Hallo Sinai,
das sind in der Tat nur hohle Worte.
Du füllst sie im Leben mit Leben.
Bei mir läuft das so:
Die Wiederholung der Worte wird zu einer Gewohnheit.
Beispiel: Wo ich früher z.B. wenn ich angegriffen wurde, ablehnende Gedanken hatte, kommt heute immer häufiger der Gedanke: "Das ist eine ganz arme Sau!" (Das ist bei uns nicht abwertend, sondern Ausdruck höchsten Mitgefühls, ehrlich ) Mir wird der Mangel, unter welchem der Andere leidet immer bewusster. Das ist auch ein Ergebnis von Kontemplation. Ich weiß, was bei mir den Zorn auslöst und wie sehr es ein Ausdruck meines Unmuts und Leidens ist, so dass ich vermute, dem anderen geht es momentan nicht gut, sonst hätte er das nicht nötig. Wir sind uns ja als Menschen ähnlich, so dass ich mir diesen Rückschluss erlaube. Ich versetze mich also in die Lage des anderen, versuche es zumindest, und stelle meinen Zorn ob des Angriffs kurz zurück. Manchmal gelingt das, manchmal nicht. Dann gilt die Vermutung dennoch. Wissen ist ein ganz wichtiges Hilfsmittel für mich, um Mitgefühl entstehen zu lassen, also nicht nur die Oberfläche zu betrachten.
Entfalten tun sich diese Erkenntnisse im Alltag. Es gibt immer weniger Situationen, in denen sich Mitgefühl nicht früher oder später entfaltet. Da wo es nicht von alleine entsteht, muss ich mir mit dem Wissen als solchem helfen. Mein Herz ist zwar voller Zorn, aber der Verstand zwingt mich, diesen nicht auszuleben. Er vergeht ja dann sowieso von alleine und ich werde dann viel kreativer im Umgang mit solchen verstörenden Situationen. Auch das verstehe ich unter Metta: die trennenden Emotionen nicht auszuleben, selbst wenn sie mächtig daherkommen.
Das ist für mich die eigentliche Kraft des Metta, sie offenbart sich in den aktuellen Situationen, nicht in tränenrührigen Emotionen während einer Meditation.
Ich denke, immer wenn ich eine Meditation mache um ein Ergebnis zu erzielen, sei es eine Veränderung oder ein bestimmtes Gefühl, dann bin ich nicht achtsam, für mich passt das nicht zusammen.
Ich habe übrigens nichts gegen tränenreiche Emotionen, z.B. wenn ich einen Film ansehe oder mit jemandem spreche, der mir von seinem Schmerz berichtet. Ich weine oft mit und lasse das zu. Für mich persönlich ist es jedoch wichtig, darüber nicht den Verstand zu verlieren, den kühlen Kopf wieder zurück zu bekommen. Der ist halt für ein kluges Handeln unabdingbar.
All das bedeutet jedoch nicht, dass ich mir alles gefallen lassen muss. Es gibt Grenzen des Tolerierbaren. Mit einer gehörigen Portion Metta für mich und dem Gegenüber, kann das sehr klar und deutlich ausfallen, ist aber kein feindseliger Dauerzustand, sondern sach- und situationsgebunden. Das ist in meinen Augen eine ganz wichtige Übung, denn das bedeutet loslassen.
Liebe Grüße
Doris