Kyoto und die Zen-Kultur

  • Kyoto und die Zen-Kultur
    Im heutigen Kyoto herrscht hektische Betriebsamkeit wie in jeder modernen Großstadt. Doch Kyoto ist auch das spirituelle Herz Japans. Auf den Bergen rings um...
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    "Es gibt nur eine falsche Sicht: Der Glaube, meine Sicht ist die einzig richtige."

    Nagarjuna / 塞翁失馬焉知非福

  • Hendrik

    Hat das Thema freigeschaltet.
  • Ich finde die Zen Ästhetik sehr schön und gerade die Zen Gärten in Kyoto großartiga - lles wirkt natürlich und es ist eine große Freude so etwas zu erleben. Der Film schafft es gut, diese Ästhetik zu transportieren.


    Aber er bleibt auf der ästhetischen Ebene stecken. Um die Schönheit zu generieren, braucht es viel Aufwand . Der Saihoji hat über 120 verschiedene Arten von Moos und ein ganzes Geschwader an Gärtnern, die da Gras aus dem Moos rupfen.


    Kitsch und Gewalt, Schönheit und Ausgrenzung sind eng miteinander verwoben. So wie Mönche und Shintopriester in Japan als besonders rein und erhaben halten, gab es auch in Japan eine "Kaste der Unreinen"- der Unberührbaren, die in vergangenen Zeiten besonders "unreinen" Aufgaben nachgingen - dem Verscharren der Toten, dem Verwerten von Kadavern. Bis heute beauftragt man, bei einer Hochzeit Detektive die herausfinden sollen, ob der zukünftige nicht von solchen Burakumin abstammen und damit "Bäh" ist.


    In Kyoto hießen die Unberührbaren Kawara-Mono "Flussbank-Leute" weil sie auf den Bänken des Kamogawa Flusses lebten - eine unattraktive Wohnlage, weil die Behausungen immer wieder bei Überschwemmungen weggespült werden. Und weil Erdarbeiten - man tötet Regenwürmer und Maulwürfe (ganz schlechtes Karma) ebenfalls als unreine Tätigkeiten galt , waren es die Kawara-Mono - die Unreinen - die für die Zenästheten die Illusionen von Reinheit schufen. Einige der Kawara-Mono so wie Zenami der für den Shogun Yoshimasa Garten anlegte, brachten es - als so ne Art Landschaftsbau Unternehmer sogar zu Ruhm und Reichtum aber die Arbeiter von den Flußbänken, die die Drecksarbeit machten, sind vergessen.


    We do know the name of Shogun Ashikaga Yoshimasa’s favorite gardener, whose son is credited with the garden in Ginkakuji. He was Kawaramono Zen’ami, and from his name we can glean what the status of a gardener was in those days. Kawaramono, “a person from the riverbed,” was a term used for the poorest of the poor, beggars and homeless. The Kamogawa riverbed was where outcasts lived. Criminals were beheaded there. In later years, Kabuki was born on makeshift stages along the riverbed. Forever after, Kabuki actors bore the stigma of being called kawara-kojiki or “beggars from the riverbed,” and in Edo days it was a crime for them to consort with samurai.

    Ze’ami and his descendants, and other gardeners like them were known as sansui-kawaramono or “landscape beggars.” In short, a gardener, unless he happened to be a monk, ranked with outcasts


    Im berühmten Steingarten Ryōan-ji hat man auf einem der Felsen, die Namen von zwei Kawara-Mono eingeritzt gefunden. Zeugen der Unreinheit die für die Reinheit am Werk war.


    Wenn man da rein von schönen Schein geblendet ist, verfällt man ja leicht in so einen Zen-Kitsch. Als wäre es möglich ein "richtiges Leben im Falschen" zu führen oder inmitten von Samsara heilige Orte von überweltlicher Schönheit genießen. Als könnte man auf das Moos blicken ohne das Rupfen des Grases zu beachten. Gerade der Blick auf das "exotische andere" ist da eine Gefahr.


    Aber schön ist es schon. Und viele der schönsten Garten entstanden ja gerade in Krisenzeiten als man sehr genau wußte wie vergänglich und fragil das alles ist.

  • void Ist es nicht so, dass die minimalistische Ästhetik des Zen darauf zurückzuführen ist, dass man auf alles, von der Praxis Ablenkende verzichten wollte? Und gerade dieser Stil ist nun so präsent und im Westen durch seine Exotik beliebt.


    Aber ich mag die Zen-Ästhetik auch. Vor allem die Kunst des Holzschnitts, allen voran die von Kawase Hasui, hat es mir angetan. Kasuaki Tanshasis Kaligraphien finde ich umwerfend. Und so manches andere.

    "Es gibt nur eine falsche Sicht: Der Glaube, meine Sicht ist die einzig richtige."

    Nagarjuna / 塞翁失馬焉知非福

  • Zitat

    void Ist es nicht so, dass die minimalistische Ästhetik des Zen darauf zurückzuführen ist, dass man auf alles, von der Praxis Ablenkende verzichten wollte?


    Ja, ich denke es war wichtig, eine möglichst "banale" Umgebung zu haben, die nicht ablenkt. Von daher wäre man dem vielleicht näher, wenn man in der

    Jogginghose in einer Schulturnhalle meditiert, als wenn man sich da um exotischer Ästhetik bemüht.


    Aber der Kult um die Zen-Ästhetik kam ja nicht erst mit dem Westen. Ich denke dass es umgekehrt der Versuch war, Zen in ganz alltägliche Vorrichtungen einfließen zu lassen, dass diese verändert hat. Wenn es nicht nur "Einfach nur Sitzen" gibt sondern Befreiung auch auch im Holztragen, Fegen, Tee Eingießen ausdrücken kann, dann kann dies das Alltägliche mit Bedeutung aufladen.


    Es gab ja schon früh einen Kult der "Schlichtheit". So wie Thoureau in seinem Buch Walden sein einfaches Leben als Aussteiger in der Hütte am See vorstellt

    war in Japan das Hōjōki ein Kultbuch, dessen Autor Krieg und Chaos aber auch Rang, Namen und Bequemlichkeit hinter sich ließ und ein schlichtes aber ehrliches Leben in einer kleinen Hütte führte. Dagegen ist ja an sich nichts zu sagen, weil sich darin vielen buddhistischen Idealen ausdrückt


    Aber es blieb ja nicht da stehen sondern der "Kult des Schlichten" würde zur Mode und zum Statussymbol. Die Klöster drückten darin ihr Prestige aus, tolle Garten zu haben und die Adeligen sprangen auf. Einzelne besonders pittoresk geformte Steine wurden für das Jahresgehalt eines normalen Arbeiters gehandelt. Von daher drückt die Zen Ästhetik Kyotos die in obigen Film so unkritisch rezipiert wird ja so eine gewisse perverse Zen Dekadenz aus.


    Am extremsten drückt sich die Diskrepanz in der Geschichte des

    Ginkakuji aus: Der Shogun Ashikaga Yoshimasa hatte die Idee sich von seinem politischen Wirken zurückzuziehen und sich so ne beschauliche Hütte - dem Vorbild des Hōkōji - zu bauen. Aber natürlich auf ästhetschen Hochniveau. Er widmete sich ganz der Ästhetik und feilte daran, dass sein Garten den Konzepten von wabi und yūgen genügten.


    Und während er Zeit und Geld auf seine Bauvorhaben verwendete, schlitterte Kyoto - befeuert durch seine widerstrebende Nachfolgeregelungen, der Konkurrenz seiner Frauen, eine Günstlingswirtschaft in den Ōnin-Krieg. Von der Stadtbevölkerung Kyotos gab es laufend Petitionen, sich um ihre Sicherheit zu kümmern aber der Ex-Shogun beachtete sie nicht und widmete sich den schönen Dingen: Zen-Gärten, Ikebana, Gedichten, Teezeremonie und schönen Hütten.


    Er schuf sich also eine luxuriöse "Filterblasen" wo ihn das Leid draußen nicht anficht. Mit Yoshimasa kam der Ōnin Krieg, der Kyoto nahezu zerstörte und ein Zeitalter des Chaos einleitete.


    Wenn man den wunderschönen Garten des Ginkakuji besucht, dann muß man doch das Chaos mitdenken.