Beiträge von Schroedinger im Thema „Der ganze Mond und der ganze Himmel spiegeln sich in einem einzigen Tautropfen“


    Vielleicht liegt da auch nur ein Mißverständnis, da ich mich nicht so präzise ausgedrückt habe.
    1. Ohne Buddha und ohne seine Erfahrung gäbe es keine Sutren und kein Zen - insofern ist auch der Palikanon aus dieser Quelle. Ohne den Dharma, gäbe es auch nicht Buddha bzw. bodhi (Erwachen). Hier gibt es eine Wechselwirkung und Dharma bedeutet auch Gesetz. Buddha hat eben auch das Gesetz erkannt, wie der Weg zur Auflösung des Leidens zu gehen ist. Dieses Gesetz hat er nicht erfunden, sondern als gegebene Wahrheit erkannt. Dass der Mahayana und damit das Zen nicht immer direkt auf die Pali-Sutten sich bezieht, hat einfach auch was mit der chinesischen Entwicklung zu tun und dass es im Zen vor allem auf die Verwirklichung von bodhi ankommt. Der Weg ist jedoch völlig dem achtfachen Pfad entsprechend.
    2. Ohne Christus und die Auferstehung gäbe es keine Evangelien und keine Erfahrung, auf die sich christliche Mystik bezieht.

    Zitat


    Wir haben anscheinend von Zen ein vollkommen diametrales Verständnis. Denn für mich hat Zen überhaupt nichts mit Glauben an Konzepte zu tun. Auch muss ich nicht an Erwachen und Nirvana glauben - denn erfahren muss ich sie. Erfahrung hat also mit Glauben überhaupt nichts zu tun.


    Jemand, der an ein Nirvana glauben muss, wird Nirvana sicherlich niemals erfahren - und Erwachen natürlich genauso wenig. Erwachen kann nur jemand, der gerade nicht glaubt.


    Aber ich will dir da auch gar nicht in deine Praxis oder deinen Glauben hineinreden. Ansätze sind verschieden.


    Ich hatte ja auch unterschieden zwischen Glauben und Erkenntnis bzw. Einsicht (Erfahrung) - solange ich nicht selbst erkenne, erfahre, glaube ich zunächst, dass es das gibt. Ich habe ja auch davon gehört, ohne es selbst erfahren zu haben.
    Wenn ich dann zu einer Erfahrung in diesem Kontext selbst komme, nennen wir sie bodhi, dann kann es zweifelsfrei so sein oder ich glaube es wiederum nur und brauche noch eine Bestätigung. Denn wenn ich es nur glaube, kommen irgendwann wieder Fragen und Zweifel. Hinzu kommt, dass es unterschiedliche Grade bzw. Tiefen der Erfahrung gibt und die Eindrücke sich im Verlauf wieder verlieren und nur eine Erinnerung sind. Es bedarf daher auch beständiger Aktualisierung, bis es einen vollständig durchdrungen hat.


    Das eigentliche Problem besteht darin, dass es keine Brücke/Verbindung zwischen Erwachen und Nicht-Erwachen gibt, sondern dass es wie bei Nagarjuna schon gezeigt, keinen Unterschied gibt. Wenn alle Vorstellungen fallen und das unterscheidende Bewusstsein abfällt, dann ereignet sich dieser Zusammenfall. Shikantaza ist dieser Moment.Moment.Moment ....

    Holzklotz:

    Schroedinger
    also mir gefällt dieses OT an dieser Stelle :)
    ich wollte noch was zur "Sünde" beisteuern.
    Sünde leitet sich ja ab von "Sund", also einer Meerenge und wird von Meister Eckhart (und ich denke auch von den anderen Mystikern) nicht als Verfehlung, sondern als Trennung/Abkehr betrachtet. Die Sünde ist in diesem Verständnis also ein Hinderungsgrund für die Erfahrung der Einheit.
    Die Erlösung von der Sünde wäre demnach die Rückkehr zur Einheit, bzw. deren Wiederentdeckung.
    Um Zen und Mystik zusammen zu bringen könnte man vielleicht vereinfacht sagen, dass Sünde dem Dualismus entspricht.


    Insoweit richtig.
    Es ist nur so, dass aus dieser Trennung, Sonderung die Verfehlungen dann kommen und man eben, auch in "gutem" Glauben natürlich Falsches tut und sich also Folge der Absonderung weitere Absonderungen ergeben.
    Zuerst ist also die Verblendung, die man nicht aus eigener Kraft aufheben kann, sondern man kann nur zur Einsicht kommen, dass alles Täuschung, alles Traum ist.
    Ich kann also nicht aus eigener Einsicht die Verblendung aufheben, sondern ich kann nur die Totalität dieser Beschränkung anerkennen. Und daraus folgt dann auch eine Beruhigung des Strebens nach Urteilen von Richtig und Falsch. Dann kann ich den einzigen Tautropfen als den ganzen Mond und den ganzen Himmel erkennen.

    Ich will das Thema hier nicht übersprapazieren, weil es so aussehn mag, dass der thread wieder mal ins OT abdriftet. Das ist nicht meine Absicht. Aber ich will auf drei Punkte noch eingehen, weil sie durchaus zu dem Thema passen. So ein Satz ist ja das, was man Spur nennen kann.


    Meine drei Punkte sind Nachfolge, Glaube und Gemeinschaft.


    Was meint denn „Nachfolge“?


    http://www.teeweg.de/de/literatur/daodejing/nr1/index.html

    Zitat

    Das Schriftzeichen für 道 DO kann unterschiedlich gedeutet werden. Es besteht aus zwei Bildern, die zusammengefügt sind. Im Zentrum steht ein Kopf. Man kann das stilisierte Auge, die Stirn und zwei Haarlocken erkennen. Das umgebende Zeichen links und unten ist das Wurzelzeichen für "gehen". Es ist also offenbar ein Wesen, das Augen hat zu sehen und zu erkennen, das sich auf einem Weg be-wegt. Der Weg liegt dabei nicht nur zu den Füßen dieses wahrnehmenden Wesens. Eine sehr dynamische Linie, die vom Himmel herunter zur Erde verläuft deutet vielleicht an, dass das erkennende Wesen den Weg nicht aus eigener Mächtigkeit geht. Es ist geführt von einer Kraft zwischen Himmel und Erde und es folgt einer gebahnten Spur.
    Nach einer anderen Deutung zeigt das Bild einen Jäger, der ein Wild verfolgt und dessen Spur im Dickicht aufnimmt.
    Beide Deutungen zeigen eines deutlich: der Weg wird nicht aus eigener Mächtigkeit oder Kraft gegangen, immer ist es ein Wesen, das einer Spur folgt und auf dem WEG geführt ist. Der Weg wird nicht aus eigener Kraft oder Machtvollkommenheit gebahnt und gespurt. Das Auge nimmt lediglich eine bereits gelegte Spur wahr.



    Da gibt es also einen Vorläufer und einen Nachfolger – so ist der WEG. Jesus sagte mal „Ich bin der Weg“. Der Vorläufer eines Sohnes ist in patriarchaler Linie der Vater und Jesus hat auch mal gesagt: Ich und der Vater sind eins. - Er hat damit das Erbe vollständig verwirklicht.
    Christus-Nachfolge und Buddha-Nachfolge unterscheidet sich in den Konzepten und Handlungen.
    Die jeweiligen Anleitungen sind als Spur in den Schriften zu finden und als Personen in den Lehrern, die ja auch den jeweiligen Spuren nachfolgen. Nachfolge im Buddhismus soll zum Erwachen – Erlösung – führen, wie es heißt „im Erlösten ist Erlösung“ - und das gilt auch für das Christentum.
    Glaube bedeutet nun nichts anderes, als dass ich an diesem Heilsversprechen glaube. Und dieses Heilsversprechen, das ja eine Hoffnung ist, das ist mein Gott oder der Gott. Ich sollte mich auch als Christ von den Gottes-Vorstellungen lösen, da sie gefangen nehmen. Sie sind auch nur Selbst-Vorstellungen, denn Selbstbildnis und Gottesbildnis sind ja ein und dasselbe. Deshalb heißt es ja auch schon im AT „Du sollst dir kein Bildnis machen von Gott“ - es bezieht sich zwar auf das Goldene Kalb oder andere Götzenbilder, aber es bedeutet vor allem, dass jedes Gottesbild vom Menschenbild ablenken kann und zu etwas dem Menschen Äußerliches wird, ein Gegenstand der Anbetung, des Heiligen, wo dann sich Auserwählte drum scharen und kümmern, Priester eben.
    Glaube ist dort zu Ende, wo sich das Heilsversprechen eingelöst hat und ich es selbst erfahre und erkenne, was das ist und wie das geht. Und auch hier gibt es im Christentum eine Parallele – da heißt es nämlich, dass es um Gotteserkenntnis geht und nicht um blinden Glauben. Aber eine Erkenntnis von Gott, den man ja nicht sehen kann. „Niemand hat Gott je gesehen“. Genau das ist es, was das Herzsutra aussagt.
    Gemeinschaft ist insofern auch Glaubensgemeinschaft, weil ich ja aus diesem Grunde zusammen komme und gehe, der Glaube an dieses Heilsversprechen des Buddhismus Erlösung vom Leiden zu finden, des Christentums, Erlösung von den Sünden, also auch vom Leiden. Aber da sollte man dann etwas tiefer hinsehen, um welche Art von Gemeinschaft es letztlich gehen kann. Doch nur wieder um die Gemeinschaft mit Buddha oder Christus. Und das ist dann auch der Maßstab, sich von Gemeinschaft auch wieder zu trennen, wenn da was um sich selbst zu kreisen beginnt. Das war ja die wesentliche Kritik von Luther an der Kirche damals.

    IkkyuSan:
    Zitat

    Was aber verstehst du unter "Zen hat keine Stützen"?.


    Hallo,


    ich verstehe darunter, dass Zen kein Fundament hat, auf dem es aufbaut. Die christliche Mystik hat Gott. Zen hat, wenn überhaupt, "Nirvana". Ich denke nicht, dass dies ein Fundament darstellt. Die ganze Praxis der chr.Mystik baut auf Bibelzitaten auf - Zen lässt diesen "Wortglauben" zurück - die Stützen der Schrift sind nicht relevant (unbedingt).


    Wenn ich dem Zen ein Fundament geben wollte, dann wäre das der Glaube an Buddhas Erwachen und Bodhidharmas Herz-zu-Herz-Übertragung. Das "hat" man natürlich nicht.
    Aber genausowenig "hat" man einen Gott - wenn überhaupt dann bei den Fundamentalisten, die sich gern auf sowas berufen, die besitzen einen Gott und einen Glauben. Christliche Mystik hat keinen Gott, im Sinne von Haben und besitzen. Eher ist es umgekehrt - .
    Dann baut die christliche Mystik in der gleichen Weise auf den Evangelien auf, wie der Zen oder der Buddhismus auf die Mahayana-Sutras bzw. den Palikanon. Auch die christliche Mystik hat keinen Wortglauben sondern Erfahrungsglaube "komm und sieh" heißt es da, erfahre es selbst - ist das nicht auch das Kalamer-Sutra?
    Das ist allerdings streng zu prüfen, denn so wie es jede Menge Irrende im Buddhismus gibt, die sich einbilden erwacht zu sein, so gibt es auch jede Menge Christen, die sich ihre Gotteserfahrung bloß einbilden. Dazu zählt natürlich nicht Eckhardt, der auch nicht wegen seiner Schriften verurteilt wurde, sondern die dienten dem Kölner Bischof als Vorwand um ihn auszuschalten.
    Deshalb gibt es hier wie dort den Hinweis auf "Verständige" - die Lehrer und Lehre. Und natürlich sind Person und Schrift in der Übertragung des Zen relevant - wie sonst solltest du oder ich je davon erfahren haben, wenn nicht durch Schriften bzw. Worte. Und dann glaubt man diesen Worten und der Schrift, sonst würde man ja nicht weiter machen, sondern sich abwenden.


    IkkyuSan:
    Zitat

    Im übrigen ist der auferstandene Christus auch ohne Halt oder Stütze


    Nein, denn der auferstandene Christus ist immer noch in Verbindung mit dem Vater, "sitzt zu seiner Rechten" und ist mit ihm verbunden - er ist seine Stütze. Ein auferstandener Christus wäre undenkbar, ohne den Vater, der ihn auferstehen ließ. Ein erwachter Buddha hingegen ist denkbar, ohne jemanden, der dies "zugelassen hat".


    Interessant - es gibt nur jede Menge Leute, die seit Buddhas Erwachen dies zulassen und dem glauben schenken. Wenn ihm niemand geglaubt hätte, wie der Asket in seiner ersten Begegnung, und niemand gefolgt wäre, wie seine Freunde, wäre die ganze Sache erledigt, im Keim erstickt. Genauso wie es allein den Glauben an die Auferstehung gibt. Luther lässt grüßen.
    Die einzige Stütze in beiden Systemen ist also der Glaube an das Konzept bzw. an etwas, was man nicht sehen kann. Mit dem Konzept hat man dann einen Interpretationsrahmen, eine Folie, an der man seine Erfahrung abgleicht. Dann sucht man noch jemanden, der das bestätigt oder verwirft, falls man das Konzept weiter tragen will und daher als Nachfolger Buddhas/Christus Schüler bzw. Nachfolger sammelt.


    Die einzige Stütze ist also der Glaube - keiner würde so was jahrelang machen und verknotet rum sitzen, wenn er nicht an Erwachen, Nirvana, glauben würde. Und zu diesem Glaube gehört auch der Zweifel. Es ist aber eine sehr bequeme Sache, den Zweifel nicht auf die eigene Glaubenserfahrung und das eigene Konzept anzuwenden, sondern dafür einen abgelegten und abgelehnten Glauben zu nehmen, wo der Zweifel ja vom Ego/Verstand bestätigt wird und diese Entscheidung dann über jeden Zweifel sich erheben kann.

    IkkyuSan:
    Zitat

    Egal ob Mystik oder Zen - wenn man was wirklich sagen kann, dann ist es ja immer nur "was es nicht ist". (Siehe das Zitat von Meister Eckhart)


    Ich würde jedoch gerne anmerken, dass Zen und christliche Mystik nicht das Selbe sind, auch wenn sie gleich erscheinen und es solche Leute wie Willigis Jäger gibt, die sich dahingehend engagieren. Dies sollte man bedenken. Christliche Mystik kann nicht ohne Gott bestehen. Zen hat keine Stützen.


    Da gebe ich dir Recht, dass Zen und christliche Mystik nicht dasselbe sind. Was aber verstehst du unter "Zen hat keine Stützen"?.
    Im übrigen ist der auferstandene Christus auch ohne Halt oder Stütze. Allein der Glaube an die Auferstehung ist da Stütze. M.E. können weder Zen noch christliche Mystik ohne Glaube bestehen - das macht für beides keinen Sinn. Es ist natürlich jedem unbenommen einfach so rum zu sitzen und dem einen Namen zu geben.