Moosgarten:
Wüdest du bitte an dieser Stelle noch einmal sagen, was die FBT konkret sind und warum sie das sind?
Da Dir Pamokkha nicht auf Deine Rückfrage geantwortet hat (und auch nicht auf meine hinsichtlich einer verbindlichen Definition von 'Authentizität'), möchte ich mich hier noch einmal einschalten.
Ich gehe davon aus, das @Pamokkha sich mit seiner These im wesentlichen auf
bezieht. Der in Frage stehende Korpus früher buddhistischer Texte (Early Buddhist Texts, EBTs) wird dort wie folgt umrissen und abgegrenzt:
Zitat
Early Buddhist Texts: Texts spoken by the historical Buddha and his contemporary disciples. These are the bulk of the Suttas in the main four Pali Nikāyas and parallel Āgama literature in Chinese, Tibetan, Sanskrit, and other Indian dialects; the pātimokkhas and some Vinaya material from the khandhakas [In particular some of the monastic procedures, such as the upasampadā and uposatha ceremonies, that are found across all Vinaya traditions]; a small portion of the Khuddaka Nikāya, consisting of significant parts of the Sutta Nipāta, Udāna, Itivuttaka, Dhammapada, and Thera- and Therī Gāthā. The “Suttas” in a narrow sense are those passages that are directly attributed to the Buddha himself (and to a lesser extent his direct disciples).
Non-EBTs: Abhidhamma, Mahāyāna Sūtras, Buddha biographies, historical chronicles, as well as the majority of the Khuddaka Nikāya and the Vinaya Piṭaka. The Jātakas are non-EBT, but derive from stories that in some cases may even be earlier than the Buddha. Commentaries and other late texts may contain some genuine historical information alongside much later invention.
Dazu angemerkt: die EBTs sind natürlich nicht "traditionsübergreifend", wie Pamokkha schrieb. Sie stammen vielmehr aus unterschiedlichen Traditionen des Śrāvakayāna. "Early Buddhist" ist hier - bei dieser Definition des Untersuchungsgebietes - im Grunde nichts anderes als ein Synonym für Śrāvakayāna, dazu noch unter Ausschluss speziell der Vātsīputrīya und der aus ihnen hervorgegangenen Schulen sowie unter sehr nachrangiger Berücksichtigung der Mahāsāṅghika. Was zugegebenermaßen an der Spärlichkeit des überlieferten Textmaterials liegt, aber auch auf eine nicht unproblematische geistesgeschichtliche Engführung verweist, die die Arbeit bezeichnenderweise nicht problematisiert (was mE durchaus angemessen und sachgerecht wäre).
Traditionsübergreifend (wie schon angedeutet vor allem Theravada/Vibhajyavāda- und Sarvāstivāda-Tradition übergreifend) sind vielmehr bestimmte Ideen, die in einzelnen Passagen der Texte mehr oder weniger gleichlautend ausgedrückt werden, woraus auf einen gemeinsamen Ursprung dieser Passagen (der möglicherweise vor dem Konzil von Pātaliputra zu datieren wäre) geschlossen werden kann. Nicht notwendig ein authentisches Buddhawort - etwas bescheidener sollte man da zunächst einmal auf eine frühere, verloren gegangene Textvariante schließen. Das nennt sich Parsimonie-Prinzip und ist auch in den Geisteswissenschaften verpflichtend.
Das Hauptproblem bei dieser Definition von 'EBTs' ist natürlich das Kriterium "spoken by the historical Buddha and his contemporary disciples", das alleine schon aufgrund fehlender historischer Belege (zeitgenössische Manuskripte, archäologische Befunde ...) weder verifizierbar noch falsifizierbar ist. Dieses Problem sehen die Autoren allerdings selbst auch:
Zitat
The variations and divergences in the Buddhist traditions, as well as the lack of direct manuscript or archaeological evidence for the life of the Buddha, are real and important considerations, which should raise questions for any serious inquirer as to what the historical foundations for the Buddhist religion really are. However, it is overly sceptical and unscientific to conclude from the lack of such direct evidence that we cannot say anything, and that we cannot reach firm conclusions. Science works from indirect and inferred evidence, and the preponderance of such indirect evidence points to the authenticity of the EBTs.
Das ist selbst im geisteswissenschaftlichen Bereich mehr als nur blauäugig. Bei einem Fehlen von Beweisen ("lack of direct evidence") kann man "from indirect and inferred evidence" (das würde man nun korrekter mit 'Indizien' statt 'Beweisen' übersetzen) ausgehend Hypothesen, vielleicht auch eine Theorie formulieren, aber keine sicheren Schlüsse ("firm conclusions") ziehen. Dies zu behaupten, ist nicht nur in sich widersprüchlich, es ist auch intellektuell unredlich.
Genau daran krankt dann auch die Definition von Authentizität, mit der die Autoren zunächst (als eine der "Definitions" der Untersuchung vorangestellt) vorgeben, zu arbeiten
Zitat
Authenticity: An authentic text is one whose provenance is what it says it is. In this case this means that texts that purport to be the words of the historical Buddha and his immediate disciples were in fact spoken by them.
Das ist zweifellos eine Definition, mit der zu arbeiten im Sinne der Aufgabenstellung der Autoren -
Zitat
There are two main aspects to our argument: (1) there is a body of Early Buddhist Texts (EBTs), which is clearly distinguishable from all other Buddhist scripture; (2) these texts originated from a single historical personality, the Buddha.
- sinnvoll wäre. Wenn diese Authentiziät denn in irgendeiner Weise nachweisbar wäre. Man beachte, dass in der oben zitierten Aufgabenstellung schon deutlich zurückgerudert wird. Da ist nun nicht mehr von "spoken by the historical Buddha" die Rede, sondern von "originated from .... the Buddha". Während nun offensichtlich ist, was "spoken by the Buddha" bedeutet (und auch, dass es keine Möglichkeit gibt, dieses Kriterium wissenschaftlich nachzuweisen), so wird der Leser auf bemerkenswerte Weise im Unklaren gelassen, was "originated from the Buddha" nun ganz konkret bedeuten soll. Insbesondere, wie aufgrund eines solch unscharfen Kriteriums wie 'von Buddha herstammen, von ihm begründet' eine scharfe Unterscheidung zwischen EBTs und Non-EBTs überhaupt möglich sein soll.
Immerhin räumen die Autoren ein:
Zitat
We are not denying the obvious fact that the texts bear all the marks of redaction and editing, and that they have been optimised for the oral tradition. There are even a few cases where the editorial hand seems to have added interpretations to existing ideas. But to assume from this that the literature as a whole has not conserved the central ideas propounded by its founder, or even that it was invented ad hoc by redactors, is to lose sight of the distinction between editing and composing. So when we say that the texts were “spoken by the Buddha”, we mean it in this non-literal sense. Clarifying the exact nature and degree of the editorial influences on the EBTs is one of the primary tasks of the student of Early Buddhism.
Das ist grundsätzlich richtig (wobei unklar bleibt, wie "nature and degree of the editorial influences" überhaupt "exact" bestimmbar sein soll), aber auch nochmals kräftig relativiert - statt "spoken by the Buddha" ist nun nur noch von "the central ideas propounded by [Buddha]" die Rede. Es wäre mE durchaus sinnvoll gewesen, gleich an dieser Stelle auch diese "zentralen Ideen" Buddhas zu nennen - es sind meines Erachtens gar nicht so viele: catvāri āryasatyāni (duḥkha, samudaya, nirodha, ārya aṣṭāṅga mārga mit seinen Aspekten śīla, samādhi, and prajñā); trilakṣaṇa und nirvāṇa (in tibetischer Diktion die hier schon genannten 'vier Siegel'), triratna. Einen Katalog der "central ideas propounded by [Buddha]" wird man in der Arbeit allerdings vergeblich suchen, womit das, worum es da eigentlich gehen sollte - nämlich 'Authentizität' - bemerkenswert unscharf bleibt.
Diese Grundideen ("central ideas") wären also die Kriterien einer Authentizität entsprechend der Definition der Autoren und deren Relativierung von “spoken by the Buddha” im Sinne von "the central ideas propounded by [Buddha]". Wobei allerdings dem ersten Teil der These der Autoren - zur Erinnerung:
Zitat
(1) there is a body of Early Buddhist Texts (EBTs), which is clearly distinguishable from all other Buddhist scripture
- der Boden entzogen ist. Im Zweifelsfall lese man oben nochmals nach, was da als "Non-EBTs" aufgeführt wird und überlege, inwiefern diese (insbesondere Mahāyāna Sūtras) denn nun "clearly distinguishable" nicht "the central ideas propounded by [Buddha]" vertreten bzw. ihnen sogar widersprechen sollten. Zur Erinnerung - es wird ja zugestanden, dass selbst in den als EBT klassifizierten Texten die "central ideas" einem historischen Prozess von "redaction", "editing" und "optimising" unterworfen waren. Die Gesichtspunkte, nach denen überlieferte Ideen durch einen Prozess von "redaction", "editing" und "optimising" für ein Publikum aufbereitet werden, können - bedingt durch das Publikum sowie weitere soziale und historische Umstände - sehr unterschiedlich sein, entsprechend auch die Prozesse. Nicht zuletzt kann es in einem überlieferten Ideenkomplex durchaus auch unterschiedliche Gewichtungen (bis hin zum Ignorieren) einzelner Ideen geben. Ich muss da immer an diesen einen Arhat denken, der zum ersten Konzil kommen sollte, das Ansinnen aber höflich ablehnte. Er habe zwar nichts gegen diese Idee mit der Kanonisierung, aber er zöge es vor, den Dharma so weiterzugeben, wie er selbst ihn von Buddha empfangen habe statt sich auf das Gedächnis von Buddhas Kammerdiener zu verlassen.
Das Projekt 'Authenticity of the Early Buddhist Texts' entlarvt sich hier in meinen Augen lediglich als die jüngste Neuauflage altbekannten Sektierertums. Mit anderen Worten: es geht um die Propagierung einer vorgeblichen Orthodoxie - nur dass diesmal nicht der Palikanon alleine die dafür verbindliche Basis hergeben soll, sondern freundlicherweise auch noch die Āgamas dazu herangezogen werden sollen. Das ist eine Rückfallposition, nachdem sich die Propagierung des Palikanon (insbesondere des Suttapitaka) als 'vox ipsissima' des historischen Buddha wissenschaftlich als völlig unhaltbar erwiesen hat; ironischerweise gerade durch den Abgleich mit den Āgamas. Die Kehrseite ist denn auch dieselbe wie immer: Ausgrenzung und Diffamierung Anderer als heterodox.
Nun ist das aber kein Vorwurf, den ich Pamokhha machen möchte. Er schreibt konkret von
pamokkha:
- und dies verstehe ich im Sinn der oben genannten "Grundideen", "central ideas" - und wendet darauf vier mögliche Urteile an:
pamokkha:
- sie finden sich in den frühbuddhistischen Texten (FBTs),
- sie finden sich nicht in den FBTs,
- sie im Einklang mit den FBTs und
- sie sind nicht im Einklang mit den FBTs.
-
Woraus er die Fragestellung ableitet:
pamokkha:
wenn eine Aussage sich nicht in der frühbuddhistischen Literatur findet und gleichzeitig im Widerspruch zu diesen steht, kann man dann von authentischem Buddhismus sprechen.
Meine Antwort: wenn man hier 'Authentizität' wie Bhikkhu Sujato und Bhikkhu Brahmali definiert, also als etwas, das "central ideas propounded by [Buddha]" ausdrückt, dann ist eine Aussage, die diesen "central ideas" widerspricht, nicht authentischer Buddhismus. Dies allerdings mit dem caveat versehen, dass meine Auffassung davon, was im Einzelnen die "central ideas" sind, möglicherweise mit Pamokkhas nicht übereinstimmt und auch, dass ich persönlich nicht meine Hand dafür ins Feuer lege, dass alle der von mir oben aufgeführten "central ideas" tatsächlich direkt und unmittelbar auf den historischen Buddha zurückgehen. Ich halte diese personenbezogene Sicht grundsätzlich nicht für hilfreich und, nebenbei bemerkt, auch bei der Untersuchung anderer Religionen (z.B. Christentum, Islam) für irreführend. Aber da habe ich durch meine Praxistradition bedingt wohl auch ein anderes Verständnis des Zufluchtsobjektes 'Buddha' als Pamokkha.
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