Beiträge von Sudhana im Thema „Was ist authentischer Buddhismus?“

    Andreas:

    Ich habe da in der Auslegung von Dogens Genjokoan von Shohaku Okumura eine interessante Aussage gefunden


    Herzlichen Dank für den Hinweis. Da lag ich wohl falsch. Habe offensichtlich schon zu lange nicht mehr ins Genjokan hineingeschaut oder fange an, an Altersvergesslichkeit zu leiden.


    Die 'Vier Siegel' scheinen, wie mir eine erste Prüfung zeigt, auf das Āvataṃsakasūtra zurückzugehen, was das Vorkommen dieser Formel im tibetischen und ostasiatischen sowie ihr Fehlen im Theravada-Buddhismus erklärt.


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    hedin02:

    Der Ton wird rauher, woran mag das liegen?


    Ja, woran mag das wohl liegen? Möglicherweise daran, dass jemand meint, der überwiegenden Mehrzahl der Forumsteilnehmer absprechen zu müssen, authentischen Buddhismus zu praktizieren oder auch nur zu wissen, was das ist?

    hedin02:

    In Einem bin ich mir sicher:
    Alle Tibetischen, Zen und noch eine Vielzahl anderer Ausformungen und Symbolisierungen, die im Laufe der Zeit zu der ursprünglichen Lehre dazu erfunden wurden, sind nicht "authentischer Buddhismus".


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    Doris Rasevic-Benz:

    Ach, Gott, hedin!
    Wir sind einer Meinung.

    Den Eindruck habe ich nicht. Wenn ich @hedin richtig verstanden habe (falls nicht, bitte ich um Korrektur), ist er der Auffassung, der Palikanon sei die "ursprüngliche, authentische Buddha-Lehre". Vox ipsissima. Der klassische XXXXX* ... - weniger flachsig: das ist Theravada-Fundamentalismus, der viel mit inbrünstigem Glauben, aber nichts mit wissenschaftlich-philologischen Erkenntnissen zu tun hat.


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    *scherzhafte Bezeichnung auf Hinweis des MOD hin entfernt

    Andreas:

    Ist es das? Reicht das? Oder fehlt da noch was?


    Da fehlt schon noch etwas. Zunächst einmal: die 'vier Siegel' sind eine spezifisch tibetische Zusammenstellung. Es handelt sich um die drei 'Seinsmerkmale' (Pali tilakkhana, Skrt. trilakṣaṇa oder trividyā, Chin. / Jap. 三明智 bzw. sānmíngzhì / sanmyōchi) - i.e. anitya, duḥkha und anātman - sowie (als sog. 'viertes Siegel') nirvāṇa.


    Grundsätzlich sind die trilakṣaṇa der ersten und und zweiten der catvāri āryasatyāni (vier edlen Wahrheiten) zuzuordnen, also duḥkha und samudaya; nirvāṇa der dritten, nirodha. Spätestens hier sollte auffallen, dass noch etwas ganz Wesentliches fehlt - nämlich die praktische Konsequenz aus der theoretischen Analyse, deren Ergebnis die ersten drei āryasatyāni sind: die vierte Wahrheit, der edle achtfache Pfad.


    ME ist außer den vier edlen Wahrheiten noch etwas konstitutiv für einen 'authentischen Buddhismus': die dreifache Zufluchtnahme. Sie initialisiert jede buddhistische Praxis.


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    void:

    Aber diese Thread hat doch eine scholastische Frage, nämlich die der Abgrenzung des authetischen Buddhismus zum Thema. Eine Möglichkeit dieses Thema anderen zu überlassen, wäre auf einen Antwort hier zu verzichten. Wenn man eine Frage erörtert, dann ist es doch sinnvoll, wenn diejenigen darüber reden die sich dafür interssieren un denen das wichtig ist. Und die anderen eben nicht.

    Was natürlich die Frage nach dem Motiv aufwirft, sich in eine Diskussion mit der lautstarken Bekundung einzubringen, diese interessiere einen nicht. Alle Etiketten zurückzuweisen, kann auch auf ein aufgeblasenes Ego hindeuten - insbesondere, wenn man meint, seine Etikettenlosigkeit Anderen kund tun zu müssen.


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    Moosgarten:

    Wüdest du bitte an dieser Stelle noch einmal sagen, was die FBT konkret sind und warum sie das sind?

    Da Dir Pamokkha nicht auf Deine Rückfrage geantwortet hat (und auch nicht auf meine hinsichtlich einer verbindlichen Definition von 'Authentizität'), möchte ich mich hier noch einmal einschalten.


    Ich gehe davon aus, das @Pamokkha sich mit seiner These im wesentlichen auf


    bezieht. Der in Frage stehende Korpus früher buddhistischer Texte (Early Buddhist Texts, EBTs) wird dort wie folgt umrissen und abgegrenzt:

    Zitat

    Early Buddhist Texts: Texts spoken by the historical Buddha and his contemporary disciples. These are the bulk of the Suttas in the main four Pali Nikāyas and parallel Āgama literature in Chinese, Tibetan, Sanskrit, and other Indian dialects; the pātimokkhas and some Vinaya material from the khandhakas [In particular some of the monastic procedures, such as the upasampadā and uposatha ceremonies, that are found across all Vinaya traditions]; a small portion of the Khuddaka Nikāya, consisting of significant parts of the Sutta Nipāta, Udāna, Itivuttaka, Dhammapada, and Thera- and Therī Gāthā. The “Suttas” in a narrow sense are those passages that are directly attributed to the Buddha himself (and to a lesser extent his direct disciples).


    Non-EBTs: Abhidhamma, Mahāyāna Sūtras, Buddha biographies, historical chronicles, as well as the majority of the Khuddaka Nikāya and the Vinaya Piṭaka. The Jātakas are non-EBT, but derive from stories that in some cases may even be earlier than the Buddha. Commentaries and other late texts may contain some genuine historical information alongside much later invention.

    Dazu angemerkt: die EBTs sind natürlich nicht "traditionsübergreifend", wie Pamokkha schrieb. Sie stammen vielmehr aus unterschiedlichen Traditionen des Śrāvakayāna. "Early Buddhist" ist hier - bei dieser Definition des Untersuchungsgebietes - im Grunde nichts anderes als ein Synonym für Śrāvakayāna, dazu noch unter Ausschluss speziell der Vātsīputrīya und der aus ihnen hervorgegangenen Schulen sowie unter sehr nachrangiger Berücksichtigung der Mahāsāṅghika. Was zugegebenermaßen an der Spärlichkeit des überlieferten Textmaterials liegt, aber auch auf eine nicht unproblematische geistesgeschichtliche Engführung verweist, die die Arbeit bezeichnenderweise nicht problematisiert (was mE durchaus angemessen und sachgerecht wäre).


    Traditionsübergreifend (wie schon angedeutet vor allem Theravada/Vibhajyavāda- und Sarvāstivāda-Tradition übergreifend) sind vielmehr bestimmte Ideen, die in einzelnen Passagen der Texte mehr oder weniger gleichlautend ausgedrückt werden, woraus auf einen gemeinsamen Ursprung dieser Passagen (der möglicherweise vor dem Konzil von Pātaliputra zu datieren wäre) geschlossen werden kann. Nicht notwendig ein authentisches Buddhawort - etwas bescheidener sollte man da zunächst einmal auf eine frühere, verloren gegangene Textvariante schließen. Das nennt sich Parsimonie-Prinzip und ist auch in den Geisteswissenschaften verpflichtend.


    Das Hauptproblem bei dieser Definition von 'EBTs' ist natürlich das Kriterium "spoken by the historical Buddha and his contemporary disciples", das alleine schon aufgrund fehlender historischer Belege (zeitgenössische Manuskripte, archäologische Befunde ...) weder verifizierbar noch falsifizierbar ist. Dieses Problem sehen die Autoren allerdings selbst auch:

    Zitat

    The variations and divergences in the Buddhist traditions, as well as the lack of direct manuscript or archaeological evidence for the life of the Buddha, are real and important considerations, which should raise questions for any serious inquirer as to what the historical foundations for the Buddhist religion really are. However, it is overly sceptical and unscientific to conclude from the lack of such direct evidence that we cannot say anything, and that we cannot reach firm conclusions. Science works from indirect and inferred evidence, and the preponderance of such indirect evidence points to the authenticity of the EBTs.

    Das ist selbst im geisteswissenschaftlichen Bereich mehr als nur blauäugig. Bei einem Fehlen von Beweisen ("lack of direct evidence") kann man "from indirect and inferred evidence" (das würde man nun korrekter mit 'Indizien' statt 'Beweisen' übersetzen) ausgehend Hypothesen, vielleicht auch eine Theorie formulieren, aber keine sicheren Schlüsse ("firm conclusions") ziehen. Dies zu behaupten, ist nicht nur in sich widersprüchlich, es ist auch intellektuell unredlich.


    Genau daran krankt dann auch die Definition von Authentizität, mit der die Autoren zunächst (als eine der "Definitions" der Untersuchung vorangestellt) vorgeben, zu arbeiten

    Zitat

    Authenticity: An authentic text is one whose provenance is what it says it is. In this case this means that texts that purport to be the words of the historical Buddha and his immediate disciples were in fact spoken by them.

    Das ist zweifellos eine Definition, mit der zu arbeiten im Sinne der Aufgabenstellung der Autoren -

    Zitat

    There are two main aspects to our argument: (1) there is a body of Early Buddhist Texts (EBTs), which is clearly distinguishable from all other Buddhist scripture; (2) these texts originated from a single historical personality, the Buddha.

    - sinnvoll wäre. Wenn diese Authentiziät denn in irgendeiner Weise nachweisbar wäre. Man beachte, dass in der oben zitierten Aufgabenstellung schon deutlich zurückgerudert wird. Da ist nun nicht mehr von "spoken by the historical Buddha" die Rede, sondern von "originated from .... the Buddha". Während nun offensichtlich ist, was "spoken by the Buddha" bedeutet (und auch, dass es keine Möglichkeit gibt, dieses Kriterium wissenschaftlich nachzuweisen), so wird der Leser auf bemerkenswerte Weise im Unklaren gelassen, was "originated from the Buddha" nun ganz konkret bedeuten soll. Insbesondere, wie aufgrund eines solch unscharfen Kriteriums wie 'von Buddha herstammen, von ihm begründet' eine scharfe Unterscheidung zwischen EBTs und Non-EBTs überhaupt möglich sein soll.


    Immerhin räumen die Autoren ein:

    Zitat

    We are not denying the obvious fact that the texts bear all the marks of redaction and editing, and that they have been optimised for the oral tradition. There are even a few cases where the editorial hand seems to have added interpretations to existing ideas. But to assume from this that the literature as a whole has not conserved the central ideas propounded by its founder, or even that it was invented ad hoc by redactors, is to lose sight of the distinction between editing and composing. So when we say that the texts were “spoken by the Buddha”, we mean it in this non-literal sense. Clarifying the exact nature and degree of the editorial influences on the EBTs is one of the primary tasks of the student of Early Buddhism.

    Das ist grundsätzlich richtig (wobei unklar bleibt, wie "nature and degree of the editorial influences" überhaupt "exact" bestimmbar sein soll), aber auch nochmals kräftig relativiert - statt "spoken by the Buddha" ist nun nur noch von "the central ideas propounded by [Buddha]" die Rede. Es wäre mE durchaus sinnvoll gewesen, gleich an dieser Stelle auch diese "zentralen Ideen" Buddhas zu nennen - es sind meines Erachtens gar nicht so viele: catvāri āryasatyāni (duḥkha, samudaya, nirodha, ārya aṣṭāṅga mārga mit seinen Aspekten śīla, samādhi, and prajñā); trilakṣaṇa und nirvāṇa (in tibetischer Diktion die hier schon genannten 'vier Siegel'), triratna. Einen Katalog der "central ideas propounded by [Buddha]" wird man in der Arbeit allerdings vergeblich suchen, womit das, worum es da eigentlich gehen sollte - nämlich 'Authentizität' - bemerkenswert unscharf bleibt.


    Diese Grundideen ("central ideas") wären also die Kriterien einer Authentizität entsprechend der Definition der Autoren und deren Relativierung von “spoken by the Buddha” im Sinne von "the central ideas propounded by [Buddha]". Wobei allerdings dem ersten Teil der These der Autoren - zur Erinnerung:

    Zitat

    (1) there is a body of Early Buddhist Texts (EBTs), which is clearly distinguishable from all other Buddhist scripture

    - der Boden entzogen ist. Im Zweifelsfall lese man oben nochmals nach, was da als "Non-EBTs" aufgeführt wird und überlege, inwiefern diese (insbesondere Mahāyāna Sūtras) denn nun "clearly distinguishable" nicht "the central ideas propounded by [Buddha]" vertreten bzw. ihnen sogar widersprechen sollten. Zur Erinnerung - es wird ja zugestanden, dass selbst in den als EBT klassifizierten Texten die "central ideas" einem historischen Prozess von "redaction", "editing" und "optimising" unterworfen waren. Die Gesichtspunkte, nach denen überlieferte Ideen durch einen Prozess von "redaction", "editing" und "optimising" für ein Publikum aufbereitet werden, können - bedingt durch das Publikum sowie weitere soziale und historische Umstände - sehr unterschiedlich sein, entsprechend auch die Prozesse. Nicht zuletzt kann es in einem überlieferten Ideenkomplex durchaus auch unterschiedliche Gewichtungen (bis hin zum Ignorieren) einzelner Ideen geben. Ich muss da immer an diesen einen Arhat denken, der zum ersten Konzil kommen sollte, das Ansinnen aber höflich ablehnte. Er habe zwar nichts gegen diese Idee mit der Kanonisierung, aber er zöge es vor, den Dharma so weiterzugeben, wie er selbst ihn von Buddha empfangen habe statt sich auf das Gedächnis von Buddhas Kammerdiener zu verlassen.


    Das Projekt 'Authenticity of the Early Buddhist Texts' entlarvt sich hier in meinen Augen lediglich als die jüngste Neuauflage altbekannten Sektierertums. Mit anderen Worten: es geht um die Propagierung einer vorgeblichen Orthodoxie - nur dass diesmal nicht der Palikanon alleine die dafür verbindliche Basis hergeben soll, sondern freundlicherweise auch noch die Āgamas dazu herangezogen werden sollen. Das ist eine Rückfallposition, nachdem sich die Propagierung des Palikanon (insbesondere des Suttapitaka) als 'vox ipsissima' des historischen Buddha wissenschaftlich als völlig unhaltbar erwiesen hat; ironischerweise gerade durch den Abgleich mit den Āgamas. Die Kehrseite ist denn auch dieselbe wie immer: Ausgrenzung und Diffamierung Anderer als heterodox.


    Nun ist das aber kein Vorwurf, den ich Pamokhha machen möchte. Er schreibt konkret von

    pamokkha:

    Aussagen über Buddhismus

    - und dies verstehe ich im Sinn der oben genannten "Grundideen", "central ideas" - und wendet darauf vier mögliche Urteile an:

    pamokkha:

      - sie finden sich in den frühbuddhistischen Texten (FBTs),
      - sie finden sich nicht in den FBTs,
      - sie im Einklang mit den FBTs und
      - sie sind nicht im Einklang mit den FBTs.

    Woraus er die Fragestellung ableitet:

    pamokkha:

    wenn eine Aussage sich nicht in der frühbuddhistischen Literatur findet und gleichzeitig im Widerspruch zu diesen steht, kann man dann von authentischem Buddhismus sprechen.

    Meine Antwort: wenn man hier 'Authentizität' wie Bhikkhu Sujato und Bhikkhu Brahmali definiert, also als etwas, das "central ideas propounded by [Buddha]" ausdrückt, dann ist eine Aussage, die diesen "central ideas" widerspricht, nicht authentischer Buddhismus. Dies allerdings mit dem caveat versehen, dass meine Auffassung davon, was im Einzelnen die "central ideas" sind, möglicherweise mit Pamokkhas nicht übereinstimmt und auch, dass ich persönlich nicht meine Hand dafür ins Feuer lege, dass alle der von mir oben aufgeführten "central ideas" tatsächlich direkt und unmittelbar auf den historischen Buddha zurückgehen. Ich halte diese personenbezogene Sicht grundsätzlich nicht für hilfreich und, nebenbei bemerkt, auch bei der Untersuchung anderer Religionen (z.B. Christentum, Islam) für irreführend. Aber da habe ich durch meine Praxistradition bedingt wohl auch ein anderes Verständnis des Zufluchtsobjektes 'Buddha' als Pamokkha.


    ()

    mkha':
    Zitat

    1.) Ich hatte den Eindruck, mit dem 'wen' war ich gemeint (wer sonst?) ..

    Ich nehme zur Kenntnis, dass Du offenbar den Eindruck hattest.

    Ich nehme zur Kenntnis, dass Du offenbar ausweichst.

    mkha':

    Lasse es dabei bewenden, Sudhana.

    Kein Problem.


    ()

    mkha':

    mir ging es um die Meinung Pamokkhas, und explizit ihn sprach ich mit meinem Beitrag an.


    Nun - ich hatte eine Frage gestellt (auf die im übrigen eine nachvollziehbare Antwort immer noch aussteht):

    Sudhana:

    Was genau soll "Authentizität" im Kontext dieser Frage sein? Ohne Herstellung eines Konsenses über eine verbindliche Definition des Begriffs "Authentizität" ist diese ganze Diskussion sinnlos. Bestenfalls redet (bzw. schreibt) man aneinander vorbei.

    und unmittelbar darauf schreibst Du:

    mkha':

    Das ist doch gar nicht so schwer zu verstehen.

    - noch bevor Du konkret @pamokkha ansprichst:

    mkha':

    Guten Abend, Pamokkha


    gehe ich fehl in der Annahme ...

    Bitte klär mich auf - wen und was hattest Du mit Deinem "Das ist doch gar nicht so schwer zu verstehen" denn gemeint? Ich hatte den Eindruck, mit dem 'wen' war ich gemeint (wer sonst?) und mit dem 'was' (da angeblich "gar nicht so schwer zu verstehen ist") eine Definition von Authentizität, die Du im Folgenden @pamokkha unterschiebst oder meinetwegen auch nur anbietest. Eine untaugliche Definition, wie ich versucht habe, aufzuzeigen. Zumindest jedoch keine hier, in dieser Diskussion konsensfähige.


    ()

    mkha':

    Das ist doch gar nicht so schwer zu verstehen.

    Tatsächlich? Du zitierst da aus Wikipedia eine Definition des Begriffs 'Authentizität', deren Anwendung auf das hier zur Diskussion gestellte Thema in mehr als einer Hinsicht problematisch ist. Ich würde sogar sagen, diese Definition ist schlicht unbrauchbar, weil nicht anwendbar.

    Zitat

    bedeutet Echtheit im Sinne von „als Original befunden“.

    Was soll hier im Kontext der Frage "Original" sein? Offensichtlich das, was der historische Buddha Siddharta Gautama Shakyamuni gelehrt hat. Dabei ergibt sich unmittelbar das Problem (einmal davon abgesehen, dass schon die Historizität Buddhas zwar plausibel, aber weit davon entfernt ist, ein gesichertes Faktum darzustellen), dass seit über zwei Jahrtausenden niemand weiss - wissen kann - was Buddha tatsächlich zu denen gesagt hat, die ihn gehört haben. Es gibt - wenig überraschend - keine Tondokumente, aber es gibt auch keine zeitgenössischen schriftlichen Aufzeichnungen (deren Zuverlässigkeit nochmals ein Problem für sich wäre). Erst Jahrhunderte nach seiner Lehrtätigkeit wurden solche angefertigt - und da gab es schon eine Vielzahl sich mehr oder weniger voneinander unterscheidender Traditionen oraler Überlieferung. Wir haben keine Möglichkeit, festzustellen ob und wie weit welche von diesen Traditionen "original" überliefern, was Buddha gesagt hat. Auch hier kann man eine plausible Vermutung anstellen (sie wurde schon angesprochen) - nämlich, dass nichts von dem, was da nach Jahrhunderten mündlicher Überlieferung schriftlich fixiert wurde, "original" von Buddha so gesprochen wurde. Die Texte haben (davon abgesehen, dass sie nicht in Ardhamaghadi niedergeschrieben wurden, also der Sprache, die Buddha vermutlich benutzt hat) nämlich genau die formalen Merkmale mündlich tradierter Texte - d.h. sie wurden unter mnemotechnischen Gesichtspunkten komponiert, um das Memorieren der Texte zu erleichtern. Ein Lehrer, der einen Vortrag (oder einen Dialog) extemporiert, spricht anders. Was auch immer da jemand als "Original" befindet und damit als Maßstab einer Authentizität verkaufen will - es gründet auf Spekulationen, unbewiesenen (und unbeweisbaren) Vermutungen oder schlicht frommem Glauben.


    Kleiner Einschub: wir sprechen hier über Texte. Inwieweit tradierte Texte gültige Quellen der Erkenntnis sind, ist eine klassische Frage der Epistomologie. Die buddhistische Epistomologie jedenfalls verneint diese Frage - in erster Linie natürlich im Hinblick auf den Veda. Speziell buddhistische Textüberlieferungen sind dabei jedoch nicht ausgenommen, worauf ironischerweise die Textüberlieferung selbst hinweist (natürlich ein regressus ad infinitum), konkret das so gern zitierte wie wenig verstandene Kalamer-Sutta.


    So weit zur Frage des "Originals". Damit sind die Probleme der von Dir beigebrachten Definition von Authentizität aber noch lange nicht erschöpft.

    Zitat

    Authentizität bezeichnet eine kritische Qualität von Wahrnehmungsinhalten (Gegenständen oder Menschen, Ereignissen oder menschliches Handeln)

    - da stellt sich nun die Frage, ist "Buddhismus" ein "Wahrnehmungsinhalt"? Für einen Religionswissenschafter, der "Buddhismus" als historisches, soziales oder kulturelles Phänomen studiert, ist das sicher ein brauchbarer Ansatz. Für jemanden, der Zuflucht zu Buddha, Dharma und Sangha genommen hat, ist so etwas allenfalls am Rande von (einem durchaus verzichtbaren) Interesse. Ein Hobby. Für den "Buddhisten" ist der Buddhadharma kein "Wahrnehmungsinhalt" sondern ein Yoga, eine spezifische Transformation des Seins durch Ausübung, existentielles Angleichen - "Wahrnehmungsinhalte" selbstredend mit eingeschlossen.


    Nun ist jeder Modus des Seins Transformation - anders gesagt: hat das Merkmal anitya. Die spezifische Transformation durch die dreifache Zuflucht ist eine gerichtete - und die Richtung ist die der unumkehrbaren Auslöschung eines weiteren Merkmals: duhkha. Eines Merkmals, das jeder aus der kognitiven Perspektive eines atman erfahrene "Wahrnehmungsinhalt" trägt. Was nun auch etwas über den Wert der "Authentizität" von Wahrnehmungsinhalten aussagt.
    Um den oben zitierten Satz

    Zitat

    Authentizität bezeichnet eine kritische Qualität von Wahrnehmungsinhalten (Gegenständen oder Menschen, Ereignissen oder menschliches Handeln)

    nochmals aufzugreifen und fortzusetzen:

    Zitat

    ... die den Gegensatz von Schein und Sein als Möglichkeit zu Täuschung und Fälschung voraussetzt. Als authentisch gilt ein solcher Inhalt, wenn beide Aspekte der Wahrnehmung, unmittelbarer Schein und eigentliches Sein, in Übereinstimmung befunden werden.

    Was bedeutet dies nun für die Ausgangsfrage? Offensichtlich, dass man die Frage, was "authentischer Buddhismus" ist, nur beantworten kann, wenn man nicht nur "den Gegensatz von Schein und Sein als Möglichkeit zu Täuschung und Fälschung voraussetzt" sondern auch zuverlässig zwischen ihnen unterscheiden kann. Ein hoher Anspruch ...

    Zitat

    Nur von Buddha zu Buddha kann das wahre Dasein aller Erscheinungen ergründet und mitgeteilt werden.
    Saddharmapundarika Sutra

    Nur von Buddha zu Buddha wird der authentische Buddhadharma übertragen. Keine Übertragung des Erwachens - kein "authentischer Buddhismus". Mit buddhistischen Texten - gleich, ob frühen oder späten - hat das eher wenig zu tun. Durch Textstudium ist meines Wissens noch nie jemand erwacht. Und selbst wenn - dann wäre das nicht "authentisch". Buddha hatte ja auch keine ...


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    Was genau soll "Authentizität" im Kontext dieser Frage sein? Ohne Herstellung eines Konsenses über eine verbindliche Definition des Begriffs "Authentizität" ist diese ganze Diskussion sinnlos. Bestenfalls redet (bzw. schreibt) man aneinander vorbei.


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