Beiträge von Sôhei im Thema „Sexualität und Befreiung: Ist die kritische Sicht des Buddha auf Sexualität für heutige Praktizierende relevant?“

    Nach soviel weltlichen Verzweiflungsrufen hier mal was buddhistisches aus

    einer Lehrrede des Buddha drei maßgebliche Beispiele für das worum es

    dem Buddha ging. Aber wer nur sinnliches Vergnügen will, der braucht sich

    um die Buddhalehre doch auch nicht kümmern:

    Du scheinst schon eine ziemlich verzerrte Wahrnehmung zu haben, wenn du hier "weltliche Verzweiflungsrufe" oder nur den Wunsch nach sinnlichem Vergnügen siehst. Hier sprechen Menschen darüber, wie sie das Thema Sexualität und andere Sinneserlebnisse auf ihrem Weg reflektieren und versuchen, sich weiter in Richtung stabiler Zufriedenheit und Gelassenheit zu entwickeln. Dass du da eigentlich immer nichts Konstruktives zu beitragen kannst außer einem Verweis auf irgendeine Stelle im Vinaya- oder Sutta-Pitaka zeigt eigentlich nur, dass du wohl entweder keine große Erfahrung im Leben hast, oder wahrscheinlich einfach sehr unglücklich bist, und dich daher fast schon schriftgläubig an die Worte klammerst. (Welche ja bekanntermaßen nur zu einem ganz geringen Teil wirklich die Worte des historischen Buddha wiedergeben.)

    Dein Tenor ist immer, dass alle anderen es falsch machen; während die meisten anderen hier halt sagen, jeder muss seinen Weg finden. Vielleicht einfach mal nicht den Mund so voll nehmen. Liest du Pali und oder Sanskrit? Bist du Mönch? Hast du irgendwelche Wunderkräfte vorzuweisen, die doch aus der Praxis resultieren sollen? Von Gleichmut und Metta spüre ich bei deinen Beiträgen zumindest nur selten was, und auch mit der Einsicht scheint es ja noch nicht weit her zu sein. Was meinst du befähigt dich, so entschieden über andere Menschen und ihre Leben zu urteilen, außer deinem eigenen Wahn?

    Die (theo)logisch überzeugende Begründung einer Pflicht-Enthaltsamkeit gelingt im Theravada genauso wenig wie im Katholizismus. Ich weiß nicht, wie es um die soziale Hintergrundstruktur der fraglichen Mönche in den Ländern von denen wir jetzt reden aussieht. D. h. aus was für Familien kommen sie, was sind ihre Beweggründe gewesen, ins Mönchs-Dasein einzutreten, in welchem Alter treten sie ein etc. Ich finde es sollte nicht schwer nachvollziehbar sein, dass das Thema Sexualität für die meisten Menschen kaum überwunden oder erledigt sein kann, wenn man mit 20 oder 30 die Verpflichtung auf sich nimmt oder auf sich nehmen muss, keine partnerschaftliche Beziehung mehr führen zu dürfen. Hat nebenbei gemerkt auch so gar nix mehr mit dem Lebensweg des Vorbilds gemeinsam. Viel sinnvoller erscheint mir da wenn schon denn schon das indische Modell mit den vier Lebensphasen, wo man sich nachdem man das "normale und echte" Leben gelebt hat, sich in die Einsamkeit/Enthaltsamkeit zurückzieht, um sich ganz der Befreiung zu widmen.

    (Dass es Ausnahmen gibt, das heißt Menschen die von Natur aus kaum oder kein Verlangen nach Partnerschaft und Sexualität haben, ändert daran nichts.)


    Dass es in der Realität bei den Mönchen damals wie heute ja auch nicht anders war (also problematisch), belegen ja schon die hier geteilten Erfahrungen, aber auch die ganzen Texte (welche immer wieder darauf hinweisen müssen, was unterlassen werden soll; die Streitpunkte bei den Konzilen was nächtliche Samenergüsse betrifft etc.). Wie es mit heimlichen Beziehungen von und Missbrauch durch Theravada-Mönche in den jeweiligen Ländern aussieht, keine Ahnung. Vielleicht ist jemand ja in der Landessprache und Kultur tief genug drin, um hier was zu sagen zu können?

    Wenn man glaubt, dass jegliche Sinnlichkeit zu überwinden bzw. aufzugeben sei, weil dies und nur dies der Weg zu einer wie auch immer gearteten "endgültigen Befreiung" sei, dann ist es nur konsequent, sich auch aus dem Beziehungsleben zurückzuziehen.


    Aber das ist natürlich reine Theorie. Ohne jetzt auf grundlegende Fragwürdigkeiten einzugehen sollte nachvollziehbar sein, dass "Sinnlichkeit" - vom angenehmen Gefühl eines gesunden Körpers, über Geschmack am Essen, Freude an Freundschaft, Beziehung, Behaglichkeit in Kleidung und Wohnung etc. umfassend ist.

    Die Entwicklung einer vollständigen Gelassenheit gegenüber angenehmen und unangenehmen Erlebnissen ist ja nun auch etwas, was nicht nur im Buddhismus angeraten wird. Unsinnig erscheint mir allerdings der Gedanke, man könne sich dem sinnlichen Leben gewissermaßen entziehen. Das scheint mir eine Verirrung, die ebenfalls nicht nur bei manchen Fraktionen des Buddhismus anzutreffen ist, sondern ihre Entsprechung in vielen anderen Religionen hat. Und zu Urteilen, dieser oder jemand könne gar nicht frei von sinnlichen Anhaften sein, weil er ja z. B. gerne isst oder in einer Beziehung lebt, ist für mich weder theoretisch stimmig noch praktisch-pragmatisch hilfreich.


    Also mein Fazit:

    Eine kritische Sicht auf Sexualität ebenso wie auf andere Sinnesvergnügen (und geistige Vergnügen) scheint mir damals wie heute sinnvoll, wenn man das Gefühl hat nicht im Gleichgewicht zu sein und/oder sein Dasein in eine bestimmte Richtung entwickeln will. Zu sagen, ohne totale Enthaltsamkeit gibt es keine Befreiung, oder wer ein bestimmtes Stadium der Entwicklung erreicht hat, hat von selbst kein Bedürfnis mehr nach allen Arten von angenehmen Empfindungen, scheint mir nicht sehr einsichtig.

    (Wie mit Accinca natürlich schon diskutiert: Muss mir als Nicht-Buddhisten ja nicht einsichtig erscheinen, und wer es streng nach Vorschrift ohne Hinterfragen machen will, darf das natürlich gerne tun.)

    In der Buddhalehre ist es unumstrittene Wahrheit das durch Begehren, Abhängigkeiten und Anhaftungen

    mit Verblendung zu Leiden und Konflikten kommt. Mit anderen Worten das es dadurch einfach weiter

    geht wie bisher in der Welt. Auf alle fälle wird die Befreiung vom Leiden dadurch verhindert.

    Auch das gehört in der Buddhalehre zur unumstrittenen Wahrheit.

    Ja, wir verstehen uns. Das nennt sich Glaubenswahrheit und ist ja auch völlig in Ordnung. Außerhalb der Glaubensgemeinschaft ist es ein Postulat oder eine Theorie.

    Für die Frage, wie es wirklich (generell und im jeweiligen Einzelfall) darum beschaffen ist, wenn man z. B. Freude am Essen oder an Sex empfindet, ob, wann und wie das zu Leiden führt oder nicht (und ob wir es generell oder im jeweiligen Fall überhaupt wissen können), ist es aber genauso unerheblich was du glaubst, wie was ich glaube. Wir können beide nur unsere Erfahrungen aus erster und zweiter Hand hernehmen, darüber reflektieren, versuchen das mit anderen Aspekten unserer Weltsicht in Übereinstimmung zu bringen etc.

    Aber auch die vielfältigen Nachteile welche durch diese Abhängigkeiten und

    Konflikten bis Kriege entstehen wie auch das Wohl und Wehe in zukünftigen Dasein.

    Ob du das dann "Anhangen" oder Anhaften nennst oder nicht, ist dabei unerheblich.

    Na ja, das was du beschreibst ist ja deine auf einem Ausschnitt der buddhistischen Aufzeichnungen basierende Interpretation und Meinung, aber keine Tatsache oder unstrittige Wahrheit.

    Wenn dem zwangsläufig so wäre, dann wäre es natürlich egal ob ich/man sich bei einem z. B. schönen Essen derartige Konsequenzen unter dem Etikett "Anhangen" eingesteht (eingestehen kann, eingestehen will) oder nicht. Da dem aber eben z. B. meiner Meinung nach nicht zwangsläufig so ist (und ein klarer Beweis nunmal aussteht wenn nicht gar unmöglich ist), ist es nicht unerheblich. Vielleicht will ich ja den Begriff "Anhangen/Anhaften" nur für Mechanismen und Vorgänge gebrauchen, wo tatsächlich Dukkha generiert wird.

    Aber deine Frage war: "Wieso soll es nämlich nicht möglich sein, Sex zu haben, ohne daran anzuhaften?" Da sehe ich hier keine Erklärung, wie das möglich wäre.

    Vermutlich, weil wir einfach von völlig unterschiedlichen Standpunkten draufschauen. Für mich ist es genauso absurd, jedes Sinnesvergnüngen automatisch mit Anhaften gleichzusetzen. (Sprich: mich überzeugen die "Erklärungen" nicht, die überall Anhaften und Dukkha wittern.) Beispiel Essen: ich esse natürlich lieber etwas, was mir schmeckt, als etwas was mir nicht schmeckt. Trotzdem muss ich mich nicht Vollschaufeln bis mir schlecht ist, und ich gräme auch nicht weil es dann vorbei ist. Da versteckt sich kein Anhaften oder Dukkha drin. Ist mit Sexualität nicht anders.

    Warum? Ich konnte schon viele Anhaftungen aufgeben (wie jeder Mensch). ZB spielte ich als Kind gern Playmobil - jetzt nicht mehr. Früher hab ich täglich Fleisch gegessen und konnte mir nicht vorstellen, je fleischlos zu leben. Jetzt ist kein Verlangen nach Fleisch mehr da. Undundund. Die Anhaftungen, die man aufgegeben hat, sind sicher von Mensch zu Mensch verschieden, aber jeder hat das erlebt.

    Wenn man nun dieser oder jene Anhaftung aufgeben kann, warum sollte man nicht alle aufgeben können?

    Die "Grenze zur Religion" seh ich da nicht überschritten.

    Ich frage mich eher, wie man Sex haben soll, ohne jede Form der Begierde. Und vor allem: wozu :D

    Die Grenze zur Religion ist die "endgültige Befreiung" und das Weltbild dahinter, welches postuliert dass alles sinnliche Dasein leidverbunden und leiderzeugend ist, sowie aufgrund einer ominösen "Wiedergeburt ohne Wiedergeburt" auch nicht mit dem Tod einfach endet. Brauchen wir aber jetzt wirklich nicht zum hundertsten mal versuchen zu diskutieren, die einen sehen es halt so, die anderen anders.

    Essen ist nötig zur Erhaltung des Körpers, Sex nicht. Was wäre dann deiner Meinung nach das Motiv Sex zu praktizieren, wenn keine Anhaftung an Sinnesgenuss besteht?

    Na dann aber bitte aufpassen, dass du nicht aus Versehen "Freude" empfindest beim Essen. Also dass es dir schmeckt. Aber nicht schmecken darf es natürlich auch nicht, das wäre ja dann Abneigung. Insgesamt ist das doch wohl ein Konzept, welches den Menschen nur als Irrtum der Natur betrachten kann, oder? Oder vielleicht hat die katholische Kirche doch Recht - Sex bitte nur um Kinder zu zeugen?

    Der Mensch ist ein körperlich-geistiges Wesen in einer sozialen und materiellen Welt. Er verfügt über die Fähigkeit Freude, Leid etc. zu empfinden. Manche Beschäftigungen tun ihm auf lange Sicht und/oder im Übermaß nicht gut, wobei das eben bei jedem etwas unterschiedlich ist. Wenn jemand mit seinem Partner Sex hat, ja ganz einfach aus dem Grund weil er die Intimität zu diesem Menschen liebt und/oder auch nur das Empfinden beim Sex, sehe ich da schlicht und einfach kein Problem. Es kommt immer auf das Gesamtpaket an.

    "Anhaftung an Sinnengenuss" ist einfach eine Floskel. Wenn du dich wohl fühlst ohne Sexualität, und auch keine Gedanken daran hast, ist ja okay.

    Da verweise ich auf die bisherige Diskussion. Sex ist nicht böse, im Gegenteil, es ist sehr angenehm (meistens) und daher etwas, an dem wir Menschen - evolutionär bedingt - stark anhaften. Wer von Anhaftungen frei werden möchte, muss sich nicht nur den negativen Anhaftungen stellen, sondern auch den angenehmen.

    Dass man aufhören soll zu rauchen, ist leicht einsichtig. Aber aufhören, Sex zu haben? Schokolade zu essen? Seine Lieblingsserie zu schauen? Das ist ein anderes Kaliber.

    Der Witz ist - sobald man die Anhaftung daran aufgibt, braucht man diese Dinge gar nicht mehr :) Dann ist es kein Verzicht mehr, sondern es fehlt der Wunsch danach.


    Du willst weiter Sex haben? Schön. Mach keinen Missbrauch, fertig. Du willst endgültige Befreiung erlangen? Auch recht. Dann überwinde jede Anhaftung. Auch die, Sex zu haben. Oder leben zu wollen. Oder einen Menschen behalten zu wollen. Das schwerste überhaupt - die Anhaftung an die eigenen Kinder aufzugeben. Da ist der Verzicht auf Sex plötzlich einfach im Vergleich.

    Du führst ja selber die Unterscheidung zwischen der Sache und der "Anhaftung" ein. Wieso soll es nämlich nicht möglich sein, Sex zu haben, ohne daran anzuhaften? Das ist ja genau das, was ich schrieb, eben mit Blick auf den ganzen Sinnesbereich (z. B. auch: leckeres Essen). Und woran sich die Geister ja seit jeher scheiden. Die einen halten das für möglich, die anderen nicht. Theoretisch unstrittige Beweisführungen gibt es da nicht, gelungene und gescheiterte reale Beispiele dafür in beiden Lagern.

    Da könnte man sich auch einfach gegenseitig in-Ruhe-lassen :) Soll jeder machen, wie er gut mit klarkommt.


    Mit der "endgültigen Befreiung" wird dann aber eben wieder die Grenze zur Religion überschritten. Mit diesem Phantom wird ja nun der Anspruch erhoben, etwas für alle Menschen gültiges auszusagen.

    Wie sehen die ganzen Freunde des zölibatären Daseins denn diese Frage in einem größeren Kontext? Wie steht es überhaupt mit Zuneigung und Liebe zu einem anderen Menschen? Auch alles böse und muss überwunden werden? Und was ist mit den ganzen Menschen, für die Sexualität schlicht und einfach ein normaler Teil des Daseins ist? Die weder 24 Stunden am Tag an Sex denken, noch dreißig Partner die Woche haben. Letztlich läuft die ganze Mär vom zölibatären Mönch der die Welt überwindet doch nur auf den lebensverneinenden Eigenbrötler hinaus. Der durch Verzicht irgendwelche höheren Weihen/Erkenntnisse erlangt. Was ja okay ist, wenn er damit glücklich ist (oder meint es zu sein). Aber in der Realität scheint das halt doch nur auf jeden tausendsten oder zehntausendsten zugetroffen zu haben. Während die ganzen anderen ihr abstruses Denken als Heilsweg kaschieren. Und die Propagierung einer Notwendigkeit alles Sinnliche zu überwinden vermutlich ebenso viel Leid erzeugt hat, wie die guten Seiten der Buddha-Lehre. Welchen Sinn soll es machen zu versuchen, eine so vielschichtige und kontextabhängige Frage anhand alter Schriften als höchste Instanz zu entscheiden?