Beiträge von Sudhana im Thema „Das Selbst“

    irgendwie scheinst du nicht verstanden zu haben

    was ein "wahres Selbst" sein soll. Denn wenn das

    einer wirklich verstanden hat, dann ist ihm auch

    klar, daß es das nicht geben kann.

    Sorry - aber Du hast keinen Anspruch darauf, dass jeder unter einem "wahren Selbst" das versteht, was Du darunter verstehst und verstanden haben willst und schon gar keinen Anspruch darauf, zu definieren, was Andere gefälligst darunter verstehen sollen. Es existiert für diesen Begriff eine ein paar Jahrhunderte alte Begriffsgeschichte. Sie nicht zu kennen, ist eine Sache. Sie zugunsten privater Definitionen - die überdies nur angedeutet und nicht offengelegt werden - zu ignorieren, eine andere. Ob es das, was Du persönlich darunter verstehst, nun geben kann oder nicht, ist jedenfalls für jeden außer Dir herzlich uninteressant. Das ist nichts als Spiegelfechterei, was Du da betreibst. Die dogmatische Blase.

    Solange an ein mögliches "wahres Selbst" geglaubt wird,

    solange wird man etwas für ein mögliches Selbst halten

    von dem der Buddha aber niemals gesprochen hat.

    Das ist bezeichnend für Dein Problem: Du kannst schlicht und einfach nicht zuhören. Es wurde hinreichend deutlich gemacht, dass es nicht um einen "Glauben" geht. Es ging zum einen um die theoretische Möglichkeit, die Existenz eines nicht wahrnehmbaren Selbst zu behaupten oder zu bestreiten. Beides ist nicht bzw. nur spekulativ möglich - und Buddha hat nach dem Zeugnis des Palikanon auch beides nicht getan. Er hat gezeigt, dass eine anatman-Sichtweise heilsame Effekte hinsichtlich des existentiellen Problems 'duhkha' bewirken kann. Und genau darauf hat sich der Buddha des Palikanon ja auch beschränkt: das existentielle Problem, seine Ursachen und Begleitumstände, wie man es theoretisch und wie man es praktisch bewältigt. Ontologische Aussagen haben diesen Buddha schlicht nicht interessiert.


    Das "wahre Selbst", zhenwo, von dem hier die Rede war, bezeichnet kein transzendentes Konzept, sondern eine konkrete Erfahrung. Dein wahres Gesicht vor Geburt Deiner Eltern. Das Ungeborene. Mit dieser auch als satori oder kensho bezeichneten Erfahrung beginnt(!) der Weg des Zen. Diese Erfahrung ist eben kein Selbst (im Sinne von wo oder atman) aber auch kein Nicht-Selbst. Das ist dann auch kein theoretisches Transzendieren, sondern konkrete Erfahrung, die dualistische Sichtweisen wie Selbst / Nicht-Selbst übersteigt und aufhebt.


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    Eben weil man nicht wissen kann ob es ein transzendentes Selbst gibt oder nicht, ist es unangebracht eines zu postulieren.


    Was den Schein eines wahrnehmbaren Selbstes hervorruft ist das Ergreifen und Anhaften, inwiefern ist das ein "wahres Selbst"? Wie ist das gemeint?

    Zum ersten Satz: natürlich. Und genauso unangebracht ist es, seine Nichtexistenz zu postulieren. Bertrand Russel verdeutlicht die Unlösbarkeit des Problems mit seinem berühmten Teekannen-Gleichnis. Die These der Existenz einer kleinen Teekanne, die irgendwo im All um einen fernen Planeten kreist, ist (zumindest mit heutigen Mitteln) weder beweisbar noch widerlegbar. Man kann darauf verweisen, dass so etwas extrem unwahrscheinlich ist, aber man kann es nicht widerlegen.


    Zum zweiten Satz: Du reduzierst mit "Ergreifen und Anhaften" in unzulässiger Weise. Entscheidend für unsere Frage ist doch, dass es ein Ergreifen und Anhaften gibt und es gibt ein Nicht-Ergreifen und Nicht-Anhaften. Was wird ergriffen? Nicht der Schein eines Selbst. Der Schein des Selbst ist das Ergreifen selbst. Was aber wird nicht ergriffen? Was scheint in die Existenz des Schein-Selbst?


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    Also wenn das beides so unentscheidbar wäre, könnte man sich die Lehre sparen.

    Glaube an eine Lehre ist ein schwacher Ersatz für ernsthaftes Prüfen aus eigenem Erkennen heraus. Was immer auch ein Prüfen der Voraussetzungen und Grenzen des Erkennens ist, wenn man es denn ernsthaft betreibt. Wobei es hier, wohlgemerkt, um theoretische Erkenntnisse geht.


    Aber Du hast recht insofern es die Lehre wohl geben muss - für die Glücklichen (oder Risikofreudigen), die sich mit Glauben zufrieden geben wollen oder müssen.


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    Das wahres Selbst macht also Ego.

    Das wahre Selbst (zhenwo 眞我) macht gar nichts. Es ist ein Spiegel, dessen Klarheit durch Gier und Hass verzerrt ist und so ein Selbst (wo 我) spiegelt. Ohne die 'Verzerrungen' verschwindet auch das Spiegelbild - nur durch sie existiert es. Und nur durch das Spiegelbild existiert der Spiegel. Huineng hat in seiner berühmten Gatha darauf hingewiesen. Die Yogācārin nennen diesen Moment, wo der 'Spiegel' leer wird, 'Umwenden der Basis' (轉依 zhuanyi /

    tenne, āśraya-parivṛtta).


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    Es gibt ein Selbst, aber es ist nicht wahrnehmbar

    Ein solcher Satz in der Lehre und man könnte sie wegschmeißen.

    mukti : ich tendiere da eher zu Sunu s Auffassung, insofern die Frage nach dem Selbst theoretisch ebenso unentscheidbar ist wie die nach einem Gott. Ein nicht wahrnehmbares Selbst ist ein transzendenter (jenseits möglicher Erfahrung definierter) Gegenstand. Eine sich auf mögliche Erfahrung beziehende Antwort auf die Frage eines solchen transzendenten Seins muss daher notwendig unentschieden sein. Es kann "nicht aufgefunden werden" - woraus jedoch keine Nichtexistenz ableitbar ist, lediglich eine agnostische Position. Ableitbar ist dafür jedoch die Aussage, dass die Frage auf das Sein eines nicht wahrnehmbaren Selbst müßig (wie die nach dem Horn eines Hasen), da unbeantwortbar ist.


    Sinnvoller erscheint mir da dann doch der Zugang, den Blick auf das zu lenken, was als Selbst erscheint und wahrzunehmen, wie und unter welchen Ursachen und Bedingungen es funktioniert - was also seine Funktion ist. Da erscheint es leer von Substanz, als ein sich beständig gemäß Ursachen und Bedingungen wandelnder dynamischer Moment. Diese Dynamik lässt sich stillen - denn seine Quelle liegt in eben dem, das durch Ergreifen und Anhaften als Selbst erscheint. Wenn mit der Dynamik der Schein des Selbst verblasst, bleibt das, was diesen Schein einst hervorrief. Mangels eines besseren Wortes könnte man es "wahres Selbst" nennen. Muss aber nicht sein, wenn man gegen das Wort allergisch ist ...


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