Beiträge von Wahrheitssucher im Thema „H. P. Blavatsky und Theravada Buddhismus“

    Also hat es diese zwei angeblichen Schulen auf Sri Lanka nicht gegeben.
    Oder (frei nach Nagarjuna): weder zwei Schulen noch nicht zwei Schulen?
    Dass Olcott und H. P. Blavatsky spezielle Interessen verfolgten, kann ich gut nachvollziehen.
    Ken Wilber aber machte womöglich einen ähnlichen Versuch - natürlich viel ausgefeilter als Madame.
    In "Eros, Kosmos, Logos" lese man die Fußnote 1 zum 14. Kapitel nach (29 Buchseiten; ein eigener Essay). Ein Freund meinte hier herauslesen zu können, dass Ken Wilber in diesem Text eine Art individuelles "ewiges Selbst" für mit dem Buddha Dharma kompatibel erklären wollte.
    Dieser 29-Seiten-Essay hat meinem Verständnis nach drei Hauptteile.
    Im ersten Teil geht es um die Überwindung der frühbuddhistischen Abhidharma-Sichtweise, insbesondere gestützt auf Nagarjuna. Die Essenz: "Weder Selbst – noch Nicht-Selbst; weder beides – noch keins von beidem" ist jedoch nicht geeignet, eine buddhistische Rede von einem ewigen oder transzendenten Selbst zu begründen. Die Leerheit bleibt – allen Spitzfindigkeiten Nagarjunas und Wilbers zum Trotz – anātman.
    Im zweiten Teil wird vornehmlich Mahamudra bzw. Ati Yoga bzw. Dzogchen fokussiert. Die Diamant-Natur ist und bleibt Leerheit. Das, was als ewiges Selbst angesprochen werden könnte, ein Unvergänglich-Unzerstörbares, erweist sich hier an keiner Stelle als ein in-di-vi-du-el-les ewiges Selbst, welches sonst von erhöhtem Interesse wäre. Es entspricht dem Dharmakaya des Adi-Buddha und ist weder Selbst – noch Nicht-Selbst; weder beides – noch keins von beidem. Eine positive Setzung, wie etwa bei Fichte, würde für Wilber ein Zurückfallen hinter die Dialektik Nagarjunas oder – später – des Ati Yogas bedeuten.
    Im dritten Teil geht es um Schnittmengen zwischen dem Buddha Dharma und westlicher Psychologie und Kognitionswissenschaft. Hier spricht Wilber als Empiriker, der mit diagnostisch-therapeutisch geübtem Blick vor Borderline-affinen Sichtweisen warnt, die zumeist in Verbindung mit bestimmten Pathologien der Psyche auftreten (Borderliner könnten u.U. in der Anātman-Lehre einen Stimulus und eine Rechtfertigung dafür finden, sich Ich-schwach aus der Welt zurückzuziehen). Demgegenüber macht Wilber eine gewisse Nützlichkeit des empirischen Umgangs mit dem menschlichen Ich geltend, ohne müde zu werden, dessen Relativität zu betonen. Das Ich hat einen bloß relativen Stellenwert, ganz im Sine seiner Rede von den Prä-/Trans-Verhältnissen.
    Auch, wenn der Terminus “ewiges Selbst” von Wilber verwendet wird, habe ich hier keinen Anhaltspunkt dafür gefunden, das es ihm um eine wahrhafte Individualisierung des Geistes, des Ewigen geht – wie sie im Integralen Yoga oder westlichen Schulen der Spiritualität ins Auge gefasst wird.
    Interessant in dieser Hinsicht wird Wilber da, wo er seine primär buddhistische Orientierung (selbst-)kritisch in Frage stellt und sogar von Spielarten eines “buddhistischen Imperialismus” spricht. Zitat:
    “Die auf die Welt der Phänomene bezogene ‘Nicht-Selbst’-Lehre hat alle Versuche, östliches und westliches Denken zu integrieren, ungeheuer erschwert. Vielleicht ist es an der Zeit, einen gewissen buddhistischen Imperialismus über Bord zu werfen und unser Netz zum Zwecke einer Synthese ein wenig weiter auszuwerfen, ein wenig großzügiger. Wenn es tatsächlich die Buddha-Natur gibt, so hat sie sicherlich auch in anderen Kulturen, an anderen Orten und zu anderen Zeiten ihre Spuren hinterlassen. Und sie scheint weitaus häufiger Äquivalente für ‘Mahātman’ in die Ohren sensibler Männer und Frauen geflüstert zu haben als für ‘Anātman’.” (“Eros, Komos, Logos”. 2. Aufl., Frankfurt a. M. 1996, Ss. 770/71 - die oben erwähnte Fußnote in dieser Ausgabe auf den Seiten 750-779)
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    Es geht um die Frage „ewige Individualität des Menschen“: Ja oder Nein?
    H. P. Blavatsky (1831-1891) unterscheidet in ihrem Buch „Der Schlüssel zur Theosophie“ einen exoterischen Buddhismus und einen esoterischen Budhismus (nicht mit d-dh, sondern nur mit dh geschrieben). Auf S. 91 der soeben erschienenen Neuauflage (Grafing 2015) wird unter der Überschrift „Die buddhistischen Lehren über die Seele“ von dem ungenannten, fiktiven Frager nach der Herkunft des Konzeptes der jeweils „gleichen Individualität (nicht die gleiche Persönlichkeit)“ innerhalb des Buddha Dharma gefragt, nach dem Konzept der Individualität, die in einer Wiedergeburt die gleiche ist, „wie in der vorhergehenden“ (S. 90). Sodann wird diese Frage konkretisiert: „Aber es wird doch ausdrücklich gesagt, dass die meisten Buddhisten nicht an die Unsterblichkeit der Seele glauben.“ (S. 91) – Die Autorin, H. P. Blavatsky, antwortet nun: „Ebenso wenig wie wir, wenn Sie unter Seele das persönliche Ego, die Lebens-Seele, das Nephesh, verstehen. Aber jeder gebildete Buddhist glaubt an das individuelle oder göttliche Ego.“ – Etwas später (S. 92) wendet der Frager ein: „Buddha hat sicherlich auch die Unsterblichkeit der Seele abgelehnt, wenn alle Orientalisten und seine eigenen Priester dies sagen!“ – Darauf erfolgt die erstaunliche Antwort der Blavatsky: „Die Arhats begannen dem Werk ihres Meisters zu folgen, aber die Mehrheit der später folgenden Priester war nicht eingeweiht, genau wie im Christentum. So kam es, dass die großen esoterischen Wahrheiten langsam fast verloren gingen. Ein Beweis dafür sind die zwei siamesischen Schulen in Ceylon. Eine davon glaubt, dass der Tod die völlige Vernichtung der Individualität und der Persönlichkeit ist, während die andere Nirvana so erklärt, wie wir Theosophen es tun.“ – Wer kann mir jetzt helfen recht zu verstehen, was es mit diesen beiden Auffassungen resp. Schulen auf sich hat? Kann jemand unter den Kennern des Theravada in Sri Lanka die Existenz solcher zwei Schulen bestätigen, von denen in der einen – im Gegensatz zu der anderen – gelehrt wird, dass dem Menschen eine fortbestehende Individualität bzw. ein „göttliches Ego“ eignet?
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