Bei einem Auto ist es so, dass es solange es funktioniert, einfach so fahren kann, ohne sich groß Gedanken über das komplexe Zusammenspiel all der Teile zu machen, die es braucht um das Funktionieren zu Gewährleisten. Sobald es aber kaputt ist wird man damit konfrontiert, was da alles drin ist (Keilriemen, Zündkerzen, Batterie, Bremse) das das Funktionieren ermöglicht. Und so ist es auch beim Ich:
Das zwiegespaltene Bewußtsein hält noch mehr Überraschungen parat. Über einen ungewöhnlichen Fall hat Ende der achtziger Jahre der damals an der Cornell University tätige US-Neurologe Michael Gazzaniga berichtet. Einer seiner Split-Brain-Patienten war ein halbwüchsiger Junge, bei dem auch die normalerweise "stumme" rechte Hirnhälfte über eine gewisse sprachliche Ausdrucksfähigkeit verfügte. Sie konnte sich über Buchstabenklötzchen mitteilen. Der Forscher interessierte sich für den Berufswunsch seines Patienten und befragte zunächst die "sprechende" linke Großhirnhälfte. Die Antwort kam wie mit der Pistole geschossen: Technischer Zeichner. Als der Forscher die gleiche Frage per Klötzchen an die rechte Großhirnhälfte richtete, buchstabierte diese zusammen: Rennfahrer. Zwei grundverschiedene Welten schienen da ein und derselben Person innezuwohnen.
Wir haben hier also eine jungen Mann - eine "empirische Person" - er hat ein bestimmtes Alter, einen bestimmten Körper, bestimmte Eltern. Und in ihm sind bestimmte Wahrnehmungen, Wünsche, Emotionen. Aber weil - um schwere Epilepsie zu behandeln - der Corpus Callosum durchtrennt wurde - war der Prozess der aus der inneren Welt ein Ich generiert - der Prozess des " Anhaftens an einem Selbst" - in zwei Strömungen aufgespalten, die je nach dem in welchen Teil man das Resultat abfragte, andere "Ichs" mit ganz unterschiedlichen Berufswünschen produzierten.
Weil bei uns der Corpus Callosum nicht durchtrennt sind kommen wir im großen und ganzen auf ein Einheitliche "Ich Illusion" die dann konsistent mit unseren Wünschen ist.
Aber es reichen schon kleinere Sachen. Nehmen wir Alkoholsucht. Da kann es ja auch in gesunden Menschen schon zu einem " Jekyll und Hyde" kommen. Der nüchterne Jekyll empfindet vielleicht seinn Wunsch zu Saufen - als etwas fremdes, dämonisches. Und dass der dann besoffen nachts die Kinder schlägt empfindet er als eine "fremde Tat" deren er sich schämt und die er sich selbst nicht zuordnen will. Der betrunkene Hyde des Nachts empfindet dagegen sein nüchternes Tages imIch als fremd und spießig - als etwas was ihm seinen Spaß nicht gönnt. Die beiden liegen im Konflikt. Auch wenn sie die gleiche "empirische Person" teilen.
Buddha geht einfach nur noch weiter. So wie Hyde ein Produkt des Anhaftens an Alkohol ist, sind auch die anderen Persönlichkeiten in die wir im Laufe des Tages schlüpfen, Produkte der Anhaftung. Und indem wir nicht daran anhaften werden wir frei. Dies bedeutet nichts, dass sich unser Körper ändert.
Der Prozess des Anhaftens an einem Ich kanalisiert eine Vielzahl von psychischen Prozessen in Emotionen, Willen und dann in Handlungen. Es ist wie bei einem Bach, wo es mehrere Ströme gibt und es manchmal ausreicht, einen einzelnen Stein zu versetzten und das Wasser sucht sich einen anderen Weg. Und dieser ist dann "der Bach". Nymphomanin kriegen die Wechseljahren und haben keinerlei Lust auf Sex, Hippies werden zu Spiesern, Gangster zu liebevollen Vätern ohne dass es sie selbst groß wundert.
Mit der Inbrunst der Überzeugung sagen wir das wir natürlich "Technischer Zeichner" werden wollen - wie könnte es auch anders sein. Oder eben "Rennfahrer" - es ist unsere tiefste Überzeugung - unser tiefster Wunsch - unser Wesenskern.