Beiträge von Sudhana im Thema „Tathagatagarbha“

    In dieser Enzyklopädie steht in dem Eintrag "tathagata-garbha", dass der Begriff "garbha" im Sanskrit "embryo" heisst

    Ja, auch - aber das ist nicht alles. Vgl. hier und hier.

    Ich habe im DDB nachgeschaut und unter zàng 藏 "a store, matrix, embryo (garbha, alaya)", usw. gefunden, mit Hinweis auf die Yogacaralehre [Charles Muller; source(s): Nakamura].

    Ich habe meine Quelle überprüft und muss mich insofern korrigieren, als die von mir angeführte Mehrdeutigkeit von 藏 eine Spezialität des Foxing Lun ist und der Begriff speziell von dessen Autor analog zu garbha mit der genannten Doppelbedeutung bestimmt wird.

    Zitat


    The Chinese decided generally to translate the term tathāgatagarbha [...] as womb of the Tathāgata. In Chinese, the term is rendered as ru-lai-zang (Japanese nyoraizō). The term ru-lai exactly renders tathāgata as "thus come", and a zang is a storehouse. Thus the Chinese translation shows a preference for conceiving the tathāgatagarbha as the container of the Tathāgata (i.e., the womb) rather than that which is contained (the embryo).

    The Buddha Nature Treatise (hereafter BNT) [...] uses a distinctive device to maintain the double meaning of the Sanskrit tathāgatagarbha in Chinese. The author of our text glosses ru-lai-zang as (1) the contained, that which is held within the storehouse, and (2) the storehouse as the container (BNT 795c-796a). The first meaning represents the understanding of garbha as embryo; the BNT specifies that that which is contained in the storehouse, the embryo, is ordinary sentient beings. The second meaning represents garbha understood as womb qua the fruit of the Buddhist path. The text likens the tathāgatagarbha in this respect to jewels, which represent the Buddha's merits. These two readings thus retain the bivalent sense of the Sanskrit garbha.

    (Sallie B. King, Buddha Nature, State University of New York Press 1991, S. 4)

    [Hervorhebungen in fett von mir; Buddha Nature Treatise = BNT = Foxing Lun]

    Ich habe da also unzulässig verallgemeinert. Die Stelle des Foxing Lun, auf die da Bezug genommen wird, in deutscher Übertragung (nach Sallie B. Kings englischer Übersetzung):


    Zitat

    Es gibt von Tathāgatagarbha drei Aspekte, die man kennen sollte: das Enthaltene, Verborgenheit und der Behälter.


    Garbha als das Enthaltene. Der Buddha nennt dies die Soheit, die in sich selbst weilt. Alle fühlenden Wesen sind der Tathāgatagarbha. Es gibt zwei Bedeutungen von 'So' (Tathā). Die erste ist das Wissen von Soheit und die zweite ist das Reich der Soheit. Da beide zusammen bestehen, sprechen wir von der Soheit-Soheit. 'Kommen' (āgata) bedeutet von sich selbst kommen, im Kommen ankommen und im Ankommen erlangen. Das ist es, was man 'So gekommen' (Tathāgata) nennt. Daher, auch wenn die Tathāgata-Natur Name einer Ursache ist, sollte es [auch] Name einer Erfüllung sein.


    Was man erlangt ist wesentlich nicht-dual, es ist lediglich differenziert hinsichtlich Reinheit und Unreinheit. Im Ursache-Stadium lässt man, weil man die zwei Arten der Leere aufgibt, Unwissenheit sich erheben. Da er mit den kleśa vermischt ist, wird er [der Tathāgatagarbha] 'verunreinigt' genannt. Obwohl er nicht unmittelbar offenbar ist, ist er doch sicher dazu bestimmt, offenbar zu werden und wird daher erlangbar 'genannt'. Im Erfüllungsstadium, durch Vereinigung mit den zwei Arten von Leere, gibt es keine weitere Täuschung; die kleśa verunreinigen nicht länger und man nennt ihn 'rein'. Wenn die Frucht offenbar ist, nennen wir ihn 'erlangt'.

    Wir können dies mit der Natur des Wassers vergleichen. Wasser ist in seiner Essenz weder rein noch unrein. Wir benutzen lediglich die Worte rein und unrein in Anwesenheit oder Abwesenheit von Schmutz. Wenn Schlamm und Ablagerungen aufgerührt werden, ist das Wasser nicht klar. Obwohl es nicht klar ist, ist die reine Natur des Wassers nicht verloren. Wenn, durch irgendwelche Mittel, es sich setzt, dann wird Reinheit erlangt. Wisse daher, dass die Worte rein und unrein sich ausschließlich auf die Anwesenheit oder Abwesenheit von Schmutz beziehen. Es hat nichts damit zu tun, dass die Natur des Wassers selbst rein oder schmutzig wäre. Das sollte man verstehen.

    Die beiden Arten von Buddhanatur [d.h. die reine und unreine] sind ebenfalls so wie dies. Beide sind dieselbe Soheit. Da ist kein Unterschied in ihrer Essenz. Es ist nur so dass man, wenn man das Prinzip der Leerheit aufgibt, Zweifel und Anhaftung erregt. Wegen Unreinheit und Verwirrung aufgrund der kleśa wird sie [Buddhanatur] 'verunreinigt' genannt. Wenn man die zwei Arten von Leere und das eine Merkmal von Soheit nicht aufgibt, lässt man keine Unwissenheit aufsteigen und die kleśa verunreinigen nicht; daher bezeichnet man sie [Buddhanatur] behelfsweise als rein.


    Was den Begriff garbha (zang) betrifft, so existieren alle fühlenden Wesen in der Weisheit des Tathāgatagarbha, und daher wird er Schoß (zang) genannt. Da das Wissen von Soheit dem Reich der Soheit entspricht, gibt es unweigerlich kein fühlendes Wesen, das [davon] ausgeschlossen ist. Der Tathāgata umfasst gleichermaßen das Reich der Soheit, und daher wird er 'das Enthaltene' [also 'Embryo', suo zang] genannt. Fühlende Wesen sind der Tathāgatagarbha.


    Darüber hinaus hat garbha drei Bedeutungen. Die erste zeigt die Unvergleichlichkeit des wahren Reichs, da es getrennt von diesen Reich von Soheit-Soheit kein anderes Reich gibt, das es übersteigt. Die zweite zeigt die Unvergleichlichkeit wahrer Übung, da es keine andere überlegene Weisheit gibt, die diese Weisheit übertreffen könnte. Die dritte manifestiert die Unvergleichlichkeit der wahren Frucht [der Übung], da es keine Frucht gibt, die diese übertrifft. Daher sprechen wir von Unvergleichlichkeit. Da diese Frucht alle fühlenden Wesen umfasst, sagen wir, dass fühlende Wesen der tathāgatagarbha sind.


    Der Tathāgata selbst ist verborgen und nicht offenbar, aus diesem Grund wird er garbha [i.S.v. 'Embryo'] genannt. Der Begriff 'So Gekommen' (Tathāgata, ru-lai) hat zwei Bedeutungen. Die erste steht für die Idee, dass Soheit (selbst) nicht verdreht ist – das heisst, wie nennen falsche Gedanken verdreht; wenn es keine falschen Gedanken gibt, sprechen wir von Soheit. Die zweite steht für die Idee ewigen Weilens; diese Soheit-Natur entspringt der [Buddha-]Natur, die in sich selbst weilt. Kommend kommt sie an und angekommen erlangt sie. Die Essenz der Soheit ist unveränderlich, in diesem Sinne ist sie ewig. Wenn die Tathāgata-Natur in dem Stadium weilt, bevor buddhistische Praxis begonnen wird, ist sie durch kleśa verborgen. Weil fühlende Wesen sie [so] nicht sehen können, wird sie garbha genannt.


    Der Grund, warum man von dem garbha als Behälter (neng she) spricht, ist, dass all die zahllosen Verdienste des Stadiums der Reifung im Weilen in der Zeit des Erlangbarkeit-Stadiums [dem Ursache-Stadium] vollständig mit eingeschlossen sind. Würden wir vom Erlangen der Natur nur beim Ankommen in der Zeit der Reifung sprechen, dann wäre [Tathāgata-]Natur nicht ewig. Warum? Weil es keinen Anfang des Erlangens gibt ist es so, dass wir wissen, dass [die Tathāgata-Natur] von Anbeginn an existiert.


    Foxing Lun 佛性論, TT31.1610 795c-796a



    _()_

    Ergänzend und korrigierend zum Ratnagotravibhāga, das als Bindeglied zwischen tibetischer und ostasiatischer Tradition der Tathāgatagarbha-Lehre von besonderer Bedeutung ist: Dr. Obermiller hat 1931 eine englische Übersetzung der tibetischen Version veröffentlicht. Sie hat mit Takasakis Übersetzung nicht direkt etwas zu tun. Diese beruht im Wesentlichen auf E. H. Johnstons 1950 veröffentlichter kritischer Edition des Sanskrittextes, erstellt anhand von zwei von R. Sāñkrtyāyana in Tibet entdeckten Manuskripten. Takasaki zieht ergänzend (und vereinzelt auch zur Korrektur) die beiden im Tanjur (Tohoku-Katalog Nrn. 4024 und 4025) enthaltenen tibetischen Übersetzungen (Ende 11. Jhdt.) und vor allem die chinesische Übersetzung des Textes mit heran.


    Diese Angabe von mir:

    wurde im Jahr 433 auch von Paramārtha ins Chinesische übersetzt

    muss ich nach Überprüfung korrigieren. Die Übersetzung stammt von Ratnamati und aus dem Jahr 511 (Taisho Tripitaka Vol. 31, No. 1611). Ich hatte das mit Paramārthas Übersetzung zweier anderer (Vasubandhu zugeschriebener) Texte zur Tathāgatagarbha-Doktrin verwechselt, dem Mahāyānasamgraha-bhāsya (Taisho Tripitaka Vol. 31, No. 1595) und dem Buddhagotraśāstra (Taisho Tripitaka Vol. 31, No. 1610). Dass Paramārtha als Übersetzer des ebenfalls Vasubandhu zugeschriebenen Foxing Lun gilt, aber wahrscheinlich selbst der Verfasser ist, hatte ich richtig angegeben.


    (Markt-)Gängig sind zur Zeit eine englische und auch eine deutsche Übersetzung aus dem Tibetischen, beide von Rosemarie Fuchs. Sie liegen bzw. lagen mir beide vor und sind meines Erachtens aus qualitativen Gründen selbst für Laien nicht empfehlenswert, was insbesondere hinsichtlich der deutschen Übersetzung bedauerlich ist. Wer einigermaßen Englisch beherrscht, tut gut daran, sich an Takasaki zu halten, wenn er nicht gerade an dem Kommentar von Jamgön Kongtrül Lodrö Thayé (1813-1899, Gründer der Rime-Bewegung) und den Erläuterungen von Khenpo Tsultrim Gyamtso Rinpoche interessiert ist.


    _()_

    Buddhanatur und Tathāgatagarbha sind grundsätzlich Wechselbegriffe. Meiner Kenntnis nach ist Skr. 'buddhadhātu' lediglich eine (erschlossene) Rückübersetzung von Chin. 'foxing' und in der Sutra- bzw. älteren (indischen) Śastra-Literatur nicht nachgewiesen. In der chinesischen Literatur steht 'foxing' (Buddhanatur) jedenfalls für das in Indien entwickelte Konzept des Tathāgatagarbha. Gleichmaßen natürlich Jap. busshō.


    Man darf jedoch nicht den Denkfehler begehen, Tathāgatagarbha / foxing für ein feststehendes Konzept zu halten. Der Begriff hat eine lange Begriffsgeschichte mit entsprechender Entwicklung - was heisst, dass seine Bedeutung in welcher Form auch immer (Tathāgatagarbha / foxing / busshō) aus dem jeweiligen Kontext zu erschließen ist - konkret aus dem Text, in dem er verwendet wird. So haben insbesondere die frühen Sutren verschiedene Zugänge zu dem Begriff, auch wenn sie hinsichtlich ihrer Entstehungszeit (d.h. Verschriftlichung) nicht allzu weit voneinander entfernt sind. Insbesondere zu nennen wären da das Jñānālokalaṅkārasūtra (das den Begriff Tathāgatagarbha selbst noch gar nicht verwendet) und das Tathāgatagarbhasūtra (das diesen Begriff möglicherweise als ältester Text einführt). Beide werden in etwa in die Mitte des 3. Jahrhunderts datiert, wobei sie natürlich auf ältere Ideen zurückgreifen, die sich schon in den Āgamas finden. Im Palikanon entsprechend in Ud.VIII.1 und 3, MN 49 Abschnitt 25 und A.1.10. (V,9-10). Eine weitere Anknüpfungsquelle lässt sich auch im Lotossutra (1. / 2. Jhdt. u.Z.) vermuten, insbesondere in Kapitel 2, 8, 16 und 20. Etwas später einzuordnen sind das Anūnatva-apūrṇatva-nirdeśa-sūtra (wo erstmals derTathāgatagarbha mit dem Dharmakāya gleichgesetzt wird), das Śrimālādevīsiṃhanādasūtra (das die Verbindung zur Ekayāna-Doktrin herstellt) und schließlich das Mahāparinirvāṇasūtra - um nur die wichtigsten (und auch überlieferten) Texte zu nennen. Das Mahāparinirvāṇasūtra nimmt insofern eine Sonderstellung ein, als es einen dualistischen Ansatz vertritt und dem Tathāgatagarbha die drei Seinsmerkmale abspricht - d.h. ins Positive gewendet ihm explizit die Attribute atman, nitya und sukha zuspricht. Die anderen Ansätze gehen hinsichtlich Tathāgatagarbha hingegen deutlich in eine nichtdualistische Richtung, die in Ostasien wegweisend wurde. Dafür stehen insbesondere Anūnatva-apūrṇatva-nirdeśa-sūtra und Śrimālādevīsiṃhanādasūtra.


    Diese unterschiedlichen Ansätze wurden dann erstmals im 4. Jahrhundert im Ratnagotravibhāga in einer konsistenten Lehre zusammengefasst. Dieser in der chinesischen Tradition Saramati (über den weiter nichts bekannt ist) zugeschriebene Text (die Tibeter, bei denen der Text auch als Uttaratantraśāstra bekannt ist, nennen da Maitreyanatha / Asanga, was allerdings wenig wahrscheinlich ist) wurde im Jahr 433 auch von Paramārtha ins Chinesische übersetzt und damit Ausgangspunkt weiterer geistesgeschichtlicher Entwicklungen, für die insbesondere die Verschmelzung der Tathāgatagarbha-Lehre mit dem chinesischen Yogācāra (für das vor allem Xuanzangs auf Vasubandhus Triṃśikā aufbauendes Cheng Weishi Lun steht) charakteristisch ist. Die bedeutendsten Texte sind da das Foxing Lun und das Dasheng Qixin Lun (Mahāyāna Śraddotpada Śastra). Als Autor des Foxing Lun gilt traditionell Vasubandhu, wahrscheinlich war der Verfasser jedoch der als 'Übersetzer' geltende Paramārtha. Das Dasheng Qixin Lun wird - sicher fälschlich - Aśvaghoṣa zugeschrieben. Jedenfalls dürften diese beiden Zuschreibungen der Grund dafür sein, dass Vasubandhu und Aśvaghoṣa später als indische Patriarchen des Chan / Zen gezählt wurden.


    In dieses Yogācāra / Tathāgatagarbha - Amalgam ist übrigens auch das speziell mit Bodhidharma in Verbindung gebrachte Laṅkāvatārasūtra einzuordnen, was zeigt, dass diese Synthese bereits in Indien einsetzte - es entstand vermutlich in der 2. Hälfte des 4. Jahrhunderts und wurde ebenfalls 433 ins Chinesische übersetzt.


    Zum Begriff Tathāgatagarbha: man kann das sowohl als der 'So Gegangene' (tathaa gata) oder 'So Gekommene' (tathaa agata) lesen; das Längungszeichen über dem 'a' kann für ein doppeltes, aber auch dreifaches 'a' stehen. Ursprünglich war der Begriff vermutlich im Sinn 'der seinen Weg gegangen und am Ziel angekommen ist' gemeint. Im Buddhanatur-Kontext verweist diese Doppeldeutigkeit auf das nichtduale Zusammenfallen von Ursache und Wirkung des Erwachens. Tathā ('So') verweist dabei auf Tathātā, 'Soheit' – Wirlichkeit-wie-sie-ist; 'Wandeln in Soheit'. Eine weitere Doppeldeutigkeit findet sich im zweiten Wortbestandteil des Begriffs. 'Garbha' heisst sowohl 'Embryo' wie auch 'Schoß' - bezeichnet also sowohl das, was hervorgebracht wird als auch das , was hervorbringt. Diese Doppeldeutigkeit von 'garbha' wird im Chinesischen mit der Übersetzung ru-lai-zang (Speicher / Gespeichertes) nachgebildet; ru-lai-zang bezeichnet also sowohl Behälter wie auch Inhalt.


    _()_