Lieber Dorje
Ich kann zu einem gewissen Grad nachvollziehen weshalb die Wahrheit in zwei Teile getrennt wird, obwohl ich nach wie vor der Meinung bin es gibt nur eine Wahrheit, eine Weisheit, eine Wirklichkeit und ein Bewusstsein.
Geshe Thubten Ngawan,offenbar ein Freund tantrischen Techniken, verwirrt mich ein bischen mit seiner Begriffsvielfalt, Weisheit, Wirklichkeit, Wahrheit und Bewusstsein welche er auf den ersten Seiten seines Vortrags unterschiedlich definiert.
Wir Menschen, die wir im Samsara feststecken, nehmen im Normalfall die konventionelle Wirklichkeit gegenständlich war, da uns die fünf Skandhas diese Illusion vermitteln. Im Alltag funktioniert das ganz gut und wir kommen damit zurecht.
Die Welt gegenständlich wahrzunehmen ist eine vereinfachung der Wirklichkeit und erweist sich als äusserst praktisch. Wenn man Hunger hat genügt es einen Apfel als Apfel wahr zu nehmen und nicht als komplizierte Abfolge interaktiver Prozesse.
Durch Meditation und üben kann es uns gelingen, die Illusion der Gegenständlichkeit zu durchschauen und dadurch das Nicht-Selbst aller Phänomene zu erkennen. Dies gelingt nur, wenn wir lernen nicht mehr gegenständlich, sondern in Prozessen, in Beziehungen zu denken. Wir nehmen die Dinge dann nicht mehr mit einem Selbst als selbständiges wahr - sie verlieren quasi ihren unveränderlichen Wesenskern, sondern als Prozesse, die bedingt entstehen und sich andauernd verändern. Auf diese Weise gelingt es anatta zu erfahren.
Was für den Apfel gilt, gilt natürlich auch für uns selber. Im Normalfall nehmen wir uns als eigenständiges Wesen mit unveränderlichem Wesenskern wahr, was eben nicht so ist. Auch wir in der Illusion eines Selbst lebend sind eigentlich nicht viel mehr als ein bedingt entstehender sich dauernd verändernder Prozess. Sowohl körperlich wie geistig. Eben anatta.
Ist dies die endgültige Wahrheit ? Keine Ahnung, wahrscheinlich nicht. Aber bis hierher dürfte Buddha etwa gekommen sein mit seinen Gedanken.
Nun wichtiger als diese "Theorie" ist jedoch die Praxis die uns Buddha lehrte. Zu meinen die "Wahrheit" zu kennen reicht ja bei weitem nicht aus um Buddha, ein Mensch mit vollkommenem Mitgefühl, zu werden.
Gruss Bakram