Beiträge von Sudhana im Thema „Methodik wie im Zazen“

    cinnamon:
    Sudhana:

    Es ist jedenfalls nicht der Sinn von Zazen.

    Dass heisst auch, dass Vipassana und Zazen nicht vergleichbar sind.

    Das weiss ich nicht. Ich kenne Vipassana nicht als formale Übungspraxis und mein theoretisches Verständnis davon ist sicherlich ein gefiltertes - mit Zhiyis fusioniertem shikan (Śamatha-Vipaśyana) als 'Filter'. Und auch das habe ich mir nur deswegen mal theoretisch angeschaut, weil es in gewisser Hinsicht ein Vorläufer des Zazen ist.

    cinnamon:

    Vipassana hat ja eine "Anleitung" wie man vorgeht Z.B. wenn die Bauchdecke sich hebt, soll man das auch benennen. Erst später wird diese Anhebung ohne Benennen beobachtet. Das z.B. ist für mich Methodik bzw Methode.

    Klar. "Anleitung" und "Methodik" kennt man im Zazen auch:

    Zitat

    Um Versenkung zu studieren, muss man ein ruhiges Quartier haben. Sei bescheiden im Essen und Trinken. Wirf dann alle Verwicklungen von dir und beende alle weltlichen Angelegenheiten. Denke nicht an Gutes oder Schlechtes, kümmere dich nicht um richtig oder falsch. Halte die Umwälzungen von Geist, Intellekt und Bewusstsein an, beende die Verarbeitung von Gedanken, Ideen und Wahrnehmungen.


    Wenn du sitzt, breite eine dicke Matte aus und benutze ein Kissen, das du darauf legst. Dann sitze entweder in der vollen Position mit gekreuzten Beinen oder in der halben Position mit gekreuzten Beinen. Für die volle Position lege zuerst deinen rechten Fuss auf deinen linken Oberschenkel, dann lege deinen linken Fuss auf deinen rechten Oberschenkel. Für die halbe Position lass einfach deinen linken Fuss auf deinem rechten Oberschenkel ruhen. Lockere deine Kleidung und Gürtel und richte sie ordentlich. Als Nächstes lege deine rechte Hand auf deinen linken Fuss und deine linke Hand auf deine rechte Handfläche. Drücke die Spitzen deiner Daumen aneinander. Dann richte deinen Oberkörper auf und sitze aufrecht. Lehne nicht nach links oder rechts, vorne oder hinten. Deine Ohren sollten in einer Linie mit deinen Schultern, deine Nase in einer Linie mit deinem Nabel sein. Drücke deine Zunge gegen den vorderen Gaumen und schliesse deine Lippen und Zähne. Die Augen sollten immer geöffnet bleiben. Wenn du erst deine Körperhaltung eingerichtet hast, solltest du deinen Atem regulieren.


    Immer wenn ein Gedanke auftaucht, sei dir seiner bewusst; sowie er dir bewusst ist, wird er verschwinden. Wenn du für einen längeren Zeitraum achtlos gegenüber Objekten bleibst, wirst du auf natürliche Weise vereinheitlicht. Das ist die essentielle Kunst des Sitzens in Versenkung. Sitzen in Versenkung ist das Wahrheitstor zu grosser Ruhe und Freude.


    cinnamon:

    (als ich vor kurzem über Vipassana gelesen hatte, kam mir das dennoch nicht so unbekannt vor. Beim Zazen habe ich anfangs auch benannt. Und die Atmung war anfangs auch ein Fokus von mir beim Zazen. Hatte aber auch einen sehr Erfahrenen im Zazen gefragt. Er meinte, das sei in Ordnung so.)

    Sicher ist das in Ordnung so. Ich habe auch kein Problem damit, das eine Zazen-Übung zu nennen. shikantaza oder jijuyu zanmai ist das allerdings (noch) nicht - und wer ernsthaft Zazen übt, weiss das auch.

    cinnamon:

    Ich meinte eher grundsätzlich," die Übung mache ich, um meine irreführende Vorstellung eines Ichs zu lösen und damit das Leidproblem" als Bspl. Also in diesem Sinne ist es mir bewusst und nicht während der Übung.

    Genau so "grundsätzlich" meinte ich das auch. "die Übung mache ich, um meine irreführende Vorstellung eines Ichs zu lösen". Je öfter man es liest, um so absurder klingt es für mich. Die Vorstellung eines Ichs mit der Vorstellung eines Ichs zu lösen ...

    cinnamon:

    Genau Zazen konzentriert sich auf samadhi. Es gibt anscheined unterschiedliche Arten oder Schwerpunkte von Konzentration. (Auch wenn sie nicht absolut trennbar sind.)

    Das klingt missverständlich. Zazen mag zwar "konzentriert" sein, aber es ist nicht fokussiert. D.h. nach dem Aufbau einer Konzentration wird der Fokus erweitert, bis er verschwindet. Eigentlich ist es eher das Gegenteil von Konzentration, insofern diese ein Zentrum (bzw. zumindest eine Vorstellung davon) voraussetzt. Ist keine spezifische Konzentration mehr vorhanden, jeglicher Fokus verschwunden, dann ist auch das Zentrum, der Brennpunkt des Fokus, verschwunden. Die Vorstellung des Ichs ist verschwunden, weil das Ich verschwunden ist - anders gesagt: der im Wachbewusstsein ständig wechselnde, instabile Fokus des Ergreifens (upādāna). Das 'Ich' hat von diesem Verschwinden nichts - wenn das Fokussieren wieder da ist, dann ist auch die Vorstellung des Ichs wieder da. Dieses vorgestellte Ich hat dann bestenfalls ein paar (vorgestellte) Ich-Grenzerfahrungen vorzuweisen - und verwechselt die möglicherweise mit 'Erleuchtung'. Bestenfalls kann man (sic!) mit der Ichvorstellung mit der Zeit etwas souveräner umgehen.

    cinnamon:
    Sudhana:

    Wenn man die, die einem auf dem Weg vorangegangen sind, nicht aus dem Auge verliert, verirrt man sich auch nicht. Deswegen gibt es saṃgha als Korrektiv

    Sicher ist das Korrektiv wichtig, wenn es nicht systematisch Fehlern unterliegt.

    Nun ja - mit denen, "die einem auf dem Weg vorangegangen sind" meine ich die, die wir "Buddhas und Patriarchen" nennen. Wenn man da "systematische Fehler" wahrnimmt, dann sollte man halt die Finger von Zen und Zazen lassen.

    cinnamon:

    Ich hatte einmal eine Sesshin bei einem evangelischen Zenmeister. Die Mischung fand ich sehr seltsam.

    Finde ich auch seltsam - gibt ja viel seltsames auf dem Markt. Meine Sache wäre das nicht, aber wenn es hilft? Es gibt Nesthocker und Nestflüchter ...

    cinnamon:

    Glauben Christen nicht an Seelen?...

    Ja, dem Vernehmen nach. Meistens von klein auf indoktriniert. Das macht es für sie echt schwierig.


    ()

    pamokkha:

    Was ich wirklich nicht verstehe, ist wie man so besorgt sein kann, dass die Übung am Zweck anhaften könnte

    Das überrascht mich jetzt nicht wirklich, auch wenn ich versucht habe, es zu erklären ... Wer Bedürfnislosigkeit als Bedürfnis pflegt übt eben anders als jemand, der Bedürfnisse abwirft. Wie sagte doch Sokrates zu Antisthenes? "Durch die Löcher Deines Mantels lugt die Eitelkeit."

    pamokkha:

    und gleichzeitig einen lockeren Umgang mit Alkohol und den Tugendregeln pflegt.

    Du verwechselst da etwas. Von meinem Umgang mit Alkohol und den Tugendregeln hast Du doch schlicht keine Ahnung. Den reibe ich nämlich anderen Leuten nicht unter die Nase und erzähle ihnen, mitspielen bei den Edlen dürfe nur, wer sich streng an meine Spielregeln hält. Das ist es doch, was Du für einen "lockeren Umgang" hältst.


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    cinnamon:
    Sudhana:

    Dadurch haftet die Übung am Zweck - wenn nicht gar der Übende. Das ist in der Tat ein Unterschied zum Zazen.


    Ist das nicht der Sinn einer Übung?

    Es ist jedenfalls nicht der Sinn von Zazen.

    cinnamon:

    Wenn man sich dessen bewusst ist, ist das doch kein Problem.

    Gerade dann ist es ein Problem. Das "sich dessen bewusst" sein gründet auf der willentlichen und damit karmisch wirksamen Aktivität des samskāraskandha. Erzeugt und ergriffen wird das samskāra "ich tue dies, um jenes zu erreichen", das dann ins Bewusstsein tritt. Wobei es nur insofern erheblich ist, ob es ins Bewusstsein tritt, als man daran merkt, dass der samskāraskandha aktiv ist; d.h. dass man gerade kein Zazen macht. Das sind āsrāva - Zazen ist anāsrāva, rein rezeptiv (sich selbst empfangendes samādhi, jijuyū zanmai) und nicht aktiv (durch cetana angetrieben). Der entsprechende Bewusstseinsstatus wird als 'hishiryō' (etwa: 'Undenken') bezeichnet bzw. entsprechend im chinesischen Chan als wu xin oder wu nien. Wenn da etwas "bewusst" ist, dann ganz sicher nicht Sinn und Zweck der Übung.

    cinnamon:

    Beim Zen habe ich manchmal den Eindruck, dadurch dass es so offen ist, kann man sich leicht verirren.

    Niemand behauptet, es wäre ein einfacher Weg ... Trotzdem teile ich diesen Eindruck nicht. Wenn man die, die einem auf dem Weg vorangegangen sind, nicht aus dem Auge verliert, verirrt man sich auch nicht. Dewegen gibt es saṃgha als Korrektiv - und

    cinnamon:

    haftet man am mystischen, religiösen und dergleichen

    dann deswegen, weil dieses Korrektiv fehlt.


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    pamokkha:

    Allerdings ist Vipassana keine Lüge und auch für etwas gut. Es hat auch ein Ziel: Befreiung durch vollständiges Durchschauen der Wahrheit vom Leiden.

    Es ist auf einen Zweck gerichtet. Dadurch haftet die Übung am Zweck - wenn nicht gar der Übende. Das ist in der Tat ein Unterschied zum Zazen.


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