Beiträge von diamant im Thema „Meditationsplan erstellen?“

    Thursday:

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    wenn du da mal Selbst erkennen könntest


    Ich verstehe schon, Thursday. Du hast uns ja an Deinem eigenen Prozess der Selbst-Reflektion teilhaben lassen, und das funktioniert bei mir nicht anders - da ist etwas, auf das ich meine, reagieren zu sollen. Aber wie ich schon sagte, es ist eine bewusste Entscheidung, bei der ich auch Ärger und Wut als Motiv akzeptiere. Ich muss dann halt ggf. auch mal eine Zeile löschen, weswegen (und wegen der Tippfehler) meine Beiträge ja oft auch mehrere Fassungen haben. Wir können ja nun mal beobachten, dass das auch anders geht. Der Schalter im Hirn wird umgelegt. Das ist nichts Mysteriöses. Und statt persönlich wird eben "sachlich" reagiert. Sagen wir mal, so den Rest des Monats lang. Und vielleicht als Alternative noch: witzig. Allerdings macht mir das persönliche eben auch Spaß, und ich stehe dazu. Gerade habe ich gesehen, wie sich Rüdiger Safranski in einen Verriss des neuen Romanes von Jonathan Franzen reinsteigerte (ich bin da ganz bei ihm, ein überschätzter Autor), es war im "Literaturclub", und ich dachte mir, das hätte mir auch gefallen. Danach zuckte es ihn noch minutenlang in den Fingern.


    Ich gehöre nicht zu den Buddhisten, die das alles weghaben müssen. Ich akzeptiere, das das zu mir gehört. Es gibt eben auch Selbst. Das, worüber wir unsere Identität definieren wollen. Das war auch bei Shakyamuni und Sawaki nicht anders.


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    Wie also sieht deine Religion aus?


    Ich habe im Grunde keine. Ich verstehe darunter das, was man unter Wiki und im Lexikon findet. Ich habe mein Zen entreligiösiert. Aber natürlich wird ein Kritiker noch genug religiöse Anzeichen finden, weil schon die Erwähnung von Termini aus dem Zen oder von Erkenntnissen, die ja nur angelesen sein könnten, wiederum als Klischees erscheinen. Insofern, ja, eine Sicht auf die Welt habe ich natürlich auch, meine eigene, sozusagen dann meine eigene Religion, wenn du das gleichsetzt. Und da die sich mit vielen alten Zenhaudegen deckt, ist es wiederum auch nicht nur meine, und sie muffelt für manchen immer noch nach Religion. Das kann ich mir schon vorstellen.


    Ein gutes Beispiel, wie weit das bei mir geht, war das lange Gespräch mit dem Mann, der hier seit Dekaden lebt (und vögelt). Er beschrieb sich als Agnostiker. Ich sagte, ich sei es im Grunde auch, aber ich beschrieb die Einschränkung (das, was der Unbuddhist als das Transzendente verdammt). Allerdings mit dem klassischen Beispiel: Das Ausmaß meiner Gedanken und Gefühle an eine Frau (Liebe) führte zu den unwahrscheinlichsten Begegnungen mit ihr. Der andere meinte, das könne man doch erklären, mit Heisenberg. Und dann sprach er von der mir bekannten These, dass sich ein Ereignis an zwei Orten (versimpelt ausgedrückt, man kann es ja googeln) abspielen kann. Er führte es nicht weiter aus, aber möglicherweise wollte er eine Art Gedankenübertragung anhand eines Heisenbergschen Modells andeuten. Was mich nun von einem Religiösen unterscheidet ist, dass ich ihm sagte: Das Frappierende ist, dass diese Dinge keinerlei Sinn haben. Sie sind quasi chaotisch (aber eben nicht zufällig).


    Religion will aber vor allem Sinn stiften. Und, wie der Name sagt, irgendwie an etwas "binden".


    Für mich ist der Buddha tot. Ich habe ihn erledigt. Ganz, wie die Zenlehre es in meinen Augen vorsieht. Deshalb auch meine freche Kritik an diesem und jenem. Dennoch bin ich im Zen-Sinne ein Nachfolger Buddhas. Weil er ja - in dieser Richtung - genau so verstanden wird, als Befreier.


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    Mir erscheinst du als ein bindungsloses Wesen, dass sich nach Rechtfertigungen dafür umsieht


    Diese Schlussfolgerung folgt ja aus dem, was du vorher definiertest. Für dich ist Buddha-Nachfolge Bindung, für mich ist sie Ent-Bindung.

    Der Begriff "Rechtfertigung" fällt leider oft. Ist denn alles Rechtfertigung? Dann also auch das, was purna als Grund anführt, offenbar keine Prostitution zu nutzen. Das wäre nur logisch. Jedes Argument ist Rechtfertigung. Alle rechtfertigen sich demnach nur. Ein seltsames Verständnis. Vielleicht, weil du an Sünde oder Schuld glaubst. Ich glaube nur daran, wenn ich z.B. jemanden durch Unachtsamkeit überfahre. Dann bin ich schuld. Und vielleicht trage ich auch schuld.


    Wenn ich Menschen wie purna erklären will, dass sie m.E. falsch liegen, und das an praktischen Beispielen, gilt das nicht als Erklärung, sondern als Rechtfertigung. Warum? Weil der Standpunkt bereits festliegt: Dies und das kann eben nicht gut sein. Aber solche Fragen, kann ich dir versichern, stellen sich einem Ent-bundenen nicht. Moralische Fragen, die sich mir tatsächlich stellen, waren zuletzt etwa, ob ich es zulassen soll, dass eine christliche Hilfsorganisation sich ein Kind unter den Nagel reißt, dass m. E. das Kôan ihrer Mutter sein sollte. Ich habe hier schon oft betont, dass sich im Alltag in der Regel das rechte Tun von alleine ergeben kann, wenn man nicht mehr in Grübeleien verstrickt ist. Aber hin und wieder tauchen spezielle Probleme auf, wie jetzt in Deutschland das der Flüchtlinge (einen längeren Beitrag dazu hab ich schon hier liegen).


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    und dennoch scheinst du an sowas wie Zen dich gebunden zu fühlen. Aber das hat vielleicht was mit deinem Verlagsprogramm zu tun und ist evtl romantischer Natur.


    Nein. Erst kam das eine (Zen), dann irgendwann das andere (Übersetzen etc.). Ich fühle mich natürlich mit dem verbunden, was mich ausmacht, was mich innerlich antreibt. Das sind noch andere Dinge. Aber ich denke, mein Leben läuft im Wesentlichen so, wie es ist, weil ich es für die adäquate Umsetzung meiner Zen-Einsicht halte. Ich habe mich z.B. eben raus in den Regen gestellt, um mir eine Rekordbestellung am fliegenden Barbecue-Stand zu holen (11 Spieße mit Fisch und Fleisch), weil die Frau heute in dieser Brühe arbeiten muss und wohl nicht alles los wird. Im Alltag gibt es viele solcher Motivationen. Aber etliche User hier würden genau das falsch verstehen. Für diese Pampe haben wir ja Ajahn Brahm. Denn viele machen einen Unterschied zwischen diesem Verhalten und dem Rat, in einen Krieg bewaffnet einzugreifen. Sie können nicht nachvollziehen, dass diese Handlungsweisen aus ein und derselben Einsicht kommen. Das sind also Erklärungsversuche. Es gibt überhaupt nichts zu rechtfertigen. Ich halte mich lediglich für "meinungsstark". Das liegt nicht jedem. Und es ist klar, dass diejenigen, die viele Ansichten äußern, statistisch auch öfter widerlegt werden müssten als die Zurückhaltenden.


    Was erwartest du denn bloß als Replik auf Leute, die eine Szene wie die in Thailand nicht kennen? Soll man da schweigen, wenn man sie aus eigener Erfahrung kennt? Das es eigene ist, muss ja wohl nicht immer gesagt werden, das versteht sich dann von selbst. Kannst du dir nicht vorstellen, wie unerträglich für mich dieser Unsinn ist, den Schwarzer, Rahm und Space verbreiten, auf einer rein intellektuellen Ebene? Dass Idioten unsere liberale Gesetzgebung verändern wollen? Das könnte mich auch ganz ohne meinen Zeneinfluss auf die Palme bringen.


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    Aber noch wichtiger ist mir, wie diejenigen Dogen verstehen, die sich ihr Leben lang mit Dogen beschäftigen.


    Ich zähle dazu. Wie du weißt, gibt es in Deutschland schon mal niemanden, der mehr Dogen übersetzt hat als ich. Und wenn du nun Zazen meinst, was könnte ich da schon beweisen? Und ansonsten bin ja ich es, der Heine et al. gern ins Spiel bringt. Dogen-Experten eben. Und wenn du auch hier wieder andere meinst, also intensiver Praktizierende (Meditierende), Muho zum Beispiel, dann freu dich nicht zu früh, rate ich. Oder zitiere sie halt. Fumon Roshi, Okumura, wen du willst. Du weißt ja auch, dass ich Sawakis Werke gut genug kenne, und Deshimaru. Das ist alles gut, und ich behaupte ja auch nur, dass sie einen einzigen Fehler machten: Sie haben - wenn auch oft nur unterschwellig - ihre Einsichten im Wesentlichen auf Zazen zurückgeführt. Das ist mein entscheidender Beitrag zum Verständnis dieser Überlieferung (deshalb auch hier keine Quellenangabe ...). Sie sind m.E. einem Irrtum aufgesessen. Es war nicht ihre Körperhaltung, sondern die ihres Geistes, die die Einsicht bewirkte. Und die hätten wahrscheinlich alle von ihnen auch ohne zazen gehabt. Allerdings dann wohl ohne den Zenkontext und ohne in diesem Gedankengebäude so zu verharren (wobei Sawaki ja auch ganz gut in Alltagssprache umsetzte).


    Das behaupte ich aufgrund eigener Erfahrung, die Vergleiche erlaubt. Aus dieser Gewissheit heraus.


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    stellst dich jedenfalls in den Mittelpunkt deines Weges


    Wen denn sonst? Jeder ist der Mittelpunkt seines Weges. Noch einmal: Meine Methode ist u.a., durch anschauliche, möglichst aktuelle Bezüge aus meinem Leben zu illustrieren, was gemeint ist (siehe oben, metta am Barbecue-Stand - aber mit Egoismus/Hunger). Die Beispiele wähle ich aber lieber so, dass sie die Grenzen des Lesers tangieren, seine Duldbarkeit, seine ethischen Limits. Das gehört für mich dazu, da ich ja auch vermitteln will, was an Zenfreiheit möglich ist. Falls du


    meinst, ich wäre der einzige, der nach oder trotz Zazenerfahrung zum Schluss kam, man könne den Sinnenlüsten frönen oder sich getrost auch ausgiebig "unterhalten", zitiere ich halt - sicher nicht zum ersten Mal:


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    ["Was ist Zen?"] - "Schlafen, reden, lachen - das ist alles."

    (Kyudo Nakagawa)


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    Wenn du klar die Essenz erkennst, dann sind die Sinnesobjekte selbst Meditation, sinnliche Begierden sind selbst der Weg der Einheit und alle Dinge sind Manifestationen der Wirklichkeit.

    (Man-an)


    Und noch einmal Thursday:

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    Ein Anhänger Buddhas bekennt sich auch offen zu Buddha - durch Kleidung und auch durch die Bindung an ein Kloster oder eine andere religiöse Gemeinschaft von Laien z.B.


    Ich bin entschieden gegen diese Verengung. Das ist nicht "offene Weite, nichts von heilig" (was man Bodhidharma zuschreibt), es ist eben Dôgen. Und Dôgen, das muss man eben auch verstehen, war geistig nicht ganz klar. Neben den genialen Momenten gab es etliche Aussetzer.


    Die richtige Umsetzung des Zengeistes, behaupte ich, ist die: Ein Anhänger Buddhas ist sich sich dessen bewusst, dass er/sie selbst dieser Buddha ist. Er verwirklicht seine/ihre Buddha-Natur, indem die ganze Menschheit zur Sangha wird und nicht nur die "religiöse Gemeinschaft".


    Das dies aber, da auch Unterscheidungskraft zum Überleben nötig ist, Einschränkungen erfährt und ein "Ideal" ist (nach Kobun Chino kann ja niemand Zen vollkommen verwirklichen), werde ich dann an meiner Ansicht zum Flüchtlingsproblem zeigen. Ich möchte mich nicht nur an religiöse Gleichgesinnte binden, das ist mir zu selektiv. Aber auch ich selektiere, allerdings mit dem Ziel "offenerer Weite". Zuletzt bedeutete das auch eine bewusste Annäherung an den Islam (in Form von Literatur zunächst).


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    das ist eben nicht Zen. Das ist Ego-Fuck.


    Wenn man nicht begreift, dass es auch eines Egos bedarf, dann kann man sich nicht mal auf Sawaki und Co. stützen. "Bang, bang" - auch das ist Ego-Fuck. Im Zen geht es m.E. darum, damit auch spielerisch umzugehen (mein Zen ist sich ja auch eher der taoistischen Wurzeln bewusst), also sich nichts diesbezüglich vorzumachen. Jeder, der als Nicht-Buddhist dieses Forum studiert, wird zum Schluss kommen, dass die buddhistische Übung ganz offenbar das Ego der Übenden nicht verkleinert. Der gleiche Sawaki hat das übrigens gewusst, als er sagte: "Wenn ich sterbe, stirbt die Welt mit mir." Das ist Ego-Fuck par exellence.


    Und hier noch eine Ergänzung, damit klar wird, wie sehr Thursdays oder bels Verständnis auf Dôgen-Zen verengt ist. Trevor Leggett hat dies in Bezug auf Reden Takashina Rôsens, der selbst ein Sôtô-Meister war, so zusammengefasst (https://books.google.co.th/boo…%20after%20satori&f=false): Im Dôgen-Zen würde nicht - wie außerhalb davon - auf ein Satôri (Erwachen) hingearbeitet. Darum würde auch nicht nach einem etwaigen Erreichen dieses Zieles "Erwachen" das Mittel zum Zweck (Zazen) aufgegeben.


    Diese Ansicht bestimmt die eine Seite der Diskussion hier. Wenn man tiefer im Sôtô ist, sollte man sich ein Beispiel an Rôsen nehmen und darüber im Klaren sein, dass es andere Zenrichtungen gibt, die Zazen nicht als das Ziel, sondern einen Weg zum Ziel ansahen.

    Okay, ich werde da mehr Selbstdisziplin üben.


    Das Problem kenne ich übrigens auch von emails, wo mir die x-te Antwort noch unter einem ganz alten Thema mit zig "Re"s davor im Betreff schon oft genug auf den Senkel ging. Wenn man, wie ich gerade, dann mal seinen Email-Briefkasten aufräumt oder nach was sucht, findet man es garantiert nicht über die Betreffzeile der email. Leider passiert mir das im Alltag auch oft - einfach auf Reply drücken und den Betreff belassen.

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    Nach deiner absurden Unterstellung, in Antaiji würden die Leute letztendlich ordinieren, weil dies "nach Dogen" die Voraussetzung für Erwachen sei


    Du verstehst die Dinge immer so, wie sie in dein Abneigungs-Schema passen. Selbstverständlich ist mir klar, dass jeder persönliche Gründe hat. Was ich aber zum Ausdruck brachte war, dass es die Ordination im Sôtô und damit - und nicht nur, sondern auch - im Antaiji deshalb geben muss, weil man ansonsten Dôgen verraten würde, der in seiner Spätphase darauf beharrte, dass man Mönch sein müsse, um zu erwachen. Und dass man genau deshalb auch dir die Ordination anbietet.


    Für mich ist das Beste an Dôgen jedoch von einer Ordination unabhängig. Für die Sôtôshu nicht.


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    du hingegen denkst in Bezug auf Ordination nur in Kategorien von Formalien und Ritus und kannst offenbar überhaupt nicht begreifen, dass es für andere Leute ganz anders ist.


    Doch, natürlich, aber ihr kommt eben auch nicht um die Riten rum.


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    Wo stand was von Entrobung?


    Na bei dir. Robe und Schale zurückgeben. Entrobung heißt einfach: die Robe ausziehen.


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    Wenn jemand im Soto seine Robe zurückgibt, hat er seine Gründe.


    Ich werde dir das Problem gern erklären. Wenn einer im Soto seine Robe zurückgibt, dann hat das einen bestimmten Grund. Dass er nämlich noch immer der inneren Logik, die er der Robe beimisst, aufsitzt. Er zieht sie also gar nicht aus. Er hat sie gar nicht abgelegt. Denn allein dadurch, dass er meint, sie zurückgeben zu müssen (statt sie zu verschenken, verrotten zu lassen oder wegzuwerfen) sitzt er der gleichen anfänglichen Idee von der Robe auf, die bestimmte Rituale zur Folge hat. Er bleibt in dem ganzen damit verbundenen Gedankenkosmos stecken. Das ist eben nicht "persönlich", sondern das ist religiöser Überbau.


    solaris:

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    nicht zur besseren Lesbarkeit des Forums beitragen


    Ich stimme zu. Aber wenn du dir ansiehst, dass ich mir ein bisschen Arbeit machte mit der Zusammenfassung des Essays, erkennst du vielleicht auch, dass es mir wichtig ist, wie man z.B. Dôgen versteht. In Zukunft kann ich das vlt. noch öfter machen, einfach mit der Zus.fassung von akademischen Beiträgen antworten. Was die Ausgangsfrage ("Meditationsplan") hier anging, so war die, denke ich, schon anfangs von einigen dezidiert - und unterschiedlich - beantwortet worden. Die Frage ist, ob man jedes Mal, wenn dann prinzipielle Erwägungen - wie hier die Frage, ob es überhaupt noch richtig ist, die Meditation in den Mittelpunkt seines Weges zu stellen - einen neuen Thread aufmachen sollte.


    Was bel angeht - meine Meinung über ihn brauche ich nicht mehr explizit zu formulieren, seine über mich kennen wir auch. Ich hatte ihn schon mal auf "ignorieren" gesetzt. Das hilft aber nur bedingt, wenn man einem Thread noch folgen will. Was würdest du davon halten, dass ich ihn wieder aktiv ignoriere, also nicht mehr direkt auf ihn eingehe, nur die sachlich falschen Aussagen mit Textstellen konterkariere und mich nicht weiter auf seine ausweichenden und sinnverdrehenden Beiträge einlasse? Würde das schon helfen?


    Das Problem ist aus wissenschaftlicher Sicht m. E. so zu verstehen: Ich verwende gern die induktive Methode. Diese Methode abstrahiert aus einzelnen Beobachtungen, um ein Fachgebiet voranzutreiben. Es handelt sich um schlussfolgerndes Denken, das natürlich auch irren kann, aber die Chance zu neuen Erkenntnissen auftut. Das deduktive Denken würde dagegen aus zwei "wahren" Prämissen eine logische Schlussfolgerung suchen. Natürlich wende ich dieses auch zuweilen an (siehe Sprachlogik). Aber mein primäres Anliegen ist eben nicht der status quo, sondern das Weiterdenken und -entwickeln (das manchmal auch nur einer Rückbesinnung auf schon mal Dagewesenes bedarf). Wenn man mit induktiven oder deduktiven Methoden nicht vertraut ist oder (wie ich das am Fall des Unbuddhisten mal beschrieb) mit in sich recht geschlossenen, ideologischen Gedankengebäuden und Sprachen (z.B. marxistischen) arbeitet, reibt man sich immer wieder gern an dieser offeneren Herangehensweise.

    Code
    Es wurde ja auch nix anderes hier behauptet.


    Eine deiner Lieblingsformulierungen. Hast du denn je etwas behauptet?


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    Ich frage mich eh immer, was du dir alles zusammenphantasierst


    Warum? Nichts in diesem Fall. Ich habe dir Fragen gestellt, die du nicht beantworten konntest, wie üblich. Es waren reine Verständnisfragen.


    Die Entrobung von nicht nach dem Vinaya Ordinierten ist hingegen keinerlei Fantasie, sondern wird immer wieder gefordert, getan, behauptet und vor allem als die rechte Konsequenz bei moralischem Fehlverhalten angesehen. Genpo Merzel ist da ein Paradebeispiel. Ich denke, die, die es besser wissen, scheren sich einfach einen Dreck drum. Wie Sasaki und Shimano. Die wissen, dass schon die BE-robung ein Ritual war, bei dem die Form nicht den Inhalt verdecken kann. So dass die Entrobung am Inhalt nichts ändern kann.


    Im Gegensatz zu dir habe ich kein Problem damit, etwas zu behaupten. Wer nicht nach dem Vinaya ordiniert ist und meint, er solle seine Robe und Schale zurückgeben, den frage ich, wem er sein Totenhemd geben wird. Wer durch die Robe schaut, der weiß, dass sie wie andere Textilien einfach vor Kälte oder Sonnenbrand schützt.


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    Wie du siehst, offenbar doch.


    Nein, ich sehe nichts. Du behauptest also doch etwas. Da helfen nur die Kontaktdaten der Leute, die Robe und Schale zurückgaben, und dann "sehe ich", wie sie das "rechtfertigen" bzw. erklären.

    Antwort von Muho: Es gibt kein spezielles Ritual bei ihnen in Antaiji. Einige würden eben Robe und Schale zurückgeben - und Muho dann versuchen, diese zu "recyceln".


    Ich sehe da auch weiter keine Begründung als eine persönliche. Mich hat schon immer gewundert, dass man von nicht nach dem Vinaya Ordinierten eine Entrobung bei Fehlverhalten oder Abkehr von der Sangha usw. erwartet (oder dass dies z. B. von Ehebrechern wie Genpo Merzel ausdrücklich behauptet wird - er habe entrobt), wenn man nicht sowieso schon prinzipiell der BE-robung kritisch gegenüber steht. Ohne den Vinaya als Hintergrund sehe ich keine Möglichkeit, eine Rückgabe von Schale und Robe zu rechtfertigen.


    Zum Recyceln macht's Sinn.

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    Hab ich auch nicht behauptet.


    Aber klar. Auf "Volkshochschule" hast du mit deiner Studiengruppe gewedelt, u.a. mit einem Akademiker.


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    Wenns Dich interssiert, frag doch selber nach. Mir gegenüber haben sie sich nicht erklärt.


    Das tue ich ja, ich frage dich. Du hast geschrieben, Leute hätten in eurer Gemeinschaft Robe und Schale zurückgegeben. Was ist da vor sich gegangen? Die reisen aus dem Ausland oder anderen Gegenden Japans an, nur um ihren Kram da abzuladen? Was ist denn da passiert, was hast du denn gesehen?


    Und müsstest du das nicht erklären können, als Teil der Gemeinschaft? Hast du nicht auch ordiniert oder willst es tun und müsstest diese Regeln kennen?

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    Mach es kenntlich und schon kann man es nachprüfen..


    Zunächst einmal: Man lese einfach in diesem Thread und sehe, wie oft ich das bereits kenntlich machte. Auch hier wiederholst du nur sinnlose rhetorische Hülsen.


    In deinem Fall mach ich mir sicher keine Extramühe, denn du hast ja selbst deinen Ansatz so formuliert, dass deine Zitate teils weder einer Übersetzung noch einer genauen Quellenangabe bedürften. Das sei ja alles googelbar. (Da war ich schon weiter.)


    Natürlich sind auch die Ergebnisse deiner Studiengruppe rein privater Natur. Dein chinesischer Buddhologe veröffentlicht eure alternativen Lesarten ja offenbar nicht und setzt sie nicht der akademischen Fachwelt aus. Das wäre mal ein erster Schritt.


    Dein Ansatz ist also gewiss nicht hinreichend akademisch. Man sollte von anderen nicht wesentlich mehr erwarten, als man selbst bereit ist zu tun.


    ---


    Und nun bin ich mal wirklich gespannt, wieso jemand meint, er/sie solle seine Schale einem Abt zurückgeben. Worauf bezieht ihr euch da, welche Vorstellung steckt dahinter? Ihr ordiniert doch nicht nach dem Dharmaguptaka Vinaya, das dürfte hier schon ein paar Leute interessieren.

    Okay, da fehlt nun die Antwort auf bel, kurz zusammengefasst: Ich denke, du rechnest mir aus eher rhetorischen Gründen auch Dinge zu, die gar nicht von mir sind, sondern durch meine Lektüre in meine Schreibe einflossen. Das passiert ja allen Menschen so, die relativ viel lesen. Darum habe ich ein paar Passagen in der Zusammenfassung des Essays auch markiert. Wenn man viel schreibt und eigene Ideen entwickelt, stellt man auch immer mal wieder überrascht fest, dass die ein oder andere Idee schon mal da war oder gar nicht von einem selbst stammt. Oder dies: Ich habe mal eine Story, die ich für einen Kumpel erfand, ein paar Wochen später in einem Roman von Helmut Krausser wiedergefunden. Ich kenne auch einen, der meint, der Slogan "Weil es zen macht" sei von ihm, und nicht von einem Verleger, bei einer abendlichen Cocktailrunde erfunden worden.


    Zitat

    Es gibt auch Leute, die haben Mantel und Schale zurückgegeben.


    So? An wen denn? Wer ist denn da, der sie entgegennimmt?


    Das wiederum finde ich "unterirdisch".

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    per se Bullshit und völlig destruktiv.


    Danke für die Vorarbeit, void. Die Sache klärt sich ja dann gleich, wenn ich mit der Zusammenfassung eines weiteren Beitrages fertig bin, den bel wohl nicht gelesen hat. Wie im Übrigen auch, das zeigt sich dann, das Shobogenzo nicht in Gänze.


    Die Arbeit all dieser Buddhologen empfinde ich als ausgesprochen konstruktiv. Denn sie beschäftigen sich mit den Phänomenen, die beim Übersetzen und der Lektüre der Grundlagenwerke geschehen. Eben dem Widersprüchlichen.


    Zitat

    Von der Unterstellung was die Motive der Ordinierten oder Ordinierenden in Antaiji oder Soto generell betrifft


    Du kannst uns gern über diese Motive aufklären. Ich habe dir lediglich verklickert, warum man m. E. immer noch meint, ordinieren zu müssen. Eine Altlast Dôgens. Ich erkläre dir das psychologisch - die Sôtô-Adepten können eben nicht von einem wesentlichen Zug Dôgens lassen. Wie sich gleich zeigen wird, haben sie diesen Widerspruch nie recht geklärt. Und ja, ich bin eben auch in der Lage, andere Autoren und ihre Positionen mit meinen Worten zusammenzufassen - eben, weil ich Sprachwissenschaft gemacht habe und Texte seit der Oberstufe in zwei Sprach-LKs analysiert. Und weil das Niveau hier und anderswo so ist, wie es ist und sogar "blaue" User, die offensichtliche Probleme mit der deutschen Sprache haben, sich lieber in Anfeindungen als Lektüre ergehen, beteiligen sich fast keine Akademiker an den Diskussionen in buddhistischen Foren.

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    Es ging schlicht um den von dir intendiertem Gegensatz von Formal- und Lebenspraxis.


    Nein, kein Gegensatz. Wieso sollte die Lebenspraxis zu irgendetwas einen Gegensatz bilden, was Teil des Lebens ist? Das ist schlicht unlogisch.


    Was ich behaupte ist, dass es von Anfang an ein formloses Zen gab. Also eine Lebenspraxis ohne Form. Und je klösterlicher das Zen wurde, desto mehr geriet die Einsicht in dieses formlose, ungeregelte, undogmatische, un-sila-ische und letztlich unklösterliche Zen in Vergessenheit.


    Weiter: Ich fordere keine einheitliche Lehre. Es gibt überhaupt keine. Darum formuliere ich ja auch lieber in der Form von Kritik an Bestehendem, Tradiertem, statt an einer "Gegenlehre" zu arbeiten. Diese "Lehre", wenn es denn eine wäre, würde sich erst ergeben, wenn man die andere abgelegt hat. Aber bis es zu dieser Einsicht kommt, verweise ich so einiges, was andere als wesentliche Zenlehre behaupten, in die Schranken, und sage: Wenn schon, dann sähe das so aus ... Das ist im Grunde wohl auch, was Thursday meint. Nur auf dieser Ebene kann sich das hier abspielen, mehr als ein Fingerzeig ist nicht drin.


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    Das ist einfach nur Blödsinn.


    Der Blödsinn, auf den du dich beziehst (Dogens Abwenden vom Laientum), wurde aber hier schon mehrfach zitiert. Er steht (akademisch) bei Steven Heine und bei Dogen im Eihei Koroku, das du ja offenbar nicht kennst. Wer geschickt suchen kann, wird das also bereits mehrfach hier finden. Das ist auch, was dich disqualifiziert. Rhetorische, herablassende Behauptungen, die dazu führen sollen, dass man immer wieder das Gleich durchkaut. Weil du natürlich Zweifel hast. Aber ich bin nicht der, der dir das tausend mal sagen sollte. Das könnte schon Muho übernehmen.


    Hier dann zur Abwechslung wohl was, das ich noch nicht verlinkt habe: "Dogens veränderte Einstellung zur Erleuchtung von Laien", ein Aufsatz von Hoyu Ishida (leider nur Englisch, aber vlt. fass ich ihn später mal woanders zusammen). Die Quintessenz steht auch am Anfang, es ist die gleiche, zu der Heine und andere kamen: Dogens Auffassung war letztlich - obwohl er zeitweise auch Laien predigte -, dass nur der Eintritt in die Priesterschaft zum Erwachen führen könne.*


    Ja, bel, und das ist auch der Grund, warum man in Antaiji und der Sotoshu ordiniert, falls du es noch nicht bemerkt hast.


    Was soll ich dazu noch sagen, außer Leseempfehlungen geben. Es ist doch klar, dass man dir den Boden unter den Füßen wegzieht, wenn das alles da zu finden ist. Und obwohl genau das der Sinn der Zenübung sein könnte, wollen sich dem die meisten nicht stellen. Am Ende steht man eben mit leeren Händen da. Und das ist angenehmer, als die kiloschweren Wälzer in Pali oder von Dogen mit sich rumzuschleppen.


    * Interessant auch der Hinweis auf die zweifelhafte Autorenschaft Dogens am Bendowa, einem der Kapitel aus dem Shobogenzo, das besonders gerne für seine essentielle Lehre herangezogen wird.


    void: Okay, ich fasse am besten diesen o.g. Essay mal zusammen in einem Extrathread, der gibt vlt. die nötigen Antworten. Ich warte gerade auf den Rückruf eines Freudenmädchens, so dass Zeit ist.

    bel:

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    hast du dir eigentlich schon mal überlegt, wie prinzipiell unhaltbar deine Thesen über Huineng und Dogen sind ... (Sekundärquellen eingeschlossen)


    Hm. Das ist nun wirklich ein ganz billiger und hilfloser Einwurf.


    Nach meinem Eindruck - deine Kritik an Sekundärquellen hast du hier schon öfter geäußert - mangelt es dir an hinreichender Kenntnis derselbigen. "Meine" Thesen, wie hier mehrfach zitiert (etwa nach Dumoulin und Heine) sind also a) entweder gängige Thesen der Buddhologie (z.B. dass es keinen Nachweis gibt, Dogen sei tatsächlicher Dharma-Nachfolger eines Chinesen oder dieser habe Dinge wie Körper und Geist abfallen etc. gelehrt; dass Dogen sich explizit gegen Laientum gestellt und selektiv buddhistische Literatur gelesen habe; dass Dogen nicht das Gleiche wie Huingen gelehrt habe) und können im letztgenannten Fall schon durch umfassende Dogenlektüre von jedem verifiziert werden, b) sofern sie wirklich originell von mir sind (man müsste dann klären, was das sein soll) in der Überzeugung gesprochen, dass sie das Zen - in seiner eigentlichen Bedeutung - weiterbringen. Was mit deinen Ansichten - in meinen Augen - nicht der Fall sein dürfte (sie sind der status quo, oft aber auch, um dich zu zitieren, Erismus, Wortverdreherei oder Hintertürchenphilosophie).


    Was mich an deiner (gelegentlichen) Sinnverdreherei am meisten bekümmert ist, dass du offenbar meinst, durch Aufenthalte im Antaiji diese irgendwie aufwerten zu können. Ich erkenne in dir aber weder Sawaki noch Dogen wieder. Wieso macht dir die Praxis dort nicht klar, was gemeint ist? Wieso erwähnst du selbst, dass Sawaki reine Kesanäherinnen zu Dharma-Erbinnen machte, die kein Zazen betrieben, und schließt dann ein paar Wochen später dennoch, es habe im Zen (Chan) nie ein "entweder oder" gegeben? Natürlich gab es das. Z. B. bei Huineng: Entweder Zazen oder Küchendienst. Oder bei Sawaki: Entweder Zazen oder kein Zazen (hier stattdessen: Kesa nähen). Bloß von einer Dharma-Erbin, die ihre Muschi verkaufte, habe ich in seinem Fall noch nichts gehört. Das könnte auch "weiterbringen" sein. Über den formellen Rahmen des Klosterlebens (Kesa nähen) hinaus die Bedeutung von (Za)Zen auf andere im Zengeist vollzogene Tätigkeiten erweitern und sehen, wer da verwirklicht. Der Bauarbeiter? Der Arzt? Der Müllsammler? Der Bettler Tosui? Ikkyus blinde Musikerin?


    Die Tatsache, dass man einem Zitat ein anderes gegenüberstellen kann, aus der gleichen Schrift oder gar vom gleichen Autor, ist ja meine alte These. Das funktioniert beim Palikanon, bei Dogen usw. Womit auch schon gesagt ist, dass man mit gleichem Recht auf andere Stellen hinweisen kann als diejenigen, die meinen, mit ihren Stellen den Palikanon oder Dogen umfassend und richtig erfasst zu haben. Es gibt weder im einen noch im anderen Fall eine einheitliche, durchgehend sinnvolle oder in sich logische und konsequente Lehre. Folglich stellt sich immer die Frage, was man aus den Texten macht.


    Um eine andere Formulierung von dir also umzuwenden: Damit ist klar, dass ich für deine Zitate auch immer wieder Gegenbeispiele finden werde. Während Thursday das als "für die Tonne" ansieht, hoffe ich, dass ein solcher Blick auf die Überlieferung den Horizont erweitert.

    Nein. Die Zazen-Blockade.


    Gerade bin ich mal wieder über Sweepingzen.com gesurft, wahrscheinlich das bedeutendste Zenforum in den USA. Das zweitbedeutendste könnte das Zenforuminternational sein. In diesem war mir mal ein Lehrer namens Nonin Chowaney als besonders herablassend, zensorisch und von seinem Missverständnis Dôgens getrieben aufgefallen. Nun hat auf Sweepingzen ein ehemaliger Schüler von Nonin, Robert Schenck, ein bisschen über ihn geplaudert. Sehr interessant, für die, die Englisch können. Die Pointe u.a. (neben einem sexuellen Verhältnis zu seiner Dharma-Nachfolgerin - gähn!), dass Nonin gegenüber seinem Schüler Robert Schenck den Dôgen folgendermaßen zitiert haben soll: Wer nicht mit einem Lehrer üben kann, der soll es gleich lassen.


    So Typen wie der Nonin kommen dann bei so einer Denke raus. Und die Schüler/innen sind dann überwiegend nach dem Prinzip "gleich und gleich gesellt sich gern". Man lese das als weitere Warnung vor der Lehrersuche und dem "Mediationsplan": http://sweepingzen.com/the-azt…undo-cohen/#comment-46075

    Jojo: Dein Ansatz ist auch für mich interessant zu lesen. Ich bin halt zu anderen Schlüssen gekommen, mit denen ich auch schon so manchen Arzt überrascht habe. Zunächst mag das sogar ähnlich klingen, wie das, was du meinst. Nämlich: Der Körper ist für viele unserer seelischen Leiden verantwortlich, nicht so sehr umgekehrt (d. h. wenn das körperliche Leiden weg ist, vergeht auch Kummer, Depression usw., die z.B. durch Schmerzen ausgelöst werden). Ich betone das, weil ich eine Weile in meinem Leben eher dem psychosomatischen Ansatz folgte. Allerdings meine ich, dass wir uns unterscheiden in der Ansicht, wir würden das "machen". Ich behaupte von mir, dass ich überhaupt keine Schmerzen will, keine Gallensteine, keine Sehnenscheideentzündung usw. Die Ursachen dafür sind in der Regel aber doch recht gut zu erklären, z.B. durch Überlastung am Computer bei Letzterem. Die hab ich mir teils ausgesucht, teils entsteht sie aus einer Notwendigkeit (ich hatte in den letzten Monaten Deadlines/Abgabetermine). Aber das ist ja nichts Mysteriöses, über das ich groß meditieren müsste. Das ist wie 1 + 1 = 2. Würde ich es lassen, würde es nicht geschehen. Die Entstehung bestimmter Gallensteine ist hingegen auch für die Wissenschaft noch ein Rätsel, wie auch die mancher Migräne-Art. Ich kann nicht behaupten, dass mich ein meditatives Leben da schlauer gemacht hätte. Es gibt bestenfalls Vermutungen, die dem Volksmund entsprechen, etwa: Dem geht die Galle über (meine Steine wurden nach zwei einschneidenden biographischen "Bedrohungen" und entsprechendem Ärger bzw. Wehrhaftigkeit meinerseits entdeckt). Das war's auch schon.


    Thursday:

    Zitat

    ich will doch hier niemanden vom Zazen überzeugen. Entweder man macht es oder man lässt es.


    Das gilt auch für die Übung des Geistes nach Hui-neng und anderen. Man macht es oder lässt es. Mir liegt allerdings schon etwas daran, den Schwerpunkt der Zen-Übung in Diskussionen etwas zu verschieben vom heute eher gängigen Zazen auf andere Formen, die eher auf direkte Anwendung und Umsetzung im Alltag abzielen. Natürlich kann man diese Diskussionen als Spielwiese ansehen, aber ich nehme sie, genau wie die auf Mailinglisten und in Blogs, auch als Anregung für etwas, das später noch konzentrierter und konkreter (von mir) ausgedrückt werden könnte. Im Lauf der letzten Dekaden ist mir jedenfalls dadurch - so wie Jojo in der Zazenübung die körperlichen Blockaden - das klarer geworden, was an geistigen Blockaden auf dem Zenweg so im Weg stehen kann.

    Zitat

    Mal ins Shobogenzo Gyoji gucken.


    Das tun ja alle. Deshalb empfehle ich, mal woanders bei Dogen hinzugucken. Dann erkennt man die Widersprüche, aber vielleicht auch Wichtigeres.


    Du übersiehst wie so viele heutige Soto-Adepten Dogens Prämisse aus seiner Spätphase, er sei gegen das Laientum. Die darauf folgende Dogen-Lesart fand auf dieser Grundlage statt. Ihr hier seid aber fast alle Laien. Heute praktizieren viele Laien, als wären sie im Kloster und müssten das, was Dogen dort für richtig ansah, in ihren Alltag einbauen. Dieses Dogen-Zen ist für Klostermönche gemacht. Ergo: Es ist ein Übungsprogramm für Leute, die KEINE Laien sein sollten oder wollten.


    (Die gleiche Argumentation ziehst du auch für Huineng heran, wenn er zur Mönchsgemeinschaft sprach - immer wieder wird, wie bei Theravadin, etwas fürs Klosterleben Bezeichnendes als wesentlich für Laien herangezogen, doch für diese ist nur das wesentlich, was Geistesübung und ihr "Ziel" Geistesruhe ausmacht, nicht unbedingt die Rezitation und das Ritual. In den Religionen sind diese Exerzitien der Hauptbestandteil des mönchischen Lebens, nicht der des Laien. Auch wenn es viele Laien gibt, die einen Abklatsch davon zu brauchen meinen.)


    Das, was nicht diesen Touch hat, spricht als Erkenntnis aus seinen Versen und solchen Sätzen im Eihei Koroku, die frei sind von Dogmen, genauen Handlungsanweisungen (wer wissen will, wie weit es Dogen da treibt, soll das Eihei Shingi lesen) und ausgedehnten Sitzübungen. Diese Quintessenz spricht eine ähnliche Sprache wie die anderer Zengrößen. Aber den Kloster-Dogen in deutschen Dojos am Abend oder Wochenende praktizieren zu wollen, das ist so, als wolle eine Schoppenmannschaft den Fußball von Guardiola spielen.


    Zitat

    In seiner Verwirrung scheint im seine Verwirrung als Unverwirrtheit.


    Auch das hatte Dogen im Gegensatz zu dir aber begriffen: Samsara und Nirwana sind eins, besagt nichts anderes. Oder dies aus dem Eihei Koroku: "Die Erleuchtung verweigert sich euch nicht. Ihr seid bloß von äußerlichen Dingen verwirrt." Aber:

    Zitat

    Eure Erleuchtung stammt letztlich von äußeren Dingen. Das gilt auch für eure Täuschung. Es gibt keine Kluft zwischen diesen beiden, so wie zwei Menschen ein und dasselbe Schiff benutzen.


    Das Problem ist ja nicht nur, dass der Verwirrte seine eigene Verwirrung nicht durchschaut, sondern auch die Unverwirrtheit anderer nicht erkennen kann.


    Zitat

    Ne, das zeigt nur, daß du keine Ahnung davon hast, was dabei passiert.


    Ich habe ja beschrieben, was dabei (mir) passiert. Nichts anderes als das, was auch ohne Zazen passieren kann. Ich hatte - und darum stehe ich Huineng so nahe - meine wesentliche Einsicht (wie er) VOR jeder Übung des Zazen. Kein Zazen konnte das relativieren. Es ist wie in nibuttis Beispiel: Man kann sich dann nochmal besinnlich hinhocken, um das ganze "auszuarbeiten". Das Wesentliche ist aber auch bei Buddha nicht im Sitzen passiert, sondern als er rumlief und sich als reicher Sack ein Bild vom Elend der Leute um ihn herum machte. Dass er sich hinhockte war das Resultat seiner darauf folgenden Unruhe und seines Klärungsbedürfnisses.


    Wenn du eine andere "Ahnung" hast, lass uns mal daran teilhaben.


    Zitat

    "Mit gerade aufgerichtetem Körper und gekreuzten Beinen" ständig wiederholt. Es gibt nun nicht so viele Möglichkeiten das physisch zu bewerkstelligen.


    Es gibt einige. Deshalb findet man auch Mönche in Südostasien im Schneidersitz vor. "Gerade aufgerichtet" ist eine Tautologie. Ich sagte ja schon, dass man daraus nicht schließen muss, man müsse es genau so nachmachen. Was im Übrigen ja auch nicht geschieht, heute gibt es Sitzbänke, Kissen etc.


    Zitat

    Frei phantasiert.


    Ja, aber nicht von mir, sondern von Dogen. Eihei Koroku I (Kôshôji Goroku):

    Zitat

    Tatsächlich kann man die Erleuchtung in einem Augenblick erfahren, darf jedoch nicht daran haften.


    Und weiter:


    Zitat

    Ihr praktiziert den Weg, indem ihr eifrig die Täuschung abwerft. Euer ganzes Streben liegt in der Erwartung begründet, Erleuchtung zu verwirklichen.


    Zitat

    Schon bald kehrte er zu Nan-yüeh zurück und überbrachte Ma-tsus Worte: ‚Dreißig Jahre sind vergangen, seit ich Erleuchtung erfuhr. Doch ich habe mich nie nach dem Salz und Soja des Weges gesehnt.‘
    Daraus mache ich [Dôgen] einen Dampfkloß und bringe ihn den Buddhas und Patriarchen als Ehrenopfer dar.

    bel:

    Zitat

    Da drängt sich einem doch glatt die Frage auf, WTF haben sich der Shakyamuni und auch Bodhidharma dabei nur gedacht, so zu sitzen.


    Sie saßen ja nicht "so". Aus dieser Zeit sind die detaillierten Anweisungen, wie wir sie inzwischen etwa aus der Soto-Schule kennen, gar nicht tradiert. Auf Abbildungen wurde noch jahrhundertelang sehr häufig ein durchaus gekrümmter Rücken von Bodhidharma überliefert. In den gefundenen Texten des frühen Chan (also aus der Zeit um und nach Bodhidharma) spielt das Sitzen gerade keine herausragende Rolle (siehe Broughton).


    Zitat

    Wer wissen will, was "Dogen-Zen" wirklich im umfasenden Sinn ist, den verweise ich ans Shobogenzo Zuimonki, an Sawaki und Uchijama


    Und damit eben nur auf einen Ausschnitt dessen, was Dogen von sich gab. Ansonsten ergibt sich ein widersprüchliches Bild des Menschen Dôgen wie auch seiner Lehrer, wie hier schon öfter gezeigt.


    Jojo:

    Zitat

    Hast du mal 40 Minuten bewegungslos im Sessel gesessen, ohne deine Position zu verändern?


    Das ist ja der Punkt: Es ist eben unnatürlich, bewegungslos über lange Zeit zu sitzen. Das muss man erst mal verstehen, damit man weiß, was für einer Idee man da "aufsitzt". Einer Art militärischem Drill.


    Zitat

    Wenn es erstaunlich und überraschend bleibt, hast du noch nicht durchschaut, wie der Schmerz entsteht, und was die Basis für die Veränderung schafft. Wenn du DAS durchschaust, kommst du weiter.


    Wenn du es "durchschaut" hast, sage es doch deutlich: Was ist die Basis für die Veränderung?. Da bin ich nun wirklich mal gespannt, denn aus dem Folgenden werde ich nicht so recht schlau. Für mich sind das in erster Linie körperliche Vorgänge, und da ich die nicht wissenschaftlich studiert habe, sind sie "überraschend" und "erstaunlich" - aber auch das kaum mehr, wenn sie sich mehrmals wiederholen. Genauso wenig, wie es mich noch erstaunt, dass manche anderen Körperschmerzen, die an den seltsamsten Stellen im Alter zunehmend auftreten, auch wieder von selbst vergehen. Aber nun zu deiner Analyse, denn das könnte ja zunächst noch wie Zustimmung aussehen ("es ist der Körper, der das macht" - eine Binsenweisheit, weil man dem Körper auch andere Belastungsschmerzen abtrainieren kann):


    Zitat

    das allererste, womit du übst, ist der Körper.


    Deshalb gibt es auch vom Zen inspirierte asiatische Kampfkünste. Mit dem Körper übt man da aber in Bewegung, nicht im Sitzen. Das ist auch das Zen, das ich empfehle - sofortige Anwendung im Tun und in der Aktivität statt Verharren in der Passivität.


    Zitat

    sondern im Geist tauchen Gedanken zu diesen Schmerzen auf. Das ist etwas völlig anderes als die Schmerzen selbst. Diese Unterscheidung ist die absolute Grundlage für eine richtige Praxis.


    Natürlich sind Gedanken über den Schmerz, das beschrieb ich ja schon weiter oben (in Form von Ablehnung, Wut usw.) etwas anderes. Aber der Schmerz existiert weiter als das, was wir Schmerz nennen, wenn diese Gedanken getilgt sind. Also auch wenn wir

    Zitat

    mit voller Aufmerksamkeit beim Körper zu sein

    meinen. Denn diese Aufmerksamkeit und Schmerzwahrnehmung ist ja nichts anderes als eine Körperempfindung, ein Signal, das im Hirn registriert wird.


    Zitat

    Er hört auf, jedem Pipi auszuweichen


    Klar, das ist japanischer Drill-Zen statt chinesisches Tao-Chan. Da weicht man aus und lebt so länger.


    Zitat

    kommt man auch zu der Identität von emotionaler Pein und physischer Pein


    Ich wünsche dir wirklich mal eine handfeste Migräne, die - wie bei mir - von der Wetterlage abhängig ist. Damit dir diese Flausen ausgetrieben werden. Ich muss sogar meine emotionalen und körperlichen Hochs (z. B. Orgasmen) den rein physischen Fakten unterordnen. Mir scheint, auch du hegst die stille Hoffnung, durch Zazen den Schmerz ausrotten zu können. Weil du eben meinst, emotionale und körperliche Schmerzen seien identisch - und man ja davon ausgeht, dass man durch buddhistische Praxis die Emotionen glättet.


    Zitat

    was betrachtet denn da den Geist? Betrachtet etwa der Geist den Geist?


    Natürlich, was denn sonst? Das Hirn von Person X macht sich Gedanken über sich und die Welt und betrachtet, registriert Schmerz, Erleichterung, Gedankenruhe. Es läuft alles im Hirn zusammen, also im Geist. Der Moment, in dem das übliche Denken aussetzt, wird als Erwachen erlebt. Daher rührt auch die Formulierung, dass man den wahren (Buddha)Geist nicht mit dem Geist (Gedanken) erfassen könne. Weil dieser Geist für ein paar Momente "außer Funktion" ist. Heute müsste man es angesichts neurologischer Erkenntnisse und der Hirnforschung im Grunde anders formulieren als die alten Haudegen, die es nicht besser wissen konnten.


    Zitat

    postuliert Huineng lediglich, dass eine formalisierte Praxis ohne rechte Aufmerksamkeit zwecklos ist


    Nein, er postuliert überhaupt keine formalisierte Praxis. Wenn sie ihm zugeschrieben wird, dann, weil er ein Amt im Kloster innehatte. Sie lässt sich aber nicht aus seiner Lehre, also dem ihm zugeschriebenen Plattformsutra, behaupten. Selbst seine "Übung des Geistes" ist nicht im Detail umrissen, sondern in ihrer Zielvorstellung des Beruhigens oder Verschwindens der (anhaftenden) Gedanken. "Formalisierte Praxis" ist eine historische Entwicklung, die leider oft von den Wurzeln des Chan forttrieb.


    Diese Vereinnahmung Huinengs, wie sie hier etwa bel betreibt, fußt auf einem Missverständnis von Dôgen. Dôgen hat offensichtlich den Text nicht in der Form gekannt wie wir. Aber auch Dôgen lehrte die formalisierte Praxis nur für die, die es nicht anders verstehen können und nur so Zugang finden, und im Rahmen des geregelten Klosterlebens. Für die anderen lehrte er das Gleiche wie Huineng, nämlich dass es darauf überhaupt nicht ankommt. Man muss diese Sätze eben nur wahrnehmen:


    Zitat

    Ohne von anderen getäuscht worden zu sein, kehrte ich mit leeren Händen nach Japan zurück. Darum bin ich nun ohne Buddhismus. Ich habe mich eine Weile dem Lauf der Dinge überlassen. Am Morgen geht die Sonne im Osten auf, in der Nacht zeigt sich der Mond im Westen.


    (Der Anfang von Dôgens "Eihei Koroku")


    Und deshalb irrt bel auch an einem weiteren entscheidenden Punkt:


    Zitat

    Deshalb kann auch eine "Übung des Geistes" nicht iwas anderes bewirken als nur noch größere Verwirrung. Einschließlch sog. Erleuchtungserlebnisse.


    Denn Dôgen meinte dazu:


    Zitat

    Was wir Erleuchtung nennen, ist sehr schwer zu verwirklichen. Es liegt jenseits von Denken und Unterscheidung oder Scharfsinn und Klugheit.

    (Eihei Koroku, Kap. VII)


    Er wusste also genau, dass es jenes "Schlüsselmoment" gibt. Dôgen glaubte im Gegensatz zu bel also an ein "Erleuchtungserlebnis". Dies besteht, wie bei Huineng, eben darin, dass der "Geist übt" und sich dahin bringt, sich seiner (anhaftenden) Gedanken zu entledigen. Es besteht nicht in (zielloser) "Ausübung", sondern es ist - wie bei Huineng - die konkrete Erfahrung von Gedanken- und Unterscheidensfreiheit.


    Wobei aber, wenn man bel genau liest, auch er von einem Punkt a nach b übt, also zielgerichtet. Es äußert sich in Sätzen wie


    Zitat

    ich registriere aber auch, wie sich fast unmerkliche Änderungen in einer stabilen Weise in neuem Verhalten kumulieren


    Das ganze Gerede, das sich gegen eine Erfahrung der Erleuchtung richtet, ist rein rhetorischer Natur, weil man einem (von lediglich vielen) Zügen Dôgens aufsitzt, der - pädagogisch sinnvoll - davor warnen will, sich in Erwartungen zu verfangen und den Weg dorthin zu komplizieren. Der Fehler besteht darin, diesen Rat pars pro toto zu setzen. Die Übung des Zazen ist Erwachen im Sinne eines Weges. Das ist nicht das gleiche wie "der Moment der Erleuchtung". Im Übrigen glauben das selbst Soto- und Dogen-Leute wie Brad Warner nicht. Er beschreibt hier, im Tenor des bekannten Buches von Kapleau (also fast rinzai-artig), diesen Moment in seinem Leben: http://hardcorezen.info/what-a…t-experience-is-like/3785


    Eine andere Frage wäre natürlich, was man davon halten soll. Das gilt auch hierfür (natürlich nibbuti):


    Zitat

    Da saß der Erhabene sieben Tage lang nur mit gekreuzten Beinen da


    Das ist alles. Sieben Tage. Gekreuzte Beine (siehe meine Eingangsbehauptung).
    Und: Ja, ER saß da. Das heißt eben nicht, dass andere das auch tun müssten, ehe sie zur Einsicht kommen. Darin besteht der Irrtum: In der Nachäffung legendenhafter Details auf dem Weg, statt in der Konzentration auf das Ergebnis. Nibbuti hätte diese Worte unterstreichen sollen:


    Zitat

    nachdem er vollkommen erwacht war

    Die folgende Lehre (paticcasamuppāda) wird also erst nach weiterer Besinnung entwickelt und nicht unmittelbar aus dem Erwachen (ergo: sie ist KEIN entscheidendes Kennzeichen des Erwachens, sondern des nachfolgenden Sinnsuchens). Und sie basiert auf der von Jojo und mir oben diskutierten Erfahrung:

    Zitat

    und empfand das Wohl der Erlösung

    Da er bereits erwacht war, wird diese genau in dem von uns geschilderten Gefühl des Abfallens von körperlichen Sitzschmerzen bestanden haben. Das ist das Wohl, das er gleich noch einmal erfahren wollte.

    Hier noch einmal abschließend die entscheidende Stelle bei Huineng


    此須心行


    Zunächst die entstellte Übersetzung von bel, die ein - auf Nachfrage oft inhaltsleer bleibendes - Lieblingswort der Dogen-Fraktion kennzeichnet (Praxis):


    Zitat

    Dies (Mahaprajnaparamita) muß mit ganzen Herzen Praxis sein


    Mahaprajnaparamita ist, zur Erinnerung, jene Weisheit, die einem "zum anderen Ufer" bringt, also Erwachen kennzeichnet - wie im gleichnamigen Sutra erläutert.


    Nun die übliche Übersetzung:


    "Dies muss mit dem (Herz)Geist geübt/praktiziert werden."


    Mc Rae übersetzt: "Dies muss mit dem (Herz)Geist praktiziert werden," und dann weiter: "nicht mit dem Mund."! Erst danach folgt, was zu tun sei, wenn man es (das Sutra) rezitieren möchte. Die Grundthese ist also: Übe mit dem Geist (nicht mit dem Körper). Wenn du mit dem Körper üben willst, darf die Geistesübung nicht aufgegeben werden. Ergo: Alle formal-körperliche Übung ist zweitrangig. (S. 46, https://web.archive.org/web/20…utra_McRaeTranslation.pdf)


    So übersetzt man, wenn man Chinese ist oder Chinesisch nicht nur an der Volkshochschule lernte (siehe Yampolsky, weitere Stellen wurden zitiert, siehe die Übersetzung des Chung Tai Translation Committee, siehe das Verständnis von "Practice of the Mind" (Übung des Geistes) bei Sheng Yen http://www.thezensite.com/ZenE…raoftheSixthPatriarch.htm )


    Morten Schlütter beantwortet in seinem Essay auch bels Frage, woher die von ihm zitierte Tsung-pao (Zongbao)-Fassung stammt (nämlich nicht von der frühen Dunhuang-Fassung, die Yampolsky übersetzte, siehe Grafik S. 7 bzw. 385): http://www.thezensite.com/ZenE…ion_and_Enlightenment.pdf

    Zitat

    Aber aus den Zitaten, die hier angeführt werden, kann ich nicht sehen, dass er das Sitzen verdammt


    Ich werde die Zitate nicht wiederholen. Es geht - außer in einzelnen Sätzen (ich gehe davon aus, dass auch das Plattformsutra von unterschiedlichen Autoren stammt und darum allein schon widersprüchlich sein muss) - nicht ums Verdammen, sondern um ein gehöriges Relativieren. Wenn du das nicht sehen kannst, dann zitiere ich nun einen Buddhologen, Steven Heine, und greife damit auch die vielleicht ein bisschen verwirrende Bemerkung von void zum Streit zwischen Soto und Rinzai auf:


    "Rinzai-Vertreter übten eine Kritik, die schon Dahui gegen das Zen des stillen Erwachens ("silent illumination) vorgebracht hatte, wie es von Hongzi, Zhenxie Qingliao (1088-1151) und anderen führenden Vertretern der Caodong-Linie in China verbreitet wurde: Der "Soto"-Ansatz sei quietistisch und würde nur zur Geistesruhe führen, nicht zum Erwachen. Shikantaza habe den Beigeschmack dessen, was Huineng als "Polieren des Spiegels" beschrieben und als allmähliches Erwachen (zengo) abgelehnt habe." (Steven Heine in "Dogen and Zen", S. 25).


    Man kann natürlich feststellen, dass der Vorwurf des "allmählichen Erwachens" dann auch von Soto-Leuten dem Rinzai gemacht wurde (hashigo zen). Was aber nichts daran ändert, dass Huineng deutliche Worte gegen die Stillsitzer fand. Warum? Weil im Stillsitzen keine Anwendung des Erwachens stattfindet (so wie Dogen es sah). Huinengs Ansatz ist also pragmatischer und auf ein möglichst unmittelbares "Zurückkehren auf den Marktplatz" gerichtet. Eine Zuflucht im Zazen zu suchen scheint bei ihm unnötig (wenn auch nicht unmöglich) zu sein.


    Was auch immer man von dem Schulstreit hält (und natürlich werden Soto-Anhänger nun sagen, dass es nicht um allmähliches Erwachen ginge), so wird an den Übersetzungen des Plattformsutras ersichtlich, dass Huineng gegen das quietistische Sitzen eingestellt war und eben Buddhismus in erster Linie als "Geistesübung" verstand. Wenn er irgendetwas "verdammen" würde, müsste er ja anhaften. Aber er hat davor gewarnt in dem Sinne, dass er nicht glaubt, dass man durch das stille Sitzen dem Erwachen näher kommt. Dies bestätigt sich hier desöfteren (abgesehen von der üblichen Dynamik, die das nimmt, wenn bel sich darüber mit mir streiten will). Schau einfach, wie sehr sich Soto- und Dogen-Anhänger allein gegen die Vorstellung wehren, es gäbe ein Erwachen oder eine Zielvorstellung (bei Dogen: mushotoku, nichts zu erlangen). Die ist aber bei Hui-neng eindeutig vorhanden. Das Ziel ist das Versiegen der (anhaftenden) Gedanken. Oder anders: Das Ziel ist das plötzliche Erwachen. Und obwohl Hui-neng wenig konkrete Handlungsanweisungen hinterlassen hat, sind diese darauf gerichtet, nicht etwa das Erwachen im Zazen zu symbolisieren (siehe Dogen, shusho itto, Praxis und Verwirklichung sind eins, wobei unter Praxis aber eben zuerst zazen verstanden wird), sondern es sogleich im nicht-rituellen Alltag anzuwenden (d. h. Praxis und Verwirklichung sind eins, aber ohne dass darunter zuerst zazen verstanden wird). Letztlich zeigt sich das hier bei den Soto-Anhängern auch immer wieder, wenn sie dann auf Formen usf. rekurrieren. Das krampfhafte Festhalten an der Vorstellung, Dogen habe Huineng begriffen, zeigt mir nur, wie sehr sie in der Soto-Vorstellungswelt gefangen sind.


    Ob sich nun das Missverständnis Dogens, der ja auch einige der Sutren, die Huineng schätzte, ablehnte, und das Laientum kleinredete, darauf gründet, dass er das Plattformsutra überhaupt nicht vorliegen hatte oder nur eine krude Form (oder eben eine, die nicht Basis unserer Kenntnis ist), kann ich nicht sagen. Jedenfalls ist ihm die Anbindung an Huineng ebenso wichtig wie seinen Nachfolgern, da sie ja an einer ungebrochenen Zen-Übertragungslinie festhalten wollen.


    Was also den "Meditationsplan" als Thema dieses Threades angeht, so würde Huineng in meinen Augen raten: Egal, wo du bist, bringe deine Gedanken zur Ruhe und tue dann, was zu tun ist. Eines anderen Planes bedarf es nicht. Also nicht: Ich suche mir ein Dojo, wo ich dann und dann "praktiziere". Das Praktizieren geschieht unmittelbar im Alltag. Huineng ordinierte auch erst nach seinem Erwachen. Die ganze Symbolik um seine Legende und die des Plattformsutras steht für etwas anderes als Dogens Sotozen. Niemand, der sich auf Huineng beruft, kann das Laientum kleinreden oder bestimmte Sutren, die Huineng geschätzt haben soll. Dogen hat einfach Huineng schlechter verstanden als wir, so wie die Palikanonschreiber nicht verstanden haben, dass man Pferdefleisch so gut wie Hühnchenfleisch essen kann und Schmerzen sich nicht auf die gleiche Art zum Versiegen bringen lassen wie Ärger, Wut, Eifersucht und Liebestollheit.


    Was heißt es nun, wenn man eher Zen nach Dogen oder eher nach Huineng macht? b. geht in ein Kloster (das ich freilich auch für wichtig halte), um Zen zu üben. Ich gehe einfach unter Leute, die nichts davon wissen. b. zieht sich ein kesa an, ich ein T-Shirt mit einem C (für Camel) drauf. Wenn mich jemand fragt, was Buddhismus ist, dann sage ich: "Die Übung des Geistes." Wenn b. jemand fragt, was Buddhismus ist, dann sagt er: "Der Geist der Übung" (siehe oben).


    Eine Nicht-Buddhist oder Philologe würde vielleicht kommentieren: Sieh da, es hängt alles am Genitiv.

    Jojo:

    Zitat

    Und du brauchst sie nicht.


    Es wäre auch wichtig zu verstehen, dass es in dieser Diskussion, die sofort wieder (also wie schon oft) auswucherte, als ich auf Hui-neng hinwies, gar nicht darum ging, was ich brauche oder nicht. Sondern darum, den Unterschied zwischen Ansichten im Chan und bei Dogen bzw. im Sotozen zu verdeutlichen.


    Zitat

    Geh in ein beliebiges Zendo und du siehst, dass die Leute nicht richtig sitzen (können) (mich eingeschlossen). Der Körper ist nicht im Gleichgewicht, kann sich nicht entspannt und frei aufrichten.


    Geh zu einem beliebigen Orthopäden, zeig ihm ein Video dieser Sitzenden, und er wird dir sagen, dass sie auch nicht richtig sitzen können. Denn der Lotussitz ist nicht gut für die Knie. Vor allem ist es der volle nicht, bei dem dieses "Gleichgewicht" erst annähernd erreicht würde.


    ich sehe hier nur, dass du auch schon von dieser Vorstellungswelt beeinflusst bist (Ausführungen dieser Art zu Muskelverspannungen etc. sind doch deutlich vom späteren japanischen Zen beeinflusst). Der Körper begibt sich nämlich nach meiner Beobachtung weltweit, wo die Leute sich hinsetzen, bevorzugt in eine entspannte Haltung (bei den Japanern aber z.B. nicht unbedingt, also im Lande Dogens), und die ist eben nicht kerzengerade aufgerichtet, jedenfalls nicht auf die Dauer. Vielmehr verändert sich die Position. Für alle, die das nicht üben, besteht sie auch nicht aus dem vollen Lotussitz. Aus diesem Grund kann einer auch länger im Sessel sitzen als im Zazen.


    Ich danke Dir für Deine ausführliche Beschreibung. Denke jedoch, dass du einem Irrtum aufsitzt, was andere Übende angeht. Auch die Leute, die seit 30 Jahren Zazen machen, erleben dabei körperliche Pein. Selbst die ernannten Meister oder "Erwachten". Die lässt nur nach, weil sie sich eben an diese Form der Haltung gewöhnen und gleichzeitig ihre Duldsamkeit erhöhen. Der Leiter von Eisenbuch musste sich, wie man mir vor Jahren sagte, einer Knieoperation unterziehen. Wie krummbuckelig der uralte Abt des Eiheiji aussah, habe ich ja schon mal schmunzelnd kommentiert.


    Natürlich kenne ich diese Augenblicke, wo der "Sitzschmerz" völlig überraschend mittendrin abfällt. Das ist in der Tat erstaunlich. Aber - und das hätte man sich als Buddhist ja denken können - vergänglich, also vorübergehend. Ich vermute mal, dass hier etwas ähnliches passiert wie im Schock oder wenn man bloß zwei Schmerzquellen gleichzeitig hat - plötzlich ist der eine Schmerz irrelevant geworden, man nimmt ihn nicht mehr wahr.


    Den Unterschied zwischen "Körper durcharbeiten" und "Betrachten des Geistes" kann ich so nicht unterschreiben. Wenn ich Schmerzen beim Zazen habe, tauchen die doch auch im Geiste auf, ansonsten gibt es auch nichts durchzuarbeiten. Was auftaucht, ist Abneigung und Fliehenwollen. Beschwerde. Fluch. Verdammung. Solcherlei Gedanken. Die sind also von anderer, seelischer Pein, gar nicht so verschieden, es sind konkrete Gedanken und Gefühle, an die sich Wut, Ablehnung, Hass binden können und eine Gedankenkette in Gang setzen. Selbst ohne körperliche Schmerzen werden solche Gedanken auftauchen und können betrachtet werden. Man ist halt anfangs mehr mit den durch die Unbequemlichkeit ausgelösten Gedanken beschäftigt. Nach meiner Erfahrung erlebt man später, dass sich die Ursachen unterscheiden, die Gedankenfolge aber recht gleich ist.


    Aus diesem Grund halte ich es auch nicht mehr für nötig, sich in irgendwelche künstlichen Szenarien zu begeben. Wenn jemand meint, er würde in 20, 30 Jahren mit Rückenschmerzen für seine Haltung bestraft, dann kann er an dieser Haltung prophylaktisch arbeiten, braucht aber noch kein Zazen. Wenn er es nicht tut, wird er sich erst dann mit den Schmerzen auseinandersetzen, wenn sie real sind und nicht nur eingebildet. Wer sich deshalb in Zazen setzt, schafft also physische Pein, wo gar keine sein müsste, und behauptet, sie würde prophylaktisch anderer Pein vorbeugen. Dann ist Zazen tatsächlich ein "um ... zu", eine Art Physiotherapie. Die aber sicher zu den schlechteren gehört, weil sie an anderer Stelle den Körper wie gesagt auch belastet.


    Zitat

    der Sex (ich erwähne das, weil es dir so wichtig ist) wird auch deutlich besser


    Ich mache Sex meist im Liegen. Aber dass er mir "so" wichtig ist, das ist, wie ich schon nibbuti sagte, ein Irrtum. Ich habe in meinem Leben weniger Sex gehabt als der Durchschnittsbürger (wenn ich die Studien dazu zugrunde lege, also ca. 120 mal im Erwachsenenalter pro Jahr). Es ist mir allerdings wichtig, seltsame Vermeidungsstrategien in dieser Hinsicht zu entlarven. Meine These ist, dass ohne einen entspannten Umgang mit der Sexualität auch keine Befreiung - und damit kein Nirwana - erfahrbar ist. Darum ist das Thema als Fingerzeig immer wieder dankbar.


    Zitat

    Die eigentliche Zenübung in deinem Sinne, also das Betrachten des Geistes, kommt erst, wenn der Körper im Wesentlichen durchgearbeitet ("durchschaut, durchfühlt") ist.


    Dieser Satz bietet mir die Gelegenheit, mein Verständnis oder meine Erfahrung zusammenzufassen. Zazen ist eine gute Sache. Meditation an sich ist empfehlenswert. Aber ich glaube fest, dass unser Körper uns wesentlich beschränkt und bestimmt, inclusive natürlich unseres Gehirns. Wir können da machen, was wir wollen, es wird der Körper sein, der unser Leben beendet, nicht der Geist. Deshalb ist das Betrachten des Geistes - abgesehen davon, dass es eine Hirnübung ist - nicht wesentlich von einer Körperübung abhängig. Aber genau wie Kampfkunstarten u.ä. kann die Körperübung eine Form sein, in der man die Geistesübung praktiziert. Kann, muss aber nicht. Alles, was der Geist macht, macht er in diesem Körper, solange dieser ihm kein Ende setzt. Und er macht dies auch, wenn ich mich auf den Kopf stelle oder die Füße ausstrecke.


    Was Huineng also lehrte, ist für mich, dass es keines "formalisierten Körpers" bedarf, diesen Geist zu üben. Wenn der Körper bei Huineng eine Rolle spielt, dann als im Alltag "tätiger" Geist, also indem er das umsetzt, was der Geist erkannt hat oder was ein Loslassen der anhaftenden Gedanken widerspiegelt.

    jojo:

    Zitat

    Das Sitzen ist keine Ausdrucksform, sondern eine Übungsform.


    So. Was übst du denn dabei? Sitzen?


    Und Vorsicht. Ein anderer versuchte es hier mit "Ausübung" und wusste dann auch nix mehr zu sagen.


    Zitat

    Drama, Baby, Drama!


    Ich werd dich dran erinnern, wenn sich wieder mal jemand darüber beschwert, dass hier zu viel Englisch steht.

    Forenregeln:

    Zitat

    Kopierte Texte sind bitte mit Quellenangabe zu vermerken.


    bel:

    Zitat

    Das ist da als Konjunktiv formuliert, nicht als Imperativ.


    Das zeigt, wie viel du von der Philologie und Grammatik verstehst. Partikel "bitte" ist kein Konjunktiv.


    Und was akademische Arbeit angeht, weiß ich nicht, wie weit du es in deinem Fach gebracht hast, aber zur Quellenangabe gehört mehr.

    Du hast hier kürzlich behauptet, ich ginge dich nichts an. Auch da widersprichst du dir. Die Forenregeln hinsichtlich der Übersetzung und Quellenangabe sind für alle da, nicht nur für diamant. Auch aus der Nummer lass ich dich nicht raus. Du weißt überhaupt nix. Weder, was ich kenne, noch, was ich kann. Wenn du wirklich übersetzen könntest aus dem Chinesischen, würdest du deine Plattformsutra-Übersetzung mal der Öffentlichkeit vorstellen. Ich schätze, Buddhagosas, obwohl gar nicht aus dem Zen, würde da wesentlich mehr her machen.


    Zitat

    Ich erwarte einfach zu viel von dir. Nämlich, dass du die wichtigsten Quellen wirklich kennst bzw wiedererkennst.


    Ich weiß, auch da hab ich dich letztlicht ent-täuscht. Eine Fassung zu zitieren, die nach Dogens Tod entstand, um dessen Verständnis des Plattformsutras zu rechtfertigen - darauf muss man erst mal kommen.