Beiträge von Schmu im Thema „Buddhismus und Depression / Resignation“

    Mein Verständnis von dukkha ist so:


    Dukkha ist für mich alles, was die deutschen Begriffe "Leiden", "Kummer", "Schmerz" zum Ausdruck bringen. Und das auf allen drei Ebenen, der geistigen, der emotionalen und der körperlichen.

    Dann sehe ich auch noch einen großen Komplex von dukkha, der sozusagen naturgegeben ist, und einen anderen, der "künstlich" dazu-erschaffen wird. Der zweite Komplex spielt sich vor allem im geistigen Bereich ab, aber auch im emotionalen.


    Das alles macht die ganze Sache nicht so einfach, weil wir selten die Gesamtheit vor Augen haben, sondern oft einen bestimmten Teilbereich.


    Zu Depressionen finde ich diesen Satz von @Lucy bemerkenswert:

    Depression deckt oft schlimmere Schmerzen zu, die man verdrängen musste um psychisch zu überleben.

    So sehe ich das auch. Depressionen entstehen durch das Verdrängen / nicht zulassen wollen von Emotionen. Die Emotionen scheinen zu groß, zu mächtig zu sein. Depressionen sind für mich unter anderem das Ergebnis davon, dass ich sehr viel Energie darauf verwenden muss, etwas Bestimmtes nicht zu spüren. Das kann z.B. große Wut, große Traurigkeit, große Enttäuschung sein.

    Zumindest die Lehre Buddhas (ich glaube daneben auch weitere Lehren des Buddhismus) ist ja von 'Natur aus' eben keine, die eine dauerhafte Phase von Resignation und Missmut und Tagträumereien begünstigt. Doch wohl eher im Gegenteil? Oder meinst du, wir sind alle (?) schon way beyond einer Möglichkeit dieses Ding noch einigermassen weise anzufassen?

    Mein Eingangspost sollte nicht meine eigene Meinung widerspiegeln. Ich wollte nur mal ein paar Ansichten sammeln, wie ihr das so seht.


    Ich habe gelegentlich das Gefühl, dass bei diesem oder jenem jegliche Form der Freude oder Wertschätzung etwas zwiespältig beäugt wird, oder sogar schnell mal in die "Anhaftungs-Ecke" gepackt wird.

    Es gilt als Ziel sich von Anhaftungen zu befreien, was

    bedeutet, dass diese Welt es nicht Wert ist, sich mit ihr

    zu sehr zu identifiziert.

    Ja, und das sehe ich etwas anders. Sowohl, die Welt als wertlos – und auch, sie als wertvoll zu betrachten – beides ist für mich Anhaftung. Das Eine führt zu Ablehnung (= das ist Anhaftung), das Andere führt zu Verzückung (= das ist auch Anhaftung).


    Es gibt aber noch eine andere Ebene, auf der ich es vernünftig finde (und das auch so fühle), dem Leben / Dasein eine bestimmte Art von Wert beizumessen. Alleine schon, weil es mir eben die Möglichkeit verschafft, mich zu schleifen / verfeinern / bearbeiten.

    Ich habe eine Frage und möchte diese eingangs mal etwas platt und plakativ formulieren:


    Begünstigt die buddhistische Lehre es, das Leben in erster Linie als eine Qual zu sehen?


    Ich versuche mal, es näher zu erläutern, wie ich das meine.


    Dukkha kann wohl als einer der zentralsten Begriffe im Buddhismus bezeichnet werden. Alles, was ich mit den Sinnen (einschließlich des Denkens) wahrnehmen kann, ist durchdrungen davon. Alles ist außerdem Werden und Vergehen unterworfen, alles ist vergänglich. Weiterhin kann man sagen, der Buddhismus entlarvt einen Großteil dessen, wie wir gewöhnlich auf die Welt blicken, als illusionsbehaftet, als wirklichkeitsfremd.


    Es geht viel darum, loszulassen, sich zu verabschieden, zu überwinden. Es kann die Frage auftauchen: "Wozu das alles, was bleibt denn noch übrig?" Wenn man es wirklich zu Ende denkt, bleibt nichts übrig. Nichts, das dieser Welt zugerechnet werden kann. Nibbāna wird gleichsam in eine Parallelwelt verlegt, die sich von dem, was unsere gewöhnlichen Sinne wahrnehmen können, weit entfernt befindet.


    Das Werden und Vergehen, das Rad des Lebens, wie wir es mit unseren unmittelbaren Möglichkeiten sehen können, wird als etwas gesehen, das es zu überwinden gilt.


    Das alles kann dazu einladen, resigniert / niedergeschlagen / apathisch zu werden, finde ich. Oder nicht? Die "Erlösung" wird in gewisser Weise gerade NICHT im Hier und Jetzt angestrebt, sondern eben in einer Parallelwelt, jenseits aller Erscheinungen und Phänomene.


    So wie ich es hier formuliere, muss es vielleicht als falschverstandener Buddhismus bezeichnet werden, aber die Gefahr, zu solchen Ergebnissen zu kommen, finde ich doch ziemlich groß.
    Denn am Ende scheint es nicht darum zu gehen, das Dasein vor allem zunächst einmal selbst weitgehend von dukkha zu befreien. Natürlich geht es darum auch, aber in letzter Konsequenz ist das offenbar nicht das Ziel. Sondern das Ziel ist, gleichsam über den Kreislauf, in den wir eingebunden sind, hinauszuwachsen. Ihn zu verlassen. Aus meiner Sicht kann das davon ablenken, was für Möglichkeiten dem Menschsein möglicherweise innewohnen, das Hier und Jetzt selber zu verwandeln. Und zwar so zu verwandeln, dass dukkha abgemildert wird. Dass die gröbsten Stacheln und Dornen, soweit es das menschliche Potenzial zulässt, beseitigt werden.

    Das kann zwar keine dukkha-freie Welt hervorbringen, aber ich würde schon sagen, dass da eine ganze Menge möglich ist.


    Wenn ich Buddhismus mehr als eine Religion, denn als eine Möglichkeit, das menschliche Potenzial zum Erblühen zu bringen, sehe, kann es leicht passieren (wie in allen anderen Religionen auch), dass ich "die Rettung" in ein vermutetes Paralleluniversum verlege.


    Was denkt ihr zu meinen Gedanken? Wie seht ihr das?