Beiträge von Himmelsbaum im Thema „Dogens shikan taza nach Foulk“

    Koun Ejōs Kōmyōzō Zanmai


    Hast du da eine Leseempfehlung für mich?


    Bezüglich der "Fachwelt", ich denke, dies kann man auch anders lesen. Im Sinne von, dass man sich gegen etwas/jemanden sträubt, was ein als "Außenstehender" jetzt über "meine Religion, Praxis, Leben" erzählt.


    In Zazenshin wird klar, dass es keine Übung ist, einen spezifischen Geisteszustand zu erreichen, weder den Geist zu beruhigen noch andersweitig seine Erfahrung zu manipulieren.


    Wie liest du folgende Textstellen: "Just sit; only then will you get it" (Eihei koroku); ""Must we not pursue the way in seated meditation (zazen bendou), as urgently as if rescueing our own heads from fire?" (Eihei koroku); "people who have not yet realized and understood buddha-dharma may pusue the way in seated meditation (zazen bendo) and be able thereby to attain realization (shou)" (Bendowa).


    Vielen Dank nochmal für die guten Anregungen. Die nehme ich gerne mit in meine Auszeit. _()_


    Ich habe meinen Eingangstext ein wenig aufgehübscht, mit Schriftzeichen versehen und hier in ein PDF gepackt: Foulks Analyse des Begriffs ‚shikan taza‘ bei Dogen

    Rujing’s „Just Sit“


    Foulk greift anfänglich einige Themen aus dem oben besprochenen Beitrag auf, u.a. dass das Diktum „nur sitzen“ von seinem Lehrer Tiantong Rujing stammt und von Dōgen in der Regel im chinesischen Original verwendet wird. Als Dōgen den chinesischen Ausdruck ‚qiguan dazuo‘ im Bendōwa übersetzte, tat er dies mit ‚tadashi taza shite‘. Er hat also qiguan als Adverb, welches das Verb ‚sitzen‘ modifiziert, verstanden und es entsprechend mit dem japanischen Adverb tadashi wiedergegeben. Der Punkt hier ist: qiguan dazuo / shikantaza ist für Dōgen kein Substantiv, kein Namenwort, das eine bestimmte Meditationsmethode benennt.


    In Dōgens Handbüchern zur Zen-Meditation - also Fukanzazengi, Zazenhō, Zazengi und Zazenshin - wird der Begriff shikantaza nicht einmal verwendet. Wenn shikantaza jedoch eine bestimmte Praxis bezeichnen sollte, dann wäre zu erwarten, dass der Begriff in diesen Handbüchern verwendet wird. Ein Diktum, welches in den Handbüchern verwendet wird, ist: „Plane/Kalkuliere nicht, einen Buddha zu machen“ (sabutsu wo zu suru koto nakare). Dies wird von modernen Gelehrten verstanden als ein Hinweis darauf, dass man nicht versuchen sollte durch zazen, ein Buddha zu werden (sabutsu). Zazen ohne zu planen (zu su), ein Buddha zu werden, ist genau die Bedeutung von „nur sitzen“.


    Foulk gesteht dieser Interpretation durchaus Verdienst zu. Da Dōgen Rujings „nur sitzen“ auch als Beschreibung eines Zustandes in dem Körper und Geist abgefallen sind benutzt. Es ist nach Foulk jedoch etwas ganz anderes zu behaupten, „nur sitzen“ in zazen hat „ohne Vorsatz/Zweck/Ziel“ (mui) zu sein und wodurch nichts erlang wird.


    Das „Abfallen von Körper und Geist“ dagegen wird von Dōgen eben auch als ein bestimmter Zustand, den es durch zazen zu erreichen gilt, verstanden. Ein Praktizierender sollte in der Meditation sitzen mit der Absicht, Erwachen – shinjin datsuraku ist für ihn synonym für Erwachen – zu erlangen. Dōgens Identität von Praxis und Verwirklichung (shushō kore ittō) bedeutet nicht, dass er eine Kausalitätsbeziehung zwischen Praxis und Verwirklichung geleugnet hat. Solange die „Netze und Käfige nicht aufgerissen“ (rarō taha) sind, ist der Zazen-Übende eben noch kein sitzender Buddha (zabutsu).


    Schlussfolgerung


    Ein zentraler Punkt für Foulk ist, dass Dōgen keine Praxis namens „nur sitzen“ gelehrt hat, wie sie von modernen Gelehrten verstanden und ihm zugeschrieben wird. Dōgen hat Rujings Diktum „nur sitzen“ als kōan verwendet und nicht als praktischen Rat, der wortwörtlich zu nehmen ist. „Nur sitzen“ entspricht auch nicht der Erfahrung des Alltagslebens im Kloster. Dieser Widerspruch zwischen Erfahrung und Aussage ist das kōan und gilt, kommentiert zu werden. Zum Abschluss spekuliert Foulk wann dieses, für ihn, Missverständnis von shikan taza im Sōtō aufgekommen ist: vielleicht erst im 19. und 20. Jahrhundert.

    Just Sitting


    Foulk beginnt mit der Vorstellung, dass Dōgen eine Form von reiner Zen-Übung gelehrt hat und andere konventionelle Praktiken, wie Zeremonien und Rituale, genau so wie synkretistische Elemente aus anderen buddhistischen Schulen gemieden hat. Diese Vorstellung – Dōgen als Purist – erklärt er dann als falsch. Nach ihm ist der „Hauptbeweis“ für diese falsche Vorstellung folgendes Zitat aus Dōgens Bendōwa:


    Zitat

    „From the start (hajime yori) of your consultation (sanken) with a wise teacher (chishiki), have no recourse (mochiizu) whatsoever (sarani) to burning incense (shōkō), prostrations (raihai), buddha-mindfulness (nenbutsu), repentances (shusan), or sutra reading (kankin). Just (tadashi) sit (taza) and attain the sloughing off of mind and body (shinjin datsuraku suru koto wo eyo)”.


    Im Verlauf seines Aufsatzes beleuchtet Foulk dieses Zitat auf zwei Weisen: zuerst betrachtet er, wie Dōgen sich in seinen anderen Schriften zu den genannten buddhistischen Praktiken äußert und betrachtet dann die anderen Erwähnungen des Zitats in Dōgens Schriften.


    Dōgen und andere Praktiken


    Die Praktiken Räucherstäbchen verbrennen (shōkō), Verbeugungen (raihai), Buddha-Andacht (nenbutsu), Bußfertigkeit (shusan) und Sutra-Lesung (kankin) werden von Dōgen in seinen anderen Schriften und in Übereinstimmung mit dem Chanyuan qinggui – aber in scheinbaren Widerspruch zum obigen Bendōwa-Zitat – gutgeheißen. Diese Praktiken bei Dōgen bespricht Foulk ausführlich (S. 78-88), werden aber von mir hier übersprungen. Für Foulk ist es bemerkenswert, wie „akademische Apologeten des Zen“ im modernen Japan trotz aller gegenteiligen Beweise, Dōgens Zen als ‚reines Zen‘ (junsui zen) missverstehen können. Er hält dies für Wunschdenken, was schwerlich aufrechtzuerhalten ist.


    Rujings Diktum


    Das Bendōwa-Zitat findet sich weitere siebenmal in Dōgens Schriften. In sechs dieser Belegstellen ist es markiert als ein Zitat in Chinesisch von Dōgens Lehrer Tiantong Rujing. Daraus erschließt sich, dass das Bendōwa-Zitat in Japanisch Dōgens Übersetzung von Rujings Gesagtem ist. Nach Foulk hat Dōgen dieses Diktum nicht als einfache Anweisung verwendet, sondern als kōan bzw. alten Fall (kosoku). Damit wurde es hochgehalten (kyo) als ein Thema, welches kommentiert gehört. Bevor Foulk die Belegstellen im Detail (S. 88-103) bespricht, gibt er auf Seite 77 vorab eine Schlussfolgerung: Dōgen hatte Schwierigkeiten Rujings Diktum zu verstehen, hat seine Ansicht im Laufe der Zeit verändert und möglicherweise war sein Verständnis anders als Rujings.


    Hōkyōki


    Nach Besprechung dieses Textes besteht nach Foulk die Möglichkeit, dass für Dōgen „nur sitzen“ keine bestimmte Praxis war, sondern Ausdruck eines idealen Geisteszustandes, mit dem man Praxis aufnehmen sollte.


    Bendowa


    Foulk erweitert hier die Unterscheidung in eine Praxis mit verblendetem Geist, der kalkuliert und nach Verdienst giert, und einer Praxis, die frei ist von solchem Denken und Kalkulieren. Dies ist das Verstehen, dass Praxis und Verwirklichung (shushō) eins (ittō) sind.
    Woanders im Bendōwa argumentiert Dōgen, dass zazen anders ist als Konzentrationsübungen, wie sie sich in den drei Trainings (sangaku) und den sechs Vollkommenheiten (rokudo) finden. Zazen in diesem Sinne ist nicht Praxis, sondern der erwachte Buddhageist selbst. Daraus folgt, dass zazen als Ausdruck von Erleuchtung gar nicht mit einem verblendeten Geist angegangen werden kann.


    Eihei kōroku


    Hier möchte ich eine Belegstelle zitieren:


    Zitat

    "Those who understand the buddha-dharma and attain spiritual powers (jinzū) are the ancient buddhas and ancestors (busso). To become a buddha and make oneself into an ancestor (jōbutsu sakuso) is not attained easily. However, those who attain spiritual powers are called experienced and venerable (rōrō), and those who understand the buddha-dharma are called accomplished and great (daidai). The only basis for understanding greatness and attaining venerability is investigation of the principle (kyūri) in pursuit of the way (bendō). Zhaozhou said, "Brethren, just investigate the principle, sit and see (kyūri zakan). If, in 30 or 20 years, you do not understand the way, then take this old monk's head and use it as a ladle for excrement and urine." That old buddha explained things in this way, and at present people practice in this way. Why would one ever neglect it? It is only due to the cognition of sounds and sights and ceaseless mental calculation that one is not yet able to gain liberation. How pitiable! What such a person gets as a result is only suffering as they come and go in the defiled world of sights and sounds. But now you have come to a time when you have an opportunity [to practice]. Dispense with (hōkyaku) burning incense (shōkō), prostrations (raihai), buddha-mindfulness (nenbutsu), repentances (shusan), and sutra reading (kankin), and just (shikan) sit (taza) (Eihei kōroku, Volume 1.33).“


    Dōgen macht hier deutlich, dass Wahrnehmen von Tönen und Formen und das ständige Denken (mental calculation) einen von der Befreiung abhalten. Da Räucherstäbchen opfern, Sutras lesen usw. an „Töne, Formen und Denken“ gebunden sind, sind diese Praktiken weniger dazu geeignet, sich davon lösen zu können. Die Praxis des zazen ist ungebunden und bietet so einen direkten Pfad zum „Fallenlassen von Körper und Geist“. Ist dies erlangt, besteht bei der Hinwendung zu anderen Praktiken keine Gefahr mehr, dies mit einem verblendeten Geist zu tun.
    Hier und in anderen Abschnitten wird deutlich, dass zazen für Dōgen eben auch eine Methode (hō) ist und nicht nur Ausdruck eines ursprünglichen Erwachens. Dōgen sagt: „In zazen die wichtigste Sache ist es, nicht einzuschlafen“.


    Shōbōgenzō


    In Zanmai ō zanmai spricht Dōgen vom Sitzen des Körpers (mi no taza), Sitzen des Geistes (kokoro no taza) und dem Sitzen mit abgefallenem Körper und Geist (shinjin datsuraku no taza). Sitzen (taza) ist also nicht einfach nur sitzen, sondern hat unterschiedliche Bedeutungen. Foulk versteht ‚Sitzen des Körpers‘ als die körperliche Form beim Sitzen, ‚Sitzen des Geistes‘ dagegen ist ein mentaler Zustand der Konzentration und ist unabhängig von der Körperhaltung. Sind „Körper und Geist abgefallen“ hängt der Praktizierende nicht weiter an körperlichen und geistigen Dingen und dieser erwachte Zustand wird metaphorisch als „Sitzen“ bezeichnet. Dieses „Sitzen mit abgefallenem Körper und Geist“ ist jedoch anders als das „Sitzen mit abgefallenem Körper und Geist“ [sic!], da bei Letzterem alle Bezeichnungen als letztendlich falsch fallengelassen wurden.


    Dōgen scheint hier Rujings Diktum „nur sitzen“ nicht als wortwörtliche Anweisung einer ausschließlichen Sitzpraxis zu verstehen, sondern versteht es als Rat „nur Erwachen zu erlangen“.


    Schlussfolgerung


    Was hat Dōgen jetzt unter „nur sitzen“ (shikan taza) verstanden? Gelehrte der Zen-Tradition haben den Begriff u.a. als „mit ganzen Herzen, single-mindedly“ (hitasura ni) widergegeben. Dies macht für Folk jedoch keinen Sinn. So übersetzt Dōgen im Bendōwa den chinesischen Ausdruck mit tadashi ins Japanische mit der Bedeutung von „nur, allein“. Ebenso führt er eine Belegstelle an, wo Rujing sich in der Meditationshalle an seine Mönche wendet, sie sollen hier nicht nur schlafen (shikan tasui). Dies kann unmöglich als „mit ganzen Herzen schlafen“ verstanden werden. In Kürze, Rujings „nur sitzen“ bedeutet demnach: praktiziere zazen und nichts anderes. Foulk erlaubt, basierend auf dem Studium der Belegstellen, bei Dōgen zwei Interpretationen. Erstens, um die Wichtigkeit von zazen im Vergleich zu anderen Praktiken zu betonen. Zweitens, „nur sitzen“ ist metaphorisch zu verstehen als eine Einsicht in die Leerheit aller Dinge, um so einen angemessenen Bezugsrahmen für den Umgang mit jeglicher buddhistischer Praxis zu bilden. Im Gegensatz zu buddhistischer Praxis mit verblendetem Geist. Letztendlich schließen sich diese beiden Erklärungen nicht aus. Auf konventioneller Ebene ist zazen die bevorzugte Praxis unter vielen von Dōgen eingeübten. Gleichzeitig war sich Dōgen im Klaren, dass vom Standpunkt der höheren Ebene so etwas wie „Praxis“ und „Ziel“ nicht gibt. Dass dies von Dōgen ebenfalls als „nur sitzen“, zazen und „abwerfen von Körper und Geist“ bezeichnet, ist sein eigenes geschicktes Mittel.

    Dies ist ein erster Versuch einer Zusammenfassung zweier Beiträge von Theodore Griffith Folk in denen er den Begriff ‚shikan taza‘ bei Dōgen untersucht. Die beiden Beiträge sind:


    i. Foulk, Theodore Griffith (2012): "Just Sitting"? Dōgen's Take on Zazen, Sutra Reading, and other Conventional Buddhist Practices, in: Steven Heine (Hg.): Dōgen. Textual and Historical Studies. New York: Oxford University Press, S. 75–106
    ii. Foulk, Theodore Griffith (2015): Dōgen's Use of Rujing's "Just Sit" (shikan taza) and other Koans, in: Steven Heine (Hg.): Dōgen and Sōtō Zēn. New York: Oxford University Press, S. 23–45.


    Kritik, Verbesserungsvorschläge sind willkommen. Im Hinblick darauf, ob ich Foulk richtig/falsch verstanden habe. Aber auch falls ihr der Meinung seid, Foulk hat Dogen und/oder die Soto-Tradition falsch verstanden.