Beiträge von dorakuan

    void:
    dorakuan:

    ... und ich frage mich gerade, ob nicht Herbert Achternbusch der erste (und vielleicht einzige) Zen-Meister war, dem ich in meinen jungen Jahren andächtig gelauscht habe? Ist vielleicht was er macht "Zen-Kunst"?


    Irgendwo zwischen Zen und Zenzi.
    [...]
    Wobei man sich da fragt, wie tief das geht. Es gab ja vor allem unter den 68igern viele Künstler, die im Zen vor allem das Unkonventionellen, Anarchistische sahen, mit dem sie sich sie mit ihrem Kampf gegen die engen Konventionen ihrer Zeit identifizieren konnten. (Ihren "Schwingungen von Energie"?)


    Es ist bestimmt 20 Jahre her, dass ich das letzte Mal etwas von Herbert Achternbusch gelesen oder gesehen habe, ich glaube, es lohnt sich, dass ich nochmal genauer hinschaue. Tiefe oder nur oberflächlicher Zen-Klamauk?


    Mich haben seine Bücher und Filme (seine Bilder waren damals glaube ich kaum bekannt .... obwohl, ich erinnere mich an etwas im "Föhnforscher") begeistert und irritiert, weil es nicht so gewirkt hat als würde Achternbusch da nur einen Stoff verarbeiten, eine Geschichte erzählen oder irgend etwas spielen. Ich glaube, es war das erste Mal dass mir da jemand begegnet ist, bei dem ich den Eindruck hatte, er spielt mir keine Rolle vor sondern ist einfach. Vielleicht verklärt sich das nach der langen Zeit, aber ganz bestimmt war das jemand, der mir die Option einfach zu "sein" aufgezeigt hat ... in einer Zeit, als man zwischen konventionellen Konventionen (Eltern, Schule,...) und anti-konventionellen Konventionen (gegen Autoritäten, gegen Nachrüstung, gegen nicht-Alu-sammeln ...) immer gezwungen war, irgendwelche Rollen zu spielen, Meinungen über alles und jeden zu haben und für seine Positionen verbissen zu kämpfen. Einfach nur "dasein"? No way! Und dann kommt da dieser Typ und man schaut ihm auf der Leinwand minutenlang zu, wie Fliegen in seinem Bierglas ertrinken ...


    Zen-Kunst als sichtbares Zen in Aktion?

    Doris Rasevic-Benz:


    Stricken, Häkeln, Zeichnen, Knödelrollen und Plätzchenbacken.[...]
    Die bayerische Übersetzung für Zen heißt Lebm (das B wird nicht ausgesprochen)...


    Alltag(s-Kunst) als Zen-Kunst in einem Zen-Lebm. Als Exil-Franke wird mir ganz wehmütig (von hier aus verwischt sich die ansonsten so äußerst wichtige Grenze zwischen Franken und Bayern) ... und ich frage mich gerade, ob nicht Herbert Achternbusch der erste (und vielleicht einzige) Zen-Meister war, dem ich in meinen jungen Jahren andächtig gelauscht habe? Ist vielleicht was er macht "Zen-Kunst"?

    crazy-dragon:

    Judo, Jiu-Jitsu, dann Shotokan-Karate bis zum 2.Braungurt. Als Einstieg in den Zen. Dann war das nicht mehr wichtig.


    Darf ich fragen, hast du in der Zen-Übung das gefunden, was du vorher in Judo, Jiu-Jitsu und Karate gesucht (aber nicht gefunden) hattest, oder hast du durch die Zen-Übung das Interesse daran verloren?

    bel:
    dorakuan:


    Da interessiert mich natürlich, warum nicht? Welche Aspekte in deiner Kalligraphie-Übung fehlen, die notwendig für eine Zen-Übung sind?


    Nicht sinnlos genug - jedenfalls für meine Verhältnisse.


    "Nicht sinnlos genug" in dem Sinne, dass man Gefahr läuft etwas "schönes" oder "wertvolles" oder "beständiges" schaffen zu wollen? Also an Stelle der Übung sich auf eine Vorstellung oder ein Objekt konzentriert, das man herstellen möchte? Falls es das war ... wir lösen das Problem, indem wir auf alten Zeitungen üben, die dann im Altpapier landen. Die "künstlerische Ausbeute" von 3-4 Tagen Sesshin ist eine volle blaue Tonne ...


    bel:
    dorakuan:

    Und ... hat deine Kalligraphie-Übung irgendeinen speziellen Einfluss oder Wechselwirkung mit deiner Zen-Übung [...]?


    Na ja, ich mach das mit meinem Lehrer gemeinsam - das wars aber auch schon.


    Ich frag' nochmal nach ... du machst das nur, um etwas mit deinem Lehrer zu machen, aber außer der gemeinsam verbrachten Zeit kommt nichts bei rum? Von der Art, wie er schreibt, von der Konzentration beim Schreiben, oder wenn ihr gemeinsam das geschriebene anschaut? Und du übst auch nicht alleine?


    bel:
    dorakuan:

    Ich frage so neugierig nach, weil ich selbst Hitsuzendo übe


    Hör diesen Begriff erstmalig, is wohl eher n Rinzai-Ding?


    Ja, das haben Rinzai-Leute entwickelt, Hitsuzendo ist ziemlich unbekannt. Der englische Wiki-Artikel ist ganz gut (den deutschen gibt es nicht mehr, da es nach Auffassung der Wiki-Polizei kein Hitsuzendo gibt). Vor ein paar Jahren habe ich mal einen kurzen Film von meinem ehemaligen Lehrer gemacht, Hitsuzendo sieht man darin (auf youtube) ab 3:30: https://www.youtube.com/watch?v=FBIE64f9lSg

    Jikjisa:

    irgendwie ist es samu, nur halt "spannender" ?


    Das ist ein guter Punkt glaube ich ... also Zen-Kunst (vielleicht im Gegensatz zu "künstlerischer Kunst", die ein Kunst-Objekt zum Ziel hat) als eine Übung, die zwar irgendwo einen Zweck verfolgt (nach dem samu ist es meistens sauberer als vorher) aber diesen Zweck nicht als oberstes oder wichtiges Ziel verfolgt (meistens war es auch schon vor dem samu sauber).


    "Spannend" ist auch ein Aspekt ... man kann Interesse bei Leuten wecken (wenn man so etwas möchte), die auf dem Kissen sitzen erst einmal sehr langweilig finden ... Zen-Kunst als Einstieg?

    Syia:

    Mein Arbeitskreis trifft sich in einem Theravada-Zentrum. Dort dürfen wir den Meditationsraum des Zen-Kreises benutzen. Soviel zu Multi-Kulti ! ;)


    Klasse!


    Syia:


    Ich habe mich schon oft gefragt, ob ich ohne mein Shine-Training in der Lage wäre die Ruhe und Geduld aufzubringen, mich mit Bonsai eingehend zu beschäftigen. Ich glaube nicht. Vielleicht liegt da eine Parallele zum Zazen?


    Ein spannender Punkt: die Ruhe und Geduld aus der Übung hat positiven Einfluss auf die Kunst.


    Syia:


    Alle anderen Bonsai-Verrückte, die ich kenne sind übrigens keine Buddhisten. Wieso interessieren sich so wenige Zennies dafür ?


    Ich kenne auch keine (und Bonsai nur vom Anschauen). Vielleicht wäre eine hingebungsvolle Übung mit etwas so vergänglichem wie einem Bäumchen gar keine schlechte Zen-Praxis?

    bel:

    Kalligraphie (Chinesisch/Koreanisch) [...]
    Ich würd aber nich auf die Idee kommen, daß als eigenständige, spezielle Zen-Übung zu nehmen.


    Da interessiert mich natürlich, warum nicht? Welche Aspekte in deiner Kalligraphie-Übung fehlen, die notwendig für eine Zen-Übung sind?


    Und ... hat deine Kalligraphie-Übung irgendeinen speziellen Einfluss oder Wechselwirkung mit deiner Zen-Übung, oder nur so weit wie jede andere Alltagshandlung (Kochen, Wäsche waschen etc.) auch?


    Ich frage so neugierig nach, weil ich selbst Hitsuzendo übe (das oft als eigenständige Zen-Übung praktiziert wird), und diese Übung sehr intensiv mit meiner Zen-Praxis wechselwirkt.

    Syia:

    Ich frage mich gerade, ob ich hier auch als nicht Zen-Praktizierende antworten darf............. :?:


    klar ;) ... ich wollte das Thema nur möglichst genau fassen, damit wir nicht gleich 10 parallele threads laufen haben, danke für deine Antwort!


    Interessant, dass du eine japanische Kunst übst und eine tibetische Praxis hast! Siehst du da Gemeinsamkeiten (über den "meditativen Aspekt" hinaus, den du schon beschrieben hast) oder Konflikte? Ich finde diese interkulturelle Kombination ziemlich spannend!

    Hallo,


    ein paar Fragen an alle, die neben Zazen noch eine (Zen-)Kunst üben und vielleicht ihre Erfahrungen dazu teilen möchten:


    • was praktiziert ihr und wie
      (z.B. Kalligraphie oder Ikebana ... oder Jazz-Gitarre, täglich vor/nach dem Zazen)
    • wo und wie habt ihr es gelernt
      (Selbststudium oder mit Lehrer/in, vor Ort oder irgendwo weit weg)
    • welchen Einfluss hat diese Übung auf euer Zazen
      (ergänzt, lenkt ab, vertieft, kostet zu viel Zeit/Energie ...)
    • welchen Einfluss hat Zazen auf eure (Zen-)Kunst
      (vertieft, hilft bei der Konzentration, fördert/behindert Kreativität, gar keine Wechselwirkung, ...)
    • Was hat euch motiviert, damit anzufangen, und was, weiter zu machen?
    • ...


    Mich interessieren auch Erfahrungen von Leuten, die so etwas einmal probiert aber dann aus irgend einem Grund (welchem?) wieder aufgegeben haben. Selbst übe ich neben Zazen intensiv Hitsuzendo (Zen-Kalligraphie), Shakuhachi, Aikido und Iaido ... meine Erfahrungen damit schildere ich später.


    Schönes Wochenede,
    -joerg


    P.S.: Eine große Bitte: ich wünsche mir einen Austausch über praktische Erfahrungen zwischen Leuten, die ganz unterschiedliche (Zen-)Künste üben oder geübt haben, falls irgendwie möglich keine Grundsatzdiskussion zum uralten Thema ob das Praktizieren von Zen-Kunst eine Zen-Übung oder sinnloser Zeitvertreib verblendeter Schöngeister ist!

    bel:
    Jikjisa:

    das 者即 steht da aber nicht zweimal in den sätzen da .


    Muß es ja nicht, A=B sagt doch alles, ist doch dann wurscht, was auf welcher Seite vom = steht


    Wenn ich B durch A definiere, würde ich das z.B. so schreiben B:=A . A ist bekannt, B wird mittels Äquivalenzdefinition bestimmt. Daraus folgt dann A=B (und natürlich B=A) ... sind wir OT?

    bel:
    dorakuan:

    "Budhanatur" wird in obigem Zitat zur Definition von impermanent gebraucht (nicht umgekehrt),


    Also das ist jetzt sehr dünnes Eis. Es ist überhaupt keine Definition im üblichen Sinn (dazu bräuchte es die Nennung einer Obermenge und alleinstellende Spezifikationen) sondern eine gegenseitige Identitäts-Zuweisung, [...] genau das wird ja durch ...者即 ...也 ausgedrückt.


    In diesem Sinne würde ich es durchaus als Äquivalenzdefinition gelten lassen: A者即B也 ... aber vielleicht geht das jetzt zu weit, wenn wir hier Definition definieren?

    Jikjisa:

    @ dorakuan:
    möglich , daß hier ein aspekt bussho s "minimalisiert" wird, eventuell die flexible, tranzendente unterscheidende wahrnehmung inbezug auf die vergänglichkeitsbetrachtung der dhammas . sie hält nichts fest . oder so ähnlich. die permanenz des urteilenden gedankenprozesses ist ja dagegen von natur aus gegeben ohne "abstand" .


    wie kommentierst du diese aussage ?


    lieber gar nicht, mir ist leider nicht aufgegangen, was du damit sagen wolltest ;) Der Text diskutiert Permanenz und Impermanenz, nicht unbedingt besonders klar, finde ich ...


    Jikjisa:


    in welchem abschnitt vom sutra steht denn der vers ?


    Die Zongbao (宗寶)-Fassung (wird manchmal auch "kanonische Fassung" oder "Orthodoxe Fassung genannt), Kapitel 8, 2.Abschnitt. Ältere Fassungen enthalten ihn gar nicht, eine interessante Übersicht zur Entwicklung der Platform-Sutra ist hier: http://www.chibs.edu.tw/ch_html/chbj/20/chbj2013.pdf

    Hallo Doris,

    Doris Rasevic-Benz:

    Menno …
    Ich kann kein Japanisch und würde trotzdem gerne verstehen, was ihr da schreibt.


    Das war chinesisch ... ja, es ist furchtbar viel Mühe die alten Sprachen zu lernen und zu entziffern, und dann hat man es selbst nach einer sorgfältigen Wort für Wort Übersetzung oft immer noch nicht verstanden. Allerdings findet sich so viel Unsinn und ungenaue und falsche Übersetzung im Internet und in manchen Büchern, dass sich die Arbeit vielleicht lohnt ... zumindest da, wo man sich auf einen alten Text bezieht. Neulich habe ich mal fast zwei Tage mit einem einzigen Zeichen in einer Übersetzung aus dem Mumonkan zugebracht (das Ergebnis ist hier nachzulesen, leider bis jetzt nur auf Englisch: http://blog.dorakuan.de/too-many-spokes.html)


    Liebe Grüsse,
    -joerg

    Jikjisa:
    Zitat

    "Vergänglichkeit ist exakt Buddhanatur" (無常者即佛性).


    Kann nicht stimmen die Übersetzung, es fehlt ein Wort, nein zwei.


    Es fehlt eines: 無常者即佛性 ... dieses letzte fehlende 也 bestätigt aber nur die vorhergehende Aussage.

    Jikjisa:

    villeicht sollte an den kontext mit einbeziehen ?!


    Das ist immer eine gute Idee ;) An der betreffenden Stelle geht es nicht in erster Linie um eine Deffinition von "Buddhanatur (佛性)", sondern um permanent vs. impermanent. "Budhanatur" wird in obigem Zitat zur Definition von impermanent gebraucht (nicht umgekehrt), der Text geht weiter mit einer Definition von Permanenz (有常):

    Zitat

    有常者即一切善惡諸法分別心也


    als der Verstand/Geist (心) der alles Dharma in gut und böse aufteilt (一切善惡諸法分別). Diese Definition wird dann im Folgenden Text heftig diskutiert ...

    Matthias65:

    Nur was konkret bedeutet es "richtig mit den Gefühlen umzugehen ?"


    Dazu steht in dem Text:

    Zitat


    Durch die Bewusstwerdung unserer Gefühle erlangen wir neben der üblichen "willentlich-denkerischen" Entscheidungsfreiheit allmählich auch eine emotionale Entscheidungsfreiheit. Erst, wenn wir wissen und gewahr werden, was in uns vor sich geht, haben wir die Freiheit, über unsere Gefühle zu entscheiden, ob wir sie in diesem Augenblick unterdrücken wollen, kontrolliert ausleben oder in etwas anderes verwandeln.


    Ich verstehe "über unsere Gefühle zu entscheiden" in dem Sinne, dass ich dann entscheiden kann, ob ich meinen Gefühlen entsprechend automatisch Handlungen folgen lasse, also bei Wut sofort losbrülle, oder trotz diesem oder jenem Gefühl die Freiheit habe, auch anders zu handeln. Also trotz und mit Gefühl agiere, nicht nur auf meine Gefühle reagiere.


    Ich glaube, in unserer Kultur überfordern wir uns oft mit der Idee einer falsch verstandenen Authentizität, in dem Sinne: wenn ich zu jemandem freundlich bin und lächle, soll das auch mein "echtes Gefühl" ausdrücken. Daraus wird dann im Umkehrschluss der Krampf, dass, wenn ich freundlich sein will, ich mich auch noch zwinge Menschen nett zu finden, für die ich ganz andere Gefühle habe ...


    Ich erkenne mein Gefühl der Wut, wenn sich jemand in der Schlange vordrängelt.Weil ich die Wut erkenne, kann ich reagieren, entscheiden, ob ich losbrülle "He, Sie da, gefälligst hinten anstellen, andere warten auch ..." oder freundlich auf das Ende der Schlange hinweise, oder es mir es eigentlich egal sein kann, weil ich die zwei Minuten locker zur Verfügung habe. Vielleicht Wut, aber trotzdem meine Entscheidung, wie ich reagiere ... weil ich die Wut rechtzeitig als solche in mir erkannt habe.

    Sidat:


    Meine Frage an euch, meint ihr ich habe das mit der "Anhaftung" ein kleines Stück besser verstanden?
    Oder bin ich hier mal wieder auf dem Holzweg?


    Man kann auch an seinem "Verstehen" anhaften, an der "Freude", am "Loslassen" ... alles kann zum Trip werden, sogar das "nicht-Anhaften". Schau's dir einfach an, Handy, Blatt, Baum, Katze, Familie ...

    Hallo Sidat,


    Sidat:


    Die Meditation das ZaZen oder eine ähnliche halt einfach einer Meditation in der man Ruhe finde (ruhe in Gedanken und mit seiner Umwelt ohne zu denken).


    Manchmal ... aber oft ist es gar nicht so, dass man sich hinsetzt und dann eine "Ruhe findet", die einem sonst im Leben vielleicht fehlt. Es kann ganz im Gegenteil auch ziemlich unruhig und chaotisch werden. Beim Zazen lernst du dich selbst kennen ... aber wem oder was begegnest du da? Das kann ein ziemlich spannender Weg sein ...


    Sidat:


    Ich würde aber auch gerne über den Buddhismus also über die Dharma Meditieren, über mein Leben, und darüber wie ich es verändern verbessern kann.


    Vielleicht ist ein sinnvoller erster Schritt, erst einmal dasjenige ganz und gar und gut und gründlich kennen zu lernen, was du verändern und verbessern möchtest: dich selbst? Nicht, dass du am Ende eine falsche Idee von dir (was könnte das sein, ein falsche Idee von dir selbst?) einfach - oder mit viel Mühe - durch eine andere ersetzt? "Ich möchte mein Leben verbessern!", "Ich möchte mich verändern!", "Ich möchte so-und-so werden!", das sagen mir öfters mal Leute, die zu meinen Sesshin oder Kursen kommen. Ich antworte dann manchmal "wer fragt mich das?" Wenn ich darauf keine Antwort geben kann, dann bin ich beinahe wie jemand, der sich im Nebel verirrt hat auf der Suche nach einem Ziel das er gar nicht kennt, aber andere nach dem Weg dorthin fragt ...


    Und noch eine andere Idee ... wir sind oft so geprägt, dass alles Verstehen und Verändern und Verbessern immer über den Kopf läuft: analysieren, studieren, nachdenken und dann die Ideen in Bezug auf ein Ziel umsetzen. Gerade im Zen läuft aber viel Lernen über praktische Übung und Erfahrung in einer Gruppe und/oder im (non-verbalen) Austausch mit einem Lehrer oder einer Lehrerin, über sehr viel gemeinsamen "Alltag". Andere Buddhistische Richtungen und Schulen haben vielleicht andere Ansätze ... was passt für dich? Das kannst nur du selber herausfinden!

    Ji'un Ken:
    Sidat:

    ...Dann ist da auch die Sache mit dem Nibba, es wird immer nur beschrieben was das Nibba ist und irgendwie habe ich das Gefühl das nibba ist nichts?


    Nibbana, auch Nirvana genannt, lässt sich nicht beschreiben. Deshalb enden alle Versuche, es trotzdem zu tun, damit, zu sagen, was es nicht ist.
    Meiner Meinung nach auch nicht der beste Weg. Ich bin der Meinung, dass es manchmal einfach besser ist, nichts zu sagen.


    @Ji'un Ken ... ja, manchmal besser nichts sagen ist eine gute Übung. Deshalb mag ich Zen so, da sagen manchmal alle nichts, für einige Zeit ;) Trotzdem wage ich eine (vorläufige, versuchsweise) Antwort auf nibbana/nirvana, die mir selbst einleuchtet:


    Die etymologische Wurzel von "nibbana" bezieht sich auf "erlöschen". Zu Buddhas Zeiten haben die Brahmanen fleißig alle möglichen Feuer geschürt für ihre religiösen Zeremonien und Riten. Herr Buddha hatte gelegentlich eine etwas kritische und auch ironische Haltung zu den Vorstellungen und Riten seiner Zeitgenossen, er hat möglicherweise die rituellen Feuer der Brahmanen als Metapher aufgegriffen und daraus sein Bild der drei "Feuer" Gier, Hass und Verblendung gemacht. "Nibbana", also "Erlöschen" meint dann das Erlöschen dieser drei Feuer, das Erlöschen von Gier, Hass und Verblendung ... ziemlich praktisch und bodenständig.


    In späteren buddhistischen Schulen ist dann daraus teilweise die Vorstellung eines diesseitigen oder jenseitigen Paradieses geworden, in das man (je nach Schule) mit oder ohne eigene Anstrengung und/oder mit oder ohne "Buddhas Hilfe" gelangen kann.

    Hallo,

    Sidat:


    Diese ganze Sache um das verschwinden des Ego erinnert mich irgendwie an eine "ich-Störung http://de.wikipedia.org/wiki/Ich-St%C3%B6rung


    Sind die dort beschriebenen Symptome nicht synonym zum "verlassen" des Egos ?


    da hast du einen ganz wichtigen Punkt angesprochen, einen, der immer mal wieder zu Missverständnissen führt! Und die sind nicht immer ganz ungefährlich ... ab und zu kommen auch Leute mit psychischen Störungen (wie z.B. im Wiki-Link beschrieben) in unsere Sesshin. Wenn solche wirklich ernsthaft kranken Menschen dann noch eine Erklärung zum "nicht-Ich" falsch verstehen, kann das möglicherweise böse Folgen haben ...


    Gemeint ist nicht, dass sich dein "Ich" auflöst und du grenzenlos mit Wand und Kissen zu einer Einheit verschmilzt. Spätestens wenn du aufstehst und zur Toilette gehst, merkst du ja, dass Kissen und Wand und auch das Zimmer zurückbleiben ... und doch wird gleich etwas dein "Ich" verlassen und in der Kanalisation landen, das eben noch ein Teil von dir war.


    "Ego" meint hier eher die völlig falschen Vorstellungen und Ideen, die man möglicherweise über "sich selbst" angehäuft hat, z.B. "Ich" als etwas permanentes, unveränderliches, von der Umwelt isoliertes und autonomes das so und so ist und nie anders sein wird. "Verlassen des Ego" bedeutet, zu verstehen und zu erfahren (nicht zu "glauben") dass diese Vorstellungen von meinem "Ich" vielleicht gar nicht zutreffen. Ich stelle fest: ich verändere mich, bin auch nicht beständig, da ist kein "harter, innerer, unveränderlicher" Kern ... was ich "Ich" nenne ist vielleicht eher ein Prozess in Wechselwirkung mit seiner Umgebung ... daher auch nicht so völlig getrennt und autonom, wie man manchmal denken könnte.


    Das ist ziemlich befreiend, ich muss nicht ständig ein "Ego" verteidigen oder zur Schau stellen, ich bin nicht ein für alle Mal festgelegt auf dieses oder jenes "Ich" sondern kann Veränderung erfahren, auch ganz substantielle (sonst würde Übung ja auch wenig Sinn machen).


    Die Idee von einem fixen "Ego" (oder fixe Idee von einem "Ego", dieses "ich bin so wie ich bin") ist ja letztlich auch eine "Ich-Störung" ...

    fotost:


    Der Begriff 'Blutspur' scheint mir trotzdem unpassend.


    O.k., verkürzend, unscharf, pauschal, verharmlosend ... ich probier's nochmal:


    Leider gibt es auch in buddhistischen Religionsgemeinschaften und bei deren prominenten Vertretern vereinzelt Tendenzen Gewalt anzuwenden, zu rechtfertigen oder zu tolerieren. Beispiele dafür lassen sich insbesondere in neuerer Zeit belegen: http://en.wikipedia.org/wiki/Buddhism_and_violence


    fotost:


    Und die Diskussion 'Buddhismus Religion, Weltanschauung oder was sonst' überlasse ich gern [...]


    Ich hoffe sehr, es ist jetzt nicht der falsche Eindruck entstanden, ich wollte mit meiner Antwort bzgl. "moralischer Stellung" und "Friedfertigkeit" so eine Diskussion anzetteln!

    fotost:
    dorakuan:


    Leider durchzieht ein Blutspur auch den Buddhismus ... bis heute. Vielleicht ist keine der existierenden Religionen wegen, sondern trotz ihrer gewalttätigen Anhänger noch am Leben? Und dann gibt es ja noch Leute, die Buddhismus nicht in erster Linie als Religion ansehen und praktizieren ...


    Für den Begriff 'Blutspur' hätte ich gerne einige Beispiele und zwar nicht von einzelnen Leuten, die sich als Buddhisten verstehen, sondern schon quasi institutionalisierte Gewalt auf dem Level, das Sidat mit den Kreuzzügen angeführt hat.


    Schau mal hier http://en.wikipedia.org/wiki/Buddhism_and_violence und die dort aufgeführte Literatur.


    fotost:

    Und Leute, die Buddhismus nicht als Religion ausüben im Zusammenhang mit Selbstverteidigung? Was soll das bedeuten?


    Sidat hatte Buddhismus in seiner/ihrer Frage mit Bezug auf Selbstverteidigung als "friedliche Religion" bezeichnet. In diesem Zusammenhang wollte ich anmerken, dass viele Leute Buddhismus auch ohne Bezug zum Kontext "Religion" praktizieren. Eine institutionalisierte Religion die von einem Herrscher oder einer herrschenden Gruppe entweder instrumentalisiert oder als Bedrohung empfunden werden kann, bietet unter Umständen ein ganz anderes Konfliktpotential als eine säkulare Praxis.


    fotost:


    Ich sehe mich zum Beispiel als jemand, der die Lehre nicht als Religion, sondern als praktische Anweisung für ein besseres Leben ansieht. Ich erkenne religiöse Komponenten in Teilen der Lehre, halte diese aber für nicht zentral sondern eher für Überbleibsel aus älteren Religionen. Bin ich deshalb a priori weniger friedvoll oder moralisch tief stehender als jemand, der Buddhismus primär als Religion versteht?


    Da hast du mich wahrscheinlich missverstanden. Ich vermute im Gegenteil, dass eine säkulare buddhistische Praxis (je nach kulturellem Kontext) möglicherweise weniger Konfliktpotential bietet, und deshalb auch die Gefahr einer gewalttätigen Auseinandersetzung geringer sein könnte. Die Integration von Teilen der buddhistischen Praxis in andere religiöse Kontexte halte ich für eine große kulturelle Leistung, zum Beispiel ganz konkret, dass es hier und heute keine Scheiterhaufen gibt auf denen Buddhisten verbrannt werden, sondern Christen, die (Aspekte des) Buddhismus praktizieren. Vor Jahren war einmal eine katholische Nonne in unserem Sesshin, das fand ich großartig!


    Eine moralische Bewertung (tief- oder hochstehend) oder Einschätzung als mehr oder weniger friedvoll, basierend auf der eigenen Auffassung von Buddhismus (dogmatische Morallehre, Religion, säkularer Ansatz, Psychologie, ...) wollte ich damit auf keinen Fall zum Ausdruck bringen!

    Sidat:


    Und wie konnte sich der Buddhismus so lange halten obwohl er eine so friedliche Religion ist schließlich haben andere Religionen auch gemordet wie nichts gutes ich denke da an Kreuzzüge etc.


    Leider durchzieht ein Blutspur auch den Buddhismus ... bis heute. Vielleicht ist keine der existierenden Religionen wegen, sondern trotz ihrer gewalttätigen Anhänger noch am Leben? Und dann gibt es ja noch Leute, die Buddhismus nicht in erster Linie als Religion ansehen und praktizieren ...

    Sidat:


    "Ich gehe abends nach hause und mir kommt ein betrunkener entgegen der mich ohne Grund anpöbelt und schlägt, ist es in diesem im Buddhistischen sinne rechtens sich zu verteidigen?


    Ein Betrunkener ist langsam und hat Koordinationsprobleme. Wenn du auf deinem Weg nach Hause aufpasst, erkennst du ihn von Weitem und kannst sicher leicht einen Konflikt vermeiden.


    Ich habe viele Jahre Aikido und Iaido unterrichtet und bin oft gefragt worden "was, wenn ich in einen Zweikampf gerate, und ..." . Man gerät nicht einfach so in eine Schlägerei oder körperliche Auseinandersetzung. Nicht, wenn man aufmerksam ist, aufpasst, nicht provoziert ... und selbst wenn, dann gibt es, wenn man das geübt hat, immer noch Mittel und Wege, damit alle Beteiligten unbeschadet aus der Situation rauskommen. Rechtzeitig die Straßenseite wechseln ist sowieso die beste Prävention ...


    Ein Problem in Konflikten ist oft die "Eskalation", jemand fühlt sich in seiner/ihrer "Ehre" angegriffen, ein Wort gibt das Andere, jede/r verteidigt die eigene Position, eine/r kann sich irgendwann nicht mehr beherrschen usw ... wenn "ich" ausziehe mein "Selbst" zu "verteidigen", dann finde ich bestimmt jede Menge Ärger ...

    Kusala:


    Vor allem sind Kiddis in dem Alter ein gutes Regulativ. :D
    Wenn man sich noch so heilig dünkt, holen sie einen wieder auf den Boden der Tatsachen


    Das erinnert mich an eine Geschichte vor vielen Jahren ... eine entfernte Bekannte hatte sich bei einer in D/F verbreiteten Soto-Zen-Gruppe ordinieren lassen. Kommentar der Tochter (um die 10 Jahre): "Meine Mama ist jetzt Nonne, aber sie ist immer noch genauso doof wie vorher ..."

    Das kann sich über die Jahre auch immer mal wieder ändern ... ganz zu Anfang bin ich alleine gesessen, dann mit einem Lehrer (ohne Gruppe), dann wieder alleine, dann wieder in einer Gruppe. Lange habe ich gedacht, ich bräuchte "optimale Bedingungen" um gut zu üben, dann wieder, dass gerade das "nicht-optimale" (Lärm, schwer atmende Leute in der Gruppe) mir besonders bei der Übung helfen. Inzwischen ist es mir völlig egal, wo/wann/mit wem ich "meditiere", das ist sehr praktisch. Aber vielleicht hängt das auch von der Art der Meditationsübung ab (meine Erfahrung beschränkt sich auf Zazen)?