Grundlegende Gemeinsamkeiten verschiedener Schulen

  • Moin!


    Ich habe eine grundlegende Frage zum Thema Geist und Wiedergeburt im Buddhismus.


    Ich bin noch sehr neu, und beginne seit den letzten Monaten mich tiefer in buddhistischen Schriften und der Zazenpraxis zu vertiefen. Ich habe bisher "Das Tor Des Zen" (falls das jemandem was sagt) gelesen und momentan widme ich mich dem Shōbōgenzō.

    Von dem was Dogen schreibt habe ich verstanden, dass Körper und Geist eins sind, alles vergänglich ist, und der Geist deshalb nicht wiedergeboren werden kann.

    Nur unser Karma wird weitergegeben, zb an unsere Kinder, oder allgemein an unsere Umwelt. Ich habe es immer so verstanden, dass dies eine Wiedergeburt ist, da wir alle eins sind, und das ist für mich auch schlüssig.

    Alles andere sei nicht das Buddhadharma laut Dogen, oder ich habe ihn falsch verstanden (deswegen frage ich nach aufklärung).

    Ich habe auch vor mir in ein paar Monaten eine Übersetzung einiger schriften des Pali Kanon zu bestellen, momentan fehlt aber das Geld ;)


    Ich habe jetzt aber eine Doku über tibetischen Buddhismus geschaut, wo ein Rinpoche wiedergeboren wurde, und dieser hat sich wohl an sein früheres Leben erinnert. Viele Mönche dort glaubten dem jungen.


    Wie ist das möglich oder mit der Sicht Dogens oder dem Buddhadharma vereinbar? Das würde heißen, dass der Geist des jungen nicht vergänglich war.


    Wie ist da die Sicht der tibetischen Buddhismus? Ich weiß dass dort ein großer Wert auf der Wiedergeburt liegt, habe ihn aber immer anders gedeutet.


    Ich würde mich über Antworten freuen!


    - ume

  • xiaojinlong

    Hat das Thema freigeschaltet.
    • Offizieller Beitrag

    Das Tulku-System hat eine besondere Geschichte:

    Zunächst beschreibe ich die Tulku-Idee im tibetisch-mongolischen Kulturkreis. Hier bedeutet ein reinkarnierter Tulku nicht, dass sich jemand noch einmal reinkarniert oder manifestiert hat, sondern es geht lediglich um die offizielle Anerkennung als Reinkarnation einer bestimmten früheren Person, ich sage nicht eines Meisters oder einer Meisterin oder was auch immer, sondern eines verstorbenen praktizierenden Menschen, sei er weiblich oder männlich. Das war die grundlegende Idee!

    Dieses Konzept hat sich im 13. Jh. in Tibet herausgebildet: 1284 wurde der dritte Karmapa, Rangjung Dorje, geboren. Der erste Karmapa war Düsum Khyenpa, der zweite Karmapa ist Karma Pakshi. In diesem Zeitraum gab es keine klare Aussage, ob Karma Pakshi die Reinkarnation von Karmapa Düsum Khyenpa sei, damals hat es dieses System noch nicht gegeben. Aber, nach dem Tod des zweiten Karmapa, Karma Pakshi, als der – dann dritte – Karmapa, Rangjung Dorje, 1284 geboren wurde, wurde er als Reinkarnation des zweiten Karmapa, Karma Pakshi, identifiziert, offiziell anerkannt, und Karma Pakshi wurde wiederum als Reinkarnation des ersten Karmapa anerkannt. Es hat also eine Art rückwirkende Identifikation stattgefunden. Dies war die erste offiziell bestätigte Reinkarnation überhaupt im tibetisch-mongolischen Kulturkreis.

    Dieser Ursprung war wohl mehr ein politischer als ein religiöser. Der mächtige Mongolenherrscher Kublai Khan hatte sich zum Buddhismus bekehrt und mongolische Prinzen wurden von tibetischen religiösen Lehrern unterrichtet.


    Wenn man zum Vasall eine Großkhans wird, dann leistet im weltlichen Fall eine Dynastie den Treueeid. Aber wenn ein Kloster und ein spiritueller Lehrer zum Vasall werden, ist es wichtig die Kotinuität im Spirituellen zu betonen. So wie dem Khan selbst als Prinzen ein weiser Lama als spiritueller Lehrer zur Verfügung stand, so wird auch für seine Söhne und Enkel einer da sein, der der Ausdruck und Manufestation der selben spirituellen Energie ist und deswegen als der gleich angesehen werden kann.


    Auch im Zen gibt es die Idee, dass dass Befreiung entlang einer Übertragungslinie weitergegeben wird - die "Übertragung der Lampe". Im Tulku Konzept betont man nicht aber nicht nur dass alle Tulkus Verkörperung des gleichen befreiten Zustands sind sondern geht einen Schritt weiter und assoziiert dies mit Reinkarnation. Dies ist eine Besonderheit des tibetisch-mongolischen Kulturkreises und auch in anderen Ländern wo es den Vajrayana gab ( Indonesien, China, Japan) findet man kein Tulku-System.


    Wie Dagyab Kyabgön Rinpoche in dem Text ausfühet, hat das Tulku System Vor- und Nachteile.

  • Verstehe ich das also richtig, dass das Konzept der tibetischen Reinkarnation mehr kulturell als religiös ist, und am Ende im Buddhismus mit dem gleichen karmischen Impuls begründet wird wie in anderen Schulen?


    - ume

  • Danke, ich denke dass du recht hast. Ich bleibe natürlich beim Soto-Zen... und es beugt denke ich vielen Verwirrungen vor, wenn ich mir nicht so viele Gedanken um andere Traditionen mache, über die ich kaum lerne. Ich war hier nur Neugierig, wie das mit der Reinkarnation in Tibet ist. Am Ende ist die Wiedergeburt und alles nach dem hier uns jetzt sowieso von geringer bedeutung:)


    - ume

    Einmal editiert, zuletzt von Ume ()

  • Hier im Forum wird das Thema Wiedergeburt ja gerne einmal kontrovers diskutiert.


    Und das Tulkusytem in Tibet ist dann auch noch ein reichlich kontroverses Thema. Von da her ist es nur logisch , das man hier auf eine Menge unterschiedlicher Ansichten und Erklärungsmuster trifft.


    Allgemeiner Konsens ist aber sicherlich, das der Geist oder die Buddhanatur unzerstörbar ist, weil sie ungeboren ist. Deshalb kann sie natürlich auch nicht wiedergeboren werden.

    Was aber schon wiedergeboren werden kann ist der Bewußtseinsstrom, davon geht jedenfalls die große Mehrheit der buddhistischen Schulen aus.

    Die Wiedergeburt eines Tulkus ist dann noch ein bischen ein spezial Thema, denn ein Tulku hat seine Ich Anhaftung ja bereits überwunden, und deshalb ist die Wiedergeburt eines Tulkus an sich auch nichts persönliches mehr. Man könnte hier also vielleicht besser von einer Bewußtseinskontunuität sprechen.

    Interessant ist auf alle Fälle ,das sich Tulkus häufig an zurückliegende Existenzen erinnern können. Und auch von Buddha gibt es Belehrungen darüber, das er verschiedene Reinkarnationen durchlaufen hat.


    _()_ Phönix

  • Hallo Phönix!


    Kannst du einmal definieren was du mit Bewusstseinsstrom meinst?


    Ich verstehe dass dieses Thema kontrovers ist - logischerweise, niemand weiß wie es wirklich ist und es wird viel spekuliert. Woran ich mich aber stieß war der Gedanke dass es etwas unvergängliches geben würde, aber das wurde ja schon geklärt - kompliziertes kulturelles Thema.


    - ume

  • Hi Ume


    diese Quelle aus dem Theravada scheint mir Bewußtsein und Bewußtseinsstrom verständlich zu erklären.


    txt_Bewusstsein_aus_buddhistischer_Sicht.pdf


    Ich schau aber auch noch mal, ob ich aus der tibetischen Sicht auch noch einen Text finde.

    Im Prinzip ist es so , das die tibetische Wiedergebutslehre davon ausgeht, das der Bewußtseinstrom nach dem Tod verschiedene Bardos (Zwischenzustände) durchläuft, bis er sich wieder mit einem neuen Körper verbindet.


    Wiedergeburt im Vajrayana


    Hier in diesem Thread gibts bestimmt interessante Anregungen zum THema.



    _()_ Phönix

  • Moin Phönix,


    cool, danke dass du mir das raus gesucht hast! Ich werd mir das durchlesen, mitnehmen, einordnen und dann ist das Thema für mich denke ich geklärt.

    Wieder was gelernt :)


    Edit: Das PDF hat viele Fragen geklärt, danke nochmal dafür.


    - ume

    Einmal editiert, zuletzt von Ume ()