Beiträge von Sudhana im Thema „Buddha-Natur ?“

    Zunächst einmal bitte ich um Verständnis für die Verzögerung der Antwort; ich war die letzten Tage (bzw. bin es noch) durch einen recht heftigen grippalen Infekt etwas beeinträchtigt.

    Vibhajjavādī:

    Wo hat diese Lehre ihre Wurzeln im frühen Buddhismus?


    Wenn ich mich nicht sehr irre, hast Du Dich schon früher unter anderem Namen hier als Spezialist für den sog. "Frühbuddhismus" geäußert. Nun - dieser ist hier nicht gemeint, jedenfalls nicht im Sinne der Arbeiten Bhikku Analayos u.a. 'Früher Buddhismus' steht hier schlicht für den Begriff Hinayāna und sollte diesen vermeiden. Ganz konkret finden sich geistesgeschichtliche Vorläufer vor allem bei den Lokottaravādin: Verständnis der Buddhas als 'überweltlich' (lokottara) sowie ihre Freiheit von unreinen / weltlichen (laukika) dharmas, Manifestation der Essenz (garbha - sic!) der Buddhas durch ihre Worte (vacāna), Unbegrenztheit des rupakāya der Buddhas und ihre unendliche Langlebigkeit usw. - Näheres dazu findet man in André Bareaus Standardwerk.


    Zu den "Anknüpfungspunkten" im Palikanon - sinnvollerweise mit Zitaten in deutscher Übersetzung:


    Die beiden Udāna-Texte weisen dem Erfahrungsbereich des Tathāgata eine positive ontische Qualität zu - anders gesagt: nibbana wird hier nicht negativ im Sinn eines absoluten Erlöschens (also eines Nichts) ausgedrückt.


    In der Tathāgatagarbha-Doktrin wird diese positive ontische Qualität mit dem dharmakāya als Vollendungsaspekt des Tathāgatagarbha identifiziert, der im Erfahrungsbereich fühlender Wesen (sattvadhātu, Ursache- oder Keimaspekt des Tathāgatagarbha) durch 'Befleckungen' (kleśa) verdeckt ist. Was durch die Praxis des achtfachen Weges (den dynamischen Aspekt des Tathāgatagarbha) erlischt bzw. verweht, sind die kleśa (Pali kilesa) und die durch sie bedingten āśrava (Pali āsava).


    Ergänzend: das "Ungeborene, Ungewordene, Ungeschaffene, Unzusammengesetzte" ist im "Entrinnen für das Geborene, Gewordene, Geschaffene, Zusammengesetzte zu erkennen." Es ist mithin nicht transzendent (der Erfahrung entzogen, sie übersteigend), sondern immanent, was wiederum ein zentraler Gedanke der Tathāgatagarbha-Doktrin ist.



    Die Verknüpfung zur Tathāgatagarbha-Doktrin besteht hier in den zwei Grundgedanken cittaprakṛti (ursprüngliche Natur des Geistes - d.h. frei von Befleckungen) und āgantukakleśa (hinzukommende Befleckungen). Ein weiterer Aspekt liegt in der Beschreibung dieser im samādhi erfahrenen ursprünglichen Natur des Geistes als 'leuchtend' bzw. Licht. Keine Identifikation (es handelt sich selbstredend nicht um eine sinnliche / optische Lichterfahrung), aber eine für den, der diese Erfahrung macht, naheliegende Verhüllung einer unausdrückbaren Erfahrung in Worte (saṃvṛttisatya). Dieser prabhāsvaracitta ('Klares-Licht-Geist') bezeichnet in verschiedenen Mahāyāna-Systemen die subtilste Form des Bewusstseins.


    Nachbemerkung: mir ist selbstredend bekannt, dass insbesondere in der Theravada-Tradition die genannten Quellen anders interpretiert werden und habe auch kein Problem damit (deutlicher: es ist mir schnurz). Es ging mir bei diesen Verweisen nicht darum, die Tathāgatagarbha- / Buddhanatur-Doktrin durch Verweis auf den Palikanon zu "legitimieren" - dies ist so wenig erforderlich wie eine anderslautende Exegese dieser Zitate die Tathāgatagarbha-Doktrin delegitimieren könnte. Dazu müsste man sich unter den Beteiligten einer solchen Diskussion über den Palikanon als verbindliche Grundlage einer Dogmatik einig sein. Da bin ich raus. Es ging mir lediglich darum aufzuzeigen, dass solche entwickelten Lehren nicht aus dem Nichts entstehen; dass sie Endpunkt einer geistesgeschichtlichen Entwicklungslinie sind. Wenn man eine solche hier nicht zu erkennen vermag - bitteschön. Damit habe ich kein Problem.


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    @kesakambalo : die Quellen sind genau angegeben. Du kannst nicht erwarten, auch noch die Seite in Deinen alten KEN-Übersetzungen angegeben zu bekommen, die außer Dir kaum noch jemand benutzt.


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    Also nicht alle haben eine geheimnisvolle Natur

    Was die Tathagata-Doktrin auch überhaupt nicht aussagt.

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    Ehrlich gesagt, kann ich nicht erkennen, dass es hier um Aufhebung dualistischer Fehlansichten handelt, sondern es geht in MN2 vielmehr darum, auf welcher (falschen) Grundlage, er zu den folgenden Ergebnissen kommt.

    Ich habe ja auch nicht geschrieben, dass es in MN2 darum geht, sondern im Ratnagotravibhāga. In MN2 werden in der Tat lediglich die sechs falschen Sichtweisen gelistet und deren Folgen aufgezeigt.


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    Was der Geist sich nicht alles zurecht denken kann.

    Du bist das beste Beispiel dafür. Wo Dir solides Wissen fehlt, denkst Du Dir die Dinge einfach zurecht, wie es Dir in den Sinn kommt.

    Zunächst einmal: accinca ist offensichtlich in keinerlei Hinsicht qualifiziert, sich zum Thema Buddhanatur / Tathāgatagarbha sinnvoll zu äußern, da das, was er davon zu wissen glaubt, ausschließlich seiner Fantasie und seinen Vorurteilen entspringt. Dieses handycap teilt er allerdings mit vielen Mahayanin die meinen, sich zu dem Thema äußern zu müssen, ohne sich eingehend mit den einschlägigen Sūtren und Śastras befasst zu haben. Moosgarten weist zu Recht darauf hin. Sorry - ein "Handbuch" tut es da nicht und auch Gampopas "Der kostbare Schmuck der Befreiung" äußert sich zu dem Thema lediglich kursorisch. Genauer stellt Gampopa eine kurze Rangtong-Interpretation des Begriffs auf Grundlage des Ratnagotravibhāga (in den tibetischen Schulen auch unter dem Namen Uttaratantraśāstra bekannt) vor - und auch diese lediglich bezogen auf den Dharmakāya-Begriff, was der Komplexität der vom Ratnagotravibhāga herausgearbeiteten Tathāgatagarbha-Doktrin bei weitem nicht gerecht wird. Das soll nun keine Abwertung Gampopas sein - nur ein Hinweis darauf, dass Gampopa mE die Kenntnis des Ratnagotravibhāga voraussetzt und sein 'Juwelenschmuck' kein Ersatz dafür ist und auch keiner sein soll. Immerhin wird selbst bei Gampopa deutlich, dass Buddhanatur / Tathāgatagarbha nichts mit einem 'atta' oder 'atman' zu tun hat, wenn er die häufig zitierte Kernaussage des Mahāparinirvāṇasūtra: sarve sattva tathāgatagarbhah (was man sowohl als 'alle Wesen haben Buddhanatur' als auch als 'alle Wesen sind Buddhanatur' übersetzen kann) als Schlussfolgerung dreier 'Zeichen' oder Merkmale vorstellt: der Leerheit aller Wesen, der Identität der Leerheits-Natur von Buddhas und (sonstigen) Wesen sowie deren Verfügung über fünf gotra - d.h. Potentiale zur Erzeugung der Qualitäten Buddhas.

    Nur nebenbei sei hier angemerkt, dass diese Lehre ihre Wurzeln im frühen Buddhismus hat und sich auch problemlos selbst im Palikanon Anknüpfungspunkte finden lassen (Ud.VIII.1. , Ud.VIII.3. und insbesondere MN 49.25 und A.1.10.). Wo accinca freilich recht hat, hat er recht - und zwar damit:

    accinca:

    Wie alle Vorstellungen ist auch die Vorstellung einer "Buddhanatur" letztendlich nur eine Idee

    Genau diese Aussage ist Bestandteil der Tathāgathagarbha-Doktrin selbst - diese Doktrin ist keine Repräsentation der Realität (die per se sprachlichem Ausdruck entzogen ist) und soll es auch nicht sein, sondern ein upāya, ein 'geschicktes Mittel', das als Antidot gegen nihilistische Auffassungen (dṛṣṭi) gedacht ist. Insofern ist sie ein Korrektiv z.B. von Fehlinterpretationen etwa der Madhyamaka-Lehre. Auch hier weist der Palikanon im Sabbāsava Sutta (MN 2) schon auf solch falsche, korrekturbedürftige Sichtweisen hin - die in unserem Kontext wichtige zweite ist hervorgehoben:

    Entsprechend ist die Tathāgatagarbha-Doktrin eine nichtdualistische Doktrin, die weder die Existenz eines atman postuliert noch dessen Nichtexistenz. Mit einer bemerkenswerten Ausnahme: ihrer Interpretation im (nicht nur in dieser Hinsicht problematischen) Mahāparinirvāṇasūtra. In diesem wird tatsächlich eine 'Atman'-Sichtweise formuliert und die klassische buddhistische anatman-Lehre als (nützliches) Provisorium deklariert. Dasselbe wird dort übrigens auch mit den lakṣaṇa anitya und duḥkhata gemacht, deren Gegenteile als pāramitā der Buddhanatur vorgestellt werden. Und wenig überraschend ergibt sich aus dem Kontext, dass in diesem Sūtra auch das 'sarve sattva tathāgatagarbhah' tatsächlich als ein 'Haben' und nicht als ein 'Sein' gemeint ist. Zur Erinnerung:

    Moosgarten:


    Kein fühlendes Wesen hat nämlich irgendwas, dann dann wäre ja das "Gehabte" atta. Vielmehr ist jedes Wesen Buddhanatur

    In der Śastra-Literatur, insbesondere dem Ratnagotravibhāga, das die Aussagen von ca. zwei Dutzend Sūtren zum Themenkomplex Tathāgathagarbha harmonisiert und daraus eine konsistente Doktrin formuliert, wird das 'tathāgatagarbhah' jedoch als 'ist Tathāgatagarbha' gedeutet und so legt es z.B. auch Dōgen unmissverständlich in Shōbōgenzō Busshō dar. Das Mahāparinirvāṇasūtra steht innerhalb der Tathāgatagarbha-Doktrin für eine Extrem-Position, der durch andere Sūtren dieser Richtung widersprochen wird - insbesondere Jñānālokalaṅkārasūtra, Anūnatva-apūrṇatva-nirdeśa-sūtra, Śrimālādevīsiṃhanādasūtra, um nur die wichtigsten zu nennen. Zu diesen tritt noch das Tathāgatagarbhasūtra als vermutlich frühester Text dieser Gruppe, der neun Gleichnisse für den Tathāgathagarbha gibt, aus denen sich ebenfalls keine atman-ähnliche Interpretation von Tathāgatagarbha ableiten lässt. Bei aller berechtigten Kritik an der durch das Mahāparinirvāṇasūtra vertretenen Sichtweise sollte man nicht übersehen, dass man von einer in sich konsistenten Buddhanatur- oder Tathāgatagarbha-Doktrin erst mit dem Ratnagotravibhāga sprechen kann und dieses Śastra zitiert zwar auch extensiv aus dem Mahāparinirvāṇasūtra, relativiert und deutet diese Zitate jedoch im Sinn einer nichtdualistischen Lehre - d.h. einer Lehre, die insbesondere diese beiden falschen Sichtweisen dialektisch aufhebt:

    Zitat


    1. Ich habe ein Selbst: diese Sichtweise steigt in ihm auf als wahr und wirklich.
    2. Ich habe kein Selbst: diese Sichtweise steigt in ihm auf als wahr und wirklich.

    Genau dieser Text - also das Ratnagotravibhāga - und seine Aussagen sind Grundlage jeder einigermaßen sinnvollen Diskussion über die Buddhanatur und man sollte ihn kennen, um überhaupt zu wissen, wovon man da eigentlich spricht. Wobei eine Kenntnis der hier neben dem Mahāparinirvāṇasūtra genannten Sūtren ebenfalls ausgesprochen hilfreich wäre. Genau aus diesem Grund ist auch das Diskutieren mit accinca hier sinnfreie Zeitvergeudung.

    Notabene: damit (d.h. mit Tathāgatagarbhasūtra, Jñānālokalaṅkārasūtra, Anūnatva-apūrṇatva-nirdeśa-sūtra, Śrimālādevīsiṃhanādasūtra und Mahāparinirvāṇasūtra sowie dem Ratnagotravibhāga, das aus diesen und etlichen weiteren Sūtren zitiert und daraus eine einheitliche Doktrin formuliert) wären wir auf einer gemeinsamen Plattform, das ostasiatische und das tibetische Mahāyāna betreffend (insofern gehört das Thema auch nicht in das tibetische Unterforum). Hinsichtlich Ostasien und speziell Chan / Zen wären als Grundlagentexte hier unbedingt noch das Laṅkāvatārasūtra anzuführen sowie als wichtigste Śastras das *Buddhadhatu Śastra (Foxing Lun 佛性論) und das *Mahāyāna Śraddhotpada Śastra (Dasheng Qixin Lun 大乘起信論), in denen die Tathāgathagarbha-Doktrin mit Lehren der Yogacara-Schule amalgamiert wird.

    Notwendiger Hinweis für die, die sich tatsächlich mit der Materie ernsthaft befassen wollen: die deutsche Übersetzung des Ratnagotravibhāga bzw. Uttaratantra-Śastra von Rosemarie Fuchs ist amateurhaft und nicht wirklich brauchbar; man kommt nicht umhin, Jikido Takasakis englischsprachige Studie und Übersetzung zu Rate zu ziehen, wenn man nicht im Original lesen kann.


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