Beiträge von Niemand im Thema „Der Bodhisattva des großen Mitgefühls und des Helfens“

    Ich las heute einen interessanten Artikel mit dem Titel "Mut zur Wunde" von Dr. Andreas Weber in der neuen Ausgabe der evolve.

    Hier ein kleiner Auszug:

    Dr. Andreas Weber:

    ...Toxische Scham löst sich selten in heilenden Tränen. Sie will sich verbergen und muss dafür leugnen. Je schlimmer es weh tut, desto stärker wird die Verleugnung, desto größer die Brutalität. Wer toxische Scham empfindet, dass er zur Menschlichkeit nicht in der Lage war, tendiert dazu, anderen ihre zu entreißen. ...

    der Artikel bezog sich zwar auf das Leugnen des Klimawandels, aber ich denke das könnte man auch auf Leute ummünzen, die leichtfertig Helfersyndrome oder Gutmenschentum attestieren.

    Die toxische Scham fand ich jedenfalls sehr einleuchtend und nachvollziehbar.

    Kann natürlich auch sein, dass die Zen-Meister das einfach unter sowas wie 'Soheit', 'Weisheit' oder 'Gewahrsein' mit abgehandelt verstehen, weils einfach ein natürlicher Nebeneffekt davon ist. Dafür scheints mir aber dann doch ein zu wichtiger Aspekt zu sein.

    das fang ich langsam an, anders zu sehen. Vielleicht ist es wirklich am besten, kein extra-Fass aufzumachen.

    Auch ist Mitgefühl nicht gleichzusetzen mit Helfen. Wenn jemand ertrinkt, habe ich Mitgefühl - helfen kann ich aber nicht, da ich nicht wirklich schwimmen kann. Es wäre daher töricht ins Wasser zu springen. Das genannte Helfer-Syndrom, wäre ja, wenn man anderen Hilft, sich selbst aber schadet. Das kann ja nicht das Ziel sein. Wenn ich helfen kann, dann helfe ich. Wenn ich es nicht kann, dann nicht.

    Ich glaube, wenn jemand ein Helfersyndrom unterstellt, dann meistens, weil unterstellt wird, dass man hilft, um sich selbst dabei gut zu fühlen, weil man ja einem höheren Ideal folgt, das aussagt, dass man was Besseres ist, wenn man hilft.

    Ich habe gerade die Zennies als sehr down to earth empfunden. Also nicht weltabgewandt.

    Ist ja auch oft so - find ich auch. Man kann sich aber z.B. auch hinter einer 'Mauer aus Leere' verschanzen und nichts an sich ran lassen, weil es ja leer ist und es einem ganz gelegen kommt, dass nichts von Bedeutung ist, weil man ja sonst Verantwortung übernehmen müsste. Wenn das nur vorübergehend ist, ist es ja auch ok.

    sati-zen

    Es kommt aber auch beim Zen vor, dass diese innere Geborgenheit zur Weltflucht / -abkehr verwendet wird. Das ist wahrscheinlich auch immer wieder mal oder auch mal über längere Zeiträume genau richtig, aber gerade das Bodhisattva-Ideal sagt ja aus, dass das, was man da im Inneren erfährt auch nach draußen transportiert werden soll. Da darf das Ego dann nicht an möglichst viel eigener Geborgenheit hängen, sondern muss sie auch, wenn es nötig ist, hinten an stellen.

    Da stellt sich die Frage, ob man den Schritt gehen will vom 'Praktizieren, um sich selbst verbunden zu fühlen' zum 'Praktizieren, um ein Stück Trennung aus der Welt nehmen zu lassen'. Die Übergänge sind sicher fließend/pendelnd, aber man muss dem spirituellen Prozess wahrscheinlich auch selbst die Erlaubnis geben, sich dort hin entwickeln zu dürfen.

    Die inneren Impulse, die das Zen nach außen tragen wollen sind ja bei jedem da, aber sie sind nie zwingend und sind eher sowas wie ein stets präsentes Angebot der Art 'Willst Du Dich einen Schritt weiter führen lassen, oder wolltest Du nur was Du wolltest und jetzt Deine Ruhe haben?'

    Nach der Geburt beginnt dann evt. eine Irritation und zusätzlich eine Suche?!

    Also jetzt nur mal aus der körperlich betrachteten nun fehlenden Verbundenheit des Mutter-Kind Körpers in ja nun

    Mutter und Kind Körper.

    Ich glaub erstmal ist es ein offenes Entdecken der neuen Welt und die Geborgenheit ist ja normalerweise noch mindestens so lange da, bis sich das Ich entwickelt. Da kann meiner Meinung nach auch erst sowas wie Suche anfangen. Irritiert kann man ja eigentlich auch nur sein, wenn etwas nicht den Erwartungen entspricht, aber ein Neugeborenes hat die ja nicht. Da bleibt einem nur Staunen übrig.

    Ja, ich mag sie jetzt schon. Ich glaube, wir können (auch) von den guten europäischen Lehrern viel lernen! .. die die Lehrern lange durchdrungen haben und dann aus ihrem Herzen sprechen - mit dem Hintergrund, der unserem ähnelt.

    seh ich auch so, da wir ja alle Kinder unserer Zeit sind und jede Zeit auch ihre eigenen Hindernisse und Möglichkeiten mit sich bringt.

    Schneelöwin das 'Problem' hab ich jetzt nur gerade darin gesehen, dass mich alternative Begriffe interessieren würden, aber um die zu kennen müsste man belesener sein.

    Was Du da schreibst bzgl. '3 Autoren / 3 Meinungen' hab ich auch schon gemerkt. Da reichen sogar youTube Videos :)

    Der Witz ist wahrscheinlich, dass alle 3 richtig liegen, selbst wenn sie sich logisch betrachtet sogar zu widersprechen scheinen :)

    Jeder gewichtet anders, weil das eigene Ego eine 'individuelle' Gewichtsverteilung hat. Bei Lehrern oder Autoren, die eine ähnliche Gewichtsverteilung haben fühlt man sich dann vmtl. am besten aufgehoben.

    ...oder sie wiegen garnichts mehr, dann passen sie vielleicht zu jedem, aber das dürfte selten sein.

    Noreply

    ja,beobachte ich auch.maitri und positiv denken wird verwechselt.

    der mittelpunkt der zen praxis ist die nicht-gegenständliche meditation.da ist man viel weniger versucht,etwas zu konstruieren oder zu konzeptuallisieren.

    ich frag mich halt, obs da wirklich so harte Grenzen gibt, oder ob die nicht eher fließend sind. Man kann ja auch mit dem Geist an die Sache heran gehen, dass man in konkretem Bezug auf die eigenen Schwächen im Laufe der Zeit besser heraus findet, was man tun kann, um wieder zur Einsicht zu gelangen, dass man eigentlich nichts tun kann und muss.

    Wenn das der Fokus ist kann man bei den entsprechenden Experimenten aus meiner Sicht nur dazu lernen.

    Zumindest im Vipassana ist man in der Regel der Meinung, dass man sich einer wichtigen Energiequelle beraubt, und Gefahr läuft, seinen Perfektionismus noch weiter zu stärken, wenn man Liebende Güte nicht aktiv trainiert.

    hab ich Dich richtig verstanden, dass man im Vipassana dazu angehalten wird, 'Liebende Güte' aktiv zu trainieren?

    Lama Shenpen schreibt

    _erwachtes Herz_,

    hat sie da auch ein 'Gegenstück' wie z.B. 'erwachter Geist', das sie dann voneinander abgrenzt?

    wenn es mir schlecht geht helfen die Techniken nicht, aber das leer machen von Gedanken

    für mich ist das so, dass das 'leer machen von Gedanken' immer die Kernpraxis ist, aber gerade wenns mir schlecht geht und so eine Art Dumpfheit entstehen will, dann finde ich es hilfreich, auch aktive Methoden zu nutzen. Wahrscheinlich, damit aus der Dumpfheit wieder was erkennbares entsteht, mit dem dann wieder 'ganz normal' geübt werden kann - um quasi erstmal wieder heraus zu finden, was wirklich im Raum steht, um es loslassen zu können.

    Geht es nicht um Liebende Güte? Oder gibt es das im Zen nicht?

    passt eigentlich rein sprachlich für mein Empfinden schon besser.

    Mein Problem ist halt, dass ich nie viel gelesen habe und somit auch nicht weiß, obs das im Zen gibt (aber ich seh grad im 2ten Tab, dass Onyx das gerade beantwortet hat)...

    'Liebende Güte' ist ja das mit der Metta-Meditation, oder?

    Da wird es dann, so weit ich hier im Forum raus gehört habe ja auch praktisch aktiv über die Meditationsformeln 'heraufbeschworen' (mein ich nicht negativ).

    Ich mein nur, dass sich, vielleicht gerade im Zen, schonmal jemand was überlegt haben müsste, was wirklich ausdrückt, dass es sich nicht um ein Gefühl handelt und dass es nicht hergestellt wird, sondern ohne Brimborium zum Vorschein kommt, wenn die darüber liegenden Schleier weg fallen.


    Kann natürlich auch sein, dass die Zen-Meister das einfach unter sowas wie 'Soheit', 'Weisheit' oder 'Gewahrsein' mit abgehandelt verstehen, weils einfach ein natürlicher Nebeneffekt davon ist. Dafür scheints mir aber dann doch ein zu wichtiger Aspekt zu sein.

    M.e. geht es lediglich um die Unmittelbarkeit der Handlung.


    Aber das ist nur meine derzeitige Lieblings Auffassung dazu ...

    ich versteh Dich glaub schon, aber mich stört da im Hintergrund das 'Kindchenschema' mit den großen Augen und die hormonellen Aspekte, die eine Mutter zunächst mal fast schon zwingen, fürsorglich zu sein. Das schwingt da z.B. bei mir gleich mit, wenn ich Mutter-Kind lese. Da wird die Unmittelbarkeit ja dann auch irgendwie hergestellt und ist nicht eine Folge von Weglassen dessen, was Unmittelbarkeit ansonsten verhindert.

    Halloechen,


    in letzter Zeit habe ich öfter gemeint, dass das Beispiel von Mutter und Kind für Mitgefühl ebenso gemeint ist, also dass es auch dabei um das ganz unwillkürliche geht, nicht vordergründig um das Gefühl, mehr um das unterstützende handeln ohne nachzudenken und ohne widerstand ...

    Für mich würde ein Schuh draus, wenn man es so deutet, dass wirklich jeder Mensch sowohl Mutter, als auch Kind ist und das Leben im gegenwärtigen Augenblick die Rolle auswählt, die gerade dran ist. Man lässt das Leben für sich sorgen und versucht nur, nicht im Weg zu stehen, sondern sich dafür zu öffnen, dass man vom Leben dafür genutzt werden kann, ohne sich das anzurechnen, was da geschieht.

    vorsicht.man kann sich hier immer noch von zielen und interessen lenken lassen oder gelenkt werden.

    ....Wenn einen der Griff zum Kopfkissen aber selber überrascht, wenn man später die Muße hat drüber nachzudenken, ...

    ...ist auch die Zeit ein Teisho zu verfassen.Wie ich einmal in der grossen Vollkommenheit weilte und Avalokiteshavara einen Arm verlor.;)

    kannst Du Dein Teisho hier mal rein posten (der Thread ist ja von mir und ich hab nichts dagegen)? :grinsen:

    Wenn du das recherchiert hast, dann weisst du sicherlich auch, dass es hier ein Fall ist, der in zwei der berühmten Koansammlungen enthalten ist, dem Hekiganroku und dem Shoyoroku. Dabei geht es in diesen Beispielen NICHT um das Bodhisattva-Ideal oder um so was wie Helfen. Vielmehr manifestiert der Bodhisattva Avalokiteshvara shunyata - und wie es im Herz-Sutra heisst - gibt es da nichts zu sehen, zu hören, zu tun.

    das wusste ich ehrlich gesagt nicht, dass das auch in den Koans vorkommt. Hast Du da vielleicht nen Link?

    Für mich war aber schon klar, dass es da nicht nur ums Bodhisattva-Ideal geht, sondern dass die Beschreibung mit dem Griff nach dem Kissen eigentlich auch allgemein für absichtsloses Handeln verwendet werden kann. Auf das wolltest Du doch hinaus, oder?

    Quelle: Buddha Blog Berlin


    Mein Lehrer hat auf dem letzten Kurs dieses Beispiel mit dem Kopfkissen gebracht und da habe ich jetzt recherchiert wo das her stammt. Ich fand das so eindrücklich, dass ich das hier auch nicht ganz uneigennützig poste, damit ich es immer wieder finden kann.


    Hier im Forum wird das Bodhisattva-Ideal ja auch manchmal als Helfersyndrom belächelt, aber Meister Dogen sieht das anders. Im verlinkten Artikel stehen noch mehr interessante Details dazu.


    Buddha Blog Berlin:

    Meister Dôgo sagt dann im obigen Gespräch den äußerst wichtigen Satz, dass der Bodhisattva des großen Mitgefühls wie ein Mensch handelt,


    "der nachts die Hand nach hinten ausstreckt und nach seinem Kissen greift".

    Dies ist sicher eine ganz ungewöhnliche Formulierung. Was soll dies bedeuten? Damit will uns Meister Dôgo sicher die Selbstverständlichkeit des Handelns aus Mitgefühl deutlich machen, denn es ist nicht von einer bewussten „edlen Absicht“ die Rede, sondern von einer natürlichen Bewegung der Hand, die fast im Halbschlaf nach hinten greift, um das Kopfkissen zu erfassen und richtig hinzurücken. Dies ist in der Tat eine aussagekräftige Formulierung für die Selbstverständlichkeit, mit der die Hilfsbedürftigkeit unmittelbar erkannt und ohne Verzögerung, ohne Überlegung und ohne selbstsüchtige Absicht in die Tat umgesetzt wird. Diese Szene macht auch deutlich, dass es gar keine Zuschauer gibt, die vielleicht von der Hilfeleistung beeindruckt sind oder Beifall klatschen, sondern das Helfen selbst geschieht im Einklang mit dem Gesetz des Lebens und Universums so selbstverständlich, dass es in Fleisch und Blut übergegangen ist und dabei gibt es kein Zögern, keine Hemmnisse und keine Berechnung.

    Quelle: Buddha Blog Berlin


    ZEN Schatzkammer Band 2: Einführung in Dogens Shobogenzo