Beiträge von Sudhana im Thema „Missbrauch des Konzeptes der Wiedergeburt zur Rechtfertigung“

    kongjiazhong:
    Sudhana:

    "Die Juden" haben Auschwitz definitiv nicht geschaffen (als Ursache und Bedingung gesetzt), auch nicht durch ihr karma.


    Die spezifische Seinsweise der Juden - als Realität und als Vorstellung anderer davon - war eine Bedingung ihrer teilweisen Vernichtung.


    Hmm ... bist Du Nichtjude? Wenn nicht, was weisst Du dann über die spezifische Seinsweise der Juden? Und das meine ich jetzt "als Realität", nicht "als Vorstellung". Wie die Vorstellung aussah und zum Teil noch aussieht, weiß ich zur Genüge. Bist Du Jude? Nun, dann musst Du es selbstverständlich wissen - aber Du wirst es schwerlich einem Nichtjuden verständlich machen können. Dass Vorstellungen "über die spezifische Seinsweise der Juden" in Auschwitz eine wichtige Bedingung ihrer Vernichtung waren, ist mir nicht neu und unstrittig. Bitte missverstehe mich da nicht - ich will Dir da wirklich nichts unterstellen. Ganz im Ernst. Ich will auch Dich nicht missverstehen.

    kongjiazhong:

    Eine andere Bedingung war zum Beispiel der Organisationsgrad und die Zuverlässigkeit der Deutschen Reichsbahn.


    geschenkt. Die Welt, so wie sie sich uns gewöhnlich in unserem Geist darbietet, ist multikausal. Unüberschaubar multikausal, erzählen uns die Chaostheoretiker.

    kongjiazhong:

    Solch eine Aussage kann man auch, um mal von den Juden wegzukommen, die auf allen Gebieten maßlos überschätzt werden, sowohl als Handelnde, als auch als Täter und Opfer, auch für die Toten der Bombardierungen von Tokyo oder Dresden treffen (es müssen nur ein paar Worte ausgetauscht werden).


    Auch geschenkt. Wobei Du statt "Tokyo" vielleicht eher Hiroshima und Nagasaki, die ich mir hier auszutauschen erlaube, gemeint hast. Ja. Ich habe Augen, um ein Kriegsverbrechen zu erkennen wenn ich es sehe und ich habe eine Stimme, es auch so zu nennen. Die Angst, die schweigen macht, habe ich im Lauf der Jahre verlernt.

    kongjiazhong:
    Sudhana:

    Notabene: aus dem o.g. folgt auch, dass es so etwas wie ein "Gruppenkarma" (z.B. das Karma der Juden) nicht gibt. Das ist eine rassistische Sichtweise und hat mit dem Dharma nichts zu tun. Auch, wenn Einzelne zumindest teilweise durch gleiche Ursachen und Bedingungen bestimmt (z.B. ein KZ) existieren, so existieren sie doch als Einzelne und nicht als Gruppe.


    Wieso die Besinnung, gerade in der Not, auf das Eigene, auf die Familie und Gruppe, auf das Kollektiv und die Ethinizität, auf gemeinsame religiöse und politische und kulturelle Werte und Überzeugungen, wieso die Abgrenzung von Fremden und Feindseligen, also die Besinnung auf gegenseitige Hilfe und Solidarität, auf die Affirmation des Menschen als soziales Tier als "rassistisch" (ein ausgelutschter und daher unbrauchbarer politischer Kampfbegriff) bezeichnet wird und warum das gemeinsame und zusammen erfolgende Agieren, das nur passieren kann, wenn das Gemeinsame schwerer wiegt, als das Trennende, als nicht mit dem Dharma vereinbar denunziert wird, ist mir schleierhaft.


    Ja, das hat was. So oft ich es höre, ich bin jedes Mal wieder erschüttert, wenn ich Arnold Schönbergs "Ein Überlebender aus Warschau" höre und die Todgeweihten das Sch’ma Israel anstimmen. Es ist herzzerreißend. Tja - wieso das alles? Gute Frage. Das ist Zufluchtsuche und -nahme am falschen Ort. "Looking for Love (in several wrong places)". Habe ich am Computer trainiert, mit "Leisure Suit Larry 2". Ein echter Brüller. Ist schon n'e Weile her, hatte 'ne Menge Spaß dabei. Hab noch bis "Leisure Suit Larry 6" mitgespielt("Shape Up or Slip Out!"). Aber - mal im Ernst - funktioniert es denn? Ist es das, was Menschen glücklich macht? Ich meine jetzt nicht "Leisure Suit Larry", das klappt schon irgendwie. Wenn auch meistens nicht so, wie man will, was das Glück kräftig mit Wermut würzt. Es wird halt auf die Dauer fad. Einmal durchspielen reicht. Das meine ich nicht. Ich meine die Zuflucht

    kongjiazhong:

    auf das Eigene, auf die Familie und Gruppe, auf das Kollektiv und die Ethinizität, auf gemeinsame religiöse und politische und kulturelle Werte und Überzeugungen


    Das klassische, leider etwas löchrig gewordene Biedermeieridyll. Verzeih den Spott. Macht das wirklich glücklich? Nicht, dass ich den Wert von Solidarität nicht anerkennen würde ... Aber macht das glücklich? Beendet das Leiden? Die lautstärksten, die massenwirksamsten Prediger der Solidarität haben im Namen der marx'schen Eschatologie ein Desaster angerichtet. Großer Vorsitzender - dein Reich der Freiheit jenseits der Notwendigkeit komme. Was hatten wir stattdessen? Eine brutale Bürokratie, die sich unaufhaltsam zur korrupten Kleptokratie entwickelte. Und davor, die Prediger von Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit. Auch ein Desaster. Was ist vom 'Projekt Aufklärung' geblieben? Ein Geschäftsmodell. Von den Totempfahlschnitzern der diversen wilden Stämme, die derzeit ihre alten Jagdlieder wieder lauter heulen, will ich gar nicht erst anfangen. Unser Revier, unser Stamm, unser von der Vorsehung gesandter Häuptling ... Hat das alles eigentlich jemals was gebracht?

    kongjiazhong:
    Sudhana:


    Auch, wenn Einzelne gleich oder gar gemeinsam handeln, so handeln sie doch als Einzelne und nicht als Gruppe. Der Einzelne ist konkret, er hat eine persönliche sinnliche Erfahrung seines Seins und er hat einen persönlichen Willen. Gruppen sind nur Abstrakta - eine Gruppe hat weder sinnliche Erfahrung noch einen Willen, noch handeln Gruppen.


    Diese "These" passt in die vom Kapital vorgegebene Ideologie der "Individualisierung" (Atomisierung) als Instrument der Zerstörung jedweder Gemeinschaftlichkeit und Gesellschaftlichkeit. Selbstverständlich handeln Gruppen und Kollektive (auch: Klassen). Sie machen auch sinnliche, und zwar teilweise außergewöhnlich erotische, Erfahrungen. Ich habe jedenfalls solche Erfahrungen gerne gemacht, und kann immerhin bestätigen: Das gibt es.


    Ja, also was Letzteres angeht, bin ich auch sehr spät aus dem Lausbubenalter herausgekommen. Das gibt es wirklich, kann ich bestätigen. Auch ich habe solche Erfarungen gerne gemacht und denke ohne Reue und Schuldgefühle (aber auch ohne den Zwang, bereits gemachte Erfahrungen zu wiederholen) daran. Aber trotz Deiner auf den ersten Blick einleuchtenden Beispiele (die ich jetzt nicht eigens zitiere) denke ich nicht, dass Kollektive tatsächlich eine sinnliche Erfahrung machen (sie sind freilich eine, das zugestanden). Einzelne machen sie (die angesprochene sinnliche Erfahrung des Kollektivs) im Kollektiv - sie stecken sich gegenseitig an, wie die Tafelnden auf der Rosenmontags-Prunksitzung mit ihrem Gelächter. Aber das Kollektiv - wie gesagt, das ist nur ein Abstraktum (fast hätte ich geschrieben "ein leerer Begriff"). Abstrakta haben keine Gefühle. Sie haben keine skandhāḥ. Sicher, auch die skandhāḥ sind leer - aber trotzdem ist da zumindest Wahrnehmung, Empfindung, gestaltendes Wollen und Benennen (und natürlich der zugehörige Körper als Werkzeug). Aber bloße Begriffe wie "Kollektiv" oder "Volk" (vornehmer: "Ethnie") oder "Klasse" oder "Staat" - das sind nur Hirngespinste. Das ist nur ein skandhā - nämlich gestaltendes Wollen. Da fehlen die potentiell nützlichen Dinge: Wahrnehmung, Empfindung und Benennen. Es ist allenfalls so, dass das kollektive "gestaltende Wollen" den Wahn des Einzelnen verstärkt. Er gewinnt nicht dabei, er verliert. Das "gestaltende Wollen" wird so hypertroph, dass es die anderen skandhāḥ erdrückt. Der Mensch in der Masse ist nur zu häufig blind und taub und vor allem völlig hirnlos, wenn das kollektive "gestaltende Wollen" ins Extrem wächst. Dann folgt ziemlich bald die Katastrophe. Unvermeidlich, wie wenn man blind Geisterfahrer spielt. So werte ich jedenfalls meine Erfahrungen aus.

    kongjiazhong:

    Die nationalsozialistischen Parolen, "Du bist nichts, dein Volk ist alles" und "Volksgemeinschaft" haben dies, wenn auch zu pathetisch und als "Lüge" gut zum Ausdruck gebracht. Das interessante ist, dass dies nichts Besonderes, sondern das Normale ist (zum Beispiel das maoistische "Dem Volke dienen" oder der Zusammenhalt irgendwelcher orientalischer Clans in Berlin oder Bremen, um nur zwei Orte zu nennen).


    Die extreme "Individualisierung" ist das Unnormale, das normal werden soll - dafür dient auch eine entsprechende Auslegung des Buddhadharma und anderer religiösen Lehren.


    Was Du "Individualisierung" nennst, nenne ich "Hauslosigkeit". Und ja, das ist "unnormal" und ich finde die Vorstellung, dass das normal wird, eigentlich ganz charmant. Wem das nun dient - nun ich hoffe, nicht nur mir. Natürlich gehört auch das gelegentlich unter "kollektiver Wahn" abgelegt. Aber das Kollektiv saṃgha ist ein heilsamer Wahn - das macht den Unterschied aus. Das mit der Heilsamkeit ist - mit aller gebotenen Nüchternheit betrachtet - natürlich auch nur eine spekulative Idee, ich bestreite es nicht. Und es erfordert eine Menge Vertrauen (oder Verzweiflung), sich danach zu orientieren und darauf einzulassen. Vertrauen auf andere Menschen, die mir in der Erfahrung dessen, was ich für einen heilsamen Weg halte, ein Stück voraus sind - und bereit, zu helfen. Von mir aus kann man das auch dienen nennen. Die Dienste vergilt man, indem man sie als Dienst an Andere weitergibt, das ist nur fair. Das (vor allem das "sich helfen lassen") braucht ein Stück Überwindung. Billiger hab zumindest ich es nicht im Angebot.

    kongjiazhong:
    Sudhana:

    Auch die falsche Sicht von Gruppen ist nur ein feiges, bequemes Ausweichen vor der Verantwortung, die man als Einzelner für sein ganz persönliches Handeln (auch in einer Gruppe verschiedener Einzelner) und dessen Früchte trägt.


    Insofern Kollektive gemeinsam handeln, ernten sie auch gemeinsame Früchte.


    Die erfolgreiche Zersetzung des, um einen klassischen Ausdruck zu verwenden, Proletariats als Klasse für sich mit der historischen und globalen Aufgabe seiner eigenen sozialen Liquidation und ihre tendenzielle Verewigung als Klasse für das Kapital (d.h. ihre Atomisierung, die Auflösung kollektiver Bande untereinander) könnte man zum Beispiel als Ursache der gegenwärtigen Misere hinsichtlich der sogenannten Flüchtlinge betrachten.


    Sicher. Wie ich schon schrieb: ich habe ein Auge, das sieht und Ohren, zu hören - und auch die Fähigkeit zu unterscheidendem Denken. Und ich habe eine Stimme, Sklaverei als Sklaverei und Sklavenjagd als Sklavenjagd zu benennen.

    kongjiazhong:

    Der Siegeszug des Einzelnen (und seines Eigentums) ist der Siegeszug der Barbarei.


    Wenn der Einzelne Max Stirner heisst, dann ja. Wenn der Einzelne Dein wahres Selbst, die Dir angeborene Buddhanatur ist - dann ist Barbarei nur noch eine ferne Erinnerung. Eine, die man bewahren sollte. Auch deswegen lese ich auf meinem persönlichen "Siegeszug" (Dein Ausdruck, nicht meiner) Zeitungen und Bücher, auch dazu nutze ich das Internet. Spass macht das nicht. Aber man muss wissen und sich doch wenigstens gelegentlich daran erinnern, was es hinter sich zu lassen gilt und wen es nicht hinter sich zu lassen gilt.

    kongjiazhong:

    Es ist schade, dass es gelungen ist den Buddhismus von der Höhe des Gemeinsamen in die Hölle der Individualität zu befördern. Ausnahmen und Gegentendenzen bestätigen natürlich die Regel.


    Ich fürchte, da haben wir einen Dissenz. Die "Höhe des Gemeinsamen" im Buddhismus verorte ich derzeit (man sehe es mir nach, und das soll nun wirklich kein Theravada-Bashing sein) eher in Sri Lanka und Burma mit seinem Prälatentum, seinen Bonzen, die Bürgerkrieg und ethnischer Verfolgung das Wort reden. Oder (das sind jetzt Thai und das Beispiel ist natürlich weit weniger extrem) einem Ajahn Brahmavamso Mahathera ein Vinaya-Verfahren an den Hals hängen und ihn aus ihrer Gemeinschaft (das Wort "saṃgha mag ich hier nicht in den Mund nehmen) ausschließen, weil er es wagt, in Australien vier leibhaftige - horribile dictu - Frauen als Bhikkuni anzuerkennen.

    kongjiazhong:

    Eben: 末法, Mò Fǎ, Mappō.


    Genau. Wer nur mag für diese ganz besonders bittere Frucht das Karma erzeugt haben? Ein Einzelner dürfte damit überfordert gewesen sein.


    Danke für den (für mich jedenfalls) hochinteressanten Gedankenaustausch.


    ()

    Stero:
    CurtainCall:


    Aber nun zum eigentlichen Thema dieses Beitrags:
    Ich habe letztens, als ich mich mit Kritik über den Buddhismus beschäftigt habe, gelesen, dass einige "Buddhisten" folgende These aufgestellt haben:
    << Ausschwitz war gut, da diese Juden in ihrem früheren Leben schlechtes Karma gesammelt haben. >>
    Das ist aus ethischer Sicht abscheulich.


    Ethik und die davon bedingten emotionalen Bewertungen hin oder her, interessanter erscheint mir die Frage, ob ein mittels kollektiver Verhaltensmuster ankonditionierter Antisemitismus sich hier buddhistisch manifestiert


    Meines Erachtens manifestiert sich hier vor allem ein falsches Verständnis von karma - jedenfalls kein buddhistisches Verständnis. karma ist willentliches Tun, nicht ein irgendwie geartetes Schicksal, dass man Päckchen mit sich herumträgt - womöglich noch 'geerbt' von irgendwelchen Toten. Das ist natürlich eine bequeme Sichtweise - die Verantwortung für die Art, wie wir existieren, wird damit auf die Toten abgeschoben, die angeblich 'unser' karma angesammelt haben.


    Worum es hier eigentlich geht, das ist nicht karma (das willentliche Tun) sondern phala (die 'Frucht' des Tuns). Früchte des willentlichen Tuns sind nun die Ursachen und Bedingungen, die unser Sein bestimmen. Zum Teil sind das Ursachen und Bedingungen (hetupratyaya), die wir uns (und anderen Wesen!) durch unser Handeln (karma) selbst setzen, zum Teil wurden und werden sie uns gesetzt. "Die Juden" haben Auschwitz definitiv nicht geschaffen (als Ursache und Bedingung gesetzt), auch nicht durch ihr karma. Das ist schlicht eine strunzdumme oder aber zutiefst bösartige These, wie jeder weiss, der sich mit den historischen Tatsachen beschäftigt hat. Z.B. durch Lektüre von Saul Friedländers 'Das Dritte Reich und die Juden'. Eine schwer erträgliche Lektüre, aber heilsam. Wie nun der einzelne Lagerhäftling mit seiner leidhaften Situation - den ihm gesetzten Ursachen und Bedingungen - umgegangen ist, das ist sein karma - und wie er diese Ursachen und Bedingungen subjektiv erfahren hat, seine phala.


    Notabene: aus dem o.g. folgt auch, dass es so etwas wie ein "Gruppenkarma" (z.B. das Karma der Juden) nicht gibt. Das ist eine rassistische Sichtweise und hat mit dem Dharma nichts zu tun. Auch, wenn Einzelne zumindest teilweise durch gleiche Ursachen und Bedingungen bestimmt (z.B. ein KZ) existieren, so existieren sie doch als Einzelne und nicht als Gruppe. Auch, wenn Einzelne gleich oder gar gemeinsam handeln, so handeln sie doch als Einzelne und nicht als Gruppe. Der Einzelne ist konkret, er hat eine persönliche sinnliche Erfahrung seines Seins und er hat einen persönlichen Willen. Gruppen sind nur Abstrakta - eine Gruppe hat weder sinnliche Erfahrung noch einen Willen, noch handeln Gruppen. Auch die falsche Sicht von Gruppen ist nur ein feiges, bequemes Ausweichen vor der Verantwortung, die man als Einzelner für sein ganz persönliches Handeln (auch in einer Gruppe verschiedener Einzelner) und dessen Früchte trägt.


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    blue_aprico:

    engelbert:

    Zitat

    Ich habe nur am Wochenende erlebt, wie einige Buddhisten über eine Lehrerin hergefallen sind, weil sie ihr Mitleiden nach einem Besuch in Auschwitz nicht mehr unter Kontrolle hatten.


    die sind nicht in sitzen geübt


    Das bringt es auf den Nenner. Um die Ursachen aus einem anderen Blickwinkel zu analysieren: das 'Sitzen' (das man hier als Platzhalter für die Dharmapraxis verstehen sollte) legt bestimmte Geisteshaltungen frei, die als brahmavihāra bekannt sind. Mehrzahl, weil in der Literatur vier brahmavihāra genannt werden: maitrī, karunā, muditā und upekṣā (kurz und grob übersetzt: Liebe, Mitleid, Mitfreude, Gleichmut). Tatsächlich handelt es sich jedoch nur um verschiedene Aspekte einer Geisteshaltung. Man könnte dieser - ganz wesentlich den Mitwesen zugewandte - Haltung auch weniger Aspekte zuordnen (z.B. karunā und muditā als 'Empathie' zusammenfassen) aber auch mehr, d.h. noch stärker differenzieren. 'Klassisch' sind es nun einmal vier.


    Auch, wenn es sich um eine einzige, ungeteilte Geisteshaltung handelt, die den Bodhisattva kennzeichnet, so zeigt sich bei Praktizierenden - insbesondere bei Anfängern - doch häufig ein Ungleichgewicht der genannten Aspekte. Zum Teil liegt das auch daran, dass in der Schulung oft besonderes Gewicht auf karunā gelegt wird - weil viele Lehrende wohl der Ansicht sind, dass gerade hier besondere Defizite zu kompensieren sind bzw. dies in Hinsicht auf eine tiefere Einsicht in die erste 'edle Wahrheit' notwendig ist. Die von Dir geschilderte Reaktion ist ein Anzeichen dafür, dass bei den Betreffenden zwar karunā durchaus entwickelt zu sein scheint, es aber Defizite bei maitrī und insbesondere upekṣā gibt. Maitrī sollte sich nicht nur auch auf die angegriffene Lehrerin, sondern unterschiedslos auf alle Wesen erstrecken - die Täter von Auschwitz mit inbegriffen. Einfach ist das nicht, zumal - wie hier - bei oder unmittelbar nach der sinnlichen Erfahrung dessen, was von Auschwitz (als Mahnmal im eigentlichen Sinn des Wortes) geblieben ist. Aber: wahre karunā ist nur dann erträglich(!) und maitrī nur dann möglich, wenn auch upekṣā und muditā freigesetzt werden. Anders ausgedrückt: wenn die brahmavihāra in Harmonie oder Gleichgewicht sind. D.h. wiederum, die von Dir beobachteten Reaktionen deuten auf ein Ungleichgewicht in der Praxis. Richtig geübtes 'Sitzen' ist daher eine vereinheitlichte Praxis, die solche Disharmonien / Ungleichgewichte im Geist des Übenden vermeidet bzw. ausgleicht.


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