Beiträge von Leonie im Thema „Warum gibt es so wenig Erleuchtete?“

    Wenn also irgendwas übertragen wird, dann genau das...


    Ich verstehe nicht genau, was du sagst.

    Das war auch ein wenig verkürzt. Es bezog sich auf das Gedicht, das Dogen in Shoaku makusa zitiert und das als eine Kurzfassung der Precepts, der Gelübde angesehen werden kann.


    Das Unrechte nicht zu tun,

    Achtungsvoll das Rechte zu praktizieren,

    Macht das Herz auf natürliche Weise rein.

    Dies lehren alle Buddhas.


    Mit der Übergabe und der Annahme der Gelübde geschieht Übertragung des Dharma. In der Erläuterung schreibt Dogen das auch.

    Das ist die Übertragungslinie von Anfang an.


    Und das ist im übrigen auch das, was Bodhidharma zugeschrieben wird:


    Zen ist eine besondere Überlieferung außerhalb der Schriften,

    unabhängig von Wort und Schriftzeichen:

    unmittelbar des Menschen Herz zeigen, –

    die (eigene) Natur schauen und Buddha werden.“

    Kensho bedeutet "die eigene Natur schauen" - wenn jemand die Gelübde annimmt, dann kommt das aus einer tieferen Einsicht.

    Die beiden Verse gebrauchen zwar unterschiedliche Worte, sind aber identisch.


    Nun zu deinem Punkt 1

    Zitat

    1) Im chinesischen und japanischen Zen wurde Dharmaübertragung auch als Erleuchtungsbestätigung ggf. mit Erleuchtungszertifikaten praktiziert.


    Dieser Punkt ist meiner Ansicht nach eindeutig belegt. Siehst du dies anders?


    Dass es Übertragungsriten gibt, mit denen Urkunden und Funktionen verbunden sind, streitet doch niemand ab. Man kann für das Soto z.B. das hier nachlesen:

    https://www.sotozen.com/ger/li…terms/pdf/key_terms20.pdf

    Da wird dann auch deutlich, dass zwischen dem ideal, wie oben in den Versen und der Realität schon große Lücken sind.

    Nur sind diese Dokumente keine Erleuchtungszertifikate, sondern sie bestimmen vor allem Aufgaben und Funktionen innerhalb der Tradition. Diesen Mythos hat D.T. Suzuki im Auftrag seines Lehrers dem Westen verkauft. Vermutlich hat er das selbst geglaubt.


    Zitat

    2) Die Erleuchtungsbestätigung ist wirkmächtig.


    Dieser Punkt bleibt zwingend offen, weil nicht einsehbar. Siehst du dies anders? Ich nannte als Möglichkeit, dass dies "ein Nachspielen (re-enactment) der Zen-Legende von Buddhas Weitergabe an Kashyapa den Großen" ist.


    In der frühbuddhistischen Literatur, die in China u.a. durch die Agama bekannt ist, bestätigt der Buddha reihenweise die Erleuchtung anderer. Dies war an sich also keine Innovation. Innovativ war nur die Übertragungslegende an Kashyapa und die sich daraus ergebene Ahnenlinie.


    Eine Erleuchtung kann man nicht bestätigen. Ich kann dir bestätigen, dass wir die selbe Einsicht in einer Sache haben - aber ich weiß nicht, ob du dieselbe Einsicht hast, dazu braucht es eine gemeinsame Praxis über viele Jahre und vielleicht verstehen wir uns dann ohne Worte und dennoch, ist es immer nur eine Vermutung.

    Wirkmächtig ist es nur, wenn es als symbolisches Kapital fungieren kann, d.h. wenn es sozial anerkannt wird und mit Glaube verbunden ist. Aber wenn es dann aufgrund von Taten seiner Träger entwertet wird, dann verliert es sein Macht. Und damit ist auch die gesamte Institution gemeint.


    Die Agamas erzählen doch keine historischen Fakten - sondern dass viele durch die Reden Buddhas zur Einsicht gekommen sind. Das ist doch selbstverständlich. Keiner würde erzählen, dass es da jede Menge Leute gab, die nix auf die Reihe gekriegt haben. Man legt also bewusst den Fokus auf die positive Wirkung.

    Auch in den Evangelien kamen immer viele zum Glauben. Oder wurden geheilt. Oder es wurden Dämonen ausgetrieben. Das macht doch den Sinn dieser Erzähltradition aus. Das soll doch den Wert der neuen Lehre transportieren.


    Ich dachte du hättest Ahnung von der chinesischen Praxis, wie man Tradition erschafft. Das ganze beruht doch auf einem Haufen von Legenden und wird zurecht gezimmert, damit es jeweils passend ist.

    Damit ist die Lehre Buddhas nicht berührt - die ist universal und über alle Zeit und letztlich ist es nichts anderes als :


    Das Unrechte nicht zu tun,

    Achtungsvoll das Rechte zu praktizieren,

    Macht das Herz auf natürliche Weise rein.

    Dies lehren alle Buddhas.

    Das ist ein schönes Lexikon


    Du hast schon gesehen, dass ich aus 13 Aufsätzen und Büchern zitiert habe, oder?

    Nun ja - eigentlich nicht, aber ich hab's gerade nachgeholt und muss dir leider sagen, dass es an meiner Einschätzung auch nichts ändert - das sind eben 13 Aufsätze und Bücher - die machen doch nur deutlich, dass das eine Frage ist, die schon lange strittig ist.


    Natürlich wird was "übertragen" - bei der Dharma-Übertragung. Vor allem die Verantwortung für die Tradition, also für das Weiter-So des Weges - also dass da einer den Laden übernimmt und das Kloster, den Tempel, das Erbe - die Urkunden.

    https://twitter.com/bleibsitzen/status/1411009218220544004


    In China ging das aber auch nur mit kaiserlicher Genehmigung - vermutlich hat man deshalb das Kriterium "Erleuchtung" mal eingeführt, um dem Kaiser was entgegen setzen zu können - wenn der jemanden ernennen wollte und das nicht so gefallen hatte, da konnte man dann sagen: Aber, der ist doch nicht erleuchtet! - Da gibt es auch eine Menge Koan-Fälle dazu .......

    Aber das sind alles Spekulationen und Stoff für Geschichten.

    Letztlich ist es einfach nur eine zusammengebastelte Tradition, um dem ganzen Zen eine Linie in der Zeit zu geben mit Siegel, was in Japan ja eine große Bedeutung hat. Aus der Vielzahl von Personen, die da mitgestrickt haben, tauchen dann hin und wieder ganz besonders große Persönlichkeiten auf, die letztlich die Zeit überdauern, nicht weil sie in Urkunden erwähnt wurden, sondern weil ihr tiefes Verständnis der Lehre zeitlos ist. Heutzutage sind da noch zwei Schulen übrig - und letztlich wird es alles auf die Soto-Tradition hinaus laufen.



    Nur generell ist eben bodhi ohne Merkmale und daher gibt es dann immer Zweifel oder Glaube, ob einer hat oder hat nicht.

    Wenn man sich auf diese Ebene einlässt, ist man schon verloren. Es geht nur um die Frage der Verwirklichung und da hat Schmu den richtigen Beitrag hier gefunden. Danke dafür.


    Das Unrechte nicht zu tun,

    Achtungsvoll das Rechte zu praktizieren,

    Macht das Herz auf natürliche Weise rein.

    Dies lehren alle Buddhas.


    Wenn also irgendwas übertragen wird, dann genau das.

    Das ist ein schönes Lexikon, doch hilft es in der Frage weiter?


    Da hat irgendeiner was von Körper-Geist abfallen geschrieben und dass man das nicht bewusst erlebt, also dass Erleuchtung nicht erlebt werden kann. Was also wird erlebt? Verwunderung? Überraschung? Schrecken? Das Ereignis? Und dann, wenn die Verwunderung, die Überraschung vergangen sind, bringt man es in einen Kontext, d.h. man drückt es irgendwie aus. Dieser Ausdruck ist eingebunden in eine Kultur und da kann dann jemand eine Bestätigung geben, dass man da was verstanden habe. Damit ist es bereits wieder zerstört.

    Die Einsicht und damit Weisheit in die wahre Beschaffenheit der Dinge verwandelt alles Leid, befreit von allen Verwirrungen, Träumen und Vorstellungen - das ist alles. Und dann gibt es den Alltag und das ist der Ort der Verwirklichung dieser Weisheit. Es gibt ja sehr viel zu tun und letztlich kommt es genau nur auf diese Taten an.

    Wie würde die Welt eigentlich aussehen wenn alle “erleuchtet” wären? Wir wären ja trotzdem dem körperlichen Verfall also letztlich Leid unterworfen? Oder würde die Welt enden weil niemand mehr wiedergeboren wird?

    Verfall geschieht ständig - dukkha ist es erst, wenn ein Ich damit nicht einverstanden ist und sich gegen Alter, Krankheit und Sterben wehrt.


    Deine Frage macht sichtbar, wie wenig dir die Lehre bekannt ist. Daher kannst du auch garnicht erkennen, was für einen Unsinn Konzepte von Erleuchtung sind.

    Weg ist ja erstmal nur eine unzureichende bzw. falsche Übersetzung des Wortes "Dao" - und wenn mit dieser Übersetzung die falsche Vorstellung eines Weges dann erzeugt wird, kommen weitere Vorstellungen dazu: Anfang, Ende, Ziel, Gehen ....

    Nach dem Schriftzeichen DO - WEGzeigt sich einerseits ein Kopf mit Auge und andererseits eine von oben nach unten gehende Linie bzw. Spur - es ist kein "Weg" sondern ein Wesen, das einer Spur folgt. Die Spur ist bereits da und so geht es also vielmehr um eine Art Nachfolge eines Vorläufers - des Tathagatha z.B.





    Und diese Spur ist nicht von dir getrennt, irgendwo da draußen, sondern sie manifestiert sich als dukkha - . Alle Unzulänglichkeiten, denen du entkommen willst, sind nichts anderes also diese Spur. Dann gibt es diesen achtfachen Pfad und hier könnte man dann auch von einem Weg sprechen - wenn man diese Schritte praktiziert, dann entwickelt sich letztlich das, was als Erleuchtungsglieder bezeichnet wird - weil sie zur Erleuchtung führen, werden sie so genannt. Aber Erleuchtung ist natürlich nicht garantiert. Viele scheitern bereits bei der 2. Etappe dhammavicaya-sambojjhanga

    bojjhanga

    Was hat das mit Erleuchtung zu tun?

    Vielleicht hatten die, wie viele andere auch kensho oder satori - aber das sind keine Erfahrungen, auf die sich einer berufen oder ausruhen kann. Sie sind genauso bedingt, wie alles andere auch.

    Auch einer, der so Bescheinigungen ausstellt und Traditionslinien malt, besitzt nur einen sehr getrübten Blick und stochert im Nebel.


    Ach so, also sind die Lehrer und Meister der frühen Rinzai Schule nur Stocherer im Nebel und haben keinen klaren Blick?

    Sicher. Keiner ist frei von Irrtum und kann in die Zukunft sehen - vielleicht überprüfst du mal deine Vorstellung von Erleuchtung.

    Begegnest du Buddha, töte ihn - das findet sich bei Linji (Rinzai) und auch im Mumonkan.

    Und es meint, dass der Buddha, dem du begegnest eine Vorstellung ist und diese Vorstellung gilt es zu "töten" - gewöhnliche Wesen, also Leute, die in ihren Vorstellungswelten leben, können "Erleuchtete" gar nicht wahrnehmen. Dazu braucht es das wahre Dharma-Auge. Auch einer, der so Bescheinigungen ausstellt und Traditionslinien malt, besitzt nur einen sehr getrübten Blick und stochert im Nebel. Deshalb sind solche Urkunden das Papier nicht Wert.

    Und was sich so als Erleuchtete darstellt, das sind alles Schwätzer, die nach Anhänger suchen und einen Marketing-Gag brauchen, die aber letztlich nur einen running gag fabrizieren.


    Sehr empfehlenswert ist "Stripping the Gurus" von Geoffrey D. Falk.