Geronimo:
Du verstehst nicht das das alles Äußerlichkeiten sind, so wie die Wahl der Ausrüstung, der Kleidung und des Bergführers. Auch der Zugang selbst ist eine Äußerlichkeit, ob du dich nun von Norden, Süden, Westen oder Osten näherst, das macht auf grundlegender Ebene keinen Unterschied, Außer vielleicht das es im Süden etwas steiniger sein kann, und im Norden etwas eisiger, was den Aufstieg naturgemäß etwas schwieriger gestalten wird.
Aber der Akt des Bergsteigens an sich ist für alle Menschen, für alle Zeiten, vollkommen unabhängig vom Berg, immer der gleiche, Ein Bein vor das andere, Hindernisse überwinden, und den Gipfel fest im Blick. Den Berg interessiert es nicht die Bohne ob du deine Ausrüstung bei Globetrotter (Buddhismus) oder bei Adidas (irgendeine andere Religion) gekauft hast. Ihn interessiert auch nicht woher du kommst, welcher Kultur du angehörst oder wie dein Lehrer heißt. Das ist ihm alles vollkommen egal. Das einzige worauf es ankommt ist, das der Berg bestiegen wird,
Es gibt nur ein Dharma. Es spielt überhaupt keine Rolle aus welcher Richtung wir uns nähern und welche Techniken wir dabei verwenden. Es gibt daher auch nicht viele verschiedene absolute Wahrheiten zu entdecken, sondern nur exakt genau eine. Aber das versteht man erst wenn es bereits zu spät ist, im besten Sinne. Die Welt der Vielfalt kennt dagegen unendliche viele relative Wahrheiten, aber das hat mit Buddha-Dharma alles überhaupt nichts zu tun. Am Ende gibt es nur einen einzigen Weg, egal welcher Kultur, Schule oder Tradition du angehörst. Nur zu Anfang glaubt man noch das es viele Wege gibt...
Okay, bleiben wir bei dem Beispiel mit dem Berg!
Nach einer tiefergehenden Analyse wirst du feststellen, dass du Hilfe brauchst, wenn du den Gipfel erreichen möchtest. Ich meine, der Berg ist wirklich hoch und steil. Diese Hilfe wird dir in deinem Fall von einheimischen Sherpas angeboten, die sich bereit erklären, dich auf den Gipfel zu führen. Die Sherpa sind eine Bevölkerungsgruppe im nordöstlichen Teil von Nepal. Sie sind in der Regel Buddhisten und gut an die äußerst harten Lebensbedingungen im Hochgebirge angepasst. Zudem haben sie ungefähr ein Liter mehr Blut in ihrem Körper sowie die doppelte Menge an roten Blutkörperchen als ich und du. Dadurch sind sie zu schier unglaublichen Leistungen fähig. Es fühlt sich also schon mal ziemlich gut an, zu wissen, dass sie dich unterstützen werden.
Gut, du stehst jetzt am Fuße dieses gewaltigen Berges, die Sherpas warten geduldig neben dir, in der Ferne hörst du ein Yak schnauben. Nimm dir einen Moment, um dich einmal anzusehen. Was hast du eigentlich an? Trägst du dasselbe wie ein traditioneller Sherpa? Nun, vermutlich nicht. Stattdessen trägst du so etwas wie eine 3-lagige Gore-Tex Pro Hose für mehre hundert Euro, eine wasserfeste, atmende Lafuma Prescott Jacke, Triple Points Gamaschen von Lowe Alpine und Ajungilak Bivakboots.
Fassen wir mal kurz zusammen: Dein Ziel ist das Erwachen, so wie es Buddha gelehrt hat und du weißt, du kannst dieses Ziel erlangen. Dazu sind wir doch hier, nicht wahr. Dass wir bestimmte Dinge, die wir uns vornehmen auch erreichen. Mingyur Rinpoche bezeichnet in seinem Buch „Buddha und die Wissenschaft vom Glück“, uns Menschen als sogenannte „Purushas“. Übersetzt bedeutet das soviel wie „mächtige Wesen“. Ja, wir sind mächtige Wesen, weil wir einen Willen haben und diesen Willen realisieren können. Der Punkt ist nun, dass wir unsere Ziele jedoch nicht auf traditionelle Art erreichen werden, sondern auf eine moderne Weise, auf unsere Art und Weise. Wenn du einen 7000er besteigst, wird in deiner Tasche wohl eher ein Satellitentelefon stecken, anstatt einer Gebetsmala aus Yakknochen. Oder?
Und genauso verhält es sich momentan mit dem Buddhismus in den westlichen Ländern. All die wunderbaren Qualitäten, die durch die buddhistische Praxis erreicht werden können, sind genau jene Qualitäten, die viele Menschen in ihr Leben integrieren möchten. Viele Menschen wollen mitfühlende Menschen sein, weise Menschen, achtsame Menschen, sie wollen ein sinnvolles Leben führen und dabei die Gipfel ihrer Bewusstseinsebenen erklimmen. Doch sie wollen dies nicht auf eine kulturfremde Art und Weise erreichen. Ja, sie können es nicht auf einer kulturfremden Art und Weise erreichen.
Übersetzt bedeutet dies, auch wenn es buddhistische Ziele sind, die du erreichen möchtest, so bleibt dein persönlicher Bezugspunkt doch ein westlicher. Ich meine, du stehst am Rande dieses riesigen Berges und hast teleskopische Wanderstöcke in deinen Händen, die von Vaude Himalaya Mitt Unisex Handschuhen umhüllt sind. Dabei checkst du den Wetterstand, der dir durch hochmoderne Gerätschaften aus einer weit entfernten Wetterstation übermittelt wird. Du wirst vermutlich nicht den Geist des Berges anrufen und um Sonne beten (auch wenn dies unter Umständen wirksamer ist, als auf einen Plastikkasten voller Drähte und Festplatten zu starren).
Meiner Meinung kommen so wenig Menschen mit den Qualitäten des Buddhismus in Berührung, weil sie denken, sie müssten sich wie Sherpas kleiden und anfangen sich gelbe Zipfelmützen auf den Kopf zu setzen. Das stimmt jedoch nicht. Darum geht es gar nicht. Ich bin der Auffassung, dass ein buddhistischer Ansatz, der die weitreichenden Erkenntnisse der westlichen Kultur integriert, eine mächtige und zukunftsträchtige Möglichkeit darstellt, sich den buddhistischen Inhalten auf eine angemessene Weise zu nähern.