Beiträge von Sudhana im Thema „Abwertung der Theravada Schule“

    accinca:

    Wenn es keine signifikanten Unterschiede gibt die man
    benennen könnte, braucht man sich über das Interesse
    anderer keine Sorgen machen.


    Zu Deiner Beruhigung: Sorgen mache ich mir über Dein Interesse an Antworten auf Deine Fragen gewiss nicht. Ansonsten ist diesem Selbstzeugnis, das Du Deinem Textverständnis ausstellst, nichts weiter hinzuzufügen.


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    Diese Aussage:

    accinca:

    nur Unterschiede in der Übersetzung.


    scheint mir mit dieser:

    accinca:

    wollte ich gar nicht wissen


    in einem gewissen Zusammenhang zu stehen. Anders gesagt: wer wirklich wissen will, auf welcher Grundlage da argumentiert wird und die Argumente wenigstens zur Kenntnis nimmt (was nicht notwendig bedeuten muss, ihnen auch zu folgen), wird wohl kaum zur eingangs zitierten Aussage kommen. Dazu braucht es schon tapferes Ignorieren ... Was wiederum den Schluss nahelegt, dass diese Frage

    accinca:

    Und wo soll da nun ein relevanter Unterschied zu den Lehrreden des PK sein?

    nicht durch Interesse an einer Antwort motiviert ist.


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    Möglicherweise liegt das Verständigungsproblem bei dem Begriff "Urtext". Streng genommen ist da lediglich eine hypothetische gemeinsame Vorlage der erhaltenen Textvarianten rekonstriert - ob die nun tatsächlich der Urtext ist oder lediglich eine frühere Entwicklungsstufe des Textes (die also irgendwo zwischen Urtext und den erhaltenen Varianten steht), ist eine andere Frage.


    Hoffe, das hilft ...


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    Morpho:

    Für so Interessierte empfiehlt sich vielleicht auch: "The Storm over critical Buddhism(Pruning the Bodhi Thee)"


    Mir erschließt sich nicht ganz inwiefern für "so Interessierte" bzw. was 'kritischer Buddhismus' mit dem Thema ontopic zu tun hat. Hier jedenfalls eine Rezension des Buchs.


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    pamokkha:
    Sudhana:

    ... @pamokkha ... findet sich so nach meiner Erinnerung auch nicht bei Analayo, von dem Du wohl Deine Information hast...


    Ich habe hier http://www.buddhaland.de/viewt…&t=16259&start=30#p343217 doch deutlich gemacht, dass ich mich auf Whence Theravada? von Todd LeRoy Perreira beziehe.


    Entschuldigung, das stimmt natürlich - Deine Quellenangabe war mir leider entfallen, als ich das schrieb. 'Whence Theravada' kenne ich nicht (wohl deswegen), hingegen Analayos Artikel 'The Hinayana Fallacy' im Journal of the Oxford Centre for Buddhist Studies, 6/2014. Tatsächlich bezieht sich Analayo dort auch auf Perreira (a.a.O. S. 500) und zitiert ihn in einer Fußnote:

    Zitat

    it was in Chicago at the 1893 World’s Parliament of Religions when the terms by which we study Buddhism took a decisive turn. From this time forward, the terms Mahāyāna and Hīnayāna are in ascendance, and will gradually eclipse ‘Northern Buddhism’ and ‘Southern Buddhism’ as the main categories by which Buddhism was to be organized in scholarly and popular discourse.


    Was ich, wie schon angemerkt, für eine Fehlbewertung (um nicht zu sagen Falschdarstellung) halte, da "the terms Mahāyāna and Hīnayāna" zu diesem Zeitpunkt bereits seit Jahrzehnten eingeführte Kategorien waren - ich hatte Rémusat genannt und als exemplarischen Beleg auf einen zeitgenössischen Text des damals wohl renommiertesten Indologen F. Max Müller verwiesen. Das Perreira-Zitat hat ein wenig den Anstrich von Verschwörungstheorie. Mit zunehmendem Wissen um die Entwicklungsgeschichte des Buddhismus und speziell die untergegangenen Hinayana-Schulen in Nordindien, Kaschmir und Zentralasien waren die Kategorien "nördlicher Buddhismus" und "südlicher Buddhismus" unsinnig geworden - und aus eben diesem Grund erleben sie in der Religionswissenschaft auch keine Wiederauferstehung. Dass Hinayana als Kategoriebegriff (weil begriffsgeschichtlich ursprünglich ein polemischer Kampfbegriff) keine sonderlich glückliche (oder angemessene) Wahl war und ist, räume ich gerne ein.


    Analayo zitiert in einer weiteren Fußnote Judith Snodgrass (Presenting Japanese Buddhism to the West; Orientalism, Occidentalism and the Columbian Exposition, Chapel Hill: University of North Carolina Press 2003) mit einer Passage, die die Motivation der japanischen Delegation mE nachvollziehbar beschreibt (was nicht bedeutet, dass ich sie auch gut heiße):

    Zitat

    up to the time of the Parliament in 1893 almost nothing was known about Japanese Buddhism beyond the general assumption that as a form of Mahayana it was necessarily a later and therefore aberrant form of the original teachings of the historical Buddha. [...] the task ... the delegates faced ... was to relate Japanese Buddhism to the Western construct that privileged the Theravada of the Pali texts. They needed to show that Japanese Buddhism encompassed all of the truth of the Theravada – that is, all those aspects of Buddhism which had attracted contemporary Western approval – but that Theravada, Southern Buddhism, was no more than a provisional and introductory expression of the Buddha’s teachings.


    Ich denke, das war lediglich eine Neuauflage alter karmischer Verstrickungen - die Abwertungen als "minderwertiges Fahrzeug" einerseits und als "Entartung und degenerative Verfälschung der reinen Lehre" andererseits stehen in einem wechselseitigen Bedingungszusammenhang. Was auch heisst - womit ich für mich ein Fazit dieser speziellen Diskussion ziehen will - dass man nicht das Eine ohne das Andere haben kann. Die Frage, wer da nun angefangen hat, halte ich hingegen für ziemlich infantil ...


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    Morpho:

    'Die Weise'-
    Lehre der Lehre-, is nicht aus Schrifttum zu ziehen. Sagte ja auch Buddhadasa: "Buddhas Dhamma findet sich nicht in Büchern. Wenn du wirklich sehen willst, worüber der Buddha sprach, brauchst du dich nicht um Bücher zu kümmern..."
    Wozu also geisteswissenschaftliche Methodik Sudhana, nur noch mehr Texte, noch mehr Analysen, noch mehr Kritiken als eh schon.


    a) zu Büchern: ohne Bücher gäbe es dieses Forum hier nicht, weil die allerwenigsten Teilnehmer hier die Chance gehabt hätten, in ihrem Leben jemals dem Buddhadharma zu begegnen. Möglicherweise nicht einmal Buddhadhasa selbst. Hältst Du Dich da für eine Ausnahme?
    b) zu Analyse und Kritik: das ist Teil der Bemühung um Rechte Sicht. Prüfung, nicht blinder Glaube.
    c) "nicht aus Schrifttum zu ziehen": kyōge betsuden ist eine einseitige, dualistische Sichtweise, auch wenn es so schön bilderstürmerisch und 'zennig' daherkommt. Zen und die Schriften sind in Harmonie, kyōzen itchi.


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    verrückter-narr:


    Ergänzend sei hinzugefügt, dass das "小" in 小乘 (xiǎoshèng / shōjō, die seit Kumarajiva übliche Übersetzung des Begriffs Hinayana) eine deutlich weniger pejorative Bedeutung hat wenn auch nicht ganz ohne solche Konnotationen ist (konkret 'schwach' oder 'unbedeutend', aber auch 'jung'). Hauptbedeutung ist jedenfalls 'klein'.

    verrückter-narr:

    Franz-Johannes Litsch: Warum der Palikanon nicht nach Tibet kam...
    http://www.buddhanetz.org/aktuell/indische_Schulen.pdf


    Das war der erste Teil einer zweiteiligen Artikelserie, der zweite Teil findet sich hier:
    http://www.buddhanetz.org/aktuell/hinayana_theravada.pdf
    Die Artikel (vor allem der zweite) sind nicht ganz frei von (allerdings nicht gravierenden) sachlichen Ungenauigkeiten und leider auch nicht von polemischen Untertönen, weswegen die damalige BA-Redaktion die Artikel lediglich auf Insistieren des DBU-Rates veröffentlichte (man beachte die redaktionelle Distanzierung beim ersten Artikel). Der Redaktion erschienen die Artikel eher Konfliktpotenzial zu befördern als zu bereinigen während der Rat Voltaires Devise folgte ("Ich mag verdammen, was du sagst, aber ich werde mein Leben dafür einsetzen, dass du es sagen darfst" - und ja, ich weiss dass das nicht wirklich von Voltaire ist).


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    Ich halte es für müßig, mich weiter zur Ausgangsfrage zu äußern. Ich denke, wer der Diskussion aufmerksam gefolgt ist, kann problemlos ein Fazit ziehen, wie es mit der "Abwertung" hermeneutischer Ansatze, die sich vom eigenen unterscheiden, hier bei den Diskussionsteilnehmern aussieht. Auch und gerade inwiefern die "Theravada-Schule" davon eher vor- oder nachrangig betroffen ist. So oder so - ein Lehrstück, wenn auch kein schönes.


    Trotzdem noch einige sachliche Anmerkungen. @pamokkha wegen seiner Nachfrage bzgl Abhidhamma und buddhavacana: 1. 'buddhavacana' war von mir wörtlich gemeint, also im Sinn von Gautama Buddha persönlich vorgetragen und im Palikanon wörtlich zitiert. 2. Die "beinharten Theravadin" von denen ich geschrieben habe, sind westlicher Herkunft - es sind Menschen, mit denen ich mich darüber austauschen konnte. Die meisten von ihnen bestehen auf einer Authentizität des Suttapitaka im o.g. Sinn, dass es sich also durchgehend um wortgetreu überlieferte Aussagen Gautama Buddhas handelt, so weit sie ihm dort zugeschrieben werden. Das macht für mich im wesentlichen das "beinhart" aus. Dass einer von ihnen das gleiche für den Abhidhammapitaka behauptet oder auch nur bestreitet, dass dessen Texte erst nach Buddhas Parinirvana entstanden ist, ist mir allerdings noch nicht passiert.


    Dass es auch andere Interpretationen des Begriffs 'buddhavacana' gibt, ist mir selbstverständlich bekannt - nicht zuletzt beruht ja die Klassifizierung von diversen, lange nach Gautama Buddhas Parinirvana entstandenen Mahayana-Texten als 'Sutren' genau darauf. Auch ist mir bekannt, dass es sicherlich (und vor allem in Südostasien) "beinharte Theravadin" gibt, die schlicht und völlig unreflektiert schriftgläubig sind und für die der Tipitaka in seiner Gesamtheit buddhavacana im engsten Sinn ist. Was sie dann in aller Regel auch der Mühe enthebt, die Schriften ernsthaft zu studieren und daher den Diskurs mit ihnen ziemlich sinnlos macht. Es gibt zwar eine schöne und lesenswerte Anleitung dazu - aber man kann seine Zeit auch nützlicher vergeuden.


    Ich habe aus dieser Diskussion vor allem etwas grundsätzliches über die Rezeption des Buddhadharma im Westen gelernt. Zum einen hinsichtlich der Frage, ob der Buddhadharma als eine Religion im Sinne eines Glaubenssystems anzusehen ist. In den Ursprungsländern ist diese Frage wohl kaum einer Diskussion wert; ich habe mich jedoch lange der Illusion hingegeben, im Westen könne eine Erneuerung stattfinden, eine Reduktion auf das Wesentliche - nämlich eine praktische Philosophie. Insbesondere habe ich da im Rahmen der Inkulturation auf eine Verschmelzung mit der westlichen Aufklärungstradition, mit der entwickelten geisteswissenschaftlichen Methodik (nicht zuletzt dem historisch-kritischen Umgang mit überlieferten Texten) gerechnet. Offensichtlich waren meine Erwartungen in dieser Hinsicht überzogen. Nun ist diese Einsicht sicherlich nicht durch diese spezielle Diskussion hier ausgelöst, sie hat mich lediglich auf einen bislang von mir übersehenen Aspekt aufmerksam gemacht - nämlich darauf, wie sehr der westliche, durch die monotheistischen Religionen geprägte Religionsbegriff die westliche Wahrnehmung unterschiedlicher buddhistischer hermeneutischer Traditionen formt. Es scheint unvermeidlich zu sein, dass diese unter Rastern wahrgenommen werden, die durch Begriffe wie 'Sekten' oder 'Abspaltungen' geprägt sind - hinter denen nichts anderes steht als der den monotheistischen Religionen gemeinsame Begriff der 'wahren Lehre', in deren Besitz eine definierte Gemeinschaft ist, während die außerhalb dieser Gemeinschaft Stehenden als Häretiker, Spalter, Abweichler usw. wahrgenommen werden. Die Rezeption des Buddhadharma unter solchen, durch eine lange Geschichte westlicher religiöser Intoleranz geprägten religiösen Paradigmen, scheint mir die eigentliche Wunde zu sein, auf die Ansätze wie der säkulare Buddhismus den Finger legen. Ob der säkulare Buddhismus die Lösung oder nur eine Verkomplizierung des Problems ist, ist allerdings eine andere Frage.


    Hinsichtlich 'Sekten' (oder 'Schulen') bzw. der Formation des Mahayana sind die Berichte insbesondere der chinesischen Pilger des 7. Jahrhunderts Xuanzang und Yijing von Interesse, die darauf hindeuten, dass es in Zentralasien und Nordindien hinsichtlich Hinayana und Mahayana keine unabhängig voneinander existierenden Gemeinschaften gab, dass beides neben- und miteinander existierte. Das Mahayana hatte ja einen jahrhundertelangen Formationsprozess, in dem unterschiedliche Gedanken und exegetische Traditionen zusammenflossen - Prajnaparamita, Tathagathagarbha, Ekayana usw. usf. Diese Traditionen entstanden nach meinem Eindruck nicht nur auf dem Boden der alten 'Schulen', sie entstanden in ihnen, in Ordensgemeinschaften, die einen gemeinsamen Vinaya hatten und in denen es keinen verordneten Dogmatismus und keine Denkverbote, sondern eine offene Diskussionskultur gab. Bezeichnend ist hier die bei der Hinayana-Schule der Mahasanghika nachgewiesene Aufnahme von Prajnaparamita-Sutren in deren Sutrapitaka oder das Aufgreifen von Lehren der Lokottaravadin im Pseudo-Doketismus des Lotossutra. David Kalupahana vertritt (mE nachvollziehbar) die These, Nagarjunas MMK seien ganz wesentlich eine Kritik aus der Sthaviriya-Tradition an substantialistischen Tendenzen im Sarvastivada-Abhidharma - also in diesem Sinn gar kein 'mahayanisches' Werk. Noch in der Klosterlandschaft Chinas residierten Mönche der unterschiedlichsten 'Richtungen' in denselben Viharas, folgten demselben Vinaya, unterstanden demselben Abt - die Aufspaltung in organisatorisch und institutionell getrennte 'Sekten' ist hingegen erst eine typisch japanische Entwicklung - eine, die abendländischen Wahrnehmungsmustern (denen, die ich oben umrissen habe) entgegen kam.


    Als Einschub noch eine Anmerkung @pamokkha: das macht auch das Bestreben der japanischen Delegation am Weltparlament der Religionen 1893 (der übrigens außer Shaku Sōen und Suzuki Teitarō auch Repräsentanten angehörten, die nicht dem Zen zuzurechnen sind) verständlich, sich von den südostasiatischen Buddhisten, die bislang dank der Theosophen in den Augen des Westens nahezu exklusiv den Buddhismus repräsentiert hatten, abzugrenzen. Dass man da auf die Bezeichnungen 'Hinayana' und 'Mahayana' zurückgriff, hatte - wie Du zu unterstellen scheinst - nicht notwendig herabsetzende Absicht. Das findet sich so nach meiner Erinnerung auch nicht bei Analayo, von dem Du wohl Deine Information hast. Man griff damit auf Kategorien zurück, die bereits Abel Rémusat in die Religionswissenschaft eingeführt hatte - bereits etwa ein Jahrhundert vor dem 'Weltparlament'. Entsprechend sah auch z.B. F. Max Müller 1894 in der Einführung zu seinen (anders als seine Editionen für ein breites Publikum gedachten) Übersetzungen von Diamant- und Herzsutra keinerlei Notwendigkeit, die Begriffe Hinayana und Mahayana näher zu erläutern, was bei einem neu eingeführten Begriff selbstverständlich gewesen wäre.


    Was nun die Genese des Palikanon (die zweifellos in engem Zusammenhang mit der Genese der Theravada-Gruppe steht) angeht, so gibt es da zwei grundsätzlich verschiedene und anscheinend unvereinbare Positionen: die religiös-gläubige und die philologisch-religionswissenschaftliche. Eben wegen der Unvereinbarkeit ist es offensichlich auch sinnlos, da eine Diskussion zu führen. Zur Verdeutlichung letzterer (im wissenschaftlichen Bereich völlig unumstrittener) Position lediglich ein kurzes Zitat:


    Zitat

    Modern scholarship has established that the canons of the various schools developed gradually by a process of winnowing the oral traditions, and that therefore, neither the Pali canon nor any other canon should be regarded as the original canon. If there was an original canon, its outlines must be sought behind all the existing canons.“
    (George D. Bond, The Word of the Buddha: The Tipiṭaka and its Interpretation in Theravada Buddhism. Colombo, Sri Lanka : M.D. Gunasena & Co., 1982)


    Dieser Aufgabe widmet sich (neben vielen Anderen) z.B. Analayo mit seinen vergleichenden Untersuchungen der Nikayas und Agamas. Solche Untersuchungen führen nach meinem Dafürhalten punktuell zu durchaus interessanten Ergebnissen, insbesondere hinsichtlich einer relativen Stratigraphie einzelner Überlieferungsstränge. Ob solche "outlines" ("Umrisse", deren Aufsuchen noch ziemlich am Anfang steht) dann irgendwann einmal tatsächlich hinreichend sind, einen authentischen Frühbuddhismus (was immer noch kein "Originalbuddhismus" ist) zu rekonstruieren, bleibt abzuwarten. Wie weit dieser dann auch eine praktische Relevanz hat, ist noch einmal eine ganz andere Frage.


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    pamokkha:

    Es ist auch mehr ein abwertendes Reden über den Buddha selber. Spontan fallen mir das Vimalakirti-sutra und das Lotos-sutra ein. Der Buddha hat Sariputta/Sariputra als den General der Lehre ausgerufen, der nur dem Buddha an Weisheit nachsteht. In den obigen Mahayana-sutra wird er aber eher als ein armer Hanswurst charakterisiert. Diese Kritik an Sariputta als Repräsentant des Hinayana in den Augen des Mahayana, ist natürlich eine Kritik an der historischen Lehre des Buddha.


    Ob diese Charakterisierung der in Mahāyāna-Sutren geäußerten Kritik an Śāripūtra ("armer Hanswurst") zutreffend ist, ist eine Sache - ich zumindest sehe das nicht so. Eine ganz andere Sache ist es, ob eine Kritik an Śāripūtra schon "abwertendes Reden über den Buddha selber" ist, weil dieser der von Buddha eingesetzte Dhammasenāpati (Dharma-General) gewesen sein soll. Letzteres erinnert mich an gewisse Fundamentalisten, für die eine Kritik am Papst Häresie und Gotteslästerung ist, weil dieser schließlich von Jesus als Stellvertreter Gottes auf Erden eingesetzt sei. SCNR.


    De facto geht es natürlich nicht um eine Kritik an Buddhas Lehre, sondern um Kritik an einer speziellen Auslegung der Lehre - eine Abhidharma-Richtung, die speziell mit Śāripūtra in Verbindung gebracht wurde. Zur Erinnerung - nicht einmal beinharte Theravadin behaupten, der Abhidhamma sei buddhavacana ('Wort Buddhas'). Śāripūtra gilt als einer der Begründer des Abhidharma, was allerdings in der Theravada-Schule nach meinem Eindruck eher ein Lippenbekenntnis ist, da deren Abhidhamma keine Werke Śāripūtras (oder ihm zugeschriebene) enthält - insbesondere nicht das Śāripūtrābhidharmaśāstra, das lediglich in einer chinesischen Übersetzung aus dem Sanskrit (She li fo e pi tan lun, T.1548) erhalten ist. Dieser Text war zentral in den Abhidharmas verschiedener Schulen, die der Sthaviriya-Linie zuzurechnen sind, insbesondere dem der Dharmaguptaka (die neben Śāripūtra auch Maudgalyāyana (Pali: Moggallāna) als Begründer ihrer Abhidharma-Tradition benannten) und (Kumārajīva zufolge) auch der Vātsīputrīya. Ergänzend sei noch Mahākātyāyana (Pali: Mahākaccāna) als einer der (legendären) Begründer abhidharmischer Traditionslinien genannt. Mit Theravada hat das alles lediglich insofern etwas zu tun, als die genannten Abhidharma-Traditionen zu Schulen der Sthaviriya-Linie gehören und (fundamentalistische) Theravadin glauben, sie selbst seien die ursprünglichen und 'echten' Sthavira - und alle anderen seither entstandenen Auslegungstraditionen des Buddhadharma (und da gibt es etliche allein schon an nichtmahayanischen) Abweichler, Häretiker und Ketzer. Das wiederum könnte man ebenfalls als eine "Abwertung" anderer Schulen auffassen. Wie sich die Theravadin nun tatsächlich aus den Sthavira entwickelten, ist wissenschaftlich - also jenseits der Legendenbildung - nicht geklärt.


    Das ist natürlich auch der Hauptgrund dafür, dass viele Theravadin meinen, die historische mahayanische Kritik am 'Hinayana' sei gegen sie gerichtet - während die, die diese Kritik formuliert hatten, wohl in den seltensten Fällen jemals Kontakt mit Theravadin hatten. Dafür mit Vertretern der bereits genannten Sthaviriya-Schulen sowie einigen mehr, insbesondere den Sarvāstivādin. Deren Abhidharma wiederum von Vasubandhu in einem Kompendium namens Abhidharmakośabhāṣyam zusammengefasst und systematisiert wurde, das in Ostasien und auch Tibet zur Hauptquelle des Abhidharma-Studiums wurde. Auf dieser Grundlage entwickelte sich in China eine eigenständige 'Hinayana'-Schule (nicht als einzige, aber wichtigste), als deren Begründer Xuanzang (der das Abhidharmakośabhāṣyam ins Chinesische übersetzte) galt und die dann auch als Kusha-shū nach Japan übertragen wurde. Das ist z.B. das 'Hinayana', auf das Dōgen sich vor allem bezieht. Auch im tibetischen Buddhismus scheint es mir so zu sein, dass die Hinayana-Sichtweise, die dort (so wurde mir gesagt) als untere Stufe der jeweiligen Lehrsysteme gilt, sich vor allem auf das Abhidharmakośabhāṣyam bezieht. Also auch hier: mit Theravada hat das zunächst einmal allenfalls sehr indirekt etwas zu tun.


    Disclaimer: wenn ich den Ausdruck 'Hinayana' benutze, dann als eingeführte Gattungsbezeichnung in der Indologie - also für eine Gruppe historischer (d.h. nicht mehr existenter) buddhistischer Schulen, als deren Gemeinsamkeit sich nicht viel mehr feststellen lässt, als dass sie nicht dem Mahāyāna zugeordnet werden können. Wobei auch diese Abgrenzung z.B. bei den späten Mahāsāṅghika (deren Kanon dann auch einen Bodhisattvapitaka enthielt) nicht eindeutig, sondern fließend ist.


    Ansonsten: "Abwertung" ist etwas anderes als Kritik. Aber wer seine persönlichen Auffassungen (oder die Lehren seiner Richtung) für über jede Kritik erhaben hält, der kann wohl nicht anders, als diesen gar nicht so feinen Unterschied zu übersehen ...


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