Der Buddhismus besteht nun schon seit circa 2500 Jahren. Im Laufe seiner Verbreitung über viele Länder Asiens hat er es verstanden, sich den kulturellen Bedingungen vieler verschiedener Zivilisationen anzupassen. In jedem neuen Umfeld entwickelte der Buddhismus neue Ausdrucksformen und assimilierte zum Teil sogar bereits vorhandene religiöse Formen, die im Licht der buddhistischen Lehre neu interpretiert wurden. Es wurden neue Orden mit unterschiedlichen Strukturen gegründet, neue Meditationspraktiken entwickelt, neue Lehrbegriffe formuliert. Durch diesen Prozess entstanden im Laufe der Zeit eine Unzahl verschiedener Schulen mit teilweise verblüffend unterschiedlichem Erscheinungsbild, die für Außenstehende unter Umständen nur noch mit Mühe als ein und dieselbe Religion erkennbar sind. Trotz dieser Unterschiede sind alle diese Schulen ‘echter Buddhismus’, da sie alle in ihrem Kern dieselben vom Buddha gelehrten Grundprinzipien beherzigen und, wenn auch auf verschiedenen Wegen, die gleiche transzendente Erfahrung hervorzubringen suchen, die ‘Erleuchtung’ genannt wird.
Die FWBO verstehen sich in der Tradition dieser Entwicklungen. Sie lassen sich keiner einzelnen der östlichen Schulen zuordnen, das heißt sie sind weder Zen, noch tibetischer Buddhismus, noch Theravada etc., obwohl sie Elemente aus vielen dieser Traditionen enthalten. Ihr Gründer Sangharakshita ist ein Engländer, der zwanzig Jahre lang in Indien die buddhistische Lehre gründlich studiert und geübt hat. Obwohl er als Theravada Mönch ordiniert wurde, bemühte er sich von Anfang an um einen nicht sektiererischen Zugang zum Buddhismus und studierte unter verschiedenen Lehrern auch die anderen großen Traditionen. Als er schließlich nach England zurückkehrte und sah, dass es auch im Westen großes Interesse an Buddhismus gab, suchte er nach geeigneten Methoden, um die buddhistische Lehre in diesem neuen kulturellen Umfeld zu unterrichten. Was er lehrte, war nichts anderes als die 2500 Jahre alte Lehren des Buddha, doch wendete er sie stets auf die Alltagserfahrungen seiner modernen Zuhörer an und suchte, wo nötig, auch nach neuen, zeitgemäßeren Formulierungen für sie.
1967/68 gründete er eine neue Ordensgemeinschaft, den Westlichen Buddhistischen Orden (WBO) und mit ihm den weiteren Kreis der Freunde des Westlichen Buddhistischen Ordens (FWBO). Da beide dem Versuch entstammen, die buddhistischen Lehren für die Menschen unserer Zeit in westlichen Gesellschaften zugänglich zu machen, ist auch das äußere Erscheinungsbild der FWBO ein modernes Westliches. Die Angehörigen des WBO zum Beispiel tragen keine traditionellen Gewänder, haben keine kahlgeschorenen Köpfe und leben nicht von Almosen; nur ein kleinerer Teil von ihnen lebt zölibatär. Neben einem soliden Grundstock an traditionellen buddhistischen Praktiken, wie Meditation, Ritualen, einer starken Betonung von Ethik, Schriftenstudium etc., die jeder Interessierte kennenlernt, fanden auch neue Elemente Eingang: Zum Beispiel finden die wenigsten Menschen es zeitgemäß, in einem Kloster zu leben; dennoch suchen manche nach Lebensformen, die sie bei ernsthafter spiritueller Übung unterstützen. In den FWBO entstanden daher buddhistische Wohngemeinschaften, in denen Buddhisten miteinander leben und praktizieren können. Ebenso käme heute kaum noch jemand auf den Gedanken, mit einer Bettelschale umherzuziehen, wie es im alten Indien der Fall war; dennoch müssen auch Buddhisten, die sich ihrer spirituellen Übung ganz widmen möchten, irgendwie ihren Lebensunterhalt sichern. Darum entstanden in den FWBO buddhistische Betriebe, in denen Menschen versuchen, spirituelle Übung und Erwerbstätigkeit miteinander zu verknüpfen. (Selbstverständlich sind dies nur Angebote, die bei weitem nicht jeder wahrnimmt. Viele leben zum Beispiel auch mit ihren Familien und gehen gewöhnlichen Berufen nach). In den FWBO wird außerdem große Aufmerksamkeit darauf gelegt, unsere eigenen kulturellen Wurzeln zu würdigen und, wo möglich, in die spirituelle Übung mit einfließen zu lassen: So wird z. B. die Rolle, die die schönen Künste auf dem buddhistischen Weg spielen können, erforscht.