Beiträge von Ayudha im Thema „Diamantweg was haltet Ihr davon“

    Choenyi:
    Ayudha:


    ganz liebe Grüße
    choenyi :star:


    Danke für die Erklärung. Ich habe jetzt nur das Zitat oben kurz eingefügt, damit der Folgepost nicht zu riesig wird und du mitkriegst, dass ich auf deinen Post noch weiter eingehe. Die Ausführungen waren sehr umfassend und für die meisten wären damit sicher alle Fragen erloschen. :) Aber ich bin ein Quälgeist. :P
    Eigentlich führt das jetzt erst mal vom Diamantweg als gesonderte Linien weg und zum Vajrayana allgemein. Das wird wieder ein längerer Text, aber ich hoffe es regt noch in irgendeiner Form an und wird nicht nur als "lästig" wahrgenommen. Ich weiß, dass ich zuweilen sehr "stochere". Aber ich finde es nach wie vor interessant:


    Ich möchte nochmal folgendes erklären - und zwar nicht, um zu prahlen wie toll ich wäre - ich hoffe ich krieg dann auch die Kurve zu der eigentlichen Frage:


    Alles was du mir erklärt hast ist mir schon bekannt. Ich studiere seit über 10 Jahren nun Buddhismus/Religionswissenschaft - sowohl allgemein als auch speziell. Besonders asiatische Geisteslehren sind mein Schwerpunkt - darunter eben Buddhismen. Ich kann mehrere Sprachen des Buddhismus u.a. etwas tibetisch und Vajrayana habe ich jetzt auch nicht nur flüchtig untersucht. Ich bin kein klassischer Gelehrter, der Dinge nur aus Büchern gelernt hat, sondern ich bin viel in die Feldforschung gegangen - habe unheimlich viele Interviews mit Lamas/Gurus/Yogis etc. gehabt und habe einen sehr breiten Querschnitt erfahren von dem was man alles als Buddhismus verstehen kann. Und ich sehe ALLE Linien, und seien sie noch so eigenartig für den einen oder anderen als historische Entwicklungen - sie sind da. Ob ich das mag oder nicht spielt da keine Rolle. Ich versuche nur zu erkennen - was ist der Kern/Sinn einer Linie und wie machen die das und dann IMMER die wichtigste Frage - Warum glauben die Anhänger das?


    Ich mache mal mit mir den Anfang:
    Warum bin ich jetzt Theravadin? (war mal anders)
    Weil der PK und die Lehre rational überprüfbar ist und egal wo und wie ich sie anwende sie immer wieder reliabel und valide funktioniert. Sie ähnelt einem unwandelbaren Naturgesetz. Der Einzelne kann mit seinem Subjektivismus/Irrationalität nichts am Ergebnis der Lehre ändern. Das schafft ein enormes Inklusionspotential. Deswegen glaube ich, dass Theravada die Linie ist, von der alle Wesen am meisten profitieren können.


    Warum dann kein Vajrayani?
    Weil Tantra die Rationalität der Lehre aufhebt und ein subjektives Bezugssystem daraus macht. Der/die Einzelne kann mit dem eigenen Subjektivismus/Irrationalität das Ergebnis beeinflussen. Mehr noch - er kann Dinge beeinflussen mit welchen er/sie keinen rationalen Zusammenhang hat. Er nimmt seine eigene Irrationalität als die Ultima Ratio an. Das schafft ein enormes Exklusionspotential und schafft bestimmte Hierarchien, von welchen nicht alle Wesen gleichermaßen profitieren können.



    Thematisch zum Inhalt:


    Das eine Gottheit in Tibet eine andere Entität als im europäischen Kontext ist für mein Fach Grundwissen. Ebenso ist das kein Alleinstellungsmerkmal des Vajrayana - du wirst die gleiche Systematik bei den japanischen Linien finden in Form von Tenbu, Myo, Bosatsu und Butsu.



    Diese "tiefen Bedeutungen" von denen du sprichst sind mir - auch wenn das unglaubwürdig klingt - durchaus bekannt. Es war genau mein Ziel am Anfang des Studiums solche kulturellen Abbildungen bestimmter Geisteskonzepte deskriptiv aufschlüsseln zu können. Und so tief sind sie nach meiner Erfahrung nicht - sie sind i.d.R. sehr systematisch und funktional. Es braucht schlicht ein bisschen Arbeit, um die breiten religiösen Inhalte aufeinander beziehen zu können - dazu muss man aber kein Guru oder Meister sein. So kompliziert ist das alles nämlich gar nicht. Zumal man Tantrismus dieser Art schon lange vor dem tibetischen Buddhismus kennt in Form des klassischen Tantrismus des vedisch-hinduistischen Kosmos. Und genau hier wird es eben spannend - die haben nämlich beide das gleiche Ziel - eine höhere Wiedergeburt. Im Vajrayana, aber auch Mahayana ist der Bodhisattvagedanke ja sehr wichtig. Es gilt besonders im Vajrayana auch die Annahme ein Bodhisattva oder gar ein weiser Yogi könne seine Wiedergeburt vorhersagen und steuern. Eben magische, übernatürliche Fähigkeiten entwickeln, die aus der Methode erwachsen seien. Sprich: Da seien wenige Individuen, die sagen sie seien in der Lage metaphysische Gesetze so beeinflussen zu können, dass diese ihrem Willen unterlägen, weil sie geheimes Wissen angewendet haben, dass wiederum nicht überprüfbar ist. Ich würde das als Aberglaube bezeichnen. Hier werden nun eben diese Fähigkeiten in den Kontext des Buddhismus gestellt, man könne durch solche Praktiken irgendwann eine Stufe erreichen, die dem "Erwachen" gleich kämen, es sogar bewusst steuern. Das konnte Buddha z.B nicht. Zur Vermittlung dieser hierarchisch gegliederten Geheimlehren, denn nichts anderes sind sie, bedient man sich eines gewaltigen Symbolsystems, dass aus einem bunten Mix vedischer/hindugener und ein paar wenigen bön´schen Vorstellungen besteht. (Kalamala bzw. Mahakala wären da ein Beispiel - das ist per se vorbuddhistische Magie. Oder das Laute Mantras seien und die Farblehre etc. - das ist alles schon vor Buddha lange da gewesen und war reine Magie, vedsiche Geheimlehren der Upanishaden und anderer)


    Das heißt die Kernfrage ist hier erneut für mich - und wenn du die ohne abstrakte Erklärungen in 2-3 Sätzen beantworten kannst ist für mich jede weitere Frage zufriedenstellend beantwortet beantwortet:


    Warum glaubst du an magische Geheimlehren und dass sie funktionieren?


    und aus buddhistischer Perspektive:


    Warum ist für dich ein Buddhismus, der mehrheitlich vorbuddhistische Praktiken als Methode nutzt attraktiver, als jene, die durch Buddhas Lehre selbst begründet sind? Warum Vajrayana und nicht Amida, oder Zen, oder Theravada?


    Danke für den Text und die Stellungnahme - aber ich verstehe es nach wie vor nicht. Ich stelle mich wirklich nicht dumm oder stur - ich kann den Gedankengängen einfach nicht folgen. Nichtmal aus dem Theravada heraus, sondern einfach aus der Logik nicht.


    Es wurde eigentlich nur noch "schwammiger" in meinem Kopf und ich habe nur noch mehr Fragen und Unklarheiten. Belassen wir es einfach mal dabei. Nur eines möchte ich gerne auf diese abstrakte Weise versuchen zu erklären:


    Warum ist es gut in das eigene Verderben zu springen (Krokodilgeschichte) und einen sinnvoll gegebenen Rat nicht einfach vorher Aufmerksamkeit zu schenken, damit man diese Erfahrung nicht unnötig erfährt?
    Ich bringe jetzt mal mein Verständnis vom PK mit rein:


    Wenn der Diamantwegler derjenige ist, der einfach in den Krokodilteich springt, obwohl es schon ein Hinweisschild gibt, dass ihm die Konsequenzen seines Handelns aufzeigt, dann verhält er sich doch schlicht ignorant und nicht aufmerksam.


    Sagen wir mal
    Schwimmen = Buddhistische Praxis, die zum Nirvana führen soll


    Das Hinweisschild IST der PK, also nicht die Theravada, sondern einfach nur der PK als Buddhas direkte Lehren, deren Kerninhalte in ALLEN Linien gleichermaßen angenommen werden.
    Wenn der PK sagt "Vorsicht Krokodile!" bzw. "Sichere Sackgasse" - wieso ist es dann sinnvoll das zu ignorieren aus Spaßsucht am Schwimmen/Praktizieren? :?
    Man muss nicht überall reinspringen, um dann selbst herauszufinden ob es was bringt. In manches ja, aber wenn von vorneherein gesagt ist "Dieses oder dieses KANN nicht zum Ziel führen" von demjenigen, der das Ziel überhaupt erst benannt hat - wieso erwartet man dann trotzdem, dass es zum Ziel führt?


    Natürlich hatte Buddha keine gesammelten Texte und natürlicherweise kann man das Nirvana auch aus sich heraus erreichen - es ist nur die Frage wer die Lehre vermitteln kann. Aber das zu diskutieren ist denke ich nochmal ne ganz andere Kiste. Da sind wir wirklich bei den thematischen Unterschieden zwischen Theravada/Vajrayana.

    fotost:


    Darf ich Dich bitten, einen Ausdruck wie 'kleiner Weg' zu vermeiden, solange es nicht um eine historisierende Betrachtung geht? Du gehst respektvoll damit um, es wäre schön, wenn aus diesem Respekt die Einsicht wächst, daß Begriffe, die innerhalb der eigenen Gruppe vielleicht ganz neutral verwendet werden für andere wie eine Abwertung wirken können.


    Es gibt andere sachliche Begriffe für das was Du meinst :)


    Ist das echt so, dass sich hier Theravadins wegen dieser Bezeichnung diskriminiert fühlen? :?
    Skandhalös :lol:


    Weißt was ich beachtlich finde:
    Im Zentrum wurde mir fast das gleiche Beispiel nur mit einem Wald und nem Tiger erzählt.
    Auch die weitere Erklärung ist im Wortlaut fast die Gleiche.
    Die Geschichte mit den Krokodilen sind genau das was ich mit "abstrakten Erklärungen" meinte - was auch immer du damit ausdrücken wolltest es kam bei mir jetzt nicht an.
    Was wolltest du damit genau ausdrücken?


    Ich mag nicht nur die Philosophie und die Texte, ich mag sie auch praktisch anwenden zu können und vor allem mit anderen darüber zu sprechen und sich auszutauschen. Das ging nun mal im Diamantwegzentrum nicht so wirklich und das war bis auf mit richtigen Hardlinern des Theravada bisher das erste mal, dass so gar kein Austausch stattfand. Ich hatte oft eher das Gefühl man versuchte mich dafür zu begeistern, dass diese Linie total klar und deutlich sei - auch so Dinge wie "Der Karmapa ist der größte Yogi des Buddhismus" - da waren einfach so viele Dinge im Umlauf, dass mir das alles eben genau das Gegenteil von klar und deutlich war.


    Sieh mal z.b. dieses "Ja durch die Lamas geringschätze ich den kleinen Weg (ich nehme an du meinst Theravada) nicht - ohne ihn wäre Diamantweg nicht möglich"
    - Ich verstehe da keinen Sinnzusammenhang. Kannst du mir den kurz erklären was deine Lamas mit einer Wertung des Theravada allgemein zu tun haben, oder warum man aus diesen eine wertende Perspektive auf den Theravada werfen kann?


    Oder


    "Es ist aber so, dass man auf dem Diamantweg schneller vorankommt, setzt aber Vertrauen und viele gute Eindrücke im Geist vorraus"
    "Zusätzlich dazu arbeitet man im Diamantweg mit dem Entwickeln von Mitgefühl und Weisheit und dem Halten der reinen Sicht"
    - Das ist kein Alleinstellungsmerkmal des Diamantweges, das machen fast alle Mahayanas/Vajrayanas. Woher nimmst du den Anspruch zu sagen, dass man auf dem Diamantweg schneller voran komme? Schneller wohin? (Wo du gleichzeitig um Geduld bittest :?: )


    "Das Ego nutzen wir als Antrieb um uns zu entwickeln. Vielleicht sind wir dann am Anfang erst mal die vorzüglichen und viel besseren Buddhisten... das ändert sich aber durch die Praxis der Meditation und der Anwendung der Mittel im Alltag. Habt da ein wenig Geduld mit uns."
    - Geduld oder Ungeduld sind für mich nicht wichtig - ich verbiete ja niemandem was und ob etwas zum Ziel führt ist für mich als nicht-Praktizierender dieser Linien auch nicht wichtig. Nur, ob die Praktizierenden mir erklären können was und warum sie etwas machen.

    Aber hier stellt sich mir die Frage: Ist es überhaupt möglich sein Ego dadurch zu überwinden, indem man es als zentrale Antriebskraft für eine Transformation benutzt? Erschafft man da nicht einfach nur ein neues Ego, dass aber gleichermaßen durch die 5 Skandhas bedingt wurde? Man führt sozusagen den Kreislauf einfach fort und sagt "Alles wird anders dieses mal"?
    Wie soll man da irgendwann Nirvana erlangen?
    Kannst du mir das irgendwie darlegen, ohne dabei ins Abstrakte zu gehen?

    Morpho:

    Was bedeutet "besucht"?

    Zitat

    Nicht dass der falsche Eindruck entsteht - ich besuche im Rahmen meines Berufs bzw. meines vergangenen Studiums regelmäßig alle möglichen Zentren/Häuser/Linien etc. Die letzten Jahre eher im Ausland und nun seit knapp 4 Jahren reise ich in der BRD hin und her.


    Bist du Referent ? Oder wie kann man sich das vorstellen ? Habe gerade echt keine Idee, wie das gehen sollte. :?


    Ehemaliger Doktorand für Religionswissenschaft Schwerpunkt Kulturforschung/Buddhismusforschung ^^
    Da war ich in den letzten 10 Jahren doch ein bisschen unterwegs.


    Und in der BRD schaue ich wenn ich eine Stadt bereise auch immer mal nach wen man vor Ort diesbezüglich mal besuchen kann.

    void:
    Ayudha:

    Mir geht es ganz simpel darum, dass ich die Vielfalt der Sangha nachvollziehen kann und dass ich verstehe wie in der BRD Buddhismus verstanden und gelebt wird.
    Wenn mich jetzt z.b. ein Studienkollege aus Birma fragt "Oh wie ist das bei euch in Deutschland mit Buddhisten/innen und Buddhismus" - dann möchte ich ihm breit und umfassend so viel Auskunft geben können wie möglich. Welche Traditionen es gibt, was die machen, wie ihre Methodik aussieht, wie Übertragungslinien gestaltet sind usw. Besonders will ich auch markante Unterschiede erklären können - denn die Auffassung dessen was Buddhismus ist und wie man das praktiziert sind aufgrund des westlichen Bezugsrahmens sehr anders, als in traditionell buddhistischen Ländern.


    Also in diesem fall, wäre es veilleicht am besten, wenn du eine Zentrum einer andere "Karma-Kagyü" Linie besuchst. Damit du besser unterscheiden kannst, welche Sachen, die du seltsam findest Teil der Tradition sind und welche Sachen auf den speziellen, flippig-unkoventionellen Heranghensweise von Lama Ole und seiner Organisation zurückgehen.


    Schon längst passiert. Habe auch nochmal eins vorher etwas genauer beschrieben was und wie ich verschiedene Linien besuche :)
    Deswegen kam es mir dort ja schon sehr eigen vor. Das kannte ich aus der Karma Kagyü bisher doch recht anders.


    Sowohl Feldforschung, als auch persönliches Interesse, weil ich gerne über die Buddhisten/innen in meiner Heimatstadt Bescheid wissen mag.


    Nicht dass der falsche Eindruck entsteht - ich besuche im Rahmen meines Berufs bzw. meines vergangenen Studiums regelmäßig alle möglichen Zentren/Häuser/Linien etc. Die letzten Jahre eher im Ausland und nun seit knapp 4 Jahren reise ich in der BRD hin und her.


    Diamantweg war nur eine von vielen Linien, die ich besucht, beobachtet etc. habe.
    Andere waren Nyingma, Kagyü, Sakya, Gelug, Amida (Nembutsu), Zen (Shingon / Soto / Rinzai ), Chan, Engaged Buddhism (Thich Nath Hanh) etc.


    Diamantweg würde ich jetzt nicht per se als "Vajrayana in der BRD" bezeichnen - es ist eine gesonderte Richtung, die nichts desto Trotz in der BRD sehr viele Anhänger stellt. Ich sagte ja auch - dort sind viele Dinge anders, als ich sie aus den meisten anderen Linien kenne.


    Ich fand die Leute wiegesagt sehr nett und lieb - ihre Art Buddhismus zu leben empfand ich aber eher schade, weil es so abstrakt war, ohne sich näher mit der Lehre an sich zu befassen.

    Lucy:
    Ayudha:

    Das hinterfragen anderer ist ganz und gar nicht sinnlos. Es gibt mir Einblicke wie und warum Menschen bestimmte Dinge praktizieren, oder eben nicht. Ich frage immer nur, ob es einen rationalen Grund gibt - den gibt es oft einfach nicht - deshalb stelle ich immer Fragen.


    Mir geht es ganz simpel darum, dass ich die Vielfalt der Sangha nachvollziehen kann und dass ich verstehe wie in der BRD Buddhismus verstanden und gelebt wird.
    Wenn mich jetzt z.b. ein Studienkollege aus Birma fragt "Oh wie ist das bei euch in Deutschland mit Buddhisten/innen und Buddhismus" - dann möchte ich ihm breit und umfassend so viel Auskunft geben können wie möglich. Welche Traditionen es gibt, was die machen, wie ihre Methodik aussieht, wie Übertragungslinien gestaltet sind usw. Besonders will ich auch markante Unterschiede erklären können - denn die Auffassung dessen was Buddhismus ist und wie man das praktiziert sind aufgrund des westlichen Bezugsrahmens sehr anders, als in traditionell buddhistischen Ländern.


    Äh wozu möchtest du für den Buddhismus in der BRD sprechen können?


    Ich habe ein recht breiten internationalen Freundes/Kollegenkreis an den verschiedensten Universitäten Asiens. Buddhismus ist mein/unser Forschungsschwerpunkt und wir versuchen unsere vorliegenden Traditionen deskriptiv nachvollziehbar zu machen.

    Morpho:

    Glaub nicht dass du ieine Tradition findest die Areligiös ist. Und was die Säkularen betrifft, kann man bisher nicht von einer Tradition sprechen. Vielleicht mieten sie sich deswegen gern in spirituellen oder buddhistischen Zentren ein :grinsen:


    Ich definiere Religion eben auf eine bestimmte Weise. Religion ist mehr ein psychologische Kategorie für mich - es ist reine Kontingenzbewältigung. Rationale Kontingenzbewältigung ist zwar theoretisch möglich, aber unser Verstand kann das eigentlich nicht leisten.

    Morpho:
    Zitat

    Ich frage immer nur, ob es einen rationalen Grund gibt - den gibt es oft einfach nicht - deshalb stelle ich immer Fragen.


    Es gibt also oft nur irrationale Gründe Mahayana, Zen, Vajrayana zu praktizieren ? Okey.
    Vielleicht liegt das ja daran, dass sich Mahayana, Zen, Vajrayana nicht in Gelehrtheit(en) erschöpft...
    Das Thema Mantra, würde ich sagen, ist auch noch mal eins für sich, aber als Umweg betrachte ich Mantra keineswegs. Nicht unisono jedenfalls.
    Ich hab letzten Sommer einige Wochen zum Beispiel mit dem sg.
    Dharani der Essenz des Entstehens in Abhängigkeit gearbeitet. Sein Ursprung geht auf die Sutten zurück (Shariputta; Mahavagga). Das führte unmittelbar auf mich selbst zurück.


    Nein nicht einzelne Traditionen - religiöses Handeln allgemein. Da gibt es oft keine rationalen Gründe. Ich habe das jetzt nicht auf eine besondere Tradition bezogen.
    Ich z.b. bin ebenfalls aus völlig irrationalen Gründen Theravadin/Buddhist etc.
    Es ist reine Kontingenzbewältigung wie bei nahezu jedem Menschen.

    Lucy:

    Ok, dann mach mal dein Ding, ich praktiziere halt tibetisch.


    Das ganze hinterfragen anderer ist doch sinnlos, wenn man eine gute eigene Anbindung hat. Um was es dir genau geht, da kannst du nur selbst noch mal schauen... Ich hab mich früher immer nur mit allem möglichen gerieben, solange ich mir unsicher war.


    ...Und selbstverständlich sind die praxistexte auch übersetzt, eine Sadhana rein in tibetisch würde keinen Sinn machen.


    Natürlich. Das war nie meine Intention jemandem seinen gewählten Weg abzusprechen.


    Das hinterfragen anderer ist ganz und gar nicht sinnlos. Es gibt mir Einblicke wie und warum Menschen bestimmte Dinge praktizieren, oder eben nicht. Ich frage immer nur, ob es einen rationalen Grund gibt - den gibt es oft einfach nicht - deshalb stelle ich immer Fragen.


    Mir geht es ganz simpel darum, dass ich die Vielfalt der Sangha nachvollziehen kann und dass ich verstehe wie in der BRD Buddhismus verstanden und gelebt wird.
    Wenn mich jetzt z.b. ein Studienkollege aus Birma fragt "Oh wie ist das bei euch in Deutschland mit Buddhisten/innen und Buddhismus" - dann möchte ich ihm breit und umfassend so viel Auskunft geben können wie möglich. Welche Traditionen es gibt, was die machen, wie ihre Methodik aussieht, wie Übertragungslinien gestaltet sind usw. Besonders will ich auch markante Unterschiede erklären können - denn die Auffassung dessen was Buddhismus ist und wie man das praktiziert sind aufgrund des westlichen Bezugsrahmens sehr anders, als in traditionell buddhistischen Ländern.


    Zu 1. - Ich dachte mal das wäre sinnvoll, bis ich Sanskrit/Pali und etwas Tibetisch gelernt habe - ab da war ich überhaupt erst in der Lage zu begreifen, ob etwas einen Sinn für mich macht oder nicht, weil man da erst die Einsichten der Praxis selbst begriffen hat - zumindest ging das mir und meiner ganzen Lerngruppe so. Erst dann fing meine Praxis nachhaltig an zu wirken. Das war irgendwie, als hätte ich bis dahin nur an der Oberfläche gekratzt und dann erst verstanden um was es bei welcher Praxis überhaupt geht. Und es ging eigentlich fast allen Mitstudenten/Studentinnen auch so - wir waren insgesamt 14 Mann/Frau und nachdem wir Sanskrit/Pali konnten wurden aus Zen-, Vajrayana- und Mahayana- Anhängern alle Theravadin, weil alle die gleiche Erkenntnis hatten - ich muss den Blick auf mich richten, nicht auf etwas externes, dass dann den Blick irgendwann wieder zu mir führt. Wozu dieser Umweg ins Ungewisse?


    Zu 2. - Naja - ein realer Effekt, der unabhängig meiner Vorstellung eintritt. Eine rationale Wirkung auf eine rationale Ursache.


    Zu 3. Es passt immer ;)

    nyalaana:

    Jetzt mach ich einmal eine gewagte Behauptung. Es gibt sicher viele Ebenen auf denen verschiedene Praktiken sinnvoll sind. Aber einen Punkt haben die meisten Praktiken gemeinsam. Wenn man konzentriert bei einer Praxis ist, häuft man kein "negatives" Karma an, sprich solang man ein Mantra chantet, auch wenn man nicht 100% weiss, was es alles bedeutet, auch wenn man einen Text in einer Sprache rezitiert die man nicht versteht, und die man wohl auch falsch ausspricht, in dieser Zeit ist man selten damit beschäftigt, über den Nachbarn zu lästern, sich auszudenken wie man den nächsten Kunden über den Tisch ziehen kann und wie man die letzte Gemeinheit, die einem der Arbeitskollege an den Kopf geworfen hat, zurückzahlen kann. Sprich in dieser Zeit gewöhnt man sich daran "rechte Rede" zu praktizieren, und die Silas einzuhalten. Das mag banal klingen und einem wie verarsche vorkommen. Ich würde diesen Effekt aber nicht unterschätzen. Das ist vielleicht sowas wie der kleinste gemeinsame Nenner der verschiedenen Praktiken. Vielleicht ist es dann auch sowas wie eine unbewusste Entscheidung die 5 Silas einhalten zu wollen.
    Ich habe jedenfals bei mir festgestellt, dass sich Praxis positiv auf mein Leben auswirkt. Und dann ist es mir auch relativ Wurst wie der Vorgang heist der da bei mir gewirkt hat (Autosugggestion, Selsbst-Gehirnwäsche), ich muss ihn nicht intelektuel benennen können. Wichtiger ist mir, dass sich mein Leben positiv verändert und ich glücklicher und zufreidener werde.


    Ich glaube so einfach ist das mit "kein negatives Karma ansammeln" dann doch nicht.
    Verstehe ich das richtig, dass dir egal ist was du machst solange die gewünschte Wirkung eintritt?


    Autosuggestion bedeutet, dass es nicht real ist und nur auf einem Schein beruht, den man selbst aufrecht hältst. Buddhistisch ausgedrückt - man geht den Skandhas da grad wieder auf den Leim und überschreibt eine konstruierte Illusion mit einer weiteren konstruierten Illusion, aber nimmt sie als real wahr. Das sollte man schon kritisch im Hinterkopf haben, denke ich. Würde ich als Teil der Achtsamkeit betrachten, dass man nicht weiteren Trugbildern des Geistes erliegt. Gerade jene, die sich scheinbar gut anfühlen sind ja das, was Anhaftungen erzeugt.


    Ich kann das jetzt nicht wirklich bewerten, da ich dich nicht kenne. Solange es dein Leben verbessert und du dadurch den Eindruck hast, dass "es besser läuft" und du mehr echtes Glück empfindest nur weiter so. Oder wenn du bestimmte negative Eigenschaften damit tatsächlich eliminieren konntest.


    Nur bin ich eben mit "erfahrenem Glück zwecks bestimmter Praktiken" vorsichtig geworden - habe halt oft auch das Gegenteil erlebt, wie sich neu erfahrenes Glück erneut als "skandhalöser" :grinsen: Irrweg entpuppte und großes Leid mit sich brachte. Das finde ich dann immer schade.

    Lucy:

    Wie heißt denn deine Frage - habe ich wohl falsch verstanden.


    Mahakala oder Kalamala (aus Mahabharata / Rigveda) - ja.


    Die Frage/n lauten für mich:


    Wie sinnvoll ist es Praktiken/Traditionen einer Kultur anzunehmen zu der man weder sprachlich noch kulturell eine Verbindung hat?


    Ist es nicht ein bloßes Nachahmen einer Sache, deren Wirkung man durch Autosuggestion selbst erzeugt?


    Ist die Handlung/Tradition dann nicht in sich selbst sinnlos und wird nur durch das subjektive Empfinden des Praktizierenden bestimmt?

    Lucy:

    Hab nicht alles gelesen und bin auch etwas unsicher, ob du noch bei Fragezeichen bist, oder schon bei Hmmm abwerten?


    Nur ganz kurz: es ist ein Mittel, die vielen Konzepte, die man so hat, erst mal durch bestimmte 'heilsame' Konzepte zu ersetzen. Vorläufig.


    Und nein, ich war noch nie bei LON oder einem seiner zehnten.


    Abwerten - nein. Ich denke einfach frei darüber nach wie mit allen anderen Traditionen auch. Ich spreche niemandem seine Berechtigung ab, oder seine Methodik.
    Nur verstehe ich nicht alles, oder ich verstehe den tieferen Sinn nicht automatisch hinter bestimmten Phnänomenen.


    "Nur ganz kurz: es ist ein Mittel, die vielen Konzepte, die man so hat, erst mal durch bestimmte 'heilsame' Konzepte zu ersetzen. Vorläufig."
    - Das war ja nicht die Frage, dass es keinen Sinn hätte :)


    Copy&Paste von http://www.buddhanetz.net/theravada-und-mahayana-buddhismus/
    wenn ich nicht irre? :)


    Mir ist das jeweilige Fahrzeug ebenfalls nicht sonderlich wichtig. Wichtig ist für mich, dass jemand mir erklären kann warum er was praktiziert. Und die Erklärung sollte in irgendeiner Weise mit den buddhistischen Grundprinzipien zusammenhängen. Die Ausgestaltung kann stets unterschiedlich sein.


    Bsp.
    Wenn mir jemand sagt, dass er zusätzlich zum Lama und zu den Bodhisattvas Zuflucht nimmt, dann frage ich stets "Wozu ist das gut? Welchen praktischen Nutzen hat dies? Ist es notwendig, um Nirvana zu erlangen?"


    Wenn die Antwort "Ja" ist, dann frage ich immer warum es dann in anderen Traditionen NICHT wichtig ist.
    Wenn die Antwort "Nein" ist, dann frage ich immer welchen Nutzen es dann erfüllt.


    Klarheit und Einsicht hat für mich auch damit zu tun, dass man Dinge nicht sinnlos macht, sondern seine eigenen Handlungen klar und in Zusammenhang mit der Wirkung dieser sieht.


    Konkret jetzt am "Diamantweg" bzw. die eigenen Erfahrungen damit:
    Nach jeder abendlichen Meditation wird eine tibetische Beschwörungsformel (obwohl dort keiner tibetisch kann) für den Kalamala "schwarzer Mantel" (obwohl dort keiner weiß woher dieses Symbol stammt) rezitiert.
    Keiner versteht den Inhalt, keiner weiß was er da beschwört, aber weist dem die Funktion zu, dass der "schwarze Mantel" die "heilsamen" Einsichten der Meditation im Alltag bewahrt und negative Gedanken abwehrt.
    Und jetzt wird es interessant:
    Wie soll das bitte funktionieren?
    Man erkennt etwas nicht, weiß nichts über seine Bedeutung, aber weiß um die Wirkung, die man sich durch das Rezitieren erzeugt? :?:
    Das ist ganz schlichtes autosuggestives Denken und genau davon spricht Buddha sehr oft, wie der Geist Dinge bzw. Objekte erkennt und wie die eigenen Gedanken die Realität formen. Man kann es auch in gegenwärtiger Sprache schlicht als "Aberglaube" bezeichnen. Der alte Wunsch, dass man sich irgendwelche metaphysischen Kräfte nutzbar machen könne - Magie.
    Wenn man jetzt den Kalamala mit einem "Kieselstein der Erleuchtung" austauscht und dazu irgendwas auf Sindarin (elbisch) murmelt hat es den gleichen Effekt, solange man das gleiche davon erwartet. Nicht, weil das Objekt selbst diese Macht hätte, sondern weil man es mit seinen Gedanken so konstruiert.
    Oder ne Schüssel Müsli auf lateinisch beschwört - das Cerealis Aurorum meinetwegen.
    Oder die Bibbedibabbedi-Bu Fee in einer Brabbelsprache von Kleinkindern.
    Das ist an sich eigentlich derselbe Mumpitz, den man in allen anderen irrationalen Religionen vorfindet und den man ganz schlicht mit Psychosomatik erklären kann.

    Unterscheidet sich in keinster Weise davon, wenn sich Christen um das Grabtuch von Turin versammeln und sich davon Schutz erhoffen, oder wenn Muslime um die Kaaba rennen und sich von der Berührung Läuterung versprechen, oder wenn ein nepalesischer Vater zu einem Aghori geht, um ihn darum zu bitten, seine todkranke Tochter mit einer Puja an Shiva zu heilen - wobei hier wenigstens ein realer kultureller Bezug vorherrscht.


    Nur im obigen Beispiel mit dem Kalamala wird dieser erst künstlich erzeugt - man hat i.d.R. ja so gut wie keinen Zugang zur tibetischen Kultur, wenn man keine tibetische Sprache bzw. Dialekt davon versteht.
    Wer was anderes sagt: Lass dich irgendwo alleine in Ütsang aussetzen und schaffe es bis Nepal, ohne dich auf tibetisch bzw. einem tibetischen Dialekt zu verständigen. Keine Chance :grinsen:

    Der gleiche psychische Effekt des Kalamala tritt z.b. auch dann ein, wenn man 50 mal Mantra-artig im Geiste wiederholt "Ich bewahre mir die guten Einsichten der Meditation im Alltag". Dazu muss ich es nicht auf ein mir selbst fremdes Symbol projizieren und mit einer Formel beschwören, die ich nicht verstehe - am Ende muss ich es sowieso selbst leisten ganz gleich auf welche Objekte, Dinge oder Gedanken ich das projiziere.


    Und bei solchen Dingen ist mir eben oft das :?: im Kopf.


    Nicht weil ich die jeweilige buddhistische Tradition damit verunglimpfen will - mich interessiert das eher religionswissenschaftlich:
    D.h. ich frage immer "Warum glauben Menschen bestimmte Dinge."
    Und vom Buddhismus bzw der Lehre her habe ich die Ansicht, dass das besondere eben das ist, dass Buddhas Lehre ohne Autosuggestionen dieser verbildlichten Art auskommt - und das macht sie als religiöse Lehre einzigartig und allgemeingültig. Ihre Funktionalität beruft sich rein auf die Natur des Geistes, die bei allen Menschen gleichermaßen rational und funktional vorkommt. Deswegen ist es mir immer ein Rätsel warum sich einige westliche Buddhisten ganz explizit auf diese Masse an Phänomenen und Bildern, die nur über Autosuggestionen funktionieren können, fokussiert.


    Konkret:
    Warum glaubt ein Westeuropäer, der kein tibetisch versteht und erst in seinem tibetischen Zentrum etwas von einem Kalamala erfahren hat, dass es ihm einen ganz bestimmten Nutzen verspricht, wenn er eine tibetische Beschwörungsformel für das besagte Objekt aufsagt?


    Weil es auf deutsch zu langweilig wäre?
    Weil es "cool" ist so was exotisches zu machen?
    Weil es alle im Zentrum so machen?
    Weil der Lama sagt, dass das so ist?


    Es bleibt einfach nur ein großes :?:


    Man könnte jetzt die gleiche Frage an mich stellen, weshalb ich dann eine Pali/Sanskrit basierte Form praktiziere etc. Aber das ist ne andere Baustelle und hier den kulturellen Bezugsrahmen zu finden hat viele Jahre Studium dieser Sprachen benötigt.


    Sry - ich hatte gerade einfach einen Schreibflash... :(
    Geht vielleicht viel zu weit weg vom Thema

    kilaya:

    Zu dem 10-Minuten-Vortrag über Karma sollte man sagen: das sind Übungsvorträge von Neulingen, die lernen sollen, sich Themen selbst zu erarbeiten und vor einer Gruppe vorzustellen. Damit sie auch nach Aussen irgendwann möglichst wenig "Unsinn" erzählen. Es ist also mehr wie ein Referat in der Schule und niemand erwartet, dass alles richtig sein soll. Ich finde es aber wichtig, dass jeder das auch mitbekommt, dass das kein Vortrag von jemand ist, der auch garantiert etwas halbwegs richtiges von sich gibt. Und natürlich muss es irgendeine Korrektur der Fehler geben, sonst lernt man ja nix draus.


    Also in dem Zentrum, dass ich besuchte waren es eigentlich eher langjährige Mitglieder.


    Kritisches Auseinandersetzen mit dem Gesagten gab es eigentlich nicht - alle haben immer uneingeschränkt bekundet wie gut gelungen und toll der Vortrag auch inhaltlich gewesen sei.
    Fragen dazu bzw. den Anklang gemacht zu haben, als könnte man da etwas diskutieren schien mir nicht so erwünscht - evtl. weil ich einfach fremd war bzw. es nicht so wirkte, als käme das öfters vor, oder das Setting war eigentlich nicht geeignet dafür.


    Man hat das schon irgendwie gemerkt, wenn alle immer lächeln und kichern und bei geringer kritischer Anfrage es meistens sehr still wurde und die lächelnden Gesichter verschwanden, so als müsste man jetzt diese Richtung verteidigen. Oder eben Ratlosigkeit in den Gesichtern stand. Ich kam mir dann immer total schlecht vor und habe das Nachfragen dann auch einfach gelassen. :(


    Es kam auch vor, dass ich auf sehr einfache Fragen wirklich ellenlange Erklärungen erzählt bekommen habe, die an sich keinen Sinn ergeben. Z.b. knapp 20 Minuten was die Natur des Geistes sei und warum jetzt Meditation und Transformation von Geist und Energie so sinnvoll wäre und auf die Frage:
    "Und wie verhält sich z.b. eure Praxis mit bildlichen Darstellung bezogen auf die 5 Skandhas?"
    "Ja, die spielen in unserer Richtung nicht so sehr eine Rolle - es geht um das Erleben..."
    Etc. - so was kam eben sehr oft. Im Zweifelsfall wurde dann auf den 16 Karmapa und Ole Nydahls "Geheimwissen" verwiesen - so als wäre es ja unmöglich, dass da etwas unschlüssig wäre, weil der (ich zitiere) "Der Karmapa der größte Yogi des Buddhismus überhaupt ist."
    Kann man alles machen, aber für mich war das alles sehr fremd, obwohl ich viele Traditionen der buddhistischen Lehre ein bisschen kennengelernt habe. Ich kratze mich heute immer noch am Kopf wieso "Der Diamantweg" so anders ist, als alles was ich bisher kennengelernt habe, auch bezogen auf das Vajrayana allgemein. :?:


    Wiegesagt - ich fand die Eindrücke sehr unterschiedlich, teilweise auch kontrovers, weswegen ich mir da nicht mal große Urteile erlauben kann. Wozu auch - ich mische mich nicht wirklich soweit ein, dass ich da jemandem etwas verbiete was ihm gefällt, nur weil es meinen Geschmack nicht trifft. Das mache ich ja auch in anderen Lebensbereichen nicht.


    Mir persönlich war es eben zu dogmatisch und zu viel "Exotismus" wenn es um das spezielle Wissen mit der ganzen exotischen tantrisch-tibetischen Kultur ging und zum anderen wenig Interesse an allgemeinem Wissen um buddhistische Lehrinhalte bzw. auch wenig Interesse an gegenseitigem Austausch - eher leicht elitär und exklusiv. Ich mag es etwas schlichter und etwas näher am PK und wenn man auch aktiv nach dem Verständnis sucht für das was man da eigentlich macht - also etwas geschichtliche Bildung zum tibetischen Buddhismus bzw. buddhistische Geschichte allgemein. Wann entstand was, wo, warum, wie, für wen etc.


    Für einige sicherlich geeignet - für andere wiederum nicht.


    Sangha bleibt für mich trotzdem Sangha :)

    K-Dorje:

    Emotional habe ich das auch so erlebt, wie du. Nachdem ich ein wenig länger dabei geblieben bin, habe ich zwei Punkte begriffen:
    1. Ole Nydahl bedient eine bestimmte Zielgruppe. Ich habe Menschen kennengelernt, für die ist seine Herangehensweise genau passend und nicht selten sogar der einzige Zugang für sie zum Buddhismus. Manche wollen/können sich eben gar nicht mit dem PK auseinandersetzen, sondern sind vollauf glücklich mit Guruyoga, Vajrasattva und einigen Beschützern. Ich bin Ole heute dankbar dafür, dass er sich dieser Klientel annimmt. Die Leute, mit denen man tiefer diskutieren kann gibt es auch, aber es sind nicht so viele und die trifft man eher in Indien im KIBI. Man darf nicht aus den Macken der Leute in den Zentren verallgemeinern, wie gut oder fragwürdig die ganze Linie ist. Am Ende kommt es vor allem darauf an, wie leistungsfähig ich selber bin.


    2. Bei Diamond Way ist mir klar geworden, dass neben dem Weg des Anhäufens und Diskutierens von Wissen eben auch andere Wege gangbar sind, um zu Buddhas Ziel, dem Ende des Leidens, zu kommen. Schaut man sich die Lebensgeschichten vieler Mahasiddhas an, dann hat ein beachtlicher Teil von ihnen wohl niemals über den PK diskutiert. Sie haben es statt dessen über bestimmte Meditationspraktiken zu Mahamudra Siddhi gebracht. Reicht. Diese Leute sind über die buddhistische Ziellinie gekommen. Im Gegensatz zu manchem Intellektuellen, der nur verbal zerpflückt, was andere vor ihm gesagt haben, dabei dem Ende des Leidens aber nur unwesentlich näher gekommen ist. Diamond Way hat sich für mich als eine sehr praktisch arbeitende Linie dargestellt, von der ich denke, dass sie für eine bestimmte Klientel ihre Berechtigung hat. Ich habe sehr viel Meditation dort gelernt und bin dankbar dafür. Für meine Exo-Tibetischen Bedürfnisse bin ich dann eben woanders hingegangen. Und heute gehe ich gar nicht mehr dort hin.


    Zu 1.:
    Sehe ich ähnlich. Für mich als Theravadin sind halt einige Dinge befremdlich - bzw. dort gab es halt Dinge die ich bisher noch nirgendwo so gesehen habe. Persönlich habe ich halt den PK sehr wörtlich als Lehranweisung und neige zu einer gewissen Monastizität - von daher habe ich ohnehin oft so meine Differenzen mit westlichem Buddhismus, der gewisse Genüsse oder Materialismus versucht zu integrieren. Verallgemeinern kann ich meine Erfahrungen gar nicht, weil sie eben so divers waren. Es waren viele unterschiedliche Eindrücke.


    Zu 2.:
    Naja - es gilt ja auch dort das Ideal des Bodhisattva und Buddhanatur, dass für mich als Theravadin eben unnötig ist. Für mich ist Arhatschaft wichtig und daher ist der praktische Fokus ein anderer. Die Frage ist weniger die Meditation, als die Frage woraufhin man meditiert. Nach meinem Verständnis reicht das kultivieren der eigenen Buddhanatur, so wie es dort gelehrt wird nicht aus. Eine Qualität eines Erwachten, oder jemandem der dem sehr Nahe gekommen ist (wie du sagst die Ziellinie überschritten haben) äußert sich dann eben wieder Anhand von Dingen, die im PK beschrieben stehen. Ganz platt - wenn mir jemand etwas vom Mahamudra Siddhi erzählt, aber er bricht die Silas, dann ist das für mich halt erneut wie das was im PK steht:
    Egal wie weit jemand gekommen ist, wer die 5 Silas wiederholt verschmäht, der vermag nicht aus dem Samsara auszusteigen, ganz gleich was er sonst noch tut.
    Das meine ich mit Dingen, die in jeder Tradition irgendwie gelten sollten:
    Auch wenn man kein PK Student ist sollte das Grundgerüst der Lehre ja doch irgendwo auch in anderen Traditionen zu finden sein - bzw. so habe ich das bisher auch immer erfahren.
    Bsp - die Lehre Buddhas ergibt ohne Karma und den Konsequenzen, die er für bestimmte Handlungen/Anhaftungen/Wissentliches Wollen bereits benannt und erklärt hat irgendwie nicht mehr ganz so viel Sinn für mich. Im Sinne von wenn Buddha lehrt "das und das geht nicht egal wie man es dreht", dann sollte man nicht aus Eigennutz sagen "Doch das geht trotzdem"


    Ansonsten wie ich schon sagte - Sangha ist für mich Sangha - Inklusion statt Exklusion.

    nyalaana:

    Also es wundert Dich, wenn Du in einer Gruppe des tibetischen Buddhismus bist und die Leute auf Deine Gespräche in Bezug auf den Palikanon nichts anfangen können? Geh doch mal in eine Theravadagruppe und versuch mit ihnen den Kanjur zu diskutieren.


    Ich für mich persönlich sehe es so, dass ich die verschiedenen Buddhismen als eigenständige Religionen behandle. Es gibt gemeinsame Wurzeln aber ich tue mich einfacher den Rest einfach mit einem :" Das ist jetzt deren Religion" stehen lassen zu können.


    Auch tibetische Buddhisten gehören zur Sangha - daher empfand ich es persönlich als Pflicht deren Schwerpunkte ebenfalls zu kennen und zu diskutieren. An unserem Bonner Stammtisch hat das auch alles funktioniert - da haben wir Unterschiede und Schwerpunkt sogar gerne besprochen, damit wir auch als Sangha gemeinsam auftreten und wahrgenommen werden können, trotz der Unterschiede.
    Ein Gedanke wie "das sind die und wir sind die anderen" fand ich immer exklusivierend und das wollte ich nicht - der Rest des Stammtischs auch nicht.


    Insofern - ich habe auch Vorträge in einer Theravada Gruppe über den tibetischen Buddhismus, Bön, Tantrismus etc. gehalten und nicht, damit man sagt "Ja hier und hier sieht man ja genau wie die vom PK abweichen" - eher als Verständnis wie deren System abläuft. Aber bestimmte Kernideen wie Samsara, Karma etc. sollten denke ich doch gleichförmig und normativ verstanden werden können, weil sonst die Idee bzw. der Zweck dessen wofür der Erwachte sie zur Verfügung stellte von vielen anderen Dingen überdeckt werden könnte. Das fände ich schade.

    Ich habe vor einigen Monaten doch mal mit eben dem kritischen Blick mehrere Wochen mal "mitgemacht", sehr viel gelauscht, beobachtet und auch Gespräche geführt, sofern das möglich war.


    Komme ja eigentlich aus einer ganz anderen Richtung, aber bin in Frankfurt u. Umgebung mal durch die Sangha gehüpft, um zu sehen, ob ich da evtl. einfach Menschen kennenlernen kann, die eben ähnliche Interessen haben etc. Was mir liegt ist eben ein gewisser Fokus auf den PK und die direkte Lehre. Ich bin auch recht offen, da ich etwas länger Buddhismforschung studiert habe und so eigentlich sehr viele Traditionen, deren Inhalte, Symbolik etc. kennengelernt hatte.


    Fazit: Meine Erfahrungen mit "Diamantweg" waren so kontrovers, wie die Inhalte dieser Gruppe selbst zu sein scheinen.


    Was definitiv vorherrschte war ein gewisser Personenkult und auch eine gewisse "Lehrhörigkeit", die eigentlich kontroverse Gespräche sehr erschwert hat. Ich hatte nur sehr wenige Gespräche gehabt und mitgehört, die sich mit wirklichen Kerninhalten des Buddhismus beschäftigten - meistens war es sehr Abstraktes - Transformationen, Retreats und wieviele wer schon gemacht hatte, wo welche tollen Lehrer gerade unterwegs sind, was die angebliche Natur des Geistes ist etc.


    Kenntnis bestimmter allgemeiner Inhalte habe ich eigentlich kaum beobachtet oder gehört. Mir wurde eigentlich sehr wiederholt versucht zu erklären, wie toll der Buddhismus ist und wie dankbar man Ole Nydahl ist, dass er ja lehrt und die Zentren erstellt etc.
    Ich betonte aber früh, dass ich doch nicht ganz ungebildet in der Buddhistischen Lehre und dem PK bin und deswegen eben Bodhisattvas oder die vermeintlichen Lamas nicht derart exklusiv empfinde. Da waren die Gespräche dann auch meistens zu Ende. Mir kam es so vor, als möchte man nicht zwingend Inhalte diskutieren, die evtl. das Selbstbild auf Ole und die eigene Praxis berührten. Insofern doch sehr isolierend. Es war doch recht dogmatisch. Ich würde es fast "kirchlich" nennen, weil alles so bunt und symbolträchtig war, dass die Mitglieder selbst nicht genau durchschauten, was da eigentlich alles hängt etc. Aber toll fanden sie alles (ohne es hinterfragt zu haben)


    Ein Beispiel:
    Bei der Meditation wurde vorher stets eine 10-minütige Ansprache über ein bestimmtes Thema gehalten. In dem Fall war das Thema Karma und es kam eigentlich eine sehr flache und enorm abstrakte Erklärung dazu und das Ole ja mal dies oder das dazu gesagt hat. Meistens wenn er (ich muss das so unfreundlich sagen) einfach nur Quatsch erzählt hatte haben alle eben gelacht und fanden das ulkig. Er erklärte Karma anhand eines Mafiapaten, der einen Auftragskiller anheuert und wer da jetzt wie viel schlechtes Karma erzeuge.
    Ich hatte dann den Redner nach der Meditation gefragt, weshalb man nicht einfach das wiedergebe was im PK steht, weil da doch sehr gut erklärt ist was im Buddhismus als Karma gilt und es nicht so abstrakt wäre. Er schaute mich ziemlich befremdet an und erklärte, dass ja der PK für ihren Buddhismus nicht so wichtig sei und das es eben so das ist wie er sich Karma "erdacht" hat und es um das "Erleben von Karma und Buddhismus" ginge.


    Oder warum sie die dreifache Zuflucht (Buddha, Dharma, Sangha) um die Bodhisattvas und den Lama zu einer fünffachen Zuflucht erweitern hat man mir ebenfalls nur sehr abstrakt oder sehr flach erklärt.


    Also was Buddhismus und bestimmte Grundannahmen anging habe ich dort doch einige Dinge mitbekommen, die ich persönlich jetzt nicht zwingend im Buddhismus, sondern eher in einem westlichen Tantrismus mit "Geheimlehren" und "Meistern die Geheimwissen haben" gesehen habe. Der Fokus lag definitiv auf bestimmten "geheimen Einsichten" und nicht auf Grundannahmen des PK.


    Dazu sage ich aber ebenso: Es muss jeder selbst entscheiden, ob ihn das zum Glück führt. Ich finde halt viele Dinge dort nicht nötig, weil der PK es wesentlich undogmatischer beschreibt. Letztlich aus meinem Verständnis der Lehre sehe ich den Diamantweg aber eher als eine westlich-esoterische Interpretation, die mit Exotismus eine gewisse Faszination weckt und westliche Lebensart irgendwo integrieren möchte - auch dann wenn es total gegen Buddhas Lehre steht. Und da ist der Punkt wo ich mich eben nicht wohl fühle.
    Ich finde es halt schade, dass da viele Menschen eigentlich das wunderbare Gesamtangebot der Lehre ausschlagen zu Gunsten eines Lehrers, der wie man offensichtlich an seinen politischen Statements erkennen könnte nicht ganz so weitsichtig und erleuchtet ist, wie er von seinen Anhängern gesehen wird.
    Wiegesagt - ich lehne so was per se nicht ab, genauso wenig wie andere Religionen, aber meins ist es definitiv nicht. Es würde mir besser gefallen, wenn man auch mal PK Lesungen macht und progressiv darüber diskutiert "Wie/Was lehrt Ole - Wie/Was lehrt Buddha" und da dann seinen Weg findet.


    Aber menschlich waren alle doch recht nett. Gerade die jüngeren hatten eine große Begeisterung, aber ich fand es immer schade, dass das Interesse von den älteren immer wieder auf Ole Nydahl oder wie sie ihn nennen "Lama Ole" gelenkt wurde. Ich habe dort auch längere Abende in netter Gesellschaft verbracht und habe mich mit den meisten gut verstanden - solange es eben NICHT, um PK oder dessen konkrete Inhalte ging. Das hat man scheinbar stets als Widerspruch zu der von Ole Nydahl vertretenen Lehrmeinung oder der Praxis empfunden und wollte da nicht großartig drüber reden.


    Also:
    Ich mag es nicht - aber es ist für viele sicherlich auch nicht schlecht.
    Personenkulte oder Tantrismus liegen mir halt einfach nicht und wenn Menschen das nicht bewusst ist, obwohl es sehr offensichtlich ist bin ich mir immer unsicher was eigentlich deren Motivation ist.