Simo:
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Weiters finden wir die Einteilung von dukkha in dukkha-dukkhata, vipariṇāma-dukkhata und sankhāra-dukkhata. Hieße dukkha einfach nur "Leid" (im eigentlichen Sinne des deutschen Wortes) dann wäre das erste Kompositum sinnlos und eine bloße Tautologie (Leid-Leid). Es geht hier also eher um das "Dukkha in Verbindung mit Leid(/Schmerz, Gram, Pain Kummer)", das "Dukkha in Verbindung mit Veränderung" und das "Dukkha in Verbindung mit Sankhārā". Hier werden mehre Bedeutungsebenen deutlich.
Natürlich bezieht dukkha "Leid" mit ein, aber es steckt ein viel größeres Bedeutungsspecktrum dahinter (als so manche zu Simplifikationen geneigten Menschen erkennen möchten) - von sehr groben Manifestationen von "Leid" bis hin zu den feinsten Formen davon: immer wenn taṇhā vorhanden ist, ist auch dukkha anwesend.
Gut, dass das mal einer hier gesagt hat.
Nur ist es doch letztendlich sehr einfach, wenn man den Blickwinkel einmal gefunden hat: auch, sogar, weltlich erlangtem/erfahrenem Glück wohnt Leid inne. Dadurch, das dieses Glück zwangsläufig dem Wandel unterworfen ist, führt es zu erneutem Leid, wenn man blind danach greift. Also simpel ausgedrückt: auch Glück ist Leid. Diese Erkenntnis kann dazu führen, dass man nicht mehr danach greifen will.
Solche tiefergehenden buddhistischen Betrachtungen bedürfen nunmal eines großen Hintergrundes, um sie zu verstehen. Das kann man mit bloßen Übersetzungen nicht lösen. Der ganze Gedankenbackground muss schon hinterherkommen - sonst treffen eingedeutschte buddhistische Phrasen nur auf einen christlichen Nährboden:
aus Altruismus wird dadurch Helfersyndrom, aus Karma wird Schuld/Vorbestimmung, aus Mitgefühl wird aufgesetztes Getue (weil ein guter Mensch so zu sein hat), aus Reue wird Selbstkasteiung, aus leidhaftem Dasein wird Karfreitags-Leichenbittermine.
Ich will sagen: die Worte nutzen dem Verständnis nichts, sondern jeder benötigt nunmal ein längeres buddhistisches Studium, um den Buddhismus richtig zu verstehen. UND es bedarf der buddhistischen Praxis (!), sonst bleiben die Theorien Worthülsen. Das ist mein Lösungsvorschlag: nicht sogleich meinen alles wirklich erfasst zu haben, wenn einem noch der Background fehlt.
Chantasaro:
... Es ist absolut kontraproduktiv, wenn wir Thailänder, Tibeter, Chinesen, ... nach Europa holen, die dort ihren Buddhismus aus ihrem Herkunftsland praktizieren und der Bezug zur mitteleuropäischen Kultur fehlt.
Woher soll denn das rechte Verständnis kommen, wenn es nicht durch authentische Lehrer vermittelt werden darf? Ein "deutscher Buddhismus" ist dieser Zeit noch nicht entwickelt. Es ist auch keine Frage der Kultur (die ist nur eine Äußerlichkeit) sondern des tiefergreifenden buddhistischen Verständnisses über Leerheit, Mitgefühl, Dharmapraxis. Dazu braucht es erfahrene Lehrer, die es ganz und gar authentisch vermitteln - und die kommen zur Zeit nunmal noch vermehrt aus Asien.
Ich kenne gute deutsche Lehrer des tibetischen Buddhismus, die wirklich eine hilfreiche Brücke für den westlichen Geist bauen können - aber deren ehrenwerte Lehrer wegen ihrer Herkunft zu verwerfen wäre völlig absurd.
Auch kenne ich sehr, sehr gute tibetische Lehrer, die den Dharma 1:1 vermitteln können und die sich gleichzeitig durch den Umgang mit uns hier weiterentwickeln und den westlichen Geist kennenlernen. Also, die lernen ja auch dazu. Eine Win-Win-Situation ist das, wenn Ost und West (und Nord und Süd) einander berühren.