Beiträge von VOOM108 im Thema „Homosexualität und der Dalai Lama...“

    Vermutlich muss / kann man das auf verschiedenen Ebenen sehen, ich nehm jetzt mal vereinfacht eine Unterteilung in vier, die nur Möglichkeiten darstellen, die stufenweise auf einander aufbauen, also die nächste Stufe beinhaltet weitestgehend immer die Regeln der vorherigen Stufen. Missverständnisse ergeben sich oft dann, wenn die Ebenen vermischt werden. Wenn also jemand z.B. eine Aussage des Dalai Lama zum Tantra als allgemeine menschliche Vorgabe mit Absolutheitsanspruch auch für Nicht-Buddhisten ansieht, dann wird es schief. Das passiert leider oft gerade Aussenstehenden, die die Unterscheidungen gar nicht kennen und verstehen. Vor allem dann, wenn man von der eigenen Religion auch keine Unterscheidung kennt zwischen praktischen Lebensregeln und spirituellen Anweisungen, oder zwischen Regeln für die eigenen spirituelle Praxis und Regeln, die auch für Nichtgläubige oder Anhänger anderer Religionen gelten sollen. Der Buddhismus ist da sehr viel differenzierter, obwohl sich auch da die Regeln gerne mal vermischt haben.* Allerdings ist die Tendenz, Dinge ungeprüft zu übernehmen im Buddhismus geringer, weil ja schon Buddha selbst die Grundlage dafür gelegt hat, indem er sagte: glaub mir nix einfach so, prüfe ob es mit Deiner Erfahrung übereinstimmt.


    A Menschlich
    B "Buddhistisch"
    C Tantrisch
    D Dzogchen / Mahamudra


    A Menschlich gesehen kommt es auf das tatsächliche Verhalten an, nicht darauf, welche "Tore" man sexuell bevorzugt. Schädliches Verhalten zeichnet sich dann lediglich dadurch aus, dass man den anderen und/oder sich selbst schadet oder gefährdet. Jegliche Art von sexuellem Verhalten, das gegen den Willen des anderen geht, fällt per se schon mal darunter. Auch wenn dieser Wille irgendwie manipuliert oder unterdrückt wird. Dann gibt es noch ein paar gesellschaftliche Grenzen usw. Es gibt keinen Grund für einen Buddhisten, einem Nicht-Buddhisten irgendeine sexuelle Neigung vorzuschreiben. Wenn jemand um Rat bittet und sich um sein Karma sorgt, gibt es ein paar ganz einfach Regeln des gesunden Menschenverstands, die immer zutreffen.


    B Wenn man mit "buddhistisch" meint, dass jemand durch seine Lebensführung auf Erleuchtung abzielt, dann muss man sich anschauen, welches Verhalten möglicherweise ein geistiges Hindernis für die Erleuchtung darstellt. Da kann jedes sexuell übersteigerte Verlangen ein Hindernis sein. Wenn man einen Weg der Vermeidung geht, dann sollte man genauso wenig Partnern des eigenen wie des anderen Geschlechts von morgens bis abends nachgieren und so die eigene Geistesruhe unterwandern.


    C Tantrisch, wo man die geistigen Störungen und Neigungen transformiert und verwandelt, kann auch Begierde umkanalisiert werden. Ob ich als heterosexueller Mann diese Begierde auf die Dakinis richte, oder als homosexueller Mann am liebsten mit Mahakala ins Bett springen würde, ist da aus meiner Sicht nebensächlich. Wichtig ist die Offenheit und das Band, das auf diese Weise entsteht und die Energie beizeiten auf das Buddha-Wesen der Yidams ausrichtet, so dass sich die vordergründige Begierde auflöst, weil der dahinter liegende Mangel aufgelöst wird. Bei Tantra mit einem Partner geht es darum, die gegengeschlechtlichen Anteile (Phawo / Khandro) im Partner als Spiegel des eigenen unterdrückten Anteils zu erkennen und die Projektion zuürckzunehmen, um in sich selbst ganz zu werden. Das kann bei homosexuellen Paaren funktionieren, wenn diese klar ausgerichtet sind mit eindeutigen Rollen, es kann aber auch zu viel kreuz und quer gehen und dann ist vielleicht keine geeignete Grundlage gegeben. Was aber nur heisst, dass man diese spezielle Spielart des buddhistischen Tantra nicht oder noch nicht als effektives Mittel zur Erleuchtung einsetzen kann. Dann muss man halt andere Mittel einsetzen.


    D Wenn man die Sicht halten kann, erübrigen sich die ganzen Diskussionen und Regeln, man weiss in jedem Augenblick spontan und ohne vorgefasste Konzepte, was angemessen und hilfreich für die Wesen ist.



    * Beispiel: In Tibet konnte man sich teilweise als Nomade lange nicht gründlich waschen. Da war es eine Frage der Hygiene, Regeln für sexuelle Praktiken aufzustellen, weil die Menschen teilweise Regeln nur dann respektiert haben, wenn sie als religiöse Regeln aufgestellt wurden. Heute wo man vorher und nachher jederzeit duschen kann, sind diese Regeln aber obsolet. Trotzdem stehen sie vielleicht noch in alten Texten drin. Ähnlich sehe ich z.B. die Regel, kein Schweinefleisch zu essen im Islam: in heissen Ländern ohne Kühlschrank war das hygienisch nicht zu verantworten. So ist eine eigentlich weltliche Regel zu einer heiligen Regel geworden, die aber unter Umständen gar nicht mehr in die heutigen Umstände passt.

    Ich habe jetzt nur die erste Seite des Threads gelesen, aber ich habe das Gefühl, dass diese frühere Antwort von mir auf die Frage zu dem Thema von Schülern einer Religionsklasse noch eine Lücke füllen könnte:


    "Für bestimmte Bereiche des buddhistischen Tantra, in dualen Tantras, gibt es Übungen in denen Sexualität mit einem Partner als Meditationsübung verwendet werden kann. Das setzt sehr viel voraus, so dass diese Einweihungen sehr selten im Westen gegeben werden. In Bezug auf diese Übungen ist es strittig bzw. dazu gibt es verschiedene Meinungen, ob dies mit einem gleichgeschlechtlichen Partner möglich ist. Da es darum geht, die eigenen gegengeschlechtlichen Anteile zu erkennen und mehr zu integrieren, hängt das wohl vom Einzelfall ab, ob das ein Hindernis sein kann oder nicht.


    Manche homosexuelle Paare sind klar aufgeteilt in männliche und weibliche Rollen, bei anderen wechselt es ständig oder beide geniessen eher die Energien der einen oder anderen Seite gemeinsam. Das kann für fortgeschrittene Yogis möglichweise sogar das Potential für Erkenntnis erhöhen, wird die meisten Menschen jedoch zunächst mehr verwirren als dass es nutzt."