Beiträge von Alephant im Thema „Leiden und Karma (ImNebel durch den Gedankenurwald 1)“

    Ich komme aus dem medizinischen Bereich und habe ebenfalls Physiotherapie gelernt und kann jegliches körperliches "Phänomen" diversen Ursachen zuordnen, den Verlauf logisch erklären oder zumindest an Symptomatiken zuordnen.

    Dieses analytische Verhalten lege ich in so ziemlich jedem Lebensbereich an den Tag. Erklären zu können was woher stammt, wieso es so ist wie es ist, was es verursacht und wie man es verhindert, erhält oder vernichtet, gibt mir Sicherheit.


    Als mit Physiotherapie Vertraute weisst du ja, dass die Handlungen und damit entstehende Körpergewohnheiten (zB eine Sitzhaltung) den Körper und damit das Empfinden bedingen.


    Ursache und Wirkung sind oft zwei Seiten der selben Medaille.

    Ich habe mich an einem Satz aufgehangen (Rodrigo Gonzalez Zimmerling, Berlin), in dem er sinngemäß in einem Youtube Video zur Einführung in den Buddhismus sagt, wenn wir eine schlimme Erfahrung machen, einem drastischen Erlebnis unterliegen, dass wir dann irgendwann auch mal was derart Miserables angestellt haben, damit uns dieses als karmische Reaktion widerfährt.

    Das ist keine bud. Interpretation:

    Zitat

    Sollte, ihr Mönche, die Behauptung zutreffen, daß der Mensch für jedwede Tat (kamma), die er verübt, die ihr jedesmal genau entsprechende Wirkung erfährt (*3), so ist in diesem Falle, ihr Mönche, eine heiliger Wandel ausgeschlossen und keinerlei Möglichkeit besteht für völlige Leidensvernichtung.

    pk A 3.101


    Ich finde das sehr wichtig und richtig, dass du dieses Zitat aus dem PK präsentierst.


    Man reduziert mit dem obigen vorgeschlagenem Denken die Erfahrungen zu sehr (oder ausschließlich) auf ein wirkendes Selbst.

    Eigentlich zielte meine Frage eher darauf ab, wie ich es für mich annehmen könnte, wenn mir selbst so etwas zustiesse.

    Wie kann ich solche Wirkungen für mich selbst einsortieren?


    Mir ist bisher noch kein grosses Unglück wiederfahren. Aber bei den kleineren Unglücken ist mir (vor dem Hintergrund der Erinnerung an eigene falsche Handlungen) öfter aufgefallen, dass ich es nicht anders verdient habe. So ein Gedanke hat mich öfter zum Lächeln gebracht und mir irgendwie geholfen.


    Spock hat einmal davon gesprochen, dass ihr im Angesicht einer unangenehmen Sache der Gedanke der Vergänglichkeit hilft.


    Auf jeden Fall ist es nicht gut, grosse Metaphysiken (grosse Begründungen über äussere Umstände, wie die waren oder sind, weswegen einem dies oder das passiert ist) zu ersinnen. Es geht bei solchen Überlegungen um ein praktisches Fazit. Zum Beispiel: "Ich muss mehr achtgeben, mehr in der Gegenwart sein."


    Letztlich geht es schon auch darum, ertragen zu können. Aber diesen Satz kann man auch zu absolut und sehr falsch verstehen.

    ImNebel


    Es ist das Wort "Schuld" allein weniger das Problem. Auch ist der Begriff in unserer Sprache nicht besonders stark durch den christlichen Glauben geprägt (Mit der "Sünde" ist das was anderes). Es ist ein allgemeines, auf die vagen Ansichten über die Menschen/Personen bezogenes Denken das Problem, was sich sprachlich auch in einer entsprechenden Verwendung des Begriffs Schuld (lediglich verurteilend und definierend) äussern kann. Ebenso kann man das aber auch mit dem Begriff der Verantwortung und Verantwortlichkeit und natürlich weiteren Begriffen falsch und unheilsam denken.


    Zitat

    Mit dem Thema "Schuld" verbinden wir oft christliche Konzepte. Wenn wir dazu neigen zu denken "ich bin schuld" dann neigen wir oft dazu, uns darin einzumauern und nichts zu verbessern.


    Nichts verbessern tut man gerade dann, wenn man nicht weiß, dass man für sich selber Verantwortung hat. Wenn man nicht weiß, dass es die eigenen Handlungen sind & waren, die bestimmtes (auch dass man sich schuldig wie auch verantwortlich fühlt) bewirken.


    Eben das Wissen um die Folgen der Handlungen (und dass man so oder so folgenbewirkend gehandelt hat) kann dazu führen, dass man ein schlechtes Gewissen bekommt und für eine Zukunft Handlungen anstrebt, die anderes bewirken.


    Verantwortung für das eigene Handeln (in der Anerkennung dessen, dass es Wirkungen/Folgen gibt) gibt es klar und vor allem auch im Buddhismus. Da sind es aber eben die Handlungen die man als Bedingung und Ursache erkennen könnte, und nicht Personen an sich, die die Ursache für bestimmtes Verhalten oder Entwicklungen sein sollen.


    Darüber zu spekulieren (welche Handlungen in früherer Zeit wozu geführt haben) kann man richtig tun (indem man ein praktisches Fazit für zukünftiges, besseres/richtigeres Handeln zieht, womit dann die Spekulation auch vorbei sein sollte) aber auch auf "ungesunde", selbstzerfleischende und dabei Ansichten über ein Selbst konstruierende Art. Über konkrete Wirkungen, also über Karma zu spekulieren, davon rät der Buddha ab. Das wird im tibetischen Buddhismus nicht so eng gesehen zB. Da spricht und denkt man, so wie ich es hier im Forum erlebt habe, viel und unvorsichtig über Karma (also die Wirkungen).


    Zitat

    Die schwierigen Aspekte, die dem Wort heute anhaften, sind wohl v.a. auf das Christentum zurückzuführen, wo Schuld u.a. auch Mittel der Unterdrückung oder Kontrolle ist.


    Ich weiß nicht, wo kilaya das her hat. Der "schwierige Aspekt" ist grundsätzlich atta-Glaube und dass man unnötig spekuliert, anstatt in entsprechenden Fällen, die man wirklich beurteilen könnte (die eigenen Handlungen) ruhig und vorsichtig das Gefühl dabei betrachtet. Das sagt einem zumeist, ob mans hätte besser machen können, oder nicht.


    Die Wesen sind Erben ihrer Handlungen (so sagt das der Buddha).

    Bei der Erklärung der Zusammenhänge hat der Buddha niemals von Schuld geredet.


    Zitat

    Unterdessen ging der Erhabene am Geierkulm auf und ab. Da stieg Devadatto auf den Geierkulm hinauf und rollte einen mächtigen Stein hinunter und meinte: "Damit werde ich den Asketen Gotamo ums Leben bringen." Aber zwei Bergspitzen stießen zusammen und zermalmten diesen Stein, zwei Splitter sprangen ab und schlugen dem Erhabenen den Fuß blutig. Der Erhabene blickte nach oben und rief Devadatto zu: "Du Wahnsinniger hast eine gewaltige Schuld auf dich geladen, da du aus bösem Willen, in mörderischer Absicht Blut des Vollendeten vergossen hast."

    Culla Vagga 7


    Ich erinnere mich an eine andere Lehrrede in der einem Konvertiten auf dessen Frage, warum die Leute so gemein so zu ihm sind durch den Buddha geantwortet wird, dass das die Folge früheren Wirkens wäre, die er zu ertragen hätte.


    Das Problem ist, dass die Menschen andere aufgrund ihrer Taten verurteilen um damit eine Person zu begründen und nicht einen Weg oder eine Hilfestellung.


    Das Verhalten der Täter bleibt damit ungemindert schädlich und verursacht für sie entsprechende Eindrücke und muss natürlich auch weltlich angemessen sanktioniert werden.


    Es gibt die Legitimation von Gewalt gegen Straftäter einmal in ihrem Sinne (dass sie sich bessern mögen. Hierzu auch Kant ab 1786). Andererseits dadurch, dass Menschen Verhalten nachahmen. Die Idee ist, das man bestraft um auch abzuschrecken (es wurde glaube ich mehrfach gezeigt, dass die Abschreckungswirkung nicht so funktioniert, wie man das denkt). Dann ist es so, dass mit konsequent durchgesetztem Recht, Vertrauen in das Recht (und den Staat) gebildet/erhalten wird. Eine andere Legitimation ist, dass man die anderen Bürger vor weiteren Straftaten durch den Täter schützen möchte. Strafzwecktheorie – Wikipedia



    Die letzte Ursache des Leides ist das Nichtwissen. Und so wird das auch in der Buddhalehre begründet. Ohne das ist Leidentstehung nicht möglich.