Beiträge von Bambusblüte im Thema „Freude“

    Hallo, ich bin wohl wieder etwas spät dran, ihr seid im Thema wohl schon weiter, ich möchte aber trotzdem nochmal auf Folgendes zurückkommen, wenn niemand etwas dagegen hat:

    z.B. in der Terminologie des Mahayana-Buddhismus: da gibt es die ausdrücklich die sogenannten Sechs Vollkommenheiten


    Oh ja, jetzt weiß ich, wovon Du ausgegangen bist, Paramita: ans andere Ufer gelangen oder zu etwas gelangen, was jenseits der Begrenzungen liegt: die Qualitäten des Herzens oder sechs transzendenten Tugenden. Ich weiß, man spricht bei ihren Eigenschaften gerne von vollkommenen Tugenden (übersetzt es jedenfalls so), doch ist es nur bedingt wahr, zumindest nicht ganz, oder sagen wir, sowohl als auch, aber nur in ihrer Gesamtheit.


    Du solltest diese Lehre nun so verstehen (wenigsten denke ich, daß es Dir eines Tages auch so erscheinen wird) daß sich ihre Bedeutung jedem Schüler entsprechend dem Grad seiner Entwicklung immer wieder aufs Neue wandelt, die Bedeutung, die es für Dich einnimmt (hier und jetzt), ist eben eine andere, als jene, die sich mir erschließt, verstehst Du? Jede dieser Bedeutungen ist richtig, entsprechend dem Karma und der persönlichen Entwicklung, und für den, der für sich darin eine Bedeutung findet, ist diese genau das, was es für ihn sein sollte. Aus diesem Grund sollte man auch niemals einem anderen seine eigene Interpretation aufdrängen, denn für den anderen ist diese keinesfalls korrekt, sei man auf seinem eigenen Weg (vermeintlich) auch schon viel weiter, als dieser (oder diese) andere. Tatsächlich ist niemand weiter oder besser, als irgendjemand sonst, jeder ist da, wo er ist, und das ist mit Sicherheit der einzig korrekte Platz, und nur das ist von Bedeutung.

    Es gibt immer eine ganze Reihe von Dingen, welche ein Schüler nicht wissen kann, welche geheimnisvolle Geheimnisse für ihn sind. Frage Deinen Lehrer, wer denn zuerst gezeugt wurde, Du oder Deine Eltern, wenn er lacht und nicht antwortet, könnte es möglich sein, daß Du das Glück hast, einen erleuchteten Lehrer zu haben, fängt er jedoch an, Dich zu belehren, dann... na ja, jedenfalls ist Dein Lehrer genau der richtige für Dich, bis Du es ändern möchtest.

    Deshalb ist es auch verständlich und vollkommen in Ordnung, wenn Du das, was ich sage, ganz klar und entschieden zurückweist. Wenn es Dir aber möglich sein sollte, Deine aufkommende Empörung unbeachtet beiseite zu lassen, kannst Du es ganz jovial einfach nur als Variante annehmen, was stört einem Jupiter das Spiel der kleinen Kinder? Nichts, er erfreut sich daran.


    Diese sechs Paramitas sind in ihrer Gesamtheit nun genau das, was ich an anderer Stelle den Keim der Vollkommenheit genannt habe, im Taoismus ist es der Samen der Unsterblichkeit, und unsere Alchemisten, welche dieses Geheimnis tief in ihrer Symbolik bewahrten, sprachen dabei vom Stein der Weisen: ein Stein und doch kein Stein.


    Es wird gelehrt, daß sie (die sechs Qualitäten) durch eine tugendhafte Praxis eine innere Vervollkommnung ermöglichen sollen. Das solle in ungefähr so geschehen, daß diese Tugenden im Innern des Schülers zur höchsten Reinheit und einer alles erfüllender Größe geführt werden. Es hört sich dann meist so an, als wollten sie sagen, man müsse erst die eine, danach die andere Vervollkommnung erreichen.

    Das eben kann vielleicht ein junger Schüler noch nachvollziehen, stärkt möglicherweise seinen Enthusiasmus, doch ist es eben ganz und gar unmöglich, daß eine innere Vervollkommnung in dieser Welt (in Samsara) Bestand hätte. Um es noch weiter zu verdeutlichen, es gibt scheinbar zwei Dinge, die wir mit der Vollkommenheit vergleichen könnten, zum einen das Absolute, zum anderen die Leere, jedoch deshalb scheinbar, weil bei näherer Untersuchung deutlich wird, daß diese beiden identisch sind. Nun frage ich: kann es neben der absoluten Leere noch eine zweite absolute Leere geben?

    Selbstverständlich nicht. Und doch ist diese Lehre korrekt und über jeden Zweifel an ihrer Gültigkeit erhaben.


    Wie und warum es sich so verhält, kann ich, da wir uns hier ja nicht im Anfängerbereich befinden, noch etwas näher erläutern, selbstverständlich nur entsprechend meines Wissens und meiner Erfahrung, was es nur zu einer eingeschränkten Gültigkeit verhilft und von jedem selbstverständlich zurückgewiesen werden darf.

    Diese Lehre wird (für mich) widerspruchslos gültig, wenn sie so gemeint ist, daß durch diese tugendhafte Praxis ein Zustand erreicht werden kann, welcher den (wie es heißt) im Herzen angelegten, innliegenden Keim der sechs tugendhaften Qualitäten, also den Keim zur Vervollkommnung, ermöglicht, sich auszubreiten, zu wachsen und alles zu erfassen, nicht nacheinander, sondern ganz, und hier und jetzt, und dich zum Erwachen (ans andere Ufer der Weisheit) führt, das wäre die wahre Vervollkommnung.

    Und wenn sie deshalb von sechs Paramitas sprechen (manche sprechen von zehn, aber mir scheinen es tatsächlich sechs zu sein, das korrespondiert also mit meiner Erfahrung), weil du diese sechs Tugenden auf den höchsten Grad an Reinheit führen sollst, damit aus ihrer Mitte die Vervollkommnung hervortreten und ihr Werk erfüllen kann, dann hat es die gleiche Bedeutung und ist ebenfalls korrekt.

    Die Taoisten sprechen dabei von der Bestellung der Zinnoberfelder, in welchen der Samen der Unsterblichkeit, d.i. der Keim der Vervollkommnung, gepflanzt werden soll. Auch dieser muß zuvor zum höchsten Grad der Reinheit (und auch hier sprechen manche vom Grad der Vollkommenheit) geführt werden.


    Dieser Keim, den ich, ganz für mich, auch das erwachende Herz genannt habe, befindet sich nun genau in der Mitte, im Zentrum der Unvollkommenheit. Es ist beinahe ein Leichtes, dieses zu finden, denn es ist immer genau dort, wo du bist, wenn es auch schon da war, bevor dein Bewußtsein erschien und sich diesem gewissermaßen aufzwang, es wird jedoch vom Karma verborgen, und erst durch dieses, dem Karma selbst, wird es enthüllt, und kein Lehrer kann dies für seinen Schüler tun.

    Er kann jedoch jenen, deren Karma noch nicht bereit ist, Unterweisungen geben oder jene tugendhafte Praxis lehren, die sich auf das Karma auswirkt - bedenke aber, daß das, was ich Karma nenne, möglicherweise nicht genau das ist, was Du Karma nennst.

    Doch nicht alle benötigen die gleichen Unterweisungen. Es kann sogar auch mal so sein (um ein, zugegeben kaum glaubhaftes, jedoch durchaus mögliches Beispiel heranzuziehen), daß einem jungen Mädchen, in der Mitte seiner Kindheit, mit einem Mal und ganz unvorbereitet das Herz geöffnet wird, und in einem einzigen Augenblick aus größtem Schrecken allerhöchstes Glück entsteht, und sich ihm die ganze Ewigkeit zu Füßen legt, auch das kann sein.

    Und warum das? Nur weil ihm eine alte Frau erschien und ihr ein kleines, allgemein bekanntes Mantra gelehrt hat: das Ave-Maria, das es von da an in aller Stille immer wieder aufgesagt hat? Nun, es wäre jedenfalls kein Grund, zerknirscht zu sein, sondern eine Freude für alle Wesen.

    lg

    Das ist die Vollkommenheit des Durstes bis zur Vollendung dieser Entwicklung.

    Liebster Rudolf,


    abgesehen davon, daß keine Entwicklung je zur Vollkommenheit führen kann, es sei denn, das ganze Universum vergeht (denn dies ist das Verlöschen), so ist die Vollendung einer Entwicklung in der Unvollkommenheit immer der Tod, die Zerstörung oder das Vergessen, was aber zu neuen Entstehungen führt, jedoch ist es niemals ein Zustand der Vollkommenheit, ganz gleich, was Wikipedia (o.s.w.) darüber sagt.


    Aber ich sehe, Vollkommenheit und Unvollkommenheit sind Dir noch recht vage Begriffe, mit welchen Du recht freizügig jonglierst, so versuche ich mal, Dir zu verdeutlichen, wovon ich eigentlich spreche:


    Es gibt zwei Zustände, welche die Gesamtheit von dem, was ist, beschreiben. Der eine Zustand ist die Vollkommenheit, das ist das ewig Beständige, das Ungeteilte und Unwandelbare, ohne Makel hat es weder Anfang noch Ende, in diesem erfährt der Erwachte beständige und unermeßliche Freude. Es gibt nur eine einzige Vollkommenheit, und um Dir von dieser ein Bild zu vermitteln: Sie wird auch die die vollkommene Weisheit genannt, denn ihr kommt sowohl Gleichnis des Oberen, wie auch Gleichnis des Unteren zu, eines im anderen; in ihrer Herrlichkeit kann kein Unerwachter bestehen, könnte er sie erblicken, würde er in Furcht und Zittern vergehen, wie ein Staubkorn in der Feueresse.


    Der andere Zustand ist die Unvollkommenheit, diese ist geteilt, der Ort der Dualität, alles hier entsteht und vergeht, sein Merkmal ist der ständige Wandel, und aus diesem entsteht das Leiden. Dem in diesem Zustand Verweilenden, so sagte Buddha, komme keine Eigenexistenz zu, und im Vergleich mit der Weisheit (der Vollkommenheit) ist es einfach Dukkha. Nun ist Dukkha, das alles umfaßt, eben die Unvollkommenheit als solche (das unvollkommene Wesen von allem, das durch das Bedingte Zusammen-Entstehen in Erscheinung tritt, in seiner Gesamtheit), jedoch Dukkha, das nur einen Aspekt in diesem ausmacht, ist das Leiden, das erfahren wird.


    Das Geheimnis der Unvollkommenheit ist es aber, daß genau in ihr, in ihrem Zentrum oder ihrem verborgenen Herzen, sich der Keim der Vollkommenheit verbirgt, wäre es nicht so, gäbe es keine Befreiung, kein Erwachen: nirgendwohin führt das Tor, denn getrennt vom Seienden, gibt es kein Leben des Buddha.


    Nun, vielleicht wird Dir wenigstens eine Sache klar: wovon Du sprichst, ist offensichtlich nicht das, wovon ich spreche, und ebenso ist das, wovon ich spreche, nicht das, wovon Du sprichst. Normalerweise halte ich mich zurück, wenn mir etwas dergleichen auffallen sollte, aber ich kann ja auch mal eine Ausnahme machen...

    lg

    Hallo,

    Leider ist mir ein dummer Fehler unterlaufen, und mir ist klar, daß man mir deshalb auf keinen Fall mit gutem Gewissen zustimmen kann. Ich habe mir für den Beitrag zu wenig Zeit genommen, und so ist es eben passiert.


    Ich hatte dort geschrieben: Was Buddha wohl sagen wollte…

    Das ist natürlich Unsinn, denn dieses Wechselspiel innerhalb der Gegensatzpaare gibt es nach meinem Wissen so nicht im Buddhismus, freudvolle Erlebnisse führen zwar zu Dukkha, aber darüber, daß Dukkha zu Sukha führen kann, findet sich im Buddhismus eben nichts (ich hatte es ja auch schon weiter oben erwähnt). Mag es vielleicht auch so sein (auch das Bedingte Zusammen-Entstehen legt es nahe), so ist es doch nicht Bestandteil der Lehre, also wollte Buddha wohl kaum das sagen, was ich da gesagt habe.


    Im weiteren Sinn könnte man es aber schon auf diese Weise verstehen, und vielleicht (aber nur vielleicht) hatte Buddha etwas Ähnliches im Sinn, aber ich hätte eben schreiben sollen:

    Sollte man Schwierigkeiten mit (sinngemäßen) Aussagen jener Art haben, daß die Hingabe an unbeständige Freude von Übel ist, da es zum Anhaften an das Leid führt, sollte man sich vergegenwärtigen, daß ein Verweilen im Wechselspiel zwischen Sukha und Dukkha nirgendwohin führe, erst die Abkehr von diesem Wechsel und damit die Abkehr von diesen beiden, kann das Leid beenden.

    Ergänzend kann ich noch hinzufügen, daß innerhalb dieses Wechselspiels die Freude trotz allem etwas Gutes ist, sie macht uns das Leiden erträglicher, gäbe es sie nicht, würde sich unser Leben in eine Hölle verwandeln, und niemand hätte die Kraft und den Mut, sich aus diesem zu befreien. So können wir also sagen, daß sie in einem gewissen Sinn sogar hilfreich ist.


    Ich hoffe, man kann mir meinen Fehler nachsehen, ich wollte damit niemanden provozieren, ich war einfach nur ein wenig schusselig…

    lg

    Hi,

    ich versuche mal, einen Überblick zu schaffen und das Wesentliche herauszustellen. Es ist uns allen wohl schon klar: wir haben zwei Arten von Freude, eine, die beständig ist, diese wird Ananda (Glückseligkeit, Eudaimonia) genannt, und eine, die unbeständig ist, Sukha (allg. Freude, Glück). Nun ist Sukha das Gegenteil von Dukkha, kann aber eigentlich laut der Lehre Buddhas nicht als ein solches vorhanden sein, da ja alles Dukkha ist, also auch Sukha. Es wird so erklärt, daß dem Sukha das Dukkha innewohnen muß, da es zur Anhaftung an Dukkha führe. Das klingt allerdings ein wenig, als sei es an den Haaren herbeigezogen worden und ist als Erklärung deshalb recht unbefriedigend, auf diese Weise kann man leicht Widerwillen erzeugen.


    Dukkha ist nun ein Wort, das sich ungefähr aus ungenügend oder disharmonisch, und Leere oder Hohlraum zusammensetzt, die zentrale oder grundlegende Bedeutung mag nun Unausgeglichenheit oder Unvollkommenheit sein, ist aber wohl kaum die Unvollkommenheit als solche, sondern eben nur unvollkommen oder etwas Unvollkommenes. Tatsächlich bezeichnet es noch nicht das Leiden, kann aber, aufgrund seiner Mängel, zu diesem führen, das heißt, wenn Leid erfahren wird, ist dazu (eigentlich immer) eine Form von Dukkha die Ursache. Sukha ist dagegen das Harmonische, Mangelfreie, etwas, das vollkommen ist, eben genau so ist, wie es sein sollte. Es befreit zwar nicht vom Leiden, mindert es aber und hebt es innerhalb gewisser Grenzen auf.


    Nun ist Sukha aber tatsächlich etwas, das zu Dukkha werden kann (d.h. daß Sukha zu Dukkha führen kann), denn es kann immer so sein, daß etwas zu seinem Gegenteil wird, sich in dieses verkehrt. Das gründet darin, weil sich immer das Gegenteilige sucht, von diesem geradezu angezogen wird, denn diese geben sich gegenseitig Bestand und finden Stabilität im ständigen Wechsel. Aber genau deshalb kann auch Dukkha zu Sukha werden (also Dukkha zu Sukha führen), und der Wandel des einen ins andere wird immer so erfolgen, daß letztendlich ein Gleichgewicht gewahrt bleibt. Diese zwei bleiben aber immer getrennt, es handelt sich immer entweder um das eine oder das andere, wären sie Eins, eines im anderen ohne Trennung, dann würde sowohl Dukkha, wie auch Sukha verschwinden und Ananda stellte sich ein, die beständige Glückseligkeit, welche dem Erwachten die Gegenwart der vollkommenen Weisheit erweist.


    Was aber Buddha wohl sagen wollte - so vermute ich - ist der Hinweis, daß das Verweilen im ständigen Wechsel von Sukha und Dukkha nirgendwohin führt, man bliebe darin gefangen und würde diesem schließlich erliegen. Nicht daß Sukha oder die Freude etwas Schlechtes sei, nur der Verbleib im Wechsel von Freude und Leid ist es - zumindest wird der weitere Verlauf recht unglücklich enden.

    Wichtig hierzu ist es auch zu wissen, daß eben Sukha das Gegenteil von Dukkha ist, nicht Ananda. Ananda, das beständige Glück, ist das Gegenteil des ewigen Wechsels von Sukha und Dukkha. So können wir uns für einen Moment zurücklehnen und der Freude hingeben, daß Sukha und Dukkha in ihrem Wechselspiel die Tendenz zeigen, in eben diesem Wechselspiel sich Ananda zu nähern.


    Es wäre also nicht unangemessen, bei Dukkha nicht von Leid, sondern von Unvollkommenheit zu sprechen, eben in dem Bewußtsein, daß dieses verantwortlich sein mag für jede Erfahrung von Leid.

    lg