Beiträge von Kaffeebohne im Thema „Sexualität und Befreiung: Ist die kritische Sicht des Buddha auf Sexualität für heutige Praktizierende relevant?“
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Könntest du mir bitte sagen, wo ich deiner Meinung nach "bei Sexverzicht einen verpflichtenden inneren Konflikt postuliere"
Ähm... ist das nicht Inhalt dieses Threads? Also dass die Anweisung des Buddha, Sexualität sei loszulassen und zu überwinden, heute abgemildert werden solle, weil menschenunmöglich bzw. aus die meisten Menschen überfordernd?
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@Frieden und Freude: Mir ist nicht klar, warum Du quasi bei Sexverzicht einen verpflichtenden inneren Konflikt postulierst. Meine Erfahrung ist eher, dass auch massive Lebensumstellungen recht beschwerdefrei verlaufen, wenn sie einem tiefen inneren "Aha-Erlebnis" folgen. Dann gehen Umstellungen, die - wenn befohlen - zu Revolution und Hassattacken führen würden.
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Zum "sinnlichen Vergnügen" kann nahezu alles gehören, was Menschen machen:
- beim Spazierengehen die Natur bewundern
- Musizieren oder Musik hören
- ein Kunstmuseum besuchen
- ein gutes Buch lesen
- Fahrrad fahren oder schwimmen gehen
- ins Theater gehen
- einen Freund umarmen
- sich massieren lassen
- den Geschmack von guten Speisen bewusst wahrnehmen
- liebevollen Sex mit einer Partnerin/einem Partner
oder auch:
- Rauchen
- Horrorfilme sehen oder sich am TV berieseln lassen
- Pornos konsumieren
- Fastfood essen
- liebloser Sex mit ständig wechselnden Partnerinnen/Partnern
- etc. etc.
Die meisten Menschen (und auch viele Buddhisten) würden nun sagen:
Die zuerst aufgezählten Vergnügen sind heilsam und nützlich. Sie machen das aus, was man Lebensfreude nennt. Eine Freude, die mit Sinneskontakt zu tun hat.
Die zuletzt aufgezählten Vergnügen sind nach Auffassung vieler Menschen unheilsam und in der Regel mit einem suchtartigen Verlangen (Gier) verbunden.
Seh ich anders. Gier sind alles - sofern Du dran anhaftest. Und ja, die oberen sind heilsamer als die unteren. Versuch mal, nach einem Horrorfilm zu meditieren - ist wohl schwieriger als nach einem Waldspaziergang, weil es den Geist in Unruhe versetzt. Und zu Deinem Begriff Lebensfreude: Darum geht's ja. Die von Dir genannten Sache können materielle Freude bringen, also Sinnesfreude. Der Buddha sagt, es gibt auch eine andere Freude, die NICHT davon abhängig ist, ob die Sinne grade was Angenehmes oder Unangenehmes ans Gehirn melden. Um diese Freude zu erleben, müsse man aber das Anhaften an die sinnlichen Freuden (egal ob heilsam oder unheilsam) überwinden. Und wenn man das Anhaften ganz und gar überwindet, habe man diese "spirituelle" Freude dauerhaft.
Jetzt kannst Du natürlich sagen "stimmt nicht, da irrt der Buddha, wenn man auf Sex (oder andere Sinnesfreuden) ganz und gar verzichtet, bekommt man einen psychischen Schaden und wird verbittert. Das ist dem Menschen nicht möglich."
Damit hast Du vielleicht recht, da ich nie irgendwelche Jhana-Stufen erlebt habe, kann ich nicht bestätigen, ob es Freude jenseits der Sinne gibt. Aber wenn man dem Buddha folgen will, wird man - wenn man ihm tatsächlich in aller Konsequenz folgen will - um ein Ablassen vom Anhaften an Sinnesfreuden nicht rumkommen.
Und wenn Du mit mehreren Mönchen gesprochen hast, die das nicht konnten, hat das wenig Aussagekraft darüber, ob es möglich ist. Wie wenn ich 5 Leute frage, die alle Fleisch essen und dann sage "ein vegetarischer Lebensstil ist unmöglich."
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PhenDe: Drum schreibe ich bei Vermutungen und ja auch "Vermutung." Und Beweislast gibt's nicht, weil ich nichts beweisen will Darum ja auch der Hinweis, dass es mit dem Thread wenig zu tun hat und ich nicht weiß, warum Frieden-und-Freude plötzlich Aberglaube und Übernatürliches einbringt.
Kurz: Ich weiß nicht, was Du mir konkret sagen willst, Lucky.
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Was in fortgeschrittenen Stufen der spirituellen (oder einfach geistigen) Entwicklung möglich ist, darüber können wir alle nur spekulieren. Da sind alle Ansichten möglich. Es gibt sehr viele Erfahrungsberichte - nicht nur buddhistische - von Personen mit erstaunlichen Fähigkeiten. Dies in Bausch und Bogen als falsch oder Betrügereien abzutun ist übrigens auch unwissenschaftlich.
Ich kann nur aus meiner Perspektive sprechen. Alles, aber auch alles, was ich bislang mit meiner unvollkommenen und mangelhaften Praxis nach der Lehre des Buddha erlebt habe, hat die Worte des Buddha bestätigt. Jede einzelne Erfahrung. Da war nie was Übernatürliches, nur ganz einfache Sachen - etwa im Hinblick auf Wut, auf Begierden und anderes. Ganz Alltägliches,
Ob der Buddha sich in vielen Dingen geirrt hat oder ob im Palikanon vieles steht, was der Buddha nicht meinte, kann ich nicht beurteilen. Aber meine Erfahrung, dass sich Buddhas Worte in meinem Leben bestätigen, wenn ich nach seinen Anweisungen verfahre, lässt in mir doch die Vermutung hochkommen, er könnte auch mit weiterführenden Aussagen recht haben.
Ich schließe daher nicht aus, dass es besondere Fähigkeiten gibt. Aber wie gesagt - das ist Spekulation und ist ja eigentlich auch nicht Thema dieses Threads. Betonen möchte ich aber nochmals, dass sich Deine "kritischen Argumente" auf wissenschaftliche Studien stützen, die etwas ganz anderes untersucht haben, als in diesem Thread ursprünglich diskutiert werden sollten. Sie helfen daher nicht weiter.
Wäre es möglich, den Buddha - oder jemand anderen Verwirklichten - wissenschaftlich zu untersuchen, wäre das was Anderes.
Ich glaube, Anccinas "naive Wissenschaft" bezieht sich genau darauf - sie untersucht den dualen, materialistischen Geist und macht da enorme Fortschritte. Ob es darüber hinaus für den menschlichen Geist möglich ist, spirituell über den dualen Geist "hinauszugehen", ist bislang nicht wissenschaftlich bewiesen oder widerlegt.Das muss man wohl selbst herausfinden, ganz ohne Wikipedia
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Ellviral hat es sehr schön gesagt. Es geht ja nicht darum, dass kein Bedürfnis mehr aufsteigt. Das wäre wohl unmenschlich. Aber es erkennen, ihm zunicken und dann die Aufmerksamkeit auf etwas anderes richten bzw. nicht an diesem Bedürfnis anhaften. Um nichts anderes geht es. Buddha sagt immer wieder, dass die Anhaftungen und Begierden vernichtet werden. Ob er damit meint, dass man das Aufsteigen jedes Mal erkennt und halt nicht daran anhaftet oder dass sie irgendwann gar nicht mehr auftreten, weiß ich nicht. Ich vermute aber eher Letzteres. Im eigenen Erleben sehe ich, dass Begierden, denen ich nicht mehr nachgebe, schwächer werden. Seltener auftreten. Und ich bin sehr weit davon entfernt, spirituell fortgeschritten zu sein.
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Schön, aber inwiefern helfen Deine wissenschaftlichen Studien, die Frage ob "es sinnliche Bedürfnisse gibt, die durch eine spirituelle Praxis (welcher Art auch immer) nicht (oder nicht vollständig) "überwunden" werden können." zu beantworten? Dazu müsste man nun mal Leute fragen, die diese spirituelle Praxis sehr weit entwickelt haben. Und das war bei diesen Studien wahrscheinlich nicht der Fall.
Wozu auch - 99,99999% der Menschheit will erfüllte Sexualität haben, nicht diese überwinden bzw. die Anhaftung daran fallen lassen. Um die Bedeutung von Zärtlichkeit und Sex für den nicht-völlige-Befreiung-Suchenden richtig einschätzen zu können, sind solche Studien wertvoll. Für die Beantwortung Deiner These aber nicht.
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Da die Diskussion inzwischen wieder sehr emotional verläuft, möchte ich mich darauf beschränken, erneut auf die Ergebnisse wissenschaftlicher Forschung zu verweisen:
ZitatNeuere Forschungen haben ergeben, dass wir ausreichenden und wohlmeinenden Körperkontakt brauchen, um zentrale Körperfunktionen wie beispielsweise unseren Wärmehaushalt, unser Immunsystem und Herz-/Kreislaufsystem zu regulieren. (Juhan, Bauer u. a.)
Daran zweifelt hier ja niemand. Babys sterben angeblich sogar, wenn sie nicht genug Zärtlichkeit und Körperkontakt bekommen. Die Studien zeigen - wie gesagt ohne einzige Gegenstimme, die ich hier im Forum gesehen hätte - dass es für den Menschen ein innewohnendes Bedürfnis nach Berührung und Zärtlichkeit gibt.
Aber darum geht's nicht. Sondern um die Frage, ob man, dem Weg des Buddha folgend, SOGAR solch innewohnende, genetisch verankerte Bedürfnisse hinter sich lassen kann (ohne einen Dachschaden zu bekommen :D). Leider gibt's keine entsprechenden Studien, an denen 150 Arahants teilgenommen hätten Daher sind die wissenschaftlichen Belege hier fehl am Platz. Sie haben nie untersucht, ob das bewusste, gewollte und reflektierte loslassen eines solchen Bedürfnisses Auswirkungen hat.
Also völlig verschiedene Dinge.
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Hier wird für meinen Geschmack zuviel Spekulation als Wahrheit gehandelt. Der Verzicht auf Zärtlichkeit/Sex wird als schädlich für den Menschen gesehen - wie ein Dogma.
Das ist Spekulation. Zweifellos ist der aufoktruierte Verzicht auf Körperlichkeit eine massive Belastung. Ist ja die einem Vielesser vom Arzt befohlene Diät auch.
Der bewusste Verzicht hingegen ist eine andere Geschichte - ebenso wie die aus eigenem Aha-Erlebnis hervorgehende Umstellung der Ernährung.
Wer den Weg des Buddhas ganz gehen will, wird mMn um ein Überwinden aller Anhaftungen nicht herumkommen, auch und gerade von denen, die uns so selbstverständlich innewohnen: Gier nach gutem Essen, nach Anerkennung, nach Zärtlichkeit, am Leben zu bleiben. Zwingen kann man dazu niemand. Wem es gelingt, der ist wohl ein freierer Mensch als jemand, der seine Triebe befriedigen muss, um zufrieden zu sein.
Das mag vor allem Anfangs hart sein. Aber ehrlich gesagt ist es auch hart, sich jeden Tag zur Meditation hinzusetzen. Bis man nach einer Weile bemerkt, dass es gut tut. Obwohl der "Affengeist" behauptet, es sei widernatürlich
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Na dann aber bitte aufpassen, dass du nicht aus Versehen "Freude" empfindest beim Essen. Also dass es dir schmeckt. Aber nicht schmecken darf es natürlich auch nicht, das wäre ja dann Abneigung. Insgesamt ist das doch wohl ein Konzept, welches den Menschen nur als Irrtum der Natur betrachten kann, oder?
Das ist ein Missverständnis. Nicht die Empfindung soll überwunden werden - ob Du was empfindest, kannst Du zumeist nicht selbst entscheiden. Sondern die Anhaftung an die Empfindung. Du isst, entweder schmeckt es, es schmeckt nicht, oder es ist neutral. In jedem Fall erkennst Du es, sagst "aha, schmeckt/schmeckt nicht/schmeckt neutral" und fertig. Im Alltag läuft's halt anders, wenn Du Dir denkst: Das mag ich wieder haben! Und morgen gibts was Anderes, und Du bist enttäuscht.
Die Empfindungen sind wie Gedanken. Sie entstehen, bedingt durch Dein bisheriges Leben und Deine Erfahrungen. Lass sie vorüberziehen. Dann reagierst Du nicht mehr mit Ablehnung oder Haben wollen auf angenehmen/unangenehmen Geschmack.
Wenn Du Sex mit einem Partner hast, weil Du die Intimität zu diesem Partner liebst, ist das natürlich nichts Schlimmes. Es ist aber Quelle von Dukkha. Wenn Du mal willst und der Partner nicht, oder umgekehrt. Oder der Sex mal nicht gut ist. Oder Du nicht weißt, ob der Partner es genossen hat. Oder...
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Mit der "endgültigen Befreiung" wird dann aber eben wieder die Grenze zur Religion überschritten. Mit diesem Phantom wird ja nun der Anspruch erhoben, etwas für alle Menschen gültiges auszusagen.
Warum? Ich konnte schon viele Anhaftungen aufgeben (wie jeder Mensch). ZB spielte ich als Kind gern Playmobil - jetzt nicht mehr. Früher hab ich täglich Fleisch gegessen und konnte mir nicht vorstellen, je fleischlos zu leben. Jetzt ist kein Verlangen nach Fleisch mehr da. Undundund. Die Anhaftungen, die man aufgegeben hat, sind sicher von Mensch zu Mensch verschieden, aber jeder hat das erlebt.
Wenn man nun dieser oder jene Anhaftung aufgeben kann, warum sollte man nicht alle aufgeben können?
Die "Grenze zur Religion" seh ich da nicht überschritten.
Ich frage mich eher, wie man Sex haben soll, ohne jede Form der Begierde. Und vor allem: wozu
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Wie sehen die ganzen Freunde des zölibatären Daseins denn diese Frage in einem größeren Kontext? Wie steht es überhaupt mit Zuneigung und Liebe zu einem anderen Menschen? Auch alles böse und muss überwunden werden? Und was ist mit den ganzen Menschen, für die Sexualität schlicht und einfach ein normaler Teil des Daseins ist? Die weder 24 Stunden am Tag an Sex denken, noch dreißig Partner die Woche haben. Letztlich läuft die ganze Mär vom zölibatären Mönch der die Welt überwindet doch nur auf den lebensverneinenden Eigenbrötler hinaus. Der durch Verzicht irgendwelche höheren Weihen/Erkenntnisse erlangt. Was ja okay ist, wenn er damit glücklich ist (oder meint es zu sein). Aber in der Realität scheint das halt doch nur auf jeden tausendsten oder zehntausendsten zugetroffen zu haben. Während die ganzen anderen ihr abstruses Denken als Heilsweg kaschieren. Und die Propagierung einer Notwendigkeit alles Sinnliche zu überwinden vermutlich ebenso viel Leid erzeugt hat, wie die guten Seiten der Buddha-Lehre. Welchen Sinn soll es machen zu versuchen, eine so vielschichtige und kontextabhängige Frage anhand alter Schriften als höchste Instanz zu entscheiden?
Da verweise ich auf die bisherige Diskussion. Sex ist nicht böse, im Gegenteil, es ist sehr angenehm (meistens) und daher etwas, an dem wir Menschen - evolutionär bedingt - stark anhaften. Wer von Anhaftungen frei werden möchte, muss sich nicht nur den negativen Anhaftungen stellen, sondern auch den angenehmen.
Dass man aufhören soll zu rauchen, ist leicht einsichtig. Aber aufhören, Sex zu haben? Schokolade zu essen? Seine Lieblingsserie zu schauen? Das ist ein anderes Kaliber.
Der Witz ist - sobald man die Anhaftung daran aufgibt, braucht man diese Dinge gar nicht mehr Dann ist es kein Verzicht mehr, sondern es fehlt der Wunsch danach.
Du willst weiter Sex haben? Schön. Mach keinen Missbrauch, fertig. Du willst endgültige Befreiung erlangen? Auch recht. Dann überwinde jede Anhaftung. Auch die, Sex zu haben. Oder leben zu wollen. Oder einen Menschen behalten zu wollen. Das schwerste überhaupt - die Anhaftung an die eigenen Kinder aufzugeben. Da ist der Verzicht auf Sex plötzlich einfach im Vergleich.
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Nein. Aber Dein Beitrag sprach etwas an, das in dieser Diskussion immer wieder gekommen ist. Auch im Hinblick auf christliche Mönche und das Thema "Sexualität ablehnen bedeutet etwas zutiefst Menschliches zu unterdrücken."
Dem ist eben nicht so. Und den Unterschied wollte ich, motiviert durch Deinen Post, prägnant hervorstreichen.
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wieso "etwas"?
Wieso "unterdrückt"?
Das etwas heißt "Begierde" und "unterdrücken" nennt der Buddha "überwinden".
Der Unterschied ist recht einfach. Unterdrücken: "Oh nein, dieses Gefühl darf ich nicht haben!" Überwinden: "Oh, da ist wieder dieses Gefühl. Ich richte meine Aufmerksamkeit auf etwas anderes."
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Nun ist es allerdings so, dass es nach meiner Erfahrung und Wahrnehmung nur wenige Menschen sind, denen es nicht allzu schwer fällt, auf Sexualität zu verzichten. Das betrifft sowohl Laien als auch Mönche.
Soweit ich sehe, gibt es nur wenige, für die ein Leben in völliger sexueller Enthaltsamkeit zum inneren Frieden führt.
Vor diesem Hintergrund bin ich der Meinung, dass:
1. eine maßvolle Lockerung der Keuschheitsregel auch in Theravada-Klöstern sinnvoll wäre und auch durchaus vinaya-konform praktiziert werden könnte, indem man medizinisch begründete Ausnahmeregelungen schafft. Dafür dass Ordensregeln aus medizinischen Gründen eingeschränkt oder in bestimmten Situationen aufgehoben werden können, gibt es viele Beispiele, das ist also keine Unmöglichkeit. Wenn eine Praxis zu psychischen Problemen und Verhaltensauffälligkeiten führt, könnte man einen solchen medizinischen Ausnahmetatbestand anführen und dem betreffenden Mönch oder Novizen gelegentliche Selbstbefriedigung gestatten. Dadurch kann viel überflüssiges Leiden vermieden und die psychische Gesundheit gefördert werden.
2. eine liebevolle Ausübung der Sexualität bei Laien durchaus eine Praxis ist, die man würdigen und schätzen kann, im Vergleich zu bloßer Triebbefriedigung oder sexuellem Konsumverhalten.
Es wäre zwar letztlich besser, ganz auf Sex zu verzichten, doch dieser Weg ist für die meisten Laien weder möglich noch vorgeschrieben.
Eine solche liebevolle Form der Sexualität sollte man daher auch nicht negativ sehen!
Leider fehlt im Pali-Kanon ein solcher differenzierter Blick auf erotische Praxis und liebevolle partnerschaftliche Beziehungen.
Die entsprechende Übungsregel für Laien ist fast vollständig inhaltsleer und besagt nur, man dürfe nicht mit verheirateten Frauen schlafen oder mit Frauen, die noch in der Obhut ihrer Familie sind. (Danke Elliot für das Zitat!)
Dass über diesen formalen Punkt hinaus nicht unterschieden wird zwischen heilsameren und weniger heilsamen Formen der Ausübung von Sexualität, halte ich für ein Defizit der Überlieferung im Pali-Kanon.
Ich hoffe, ich konnte meine Position jetzt verständlicher darstellen.
Die Aussage, es falle vielen Menschen schwer bzw. wäre ihnen unmöglich, ist jetzt natürlich spekulativ; ich kann sie weder bestätigen noch entkräften.
zu 1. Ich bin aber überzeugt, dass Deine Idee, die Klosterregeln zu lockern, dem Buddha nicht gefallen würde Ich denke, die Frage ist nicht: Wie kann man das Klosterleben besser auf die Bedürfnisse der Mönche hintrimmen, sondern: Bin ich gewillt und fähig, diesen Weg zu beschreiten.
Nehmen wir als Beispiel einen Drogensüchtigen: Niemand käme auf die Idee zu sagen: Für ihn ist es schwer, das Klosterleben durchzuhalten, lockern wir die Keine-Rauschmittel-Regel auf drei Schuss pro Tag sind ok.
Sex ist fast "schlimmer": Die Begierde nach Sex ist angeboren, in den Genen verankert, nicht erworben. Das Erstaunliche ist ja nun, dass sogar so etwas Elementares, in uns verankertes, fallen gelassen werden kann. Da schimmert dann schon Freiheit durch.
Wöchentliches Onanieren oder welche Lösung auch immer wäre nichts anderes, als sich mit der Begierde und damit der Anhaftung zu arrangieren. Das aber ist nicht der Sinn des Klosterlebens. Der Mönch wählt ja einen Weg, der radikal ist - um JEDE Begierde, JEDE Anhaftung zu überwinden.
Schafft nicht jeder, ist auch nicht schlimm.
Aber bei denen, die es nicht schaffen: Liegt es daran, dass es ihnen unmöglich ist, oder dass die Erleuchtungsvoraussetzungen der Willenskraft und rechten Anstrengung nicht ausreichend kultiviert wurden?
zu 2. Der Buddha sieht's ja nicht negativ. Er sagt: Wenn Du Laie bist und auf Sex nicht verzichten kannst/willst, dann missbrauche zumindest nicht. Handle beim Sex ethisch. Was hätte er noch dazu sagen sollen?
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Dass diese gierig-süchtige Form von Sexualität ein Problem ist, darin sind wir uns doch alle einig.
Doch es gibt eben auch reifere Formen partnerschaftlicher Beziehung, die neben sinnlicher Anziehung auch viel Metta enthalten.
Meine Frage war: Warum wird das im Pali-Kanon ausgeblendet und stattdessen einseitig die gierig-süchtige Form von Sexualität als abschreckendes Beispiel betont?
Deine Argumentation lautet mehr oder weniger: "Warum Sex negativ sehen? Mit Metta tut er doch mir und dem Partner/der Partnerin gut". Das Stimmt, aber sinnliche Anziehung ist nun mal Begierde, und der Mittlere Weg zielt darauf ab, Begierde hinter sich zu lassen. Wenn Du Sex mit Metta praktizierst, ist das sicher heilsamer als egoistischer Sex. Noch heilsamer ist es, Metta zu praktizieren, ohne sinnliche Anziehung zu empfinden. Dann bist Du frei von dieser Begierde. VÖLLIGE Freiheit ist das Ziel, das Buddha weist, nicht eine Reduktion des Anhaftens auf angenehme Bereiche.
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Ich finde Buddhas Forderung, Sexualität zu überwinden, kein negatives Urteil über Sexualität. Sex ist ja nichts Böses - es ist eine Anhaftung. Tief im Menschen verankert, genau wie zB das Verlangen, Zucker zu konsumieren. Zucker war in der Steinzeit selten und ein wertvoller Energiebringer, die Gier danach evolutionär sinnvoll. Heute beim Überangebot in unserer Gegend ist es wichtig, diese genetisch verankerte Gier nach Zucker zu kontrollieren, sonst wird man dick, bekommt Karies und Diabetes. Aber Zucker ist nichts Böses, er ist immer noch lebensnotwendig.
Ähnlich Sex. Eine ebenfalls genetisch sinnvollerweise tief verankerte Gier. Und der Weg Buddhas soll uns helfen, ALLE diese Anhaftungen zu überwinden.
Nicht zuviel und nicht zuwenig essen. Nicht zuviel und nicht zuwenig schlafen etc. Das ist eben der Weg zur völligen Freiheit von Anhaftungen. Und zu den Anhaftungen, die nicht zum Überleben (des Einzelnen, als Spezies schon ;)) notwendig sind, gehört die Sexualität. Wie alle anderen Objekte der Gier - etwa Macht, Ansehen, Bestätigung - ist man nicht frei, solange die Begierden uns steuern.
Klar schafft es nicht jeder, die Gier nach Sex zu überwinden. Ist ja kein Problem, dann halt zumindest keinen sexuellen Missbrauch treiben. Aber wer den Wunsch nach Sex fallen lassen kann, hat ein Stück Freiheit gewonnen - genau wie jemand, der bei einer Torte den Wunsch nach angenehmen Geschmack fallen lassen kann.
Ich glaube, Buddha hat so deutlich gegen Sex gesprochen, weil es im Empfinden des Menschen eben etwas so Machtvolles, Selbstverständliches und Angenehmes ist. Dass man Habgier lassen soll, leuchtet schneller ein, als dass man den Genuss überwinden soll.