kaum.


    Dies mag der Grund dafür sein, dass seine Worte so kräftig missverstanden werden können.


    Benkei:


    Sonst würde er beispielsweise auch nicht sagen: "denn dieser Geist ist Buddha, und Buddha ist alle Lebewesen.", sondern "Der Geist ist Buddha, und Buddhanatur wohnt allen Lebewesen inne".


    Ich kann deine Schlussfogerung nicht nachvollziehen. Nimm eine mehr subjektivierende denn objektivierende Perspektive ein und da ist kein Problem mit "denn dieser Geist ist Buddha, und Buddha ist alle Lebewesen." UND dem Umstand, dass "dieser Geist" "Buddha ist" und dennoch "dieser Geist" der Geist des Einzelnen ist. Auch Shakyamuni lehrte vornehmlich aus der subjektivierenden Perspektive. Das ist nur für gewohnheitsmäßig objektivierende Europäer eine gewisse Umstellung.


    Benkei:


    Ich lese gerade einen Text des japanischen Meisters Dogyo Daishi Kakuban, in welchem ebenfalls alle Phänomene/Wesen auf den einen Buddha (bei ihm Mahavairocana) zurückgeführt werden.
    Es handelt sich folglich wahrscheinlich nicht um eine Einzelsichtweise.


    Nicht um eine Einzelsichtweise, aber beim "Geist" handelt es sich um den Geist des Einzelnen, der sich natürlich als Abstraktum nicht vom Geist anderer Individuen unterscheidet, so wie "deine" Leerheit sich nicht von "meiner" unterscheidet als Abstraktum und die eine (abstrakte) Leerheit uns beide "durchdringt" ... metaphorisch gesprochen.


    LG

    Lena:

    Es geht hier nicht um meine Auffassung. Ich versuche lediglich, den Text zu verstehen.


    Und dabei geht es eben um deine Auffassung.


    Lena:


    Hast Du den Text von Huang Po eigentlich gelesen, Dudjom?


    Ja, "The Zen Teaching of Huang Po on the Transmission of Mind" übersetzt von John Blofeld.


    LG


    Ach ... na, wenn du ihn finden kannst und zudem "nicht identisch mit Bewußtsein", dann zeig ihn mir bei Gelegenheit :lol:
    Nach dir "gibt es" also die Skandhas und den Geist zusätzlich :grinsen: Die Christen nennen das "Seele" :badgrin:


    LG

    Aus Sicht von Madhyamaka hat die "Nur Geist" Lehre einen entscheidenden Makel: Sie betont so sehr ein Aggregat ("Geist" = "Bewußtsein") und führt alles auf dieses zurück, dass diesem bei den so Belehrten sehr leicht eine "besondere Form von Existenz" zugeschrieben wird. Befreiung aber kann nicht erreicht werden, wenn nicht die Leerheit (d.h. das abhängige Entstehen) aller Phänomene, unbelebter als auch belebter, erkannt wird. Denn so wie kein einziges konventionell "externes" Phänomene analytisch gefunden werden kann, so kann auch "der Geist" (oder das "Bewußtsein") analytisch nicht gefunden werden. Tatsächlich entsteht "Geist" ("Bewußtsein") nach der Lehre des Buddha als drittes Glied (des 12-gliedrigen abhängigen Entstehens) abhängig aus Unwissenheit und Sankhara, "Geist" ist also Samsara ebenso wie "Körper", "Gefühl" etc.



    http://palikanon.com/samyutta/sam22_120.html#s22_95


    LG

    Benkei:

    Namaste!


    Huang-po ist, wie auch der Sechste Patriarch Hui-neng, ein typischer Vertreter der "Nur-Geist-Schule", auch Cittamatra oder Yogacara genannt (vgl. Wiki).


    Ähnlichkeiten/Schnittmengen zur Advaita Vedanta-Philosophie gibt es wohl.


    Dem würde ich nicht zustimmen. Denn mit "der eine Geist" ist nicht etwa eine universelle alles umfassende außer-individuelle Entität namens "Geist" gemeint, sondern das gedanklich abstrahierte Phänomen "Geist" eines jeden Individuums. Es gibt derer also zahllose. Nur sprachlich bietet sich der Singular an, weil der Plural "Alles sind die Geister" irgendwie nicht "schick" formuliert klingt. Die Formulierung "Alles ist (der eine) Geist" bezieht sich also auf die Perspektive des einzelnen Subjektes, vom einzelnen Subjekt aus gesehen betrachtet, welches ja nur einen Geist hat.


    LG

    Lena:

    Wieviel Advaita-Vedanta steckt hier drin?


    In Worte kann man nur das reinprojizieren, was man sich selbst vorstellt. In Worten steckt also nix drin. Die Frage ist doch: Was ist im Geist derer, die die Worte rezitieren? Da man das nicht sehen kann, ist es müßige Spekulation. Wenn sie jedoch einem buddhistischen Lehrer folgen, ist die Möglichkeit, dass sich das Falsche in den Geist einschleicht relativ ausgeschlossen. :)


    LG