Beiträge von Sudhana im Thema „Säkularer Buddhismus“

    Doris Rasevic-Benz:

    So mancher machte schon den Fehler vom Anblick einer Hornspitze auf einen Ochsen zu schließen …


    Da liegt der Fehler wiederum einzig bei der Fantasie.


    ()

    Doris Rasevic-Benz:

    Und was hat das nun mit der Idee eines Säkularen Buddhismus nach Batchelor zu tun?


    Das hat vor allem insofern etwas damit zu tun, als Batchelor das:

    void:

    Im Dharma wird Samsara hin auf das Verlöschen des Ichs (Nirvana) transzediert.


    als 'soterologisches Programm' des Buddhismus bezeichnet, auf das er mit seinem 'säkularen Buddhismus' verzichten zu können glaubt. Das ist der wesentliche Aspekt (neben zwei weiteren) seines Säkularismusbegriffs. Die beiden anderen sind lediglich für seine Zielgruppe zusätzlich attraktive Attribute - das soll dann nämlich auch 'modern' und 'zeitgemäß' (er verweist da auf die Etymologie von 'säkular') sein und hierarchiefrei - genauer: von religiösen Hierarchien frei (wobei er auf den schon erwähnten Säkularismusbegriff des Theologen Cupitt zurückgreift). Für mich liegt die Vermutung nahe, dass Letzteres seine Erfahrungen als jemand, der sich in eine religiöse Hierarchie eingebunden glaubte, widerspiegelt. Dazu eine persönliche Anmerkung: Hierarchie ist wie Kopfschmerzen - etwas, das sich im Kopf abspielt. Immerhin hat Batchelor das (für ihn) Richtige gegen seine Kopfschmerzen unternommen - er hat die Robe ausgezogen. Wenn sonst nix hilft ...


    Das, was Batchelor als 'säkularen Buddhismus' glaubt zu entwerfen und zu entwickeln ist genau das, was Borup als kulturelles Narrativ beschreibt: das aktuelle westliche Pendant zu den traditionellen buddhistischen Volksreligionen, eine simple Inkulturation. Das existiert schon längst und entwickelt sich ohnehin, auch ohne dass jemand daran herumschraubt. Batchelor gibt den Propheten, aber dabei konstatiert er nur das faktisch Gegebene.


    De facto ist das, was er propagiert, ja nicht wirklich Säkularisierung, sondern Domestizierung. Die 'zeitgemäße', von einem soterologischen Anspruch 'befreite' Ideologie, für die er wirbt, hat den Dharma vor allem von seiner Subversivität 'befreit' und auf ein Instrument der Bedürfnisbefriedigung reduziert. Sie ist affirmativ bis auf die Knochen und fügt sich reibungslos in den Verblendungszusammenhang ein. Neu ist das nicht - nur das Narrativ ist 'zeitgemäß' und kulturkompatibel renoviert und aufgehübscht. Das ist ja auch nicht schlimm oder schlecht - nur als 'Buddhismus' ziemlich defizitär. So verstehe ich jedenfalls die Anmerkung von void.


    ()


    Die einzig richtige, wenn es sonst nur Gebüsch zu sehen gibt. Allemal besser, als sich Fantasien hinzugeben, was sich im Gebüsch verbirgt. Da übersieht man so ein Horn schnell ...


    ()

    Doris Rasevic-Benz:
    Tychiades:

    Zumal sie ja die "..." übersehen hat. Aber du verstehst mich. :)


    Na, hab i net.
    Zennies sind einfach phantasielos :roll:


    Allein an der Spitze des Horns
    das hinterm Gebüsch sich zeigt
    den ganzen Ochsen erkennen
    - da nützt nicht Phantasie
    nur ein scharfes Auge


    ()

    Doris Rasevic-Benz:

    Das Problem scheint mir darin zu liegen, dass die A-Skala noch nicht vereinheitlicht wurde. Es liegt noch kein A-Meter in Paris. Deshalb legt jeder seine selbstgebaute Messlatte an.


    Das ist überhaupt kein Problem - vorausgesetzt, man hat keinen blinden Fleck und sieht seine eigene Arschlochhaftigkeit so gut wie die der Anderen.


    ()

    Axel:

    Beim Christentum fallen mir da die Namen Don Cupitt, das von ihm inspirierte 'Sea of Faith'-Netzwerk und John Shelby Spong ein (Batchelor und Cupitt haben übrigens einen längeren Dialog geführt).


    Nicht nur das. Batchelor bezieht sich bei seiner Entwicklung des Begriffs 'secular' explizit auf Cupitts 'Turns of Phrase: Radical Theology from A-Z' - jedenfalls in seinem ebenfalls 2012 (im Jahr des oben verlinkten Dialogs) im Journal of Global Buddhism veröffentlichten Essay 'A Secular Buddhism', der eine schön kompakte (20 Seiten) Zusammenfassung von Batchelors Ideen gibt. Mehr braucht es mE da auch nicht.


    Da wir gerade beim JBG sind - Jørn Borups (der dem einen oder anderen hier vielleicht durch sein 'Japanese Rinzai Zen Buddhism' bekannt ist) letztes Jahr dort veröffentlichter Aufsatz 'Branding Buddha' scheint mir persönlich auf eine nüchternere (und tiefer greifende) Antwort auf die Fragen, die Batchelor in seinem Essay stellt:

    Stephen Batchelor:

    I intend show[sic!] what might happen when “Buddhism” or “dharma” is rigorously qualified by [...] the term “secular.” What, in other words, would a non-religious, this-worldly, secularised Buddhism look like? To what extent can we see this process of secularisation as being already underway? Can Buddhism — as it is traditionally understood — survive the process intact? Or are we witnessing the end of Buddhism, at least as we know it, and the beginning of something else?


    - zu verweisen, als Batchelor dies selbst tut. Auch, wenn Borup statt von 'secularisation' (mE treffender) von 'mediatization, entertainmentization, commodification and popularization' schreibt:

    Jørn Borup:

    Buddhism has been transformed from an intellectual capital and practice path for the elite to an easily approachable mindset for the masses in which consumerism, commodification and mediatization are part of the neo-liberal market where spirituality is for sale. [...]
    The aim of this article is to analyze such popularization, entertainmentization and mediatization of Buddhism not as deviant misunderstandings in a neo-liberal consumer market, but as cultural phenomena with their own rationale in a broader perspective. Rather than seeing ‘content’ (teaching, practice, institution) as the only prime mover, such developments are understood here as framing conditions and technologies in the overall transformation and adaptation processes of the religion.


    Sonst könnte man auch gleich über mappō lamentieren und als letzten Ausweg auf Amidas tariki hoffen ... 8)


    ()

    Entschuldigt, wenn ich mich mal kurz in Euren (durchaus interessanten) Dialog einmische.

    mukti:

    Nibbana sehe ich als das Ende von Gier, Hass und Verblendung und damit das Ende von dukkha. Es ist jenseits all dessen, was wir als Dasein erleben oder uns vorstellen können. Weil es also jenseits der Welt und alles Weltlichen ist, finde ich den Begriff Transzendenz = das Übersteigen, dazu nicht unangebracht.
    Wenn ich nun Gutes tue und Schlechtes lasse, bzw. versuche Sittlichkeit zu entwickeln, dann nicht um ein glücklicher Mensch zu werden - obwohl das freilich auch ein Motiv ist. Wäre es aber die ausschließliche Absicht, ein gutes Leben um seiner selbst willen zu führen, würde ich das als säkular bezeichnen. Übt man sich in Sittlichkeit (und auch in Sammlung und Weisheit) mit der grundsätzlichen Absicht Nibbana näher zu kommen, ist dieses Ziel nach meinem Verständnis nicht säkular, sondern eben überweltlich, lokuttara.


    Gutes tun und Schlechtes lassen, um etwas damit zu erreichen (z.B. ein glücklicher Mensch zu werden) ist etwas, was Kinder tun. Deswegen funktioniert Erziehung (in gewissen Grenzen). Erwachsen werden heisst zu lernen, Dinge zu tun oder zu lassen aufgrund der Konsequenzen, die sich daraus ergeben. Wenn man diese als "Belohnung" oder "Strafe" empfindet, ist man noch in kindlichen Denk- und Verhaltensmustern befangen - auch, wenn statt der erziehenden Eltern als Quelle von Belohnung und Strafe etwas Transzendentes imaginiert wird. Sei dies nun personal oder abstrakt vorgestellt. Einen Schritt weiter geht man, wenn man Gutes tut und Schlechtes lässt, weil man hinreichende Achtsamkeit im Umgang mit Duhkha entwickelt hat, um zu wissen, welches Tun und Lassen es verstärkt und welches es vermindert. Wobei es mE hilfreich ist, dem Rat des Dharmapada zu folgen und "Gutes tun und Schlechtes lassen" mit der Reinigung des Geistes zu verbinden. Einen weiterer Schritt ist getan, wenn "Gutes tun und Schlechtes lassen" aufgrund von Übung, von rechter Anstrengung, so natürlich geschieht wie Einatmen und Ausatmen und das Reinigen des Geistes eine so selbstverständliche Übung geworden ist wie Zähneputzen und Hände waschen. Da gibt es dann kein "um etwas" mehr.


    Das kommt zumindest meinem Verständnis von "ein gutes Leben um seiner selbst willen zu führen" ziemlich nahe. Ich finde nicht, dass dies vollständig möglich ist ohne "das Ende von Gier, Hass und Verblendung und damit das Ende von dukkha".


    ()

    Tychiades:
    Sudhana:


    Hmmm ... dass "die Wangen überströmt von mächtigem Lachen" sind, liegt an den Witzfiguren, denen man begegnet? Das ist zumindest ... eine originelle Auslegung des 10. Bildes :) . Im Ernst - was macht sie denn zu Witzfiguren? Dass man ihnen indezent die Hosen herunterlässt? Nicht, dass mich so etwas nicht auch erheitern kann - aber ein wenig grobschlächtiger Humor ist das schon, oder?


    ()


    Ich lache gern über meine Spiegelbilder.


    Dann sind natürlich die Hosen, die Du herunterlässt, auch Deine eigenen. ;)


    ()

    Tychiades:

    Die Ochsenbilder sind tatsächlich eine schöne Parabel für den Weg. Irgendwann verschwinden Ochse und Hirte und es bleibt "nichts". Oder das was als Alltag jeden erfüllt. Dann ist das alles leicht und wenn die Zeit da ist, dann sitzt man, und wenn man Hunger hat, dann isst man. Dann ist samsara nirvana, wie der alte Nagarjuna es ausgedrückt hat. Dann fallen die Unterscheidugnen und man wundert sich über diese Witzfiguren.


    Hmmm ... dass "die Wangen überströmt von mächtigem Lachen" sind, liegt an den Witzfiguren, denen man begegnet? Das ist zumindest ... eine originelle Auslegung des 10. Bildes :) . Im Ernst - was macht sie denn zu Witzfiguren? Dass man ihnen indezent die Hosen herunterlässt? Nicht, dass mich so etwas nicht auch erheitern kann - aber ein wenig grobschlächtiger Humor ist das schon, oder?


    ()

    Axel:

    Wichtiger als Batchelors Beitrag zu einem säkularen Buddhismus war für mich seine Übersetzung der 'Verses from the Center' von Nagarjuna

    Kann ich verstehen, auch wenn ich diese Übersetzung für überflüssig halte - möglicherweise die zweitschlechteste auf dem Markt (Nishijima / Warners Übersetzung habe ich mir nicht angetan und habe es auch nicht vor). Jedenfalls empfehle ich da immer wieder gerne Weber-Brosamer / Back. Gute Übersetzung aus dem Sanskrit-Original - und direkt ins Deutsche. Womit u.a. auch an Walleser angeknüpft wird, der deutsche Übersetzungen der tibetischen (1911) wie auch der chinesischen Version (1912) veröffentlichte. Batchelor übersetzt aus dem Tibetischen, was bei Jay Garfield (der das auch tut) deutlich mehr Sinn macht, weil dessen Übersetzung ausdrücklich auf der exegetischen Tradition der Gelugpa beruht.

    Axel:

    An das 'trickle down' würde ich gerne glauben, vermag's aber leider nicht: Die da unten, bei denen's ankommen sollte, haben einen 'Krankheitsgewinn' zu verlieren

    Ach komm - haben wir doch alle ...

    Axel:

    Nur noch eine Frage: Bitte sag' mir (gerne per PN), an wen Du gedacht hast, was die Vielschreiberei angeht! Es ist lächerlich, aber es lässt mir keine Ruhe... :sick:

    Auf die Gefahr hin, mich unbeliebt zu machen - natürlich ist TNH gemeint. 359 Einträge in der Deutschen Nationalbibliothek - das muss ihm erst einmal einer nachmachen. Der Dalai Lama natürlich nicht, der hat fast doppelt so viele. Natürlich sind da Doubletten dabei - sein letztes im Februar erschienenes Opus etwa ist jeweils extra als Printausgabe, Ebook und Audiobook (mit Musik!) gelistet. Das ist natürlich nicht alles Mist - seine kommentierte Übersetzung des Ānāpānasati-sutra (letztes Jahr neu aufgelegt) finde ich recht nützlich. Aber irgendwie stelle ich mir bei solch einem Produktionsausstoß immer einen Sweatshop in Hongkong vor, wo ca. 2 Dutzend kettenrauchende Ghostwriter im Akkord Variationen zu Themen des Meisters in die Tasten hämmern ...


    ()

    Axel:

    es wäre eine Lebensaufgabe für die 'Gutwilligen', diese Übersetzungsaufgabe zu leisten. Aber ich sehe nicht, dass da jemand rangeht. Der 'westliche' Buddhismus ist deshalb auch alles mögliche, nur kein 'westlicher', solange er seine Hauptaufgabe darin sieht, dass man auch auf einem Stuhl meditieren kann... }:-)


    LOL. Ich dachte eher an Projekte wie 'Interkulturelle Bibliothek' - sowohl Karl-Heinz Brodbecks 'Buddhismus interkulturell gelesen' wie auch Ram A Malls 'Nagarjunas Philosophie interkulturell gelesen' halte ich für gelungene Beispiele solcher 'Übersetzungstätigkeit'. Das dauert halt noch ein Weilchen, bis so etwas per 'trickle down' das Mainstream-Bewusstsein durchsetzt.

    Axel:

    In meinem Alter muss ich nicht mehr unbedingt auf einen Weg zurückfinden, ich gehe gerne Umwege und verlaufe mich auch gerne, wenn die Aussicht vielversprechend ist.


    Nun ja - ich bin in meinem Revier auch öfters abseits der Waldwege unterwegs. In der Regel habe ich dann aber Karte und GPS-Navi (ist halt schon komfortabler als ein Kompass) dabei. Bin da beruflich vorbelastet. Das sorgt dafür, dass ich da ankomme, wo ich hin will. Auch da geht es nicht um Abkürzungen, sondern darum, seinen eigenen Weg zu finden - mit allem, was er bietet.


    ()

    Tychiades:
    Axel:

    Lass' es mich mal so sagen: Ein Buddhismus, der von traditionellen kulturellen Elementen 'bereinigt' ist, bietet mehr Gelegenheiten, daraus ein 'Geschäftsmodell' zu machen.


    Naja - sieht man sich den Buddhismus in Thailand oder Myanmar an, dann ist das gleichfalls ein Geschäftsmodell, das auch auf politischen Einfluss ausgerichtet ist, ganz wie in Europa zur Zeit der Religionskriege vor 500 Jahren.

    Da ließen sich noch etliche weitere Länder nennen, zumal wenn man sich zusätzlich noch der historischen Perspektive (sagen wir mal bis Mitte letztes Jahrhundert) bedient. Instrumentalisierung des Dharma bzw. Zweckentfremdung als symbolisches und kulturelles Kapital (Bourdieu) ist - zumindest mir erscheint dies offensichtlich - kein Problem des jeweiligen kulturellen, ökonomischen und sozialen Substrats, auf dem er mehr oder weniger gut gedeiht, sondern ein Problem der Korrumpierbarkeit des Sangha (und damit meine ich den vierfachen Sangha, nicht irgendwelche Ordinierten). Insofern würde ich das Zitat von Axel mit der Einschränkung " ... daraus ein 'Geschäftsmodell' im Westen zu machen" versehen, bevor ich es unterschreibe. Aber anders herum: das Geschäftsmodell 'bunter Mummenschanz zur Erlangung übernatürlicher Kräfte' funktioniert auch im modern-aufgeklärten Westen ganz gut. Und oft ist da der Unterschied zwischen esoterischem Supermarkt und 'authentischen' buddhistischen Angeboten unter der Wahrnehmbarkeitsschwelle (jedenfalls meiner). Das ist dann (so sehe ich es zumindest) genau das dialektische Komplement zum 'säkularen Buddhismus', sein Gegenpol. Zwei zum Preis von einem.


    ()

    Zunächst einmal Danke für deine Antwort und auch für die Loy-Übersetzung. Finde das nützlich; Loy gehört zu denen, die mE in der 'buddhistischen Szene' Gehör verdienen

    Axel:

    Wahrscheinlich verstehe ich aber Deinen Einwand (?) nicht richtig? Wertschätzung von Tee ist ja keine Kritik an Kaffee...

    War wohl eher ein Verständnisproblem von mir - ich sah Dich da Tee in den Kaffee schütten. Deswegen legte ich Wert auf den Hinweis, dass man 'engagierten' und 'säkularen' Buddhismus nicht in einen Topf werfen sollte. Zumindest würde das der Diskussion durch Ausweitung des Diskussionsgegenstandes mE nicht gut tun.

    Axel:

    Meine Kritik richtete sich da weniger gegen ein 'Geschäftsmodell' (und ganz sicher unterstelle ich Batchelor nicht das Verfolgen eines solchen!). Meine Befürchtungen haben da eher etwas damit zu tun, dass ein von religiösen Archaismen 'bereinigter' Buddhismus sich hervorragend zur Ruhigstellung von Widerstand gegen die Warengesellschaft eignet.

    So etwas verstehe ich als 'Geschäftsmodell' im weiteren Sinne. "Ruhigstellung von Widerstand gegen die Warengesellschaft" ist eine (waren-)gesellschaftlich nützliche Funktion und wird als solche auch honoriert.


    Um uns dem Thema wieder etwas anzunähern. Das "Bereinigen von religiösen Archaismen" trifft genau mein persönliches Problem mit Batchelors Ansatz. Es ist scheinbar eine bequeme Abkürzung, die dem Wanderer verspricht, ihm die hermeneutische Arbeit zu ersparen, eben diese religiösen Archaismen in den eigenen kulturellen Kontext zu 'übersetzen'. Dieser eigene kulturelle Kontext hat einen durch eine mit dem Dharma fast gleichaltrige Philosophie hoch entwickelten Begriffsapparat. Man muss eigentlich nur an die (zeitlich und räumlich) 'exotische' Überlieferung kulturell-kritisch und historisch-kritisch herangehen, dann wird das schon. Womit wir einen weiteren der aktuell diskutierten 'Buddhismen' angesprochen hätten - den 'westlichen Buddhismus', den man ebenfalls nicht für deckungsgleich mit einem 'säkularen Buddhismus' halten sollte.


    Wo da im Zweifelsfall meine Präferenzen liegen, dürfte deutlich geworden sein. Ob die angebotene Abkürzung nach Umgehung des hermeneutischen Hindernisses auch wieder auf den Weg trifft, ist eine zumindest derzeit noch offene Frage. Der kürzere Weg ist jedoch in der Regel nicht der bequemere und der bequemere nicht der kürzere.

    Axel:
    Sudhana:

    Nun ja - zumindest habe ich mich ja auch etwas allgemeiner über "Vielschreiber" ausgelassen - wobei ich bei Deinem namedropping zumindest einen Namen vermisse ;)()

    Sei versichert, dass diese Auslassungen nichts mit vielleicht von Dir vermuteten 'Loyalitäten' zu tun haben, mir fallen da auch noch einige andere Namen ein und die Auswahl war davon bestimmt, dass ich von den beiden Zitierten ziemlich viel gelesen habe.

    Der Versicherung bedarf es nicht - es ist nur so, dass mir da unweigerlich ein Name als erstes einfällt und mich dessen Fehlen überrascht hat :) . Genug gestänkert - ich will da nicht weiter darauf herumreiten. Trägt auch zum Thema nichts bei.


    ()

    Axel:

    Von Batchelor kann (natürlich) hier jede/r halten, was er/sie will. Ich selber habe mich mit der Zeit von einer eher unkritischen Wertschätzung seiner Arbeit zu einer Position bewegt, wo ich seinen Ansatz anerkenne und begrüße, dieser Ansatz mir aber einerseits nicht weit genug geht und ich andererseits nicht entscheiden kann, ob er eine adäquate Antwort auf die Probleme politischer, ökonomischer und vor allem ökologischer Art gibt, die uns im 21. Jahrhundert erwarten.

    Das "einerseits" möchte ich auch für mich in Anspruch nehmen, vielleicht unter Weglassung des "unkritisch" hinsichtlich der Wertschätzung. Was das "andererseits" angeht, so halte ich die adäquate Antwort auf "Probleme politischer, ökonomischer und vor allem ökologischer Art" für längst schon gegeben. Ebenfalls (u.a.) in dem hier schon erwähnten Sutta, wo den ratlosen Kalamern eine soziale Praxis in der Geisteshaltung der brahmavihara empfohlen wird. Ich denke mal, genau das ist auch der Ansatzpunkt des 'engagierten Buddhismus' - die von Buddha grundsätzlich gegebene Antwort zu aktualisieren und zu konkretisieren, ist dessen Programm. Das des 'säkularen Buddhismus' ist mE doch etwas anders ausgerichtet.

    Axel:

    Als letztes: eine 'religiöse' Weltsicht (und hier bin ich nicht der Meinung, das gelte nur für die Monotheismen des Mittelmeerraums) hat immer wieder zu Gewalt, sozialer Ungerechtigkeit, Fanatismus geführt. Das gleiche gilt aber nicht minder für Gesellschaftsprojekte mit einem 'säkularen' Anspruch.

    Eben. Das lässt sich problemlos als dṛṣṭi - Ansichten - zusammenfassen und dazu hat Nāgārjuna im abschließenden Vers seiner Mulamadhyamaka-Karikas das Treffende gesagt: "Ihn, der aus Mitleid den wahren Dharma verkündet hat, damit alle Ansichten aufgegeben werden, ihn, den Gautama, verehre ich tief." Wobei es in diesem letzten Kapitel zwar um tiefer wurzelnde Ansichten geht, die jedoch das Substrat anderer - religiöser, politischer, sozialer, säkularer ... - sind.

      Einschub: Batchelor übersetzt "I bow down to Gautama, whose kindness holds one close, who revealed the sublime dharma in order to let go of all views." Um mich etwas gegen den impliziten Vorwurf zu wehren, ich würde Batchelor zu eindimensional wahrnehmen: natürlich kenne ich auch seine Übersetzung der Karikas - auch wenn ich aus ihr über die von Garfield (der wie Batchelor nicht aus dem Sanskrit, sondern aus dem Tibetischen übersetzt) hinaus keinen weiteren Nutzen ziehen konnte. Wobei es schon eine interessante Frage wäre, wie genau Batchelor diesen Vers versteht bzw. beherzigt. Aber da müsste man schon mit ihm selbst reden, um nicht nur zu spekulieren.

    Axel:

    So, wie der 'säkulare Buddhismus' bis jetzt diskutiert wird, fehlt mir da oft das Bewusstsein dafür, dass auch so ein Ansatz immer Gefahr läuft, zu einer 'allein seligmachenden Lehre' zu werden. Wir wissen heute (bzw. könnten wissen), dass der durch die Aufklärung beförderte Mythos des Fortschritts zu nicht weniger Leid geführt hat, als die religiösen Fanatismen; diesen Strang der Moderne jetzt noch quasi durch eine 'säkular-therapeutische' Variante zu ergänzen, kann schon etwas gruselig wirken.

    In einer kapitalistischen Warengesellschaft nimmt alles und jeder zwangsläufig Warencharakter an - selbst der Dharma 8) . Diese spezielle Ausrichtung auf ein Geschäftsmodell ist nach meiner Wahrnehmung nicht Batchelors Anliegen - aber der 'säkulare Buddhismus' lädt natürlich zu solchem Missbrauch ganz besonders ein. Ich habe dazu unlängst im Zen-Unterforum anlässlich einer Diskussion über 'Zen für Manager' (so auch der Name des Threads) darüber etwas geschrieben und dabei auch versucht aufzuzeigen, dass sich 'Manager-Zen' in einen weiteren, allgemein-buddhistischen Kontext einordnen lässt, der aktuell diskutiert wird: http://www.buddhaland.de/viewtopic.php?f=12&t=16378#p347146)


    Ergänzend nochmals zum Thema 'Bandbreite':

    Axel:

    Natürlich muss man sehr selektiv hinschauen, wenn man behaupten will, das sei Batchelors einziges Thema. Vor allem wundere ich mich darüber, dass ich diesen Vorwurf, der ja nicht neu ist, nie etwa über Jack Kornfield oder den Dalai Lama höre

    Nun ja - zumindest habe ich mich ja auch etwas allgemeiner über "Vielschreiber" ausgelassen - wobei ich bei Deinem namedropping zumindest einen Namen vermisse ;)


    ()

    Tychiades:

    Komisch ist nur, dass er selbst das nicht so sieht, sondern daran glaubt, dass ein säkularer Buddhismus ohne Glauben auskommt.


    Das 'Komische' daran ist lediglich, dass ich die Auffassung Batchelors nicht teile :) - was sich aus meiner knappen Zusammenfassung von ihr nicht ganz heraushalten ließ.

    Tychiades:

    Er stellt sich als Ersatz-Buddha hin und man sollte ihm dann glauben.

    Nun ja, das geht doch schließlich jedem so, der sich das Maul verbrennt. Nein, ich denke schon, dass es ihm nur um ein spezielles upaya geht, eines von 84.000 Dharma-Toren, das er da ein wenig modernisert und einladend herausputzt. Hat auch etwas mit meinem persönlichen Eindruck von ihm zu tun - ein leiser, zurückhaltender und bescheiden wirkender Mensch mit entsprechend liebenswürdigen Umgangsformen. So gar nicht charismatisch, was zumindest für mich immer ein Warnzeichen ist. Andererseits bin ich auch ein miserabler Menschenkenner. Was nicht heisst, dass ich mich bei jeder Einschätzung täusche ...

    Tychiades:

    Es ist insofern dann wahrscheinlich eine "Lehre" die eben für Leute gedacht ist, die nicht so tief gründen wollen.
    Insofern zeitgemäß.

    Kann man so sehen. Andererseits - wenn die einen oder anderen von diesen Leuten sich dann auf die Gefahr hin, den Grund zu verlieren, doch mal trauen, ein wenig ins tiefere Wasser zu waten, dann sehe ich in diesem upaya auch kein Hindernis, das dem entgegenstünde.


    ()

    Tsu Mie:

    Wie sieht eigentlich die Zielgruppe aus? Für wen ist der "säkulare" Buddhismus ein (willkommenes) Angebot? Werden eher Buddhismus-Neulinge angesprochen oder versammeln sich dort die "Enttäuschten" der unterschiedlichen Traditionen?

    Ich schätze es eher so ein, dass das ein Angebot an vor allem durch westliche Kultur geprägte Menschen ist, die - wie sie es in der Schule gelernt haben - den Buddhadharma unter 'Religion' ablegen und mit Religionen ein grundsätzliches Problem haben. Wenn diese Menschen der Zielgruppe aufgrund ihres Selbstbildes, aufgeklärte und rational denkende Menschen zu sein, ein Problem mit 'Religionen' (respektive dem, was sie dafür halten) haben, können ihnen Angebote wie das eines säkularen (also: von 'religiösen' Elementen bereinigten) Buddhismus einen Zugang eröffnen. 'Säkular' soll also heißen: ein 'weltlicher' (= nicht-religiöser) Buddhismus, was wiederum für einen von spekulativen Elementen freien Buddhismus steht.


    Dieser Denkansatz birgt allerdings schon einmal das Problem, dass 'religiös' (ein ohnehin schwierig zu definierender Begriff) mit spekulativem Denken gleichgesetzt wird. Ein Kurzschluss, der jedoch einem Vorurteil der präsumptiven Zielgruppe entgegen kommt, deren Begriff von 'Religion' vor allem durch die um das Mittelmeer herum entstandenen monotheistischen (Glaubens-)Religionen geprägt ist. Dass ein solcher Religionsbegriff nur sehr begrenzt tauglich ist, den Buddhadharma (einen pragmatisch-agnostischen Yoga) adäquat zu beschreiben, lernt man an unseren Schulen kaum.


    Konkret werden als spekulative und damit einer säkularisierenden Säuberung zu unterziehende Elemente vor allem die Karma-Lehre und die 'Wiedergeburt' identifiziert. Dass beides im Buddhadharma sehr differenziert (konkret: unter der Prämisse 'anatman') zu betrachtende Lehren sind, die mit dem, was sich der landläufige, aufgeklärt und rational Denkende so in der Regel darunter vorstellt ('indischer Aberglaube'), wenig zu tun haben, ist eine andere Sache. Aber es öffnet für sie jedenfalls erst einmal einen Zugang zu buddhistischer Praxis. So ist es zumindest gedacht, scheint mir.


    Man kann Batchelors Projekt sehr gut auf einen traditionellen Nenner bringen. Grundsätzlich gibt es nach traditioneller buddhistischer Auffassung vier Arten von Fragen. Solche, die man direkt beantworten kann (ekamsabyakaraniya-panha), solche, die man durch eine Analyse oder Erklärung beantwortet (vibhajja byakaramya-panha), solche, auf die man mit einer Gegenfrage antwortet (patipucchabyakaramya-panha) und solche, die man abweist oder 'beiseite setzt' (thapaniya-panha). Grundsätzlich vertritt Batchelor eigentlich nur die Auffassung, karma und punarbhava könnten 'beiseite gesetzt' werden, also von der Kategorie vibhajja byakaramya-panha in die der thapaniya-panha - der Buddhadharma 'funktioniere' auch so. Was zumindest für ein gutes Stück des Weges ja auch richtig ist. Beides ist ja zunächst einmal Glaubenssache - wobei der 'Glaube' / das Vertrauen (Śraddhā) traditionell förderlich ist - nur funktioniert das bei vielen Menschen insbesondere im Westen nicht. Da wird die Aufforderung, solche Dinge zu glauben, vielmehr als Zumutung empfunden und ist daher auch nicht hilfreich sondern im Gegenteil hinderlich, wenn es gilt, ihnen einen Zugang zum Buddhadharma zu öffnen.


    Anders gesagt - was Batchelor u.a. mit dem säkularen Buddhismus zu konstruieren suchen, ist ein upaya für diese Menschen. Ich persönlich habe dieses spezielle upaya nicht nötig, u.a. weil für mich karma und punarbhava keine Lehren sind, die man glauben oder nicht glauben muss - sondern vielmehr richtig verstehen. Das kommt dann so oder so irgendwann. Dann war das 'beiseite setzen' der Frage nur ein 'zurückstellen'. Bis sich die Antwort von selbst erledigt hat oder sich die Frage nicht mehr stellt.


    ()

    Tychiades:
    Sudhana:

    Auch, wenn ich es nicht wie Ellviral ausdrücken würde - aber aufgrund der doch etwas begrenzten (wenn auch durchaus interessanten) Thematik, mit der Batchelor nun schon seit etlichen Jahren in verschiedenen Publikationen sein Steckenpferd reitet, sollte man schon aus Respekt doch annehmen, dass er seine Ideen weiterentwickelt, statt sie lediglich in immer neuen Büchern zu wiederholen. Etwas, das man auch bei anderen Vielschreibern in Betracht ziehen sollte.


    Das sollte man annehmen. Aber das Buch liegt mir noch nicht vor und so kann ich nur auf den Klappentext des Verlages zurück greifen - und da nehme ich an, dass es sich um einen Aufguß des Bisherigen handelt.


    Nun ja, diese Annahme ist naheliegend - trotzdem möchte ich für meinen Teil Batchelor unterstellen, dass er mit der Zeit geübter darin wird, seine Ideen darzustellen. Also - nicht notwendig noch ein weiterer Aufguss (so etwas wird mit der Zeit nur schal) sondern lediglich dieselbe Sorte Tee, aber diesmal geübter und geschickter aufgegossen und (hoffentlich) entsprechend schmackhafter. Nur so macht doch @Elvirals Empfehlung Sinn: besser noch ein wenig auf den nächsten, besseren Aufguss warten statt sich mit dem alten, abgestandenen begnügen.

    Tychiades:

    Du scheinst aber besser informiert zu sein und bereits ein frühes Belegexemplar vom Verlag oder von anderen erhalten zu haben?


    Iwo. Auch ich bin nur Interpret von Klappentextpoesie - in diesem speziellen Fall fühle ich mich durch ein wenig Beschäftigung mit Batchelor (sein 'Buddhimus für Ungläubige', diverse Aufsätze, einen Vortrag und ein anschließendes, kurzes Kennenlernen) halbwegs qualifiziert. Ich habe mich mit seinen Ideen auseinandergesetzt (war durchaus interessant) und rechne jetzt nicht mit grundsätzlich neuen Gesichtspunkten, die eine erneute Auseinandersetzung damit lohnen würden. Für mich, versteht sich. Wer Batchelor noch nicht kennt und ihn kennenlernen möchte, dem gebe ich den gleichen Rat wie @Elviral: mit der jüngsten Verlautbarung einsteigen. Dann kann man immerhin Lesefaulen wie mir irgendwann unter die Nase reiben, dass wir hinsichtlich Batchelors Thesen schlicht nicht mehr auf dem Laufenden sind.


    ()

    Tsu Mie:

    Was bringt dich zu der Annahme, dass das Buch (welches meinst du überhaupt?) "überholt" sei?


    Auch, wenn ich es nicht wie Ellviral ausdrücken würde - aber aufgrund der doch etwas begrenzten (wenn auch durchaus interessanten) Thematik, mit der Batchelor nun schon seit etlichen Jahren in verschiedenen Publikationen sein Steckenpferd reitet, sollte man schon aus Respekt doch annehmen, dass er seine Ideen weiterentwickelt, statt sie lediglich in immer neuen Büchern zu wiederholen. Etwas, das man auch bei anderen Vielschreibern in Betracht ziehen sollte.


    Somit dürfte die jüngste Publikation den (zumindest hinsichtlich der Zugänglichkeit für die Öffentlichkeit) aktuellen Stand seiner Überlegungen darstellen - und damit die vorangegangenen Publikationen obsolet machen. Wenn man diese Herangehensweise auch auf andere Autoren der Vielschreiber-Kategorie anwendet (wobei ich manchmal frage, wie die das Pensum schaffen, ohne Mietautoren zu beschäftigen) dann erspart einem das viel Lesestoff - und Zeit, die sich sinnvoller verwenden lässt.


    ()