Existenzphilosophien bestehen also darauf, Fragen über Selbst und die Welt zu stellen, und gleichzeitig versäumen sie nicht, darauf zu beharren, dass diese nicht zu beantworten sind. Über diesen Punkt der Frustration hinaus können diese Philosophien nicht vordringen. Auch der Buddha besteht darauf, dass Fragen über das Selbst und die Welt nicht zu beantworten sind, indem er sich entweder weigert, sie zu beantworten, oder indem er aufzeigt, dass keine Aussage über das Selbst und die Welt zu rechtfertigen ist. Aber – und hier liegt der entscheidende Unterschied – der Buddha kann über diesen Punkt hinaus vordringen und tut es auch: natürlich nicht, indem er das Unbeantwortbare beantwortet, sondern indem er den Weg zeigt, der zum endgültigen Aufhören aller Fragen über das Selbst und die Welt führt. Um Missverständnissen vorzubeugen: Die Existenzphilosophien sind kein Ersatz für die Buddhalehre – für die es in der Tat keinen Ersatz geben kann. Die Fragen, auf denen sie beharren, sind die Fragen eines puthujjana, eines Weltlings, und obwohl sie sehen, dass sie nicht zu beantworten sind, haben sie keine Alternative als sie weiterhin zu stellen; denn die stillschweigende Annahme, auf der all diese Philosophien beruhen, ist, dass die Fragen gültig sind. Sie sehen sich mit einer Zweideutigkeit konfrontiert, die sie nicht lösen können. Der Buddha dagegen sieht, dass die Fragen nicht gültig sind und wenn man sie stellt, begeht man den Fehler, anzunehmen, dass sie es sind. Jemand, der die Lehre des Buddha verstanden hat, stellt diese Fragen nicht mehr; er ist ein ariya, ein „Edler”, kein puthujjana mehr und er befindet sich außerhalb des Gültigkeitsbereichs der Existenzphilosophien; aber er wäre niemals an dem Punkt angelangt, der Buddhalehre zuzuhören, wäre er nicht erst einmal durch existenzielle Fragen aufgestört worden, Fragen über sich selbst und die Welt. Das soll natürlich keinesfalls unterstellen, dass es notwendig ist, ein Existenzialist zu werden, bevor man den Buddha verstehen kann: Jeder intelligente Mensch stellt sich naturgemäß Fragen über das Wesen und die Bedeutung seiner eigenen Existenz, und vorausgesetzt, er lehnt es ab, sich mit der erstbesten wohlfeilen Antwort zufriedenzugeben, hat er die gleiche gute Ausgangsposition, die Buddhalehre zu begreifen, wenn er sie hört, wie jeder andere. Dennoch bereitet es vielen Leuten Kopfzerbrechen, wenn sie zum ersten Mal auf die Suttas stoßen, was denn deren Relevanz im ausgefeilten Kontext modernen Denkens sei; und für sie mag der Hinweis hilfreich sein, dass die Existenzphilosophien einen Zugang zu den Suttas bahnen (das soll heißen, in ihrer allgemeinen Methodik, nicht in ihren jeweiligen Schlussfolgerungen).
Aus dem Vorwort zu "Notizen zu Dhamma"