Beiträge von Doris im Thema „Annäherung Theravada/Maha-/Vajrayana bei fortschreitender Praxis“

    Da kann man wieder sehen, dass jede Schule ihr eigenes System hat und so mancher Streit nur deshalb entsteht, weil man sich dessen nicht bewusst ist. :D


    Moment, ich muss noch was hinzufügen zu dem oben gesagten:
    Zentral ist wohl immer die Ausrichtung. Ich kann mich dem Studium widmen für mich, und ich kann das, mit der Absicht das erlangte Wissen den Wesen zugute kommen zu lassen. Das wäre dann nicht mehr Hinayana, sondern zumindest auf dem Wege des Mahayana.
    Mir scheint "Bodhicitta" das Zauberwort zu sein. Vielleicht kommen wir da wieder zusammen? Man kann alles "für sich alleine" machen, aber Bodhicitta impliziert die Anderen, egal worum es sich dann handelt. Das wäre sozusagen die "Vergoldung" jeglichen Tuns.

    Moosgarten:
    Doris Rasevic-Benz:

    Ich habe das nicht als besonderen Weg verstanden. Wie auch, wenn er die Basis bildet?
    Die Haltung wird auch nicht "toleriert", da sie ja die Basis bildet. Dann wird sie doch wohl eher gefordert, nicht wahr? Ich habe das als Appell verstanden, mich beiden Polen mit gleicher Aufmerksamkeit hinzugeben.


    Ich kann mich nur wiederholen, was du hier als "Grundlage" oder "Basis" bezeichnest, ist nicht das, was im Mahayana (in den Mahayana-Sutras) unter "Hinayana" verstanden wird. Und sie wird (so verstanden) dort nicht "toleriert", sondern ist Anlaß der Mahayana-Belehrung!


    Vielleicht sind die Zen-Auffassungen nicht kompatibel mit dem, was ich gelernt habe.
    Wobei mir das nur äußerliche Widersprüche zu sein scheinen.
    Wenn in unserem System zum Hinayana u.a. Studium, ethisches Verhalten gehören, dann verlieren diese ihre Gültigkeit ja nicht, wenn man Mahayana/Mantrayana/Vajrayana praktiziert. Man geht dann über diese Grundlagen hinaus, weil dann Weisheitsaspekte hinzukommen. Vor allem da, wo das Bodhicitta noch nicht oder unvollständig entwickelt ist, sind die Aspekte des Hinayana unabdingbar.


    Ich vermute, dass diese Belehrungen darauf hinauszielen, diese Transzendenz zu erreichen und gegen die Formalisierung zu steuern.

    Ich habe mal in meinen Aufzeichnungen geblättert. Da steht folgendes drin:


    "Hinayana ist das grundlegende Fahrzeug, die Basis, das Fundament und die unbedingte Grundlage für alle Fahrzeuge, denn es führt einen von Samasara weg (die vier Gedanken).
    Die grundlegenden Gelübde werden hier geübt.
    Die Gelübde des Mantrayanas sind nur durch das Einhalten des Hinayanas möglich."


    Weiter habe ich notiert:
    "Mahayana wird auch Paramita-yana genannt, wegen der 6 Paramitas.
    Mantrayana/Vajrayna nur in Verbindung mit Bodhicitta."


    Später heißt es bei den 8 Hauptbrüchen (die Aufzählungen variieren offensichtlich in den verschiedenen Schulen):
    "Aufgeben von Mahayana; eine Scheinlehre lehren; vom Mahayana abfallen in das Hinayana"


    Das scheint sich zu widersprechen, aber ich erinnere mich an die Diskussion damals, und dass dies nur scheinbar widersprüchlich ist. Z.B. ist weiter oben in meinen Aufzeichnungen eine Stelle, wo darauf hingewiesen wird, dass man nie die Geduld mit den Wesen verlieren soll. Also praktisch gesehen: Sobald ich die Gelübde abgelegt habe, und ich bin dann frustriert, weil die die Menschen nicht so sind wie ich es gerne hätte und dann keine Lust mehr habe ihnen meine Praxis zu widmen und nur noch für mich mache, dann falle ich zurück. Das würde dem Selbstverständnis eines Bodhisattvas nicht mehr entsprechen.

    kilaya:

    Dazu aber nochmal die Frage: meint das einen Weg, der als solcher irgendwo innerhalb des Buddhismus gelehrt wird, oder existiert es nur als "mythische" Antithese? Oder als Beschreibung einer Haltung, die zwar toleriert wird, aber nicht für sich gesehen ein Weg ist? Problematisch wird es ja nur, wenn man "Hinayana" mit irgendeiner Schule innerhalb des Buddhismus gleichsetzt und genau das wird ja leider sehr oft getan!


    Ich habe das nicht als besonderen Weg verstanden. Wie auch, wenn er die Basis bildet?
    Die Haltung wird auch nicht "toleriert", da sie ja die Basis bildet. Dann wird sie doch wohl eher gefordert, nicht wahr? Ich habe das als Appell verstanden, mich beiden Polen mit gleicher Aufmerksamkeit hinzugeben.

    kilaya:
    Doris:

    Ich kenne es als Grundlage für Mahayana. Wird bei uns explizit so gelehrt.
    Ohne Hinayana, kein Mahayana. Und beides sind geistige Ausrichtungen.


    Halte ich so für ein Missverständnis. Warum sollte die geistige Ausrichtung des Bodhisattvas nicht möglich sein ohne die geistige Ausrichtung auf einen selbst allein? Das macht doch keinen Sinn. Ich vermute eher, dass hier die Begriffe durcheinander gehen. Sutra ist Grundlage für Tantra und Vajrayana innerhalb des Mahayana. Ohne Sutra kein Tantra. "Sutra" ist auch nicht deckungsgleich mit Theravada usw. Es ist die Sutraebene des eigenen internen Textfundus.


    Manchmal wird "Hinayana" tatsächlich als Synonym für Nicht-Mahayana verwendet, verstünde man es so, wäre dieser "südliche Buddhismus" eine Art Grundlage. Dieser "südliche Buddhismus" in der Lesart ist aber ein Mythos. Deswegen sollte man m.E. auf diese Vokabel lieber ganz verzichten und nur Dinge benennen, die es so auch als ausdrücklich gelehrten Weg gibt.


    Ich würde nicht behaupten, dass der Kenchen der Drikungs da einem Missverständnis unterliegt. Und mir leuchtet das Begriffssystem völlig ein.


    Ein Bodhisattva im Mahayana ist per definitionem nicht auf sich alleine ausgerichtet. Er praktiziert zum Wohle aller Wesen und verzichtet ihnen zuliebe.
    In den Vajrayana-Übungen wird alles immer den Wesen gewidmet. Es wird explizit nicht für sich alleine praktiziert.
    Und ich wiederhole: Auch wenn jemand ohne diese Widmungen usw. praktiziert kann er vollständiges Bodhicitta erlangen, vice versa.
    Den Hinayana gering zu achten, gehört zu den 10 Hauptverstössen gegen die Bodhisattva-Gelübde.


    Wenn Hinayana und Mahayana geistige Ausrichtungen sind, und beide gleich wichtig sind, wenn keine Ausrichtung zu vernachlässigen ist, dann wird doch ersichtlich, dass wir uns alle ständig zwischen diesen beiden Polen hin- und herbewegen. Und das macht sehr wohl Sinn in meinen Augen. Auch diese Unterscheidung macht Sinn. Allein schon als Korrektiv. Nicht jeder wendet sich dem Dharma zu, weil er voller Mitleid mit den Wesen ist. Die meisten fangen sich an dafür zu interessieren, weil es ihnen selber dreckig geht und sie für sich selbst ein besseres Leben anstreben. Die denken zuerst gar nicht an die Anderen. Und umgekehrt gibt es Leute, die meinen nur die Welt retten zu müssen, aber nicht schauen, wie es ihnen geht und was mit ihnen selbst los ist.


    Beide Pole sind wichtig. Ebenso ist Studieren wichtig, das Ergründen mit dem Verstand und dem Denken, die Mediation und die praktische Anwendung im täglichen Umgang mit der Welt und ihren Bewohnern.


    Ich würde den Begriff nie gegenüber einem Theravadin verwenden, weil dieser das aufgrund der Geschichte persönlich nehmen und das als Herabsetzung seiner Tradition werten könnte. Ich wiederhole noch einmal: Bei uns steht der Begriff in keinem Zusammenhang mit dem Theravada, und ist kein Synonym dafür. Er macht nur Sinn im Begriffspaar und nur im Kontext des Mahayana.

    Ich kenne es als Grundlage für Mahayana. Wird bei uns explizit so gelehrt.
    Ohne Hinayana, kein Mahayana. Und beides sind geistige Ausrichtungen.
    Hinayana verächtlich zu machen oder als entbehrlich zu betrachten gilt als Verstoss.
    Auf meine Nachfrage, kann auch Hinayana als Ausrichtung zu Bodhicitta führen.


    Und für den Fall, dass doch wieder fälschlicherweise der Begriff "Hinayana" als Synonym für "Theravada" verwendet wird: Traditionen herabzuwürdigen, zu verachten usw. gilt als schwerer Verstoss. Verwendet also jemand den Begriff fälschlich für Theravada und meint es nicht abwertend, so fände ich es gut, ihm nicht sofort Herabwürdigung zu unterstellen und einen Streit anzufangen. Nicht jeder kennt diese Unterscheidung. Es soll ja auch Leute geben, die den Begriff "Mahayana" verwenden und damit andere herabsetzen wollen. Am Begriff liegt es also nicht, sondern an der Intention.

    mukti:
    raterz:

    man sagt dass mahayana bzw. vajrayana ein schnellerer weg zum erwachen ist.
    hinayana braucht länger.


    Also ich habe ja große Achtung vor dem mahayana und vajrayana, aber an Abkürzungen glaube ich offen gesagt nicht. Die Länge des Weges ergibt sich meines Erachtens aus dem Ausmaß an kilesa, den Geistestrübungen. Aber je nach Art der Trübungen gibt es entsprechende Übungen, insofern ist man erfolgreicher, wenn man die individuell passende Übung macht.


    Ich mittlerweilen schon. Nur mache ich das nicht an einer Tradition fest.
    Aber eines kann ich aus eigener Erfahrung feststellen:
    Wenn bei mir ein Gewohnheitsmuster auftaucht, finde ich es viel mühsamer und teilweise eine sinnlose Anstrengung, wenn ich versuche mir das durch Ablösung mittels alternativem Handeln abzugewöhnen. Bin ich jedoch achtsam, erkenne ich die Bedingtheit und Leere des aufkommenden Impulses, löst er sich unmittelbar auf. Und das erweist sich als einfacher und nachhaltiger.