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Das Leiden in dieser Gesellschaft ist so viel tiefer, als in dem Text klar wird. Dort erscheint es, als wäre diese "westliche Haltung" einfach nur oberflächlich und konsumorientiert. Dabei ist sie Ausdruck einer viel tieferen Krise derer, die nicht wissen, was sie noch erreichen sollen, die nicht wissen, wie sie die zunehmende gefühlte Sinn- und Orientierungslosigkeit noch von sich abhalten sollen. Dorthin, auf diese unsere Form von Leben bewegen sich aber die meisten Menschen auf der Erde zu. So viele Menschen wünschen sich unseren Wohlstand, unseren Lebensstil. Wenn sie aber erst angekommen sind, zeigt diese Wunsch-Welt ihre Schattenseiten. Wir verlieren die ganze Wirklichkeit zugunsten einer ständig wachsenden Desorientierung, eines ständig wachsenden Durstes, ohne dass dieser Durst je zu stillen wäre.
Ich bin froh um jeden, der versucht, einen anderen Weg einzuschlagen. Es ist schwer genug, in dieser komplexen, überfordernden, verwirrenden und ängstigenden Welt einen Weg zu finden. Jeder, der auch nur ein paar Minuten am Tag meditiert, legt damit Samen für eine allmähliche Wandlung. Das ist gut und verdient jede Unterstützung. Die Sehnsucht nach der Wirklichkeit ist bei vielen Menschen ebenso groß wie die Menge der Dinge, die diese Wirklichkeit verstellen und unsichtbar machen. Wem will man das zum Vorwurf machen? Auch eine vollkommen einseitige Konsumhaltung ist Ausdruck dieser Sehnucht, und des Leidens an der Erfolglosigkeit dieser ganzen zum Scheitern verurteilen Versuche, ein intensives Leben zu führen. Die buddhistischen Lehrer, die aus anderen kulturellen Kontexten zu uns kommen, sehen das Leiden hinter der angeblichen Oberflächlichkeit nur selten, weil sie es schlicht nicht kennen und daher verkennen – und noch seltener reagieren sie angemessen darauf.
Man muss schon hier sozialisiert sein und hier leben, um zu sehen, wie wenig Hoffnung und Tatkraft ein erreichtes wirtschaftliches und gesellschaftliches Ziel, eine sterbende Religion, ein Zurückgeworfen-Sein auf einen sterblichen Körper hinterlässt. Von der Armut zum Reichtum, von der Naivität zum Wissen, von der Einfachheit eines kleinbäuerlichen Daseins zur unser technologisch und intellektuell völlig verschachtelten und entfremdeten Welt ist es ein steiniger und steiler Weg. Wohin aber, wenn man – wie die meisten von uns – angekommen ist? Was bleibt dann noch?
Aufklärung und Wissenschaft haben mit vielem ein Ende gemacht, das einmal Hoffung und ein Gefühl von Geborgenheit gegeben hat. Wir können nicht zurück. Auch damit, mit dieser spirituellen Heimatlosigkeit muss eine Gesellschaft erst einmal umgehen lernen. Kein Grund, sich darüber zu erheben, möchte ich meinen. Wir müssen damit, mit dieser Entfremdung und Komplexität leben und vor allem sterben lernen. Das ist nicht leicht, finde ich.
Wenn es kaum Ablenkung und kaum alternative Wege gibt, ist es leicht, sich mit Leib und Seele einer Lehre, einem Pfad anzuvertrauen, vor allem, wenn die Lehre dann auch noch traditionell so tief und gesund in einer Kultur verwurzelt ist. Da wird man über weite Strecken des Zweifels allein schon durch das Umfeld getragen. Das alles haben wir hier nicht. Eine Lehre, die für den westlichen Menschen geeignet sein soll, könnte diesen Verhältnissen und Zusammenhängen Rechnung tragen. Vielleicht muss sich auch der Mensch nicht nur an eine Lehre anpassen, vielleicht muss die Lehre auch den wirklichen Problemen und der Lebenswelt des Menschen begegnen lernen?